Konstruktionslinien, Centuriation/Limitation, etc.

Aus einem Text von 1991 des Archäologen von Rudolf Fellmann, wissenschaftlicher Erstuntersucher der Berner Zinktafel, und seine Interpretation der Silbe "Breno" im keltischen Ortsnamen.
"Mehr Probleme bereitete das Wort der dritten Zeile »brenodor«. Lernt man aus der letzten Zeile, dass Omega einem langen »ü« entspricht, so ergibt sich als Zwischenlesung »brenodur«, das zu »*Brenodur(um)« zu ergänzen doch wohl nicht ganz abwegig ist. Über die Bedeutung von »durum« sich zu verbreitern, hiesse Wasser in die Aare tragen. »Breno« bereitet mehr Pobleme. Wir neigen zur Ansicht, dass die Silbe sich in den romanischen Sprachen unter der Bezeichnung »brenne« (französisch), »brena« oder »brenha«
(spanisch und portugiesisch) erhalten hat. Die Bedeutung dieser Wörter ist etwa »Landschaft mit vielen Wasserläufen und Sumpf, dichter Wald mit Gestrüpp und Wildnis auf grosser Fläche etc.« Heisst »Brenodor« Brenodurum) etwa »Burg in der buschwaldbedeckten, unzugänglichen Flussschleifenlandschaft«? In Frankreich gibt es einen ganzen Landschaftsstrich mit dem Namen »La Brenne« (im Loirebogen des Orleanais zwischen Indre und Creuze), der sich durch seine Kargheit und die vielen Teiche und Tümpel im Wald auszeichnet. Dass eine solche Bezeichnung nicht schlecht zur Lage der Engehalbinsel mit ihren keltischen Oppida passen würde, liegt auf der Hand. Wird etwa hier die spätere Bezeichnung als »Uechtland« vorweggenommen (Bern im Uechtland)?
Nehmen wir noch hinzu, dass der Name des Ortes Bernkastel an der Mosel, ebenfalls an einer grossen Flussschleife gelegen, im 8. Jahrhundert n.Chr. (beim sog. Geographen von Ravenna) als »Princastellum
« überliefert ist, so ergibt sich abermals eine interessante Parallele. Dass die dabei aufscheinende Umstellung von »prin-« zu »Bern-« nicht ohne Konsequenzen ist, sei nur am Rande vermerkt. Es ist hier weder
der Raum noch der Ort, auf diese heiklen Fragen weiter einzugehen."
https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=ars-001:1991:14::363 PDF von Die Zinktafel von Bern-Thormebodenwald und ihre Inschrift. In: Archäologie Schweiz 14/4 (1991), S. 270–273.
 
Nehmen wir einmal an, Breno bedeutete im Gallischen, wofür einiges spricht, Anführer oder König. Dann könnte doch eine Siedlung, Kultstätte oder was auch immer auf der gegenüberliegenden Flussseite der Königsburg oder Königsstadt einen gleich anlautenden Namen wie etwa Königs(garten) erhalten haben.

Du hast dich unklar ausgedrückt, Sepiola zwar klar, aber offensichtlich nicht deutlich genug, zumindest geht dieser wichtige Hinweis unter:

Eine Assimilation scheidet in diesem Fall ja aus...

Aus -n- wird hin und wieder mal -m-. Hin und wieder. Wann tritt dieses Hin und Wieder ein? Im Falle eine Assimilation. Also wenn durch einen bilabialen Folgelaut aus dem alveolaren Nasal (n) ein bilabialer Nasal (m) wird. Der bilabiale Folgelaut wäre etwa -b- (aus "ein Blitz" wird daher phonetisch [eiM'blits]) oder -p-. Ein uvularer oder velarer Laut wie -g- kann aber gar nicht einen alveolaren Laut zu einem bilabialen Laut zur Assimilation veranlassen, weil die Artikulation ja nicht nach vorne sondern im Gegenteil nach hinten wandert.

Also ist die von Sepiola zitierte Entschlüsselung Brom(beer)garten (Brämgarten) die naheliegendste Erklärung für Bremgarten.

Du weißt, dass der Kanton Bern auf der germanisch-romanischen Sprachgrenze liegt und daher zweisprachig ist? Mit anderen Worten: die Galloromanen sind noch da. [Edit: siehe meine Signatur im Seeländer Deutsch.]
Die Galloromanen sprechen aber gar kein Keltisch sondern Vulgärlatein/Frühromanisch. Es gibt Hybridnamen, aber die sind eher selten. Hybridnamenerklärungen sollten erst dann herangezogen werden, wenn es keine bessere Erklärung gibt. Die gibt es aber - siehe Beitrag von Sepiola und meine Erläuterung zu Sepiolas Hinweis bzgl. der Assimilation und wann sie gar nicht erfolgen kann.

Bis gestern ist mir unbekannt gewesen, dass es auch in Deutschland einen kleinen Ort namens Bremgarten gibt, der in der Nähe von Bad Krozingen ganz offenbar in einer ehemaligen Rheinschleife liegt — witzig, nicht wahr? (Wir erinnern uns: das bernische Bremgarten liegt in einer Aareschleife und das aargauische Bremgarten liegt in einer Reussschleife.)
Flusschleifen sind jetzt keine unbedingt ungewöhnlichen Siedlungsorte. Sie sind einerseits - wenn der Fluss schiffbar ist - direkt an Handelswegen gelegen (mit Schiffen lässt sich nun mal Ware leichter transportieren als mit Wagen) - und zum anderen sind sie gleichzeitig ein Annäherungshindernis, bieten also eine Schutzfunktion. Insofern sollte man da keine weitreichenden Schlussfolgerungen ziehen.

Bzg. deiner "Hauptvermessungslinie": Dir ist schon klar, dass der Weg durch das Schweizer Relieph natürlich vorgegeben ist? Das Aare-Tal ist gewissermaßen der leichteste Weg, um die Schweiz zu durchqueren.
 
Wenn Du eine Erklärung dafür hast, wie der "Breno" zu Bern wurde, musst Du auch erklären,
Eine Erklärung wäre, dass es auf dem gleichen linguistischen Wege erfolgte, auf dem der Brennstein zu Bernstein wurde.

Also hier musste ich echt nachlesen, es hätte mich doch sehr gewundert, wenn Sepiola eine Metathese (also den "Buchstabendreher") nicht kennte. Aber um die Metathese geht es hier ja gar nicht, wie zu erkennen ist, wenn man den Satz zu Ende liest:

Wenn Du eine Erklärung dafür hast, wie der "Breno" zu Bern wurde, musst Du auch erklären, warum "Brenodor" nicht analog zu Brenodor geworden ist, und brauchst eine dritte Erklärung, warum sich das dor in einen "Garten" verwandelt hat.
 
Die Galloromanen sprechen aber gar kein Keltisch sondern Vulgärlatein/Frühromanisch.
Damit wollte ich nur andeuten, dass es eine gewisse Bevölkerungskontinuität seit der La-Tène-Zeit gab, alte Namen somit tradiert werden konnten.

Was mich in dem Zusammenhang des Garten am meisten interessiert: Gab es einen gallischen Kognaten [nicht Kognomen] zum germanischen Garten? Im heutigen Irisch ist gort ein kleines Feld, aber das könnte natürlich auch ein Lehnwort aus dem Westgermanischen sein.
Bzg. deiner "Hauptvermessungslinie": Dir ist schon klar, dass der Weg durch das Schweizer Relieph natürlich vorgegeben ist? Das Aare-Tal ist gewissermaßen der leichteste Weg, um die Schweiz zu durchqueren.
Den Einwand verstehe ich nicht ganz. Gerade weil antike Kulturen (um jetzt bezüglich Galliern und Römern neutral zu bleiben) den Flüssen folgten, wäre es für diese doch sinnvoll, sich jeweils an der lokalen Hauptrichtung des Flusses zu orientieren — wie auch zum Beispiel hier in Ägypten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Du meinst kein Cognomen (Gaius Iulis Caesar oder Marcus Tullius Cicero, das sind Cognomen), du meinst Parallelformen. Also auf gemeinsame Etyma zurückgehende Worte im Erbwortschatz miteinander verwandter Sprachen.
 
Den Einwand verstehe ich nicht ganz. Gerade weil antike Kulturen (um jetzt bezüglich Galliern und Römern neutral zu bleiben) den Flüssen folgten, wäre es für diese doch sinnvoll, sich jeweils an der lokalen Hauptrichtung des Flusses zu orientieren — wie auch zum Beispiel hier in Ägypten.
Du unterstellst ja, dass die Römer nichts besseres zu tun hatten, als eine gerade Linie zu ziehen und darauf wie auf einer Perlenkette die Orte aufzuziehen:

Ja nun. Petinesca, Salodurum, Olten und Vindonissa liegen genau auf einer Linie, die dazu noch parallel zur Längsachse des Amphitheaters in Vindonissa verläuft, da beißt die Maus keinen Faden ab. Ob wir das Decumanus maximus nennen oder sonstwie – es ist offensichtlich eine Linie, bei der die Römer sich etwas gedacht haben.
Dabei war die Lage der Orte naturräumlich vorgegeben.
Dass man dann wiederum (von einer gedachten Grundlinie) parzelliert, ist naheliegend und dagegen sagt auch keiner was. Ja nicht einmal, dass man die gedachte Grundlinie zur realexistierenden Straße ausbaut (solange das sinnvoll ist).
 
Du meinst kein Cognomen (Gaius Iulis Caesar oder Marcus Tullius Cicero, das sind Cognomen), du meinst Parallelformen. Also auf gemeinsame Etyma zurückgehende Worte im Erbwortschatz miteinander verwandter Sprachen.
Ja, es ist spät für mich heute. Schreiben wollte ich Kognaten. ;)
Du unterstellst ja, dass die Römer nichts besseres zu tun hatten, als eine gerade Linie zu ziehen und darauf wie auf einer Perlenkette die Orte aufzuziehen:
Dazu möchte ich nur einwenden, dass es zuvor schon in Petinesca, Salodurum und Vindonissa gallische Oppidia gegeben hat.
Dabei war die Lage der Orte naturräumlich vorgegeben.
Dass man dann wiederum (von einer gedachten Grundlinie) parzelliert, ist naheliegend und dagegen sagt auch keiner was. Ja nicht einmal, dass man die gedachte Grundlinie zur realexistierenden Straße ausbaut (solange das sinnvoll ist).
 
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Nehmen wir einmal an, Breno bedeutete im Gallischen, wofür einiges spricht, Anführer oder König. Dann könnte doch eine Siedlung, Kultstätte oder was auch immer auf der gegenüberliegenden Flussseite der Königsburg oder Königsstadt einen gleich anlautenden Namen wie etwa Königs(garten) erhalten haben.

Das wäre keine problematische Annahme, solche Ortsnamenpaare gibt es ja tatsächlich.

Du müsstest jetzt erklären, warum aus dem König einerseits ein Knöig wird, andererseits der Königsgarten nicht zu Knöigsgarten wird, aber auch kein Königsgarten bleibt, sondern stattdessen zum migsgarten mutiert.

Antwort (ob am fiktiven Beispiel oder am Beispiel Bern/ Bremgarten) bitte gern im Thread Ortsnamenkunde

Aber eigentlich soll es ja hier um Konstruktionslinien, Centuriation, Limitation gehen. Da hätte ich just zum Thema Bremgarten etwas Neues.

Natürlich kann man Linien zwischen allen Orten ziehen, die irgend einen Namen haben.

Aber was um Himmels willen hat der Ortsname Bremgarten mit dem Thema Centuriation/Limitation zu tun?

Was mich in dem Zusammenhang des Garten am meisten interessiert:

Auch hier bitte zur Ortsnamenkunde: Ortsnamenkunde
 
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Aber was um Himmels willen hat der Ortsname Bremgarten mit dem Thema Centuriation/Limitation zu tun?

Das ist die entscheidende Frage, sollten diese Orte irgend etwas mit der antiken Vermessung zu tun haben.

Auch auf die Gefahr hin zu friebeln mache ich jetzt einmal einen Vorschlag, mit dem sich der gallische Garten-Kognat erledigt hätte:

PRIMO CARDO → Bremgarten

[Edit] Sollte der heutige Ortsname aber doch auf einen gallischen Namen zurückgehen, käme mir noch, analog zu Durocorter/Durocortorum ("runde Burg"), ein Brenocorter/Brenocortorum in den Sinn, das gegenüber von Brenodur(um) nicht unpassend gelegen hätte.
 
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PRIMO CARDO → Bremgarten
Passt nicht. p-t-k wird nicht zu b-d-g (*Primo Cardo - Bremgarten) sondern zu pf-ts-k und b-d-g wird etwas zeitversetzt zu b/p-t-k. Wenn du also ein *Pfremkartsen (oder auch *Pflemkartsen wegen möglichen Lambdazismus) präsentieren könntest, dann könntest du versuchsweise ein *Primo Cardo rekonstruieren. Aus Bremgarten jedoch nicht. Wobei die Frage wäre, ob es überhaupt einen Sinn ergibt, aus dem Funktionsnamen einer der beiden Hauptstraßen eines Municipiums den Namen einer Siedlung abzuleiten. Ist ja kein Unterscheidungskriterium, was aber die Hauptfunktion eines Namens ausmacht.
Umgekehrt wäre es nicht völlig abwegig, wenn sich aus einem Brem- ein Prem- entwickelt hätte. Die Umlautung des weichen -b- ins harte -p- findet sich häufig in mittelalterlichen Dokumenten aus dem Raum zwischen Südtirol und Bayern immer wieder. Ob der alemannische Sprachraum davon erfasst wird, weiß ich nicht sicher. Z.B. Verona als Pern. (So z.B. in einer deutschen/baiuwarischen Genealogie der Veronaer Patrizierfamilie Scaliger als "Herren von der Leiter" in "Pern").

Jetzt wirst du zu Recht einwenden, was denn mit Bernkastel-Kues sei, das als Prim(um) Castellum etymologisiert wird. Auch das ist relativ leicht zu erklären: Bernkastel-Kues liegt im Gebiet des Moselromanischen. Genau genommen sogar im Kerngebiet des Moselromanischen.

bernkastel.jpg

Hier wurde intervokalisches p-t-k tatsächlich zu b-d-g. Da diese Gegend erst im 11. Jhdt. deutschsprachig wurde, wurden natürlich die Ortsnamen von der deutschen Lautverschiebung (6. - 9. Jhdt.) nicht mehr tangiert.
 
Passt nicht. p-t-k wird nicht zu b-d-g (*Primo Cardo - Bremgarten) sondern zu pf-ts-k und b-d-g wird etwas zeitversetzt zu b/p-t-k. Wenn du also ein *Pfremkartsen (oder auch *Pflemkartsen wegen möglichen Lambdazismus) präsentieren könntest, dann könntest du versuchsweise ein *Primo Cardo rekonstruieren.Aus Bremgarten jedoch nicht. Wobei die Frage wäre, ob es überhaupt einen Sinn ergibt, aus dem Funktionsnamen einer der beiden Hauptstraßen eines Municipiums den Namen einer Siedlung abzuleiten. Ist ja kein Unterscheidungskriterium, was aber die Hauptfunktion eines Namens ausmacht.
Mein Gedanke wäre, dass alle drei Bremgarten eine Rolle bei der Vermessung spielten, wofür es durchaus Indizien gibt. Dazu nochmals eine Karte:

bremgarten_cardo.jpg

Jetzt wirst du zu Recht einwenden, was denn mit Bernkastel-Kues sei, das als Prim(um) Castellum etymologisiert wird. Auch das ist relativ leicht zu erklären: Bernkastel-Kues liegt im Gebiet des Moselromanischen. Genau genommen sogar im Kerngebiet des Moselromanischen.

Hier wurde intervokalisches p-t-k tatsächlich zu b-d-g. Da diese Gegend erst im 11. Jhdt. deutschsprachig wurde, wurden natürlich die Ortsnamen von der deutschen Lautverschiebung (6. - 9. Jhdt.) nicht mehr tangiert.

Das gilt aber auch für große Teile der Deutschschweiz. Wir hatten hier schon einmal Beispiele, wie etwa Centum Prata, das ohne Anzeichen jeglicher Lautverschiebung als Kempraten erhalten geblieben ist.
 
Aus einem Text von 1991 des Archäologen von Rudolf Fellmann, wissenschaftlicher Erstuntersucher der Berner Zinktafel, und seine Interpretation der Silbe "Breno" im keltischen Ortsnamen.
"Mehr Probleme bereitete das Wort der dritten Zeile »brenodor«. Lernt man aus der letzten Zeile, dass Omega einem langen »ü« entspricht, so ergibt sich als Zwischenlesung »brenodur«, das zu »*Brenodur(um)« zu ergänzen doch wohl nicht ganz abwegig ist. Über die Bedeutung von »durum« sich zu verbreitern, hiesse Wasser in die Aare tragen. »Breno« bereitet mehr Pobleme. Wir neigen zur Ansicht, dass die Silbe sich in den romanischen Sprachen unter der Bezeichnung »brenne« (französisch), »brena« oder »brenha«
(spanisch und portugiesisch) erhalten hat. Die Bedeutung dieser Wörter ist etwa »Landschaft mit vielen Wasserläufen und Sumpf, dichter Wald mit Gestrüpp und Wildnis auf grosser Fläche etc.« Heisst »Brenodor« Brenodurum) etwa »Burg in der buschwaldbedeckten, unzugänglichen Flussschleifenlandschaft«? In Frankreich gibt es einen ganzen Landschaftsstrich mit dem Namen »La Brenne« (im Loirebogen des Orleanais zwischen Indre und Creuze), der sich durch seine Kargheit und die vielen Teiche und Tümpel im Wald auszeichnet. Dass eine solche Bezeichnung nicht schlecht zur Lage der Engehalbinsel mit ihren keltischen Oppida passen würde, liegt auf der Hand. Wird etwa hier die spätere Bezeichnung als »Uechtland« vorweggenommen (Bern im Uechtland)?
Nehmen wir noch hinzu, dass der Name des Ortes Bernkastel an der Mosel, ebenfalls an einer grossen Flussschleife gelegen, im 8. Jahrhundert n.Chr. (beim sog. Geographen von Ravenna) als »Princastellum
« überliefert ist, so ergibt sich abermals eine interessante Parallele. Dass die dabei aufscheinende Umstellung von »prin-« zu »Bern-« nicht ohne Konsequenzen ist, sei nur am Rande vermerkt. Es ist hier weder
der Raum noch der Ort, auf diese heiklen Fragen weiter einzugehen."
https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=ars-001:1991:14::363 PDF von Die Zinktafel von Bern-Thormebodenwald und ihre Inschrift. In: Archäologie Schweiz 14/4 (1991), S. 270–273.
Vielleicht darf ich in diesem Zusammenhang mal an die langjährige Diskussion über "Brennabor" hinweisen, welches man für Brandenburg sah, aber auch auf Bernburg beziehen wollte. Der letzte Stand ist mir allerdings nicht bekannt.
 
Das gilt aber auch für große Teile der Deutschschweiz. Wir hatten hier schon einmal Beispiele, wie etwa Centum Prata, das ohne Anzeichen jeglicher Lautverschiebung als Kempraten erhalten geblieben ist.
Vorsicht. Das Historische Lexikon der Schweiz bietet folgende Information:

Ob der Name Centoprato (741/744) und Centiprata (863) auf centum prata (hundert Wiesen) oder eine ältere Ortsbezeichnung zurückgeht, ist umstritten.​

Die drei ältesten Belege sind
Centoprato (741/44)
Kentibruto (847) - bezeichnenderweise mit -b-!
Centiprata (863)

Der Wikipediartikel zeigt deutliche Spuren davon, dass hier verschiedene Verfasser mit verschiedenen etymologischen Ideen am Werk waren, wenn auch nur noch ein letzter Rest von einer keltischen Deutung des Ortsnamens im Artikel erhalten ist:

Bislang nicht geklärt ist, ob an der Kempratnerbucht gegenüber dem heutigen Schlosshügel Rapperswil eine helvetische Siedlung Cambioratin («Bucht-Hügel») existiert hat.​

Fakt ist: Wir haben keinen antik überlieferten Namen der Siedlung. Aber wir haben die Alternanz in der Zeit der Lautverschiebung zwischen -p- und -b-. Schreiber - vor allem Gelehrte - neigen zur Retardierung. Retadierung bedeutet in der Historiolinguoistik, dass die Schreibung konservativer ist, als die Lautung. Also wenn gelehrte Lateiner noch hortus schreiben, obwohl wir aus den Graffiti wissen, dass längst orto gesprochen wurde. Sprich, wenn -b- die herkömmliche Variante ist - wie in dem offensichtlich aus dem heutigen Ortsnamen rekonstruierten *Cambioratin oder in dem belegten Kentibruto, dann entspricht -b- zu -p- durchaus dem, was in der deutschen Lautverschiebung erwartbar ist: Und genau aus der Zeit dieser Lautverschiebung stammen alle Erstbelege des Ortsnamens. Aus *Cambioratin ein Centoprato zu machen, ist dann dem Bedürfnis des lateinischschreibenden Mönchs des 8. Jhdts. geschuldet, aus dem für ihn undurchsichtigen Ortsnamen ein sprechendes Toponym zu machen (so wie ja auch frühneuzeitliche Schreiber Magdeburg als Mädchenburg übersetzten und Parthenopolis nannten, was mit der ursprünglichen Bedeutung (große/mächtige Burg/Stadt) nicht übereinstimmt).
 
Centoprato [....]

Vielleicht war Kempraten nicht das beste Beispiel, aber das Prinzip ist doch klar: Wo Germanen erst relativ spät siedelten und in Kontakt mit den romanischen Bevölkerungsresten kamen, blieben alte Namen von der Lautverschiebung unberührt. Partenkirchen in Oberbayern ist ein besser belegtes Beispiel, da Partanum eben nicht zu Pfarzenkirchen wurde.

Zum unweit von Bremgarten AG gelegenen Obfelden lese ich in Wikipedia:

"Zur Zeit der Römer befand sich unterhalb des heutigen Weilers Unterlunnern ein kleiner Vicus mit Zentralbauten und vermutlich mit Hafenanlagen an der Reuss. Der Siedlungsname Lunnern (vielleicht von keltisch-lateinisch Londinaria) zeugt noch heute vom kulturellen Kontakt zwischen romanisch sprechenden Bevölkerungsteilen und den sich ab dem 7. Jh. n. Chr. ansiedelnden Alamannen.[3]"

[3] Daniel Gut: Lunnern. Londons Zwilling im Reusstal. Eine sprach- und kulturgeschichtliche Verortung von Siedlungsnamen. BoD, Norderstedt 2010, ISBN 978-3-8370-8758-1.
 
Vielleicht war Kempraten nicht das beste Beispiel, aber das Prinzip ist doch klar: Wo Germanen erst relativ spät siedelten und in Kontakt mit den romanischen Bevölkerungsresten kamen, blieben alte Namen von der Lautverschiebung unberührt.
Kamen sie in Toriacum oder in Tolbiacum nicht mit einer romanischen Bevölkerung in Berührung? Wieso sind dann die alten Namen - lautverschoben - erhalten: Zürich und Zülpich?
Man sagt i.d.R. dass die alemannische Landname in den Tälern früher vonstatten ging, als in den Höhensiedlungen, damit erklärt man den beobachteten Befund, dass die Siedlungen an Hauptverkehrsrouten und in den Tälern lautverschoben sind, die in der Peripherie dagegen häufig konservativ lauten.

Zum unweit von Bremgarten AG gelegenen Obfelden lese ich in Wikipedia:

"Zur Zeit der Römer befand sich unterhalb des heutigen Weilers Unterlunnern ein kleiner Vicus mit Zentralbauten und vermutlich mit Hafenanlagen an der Reuss. Der Siedlungsname Lunnern (vielleicht von keltisch-lateinisch Londinaria) zeugt noch heute vom kulturellen Kontakt zwischen romanisch sprechenden Bevölkerungsteilen und den sich ab dem 7. Jh. n. Chr. ansiedelnden Alamannen.[3]"
Das ist schön, dass du das liest. Aber was schlussfolgerst du daraus für unsere Diskussion?
 
Das ist schön, dass du das liest. Aber was schlussfolgerst du daraus für unsere Diskussion?

Nun, falls, wie etwa Waterman meint, die fragliche Lautverschiebung auf alemannischen Gebiet um 600 abgeschlossen war, dann kämen die sich im 7. Jh. ansiedelnden Alemannen zu spät.

Derweil habe ich eine aktualisierte Karte erstellt, die auch Bremgarten bei Bern, Petinesca und vor allem Augusta Raurica berücksichtigt:

bremgarten_cardo_02.jpg
 
Update:

Es ergab sich inzwischen, dass die Linie Augusta Raurica–Olten in der Verlängerung auf den Pilatus trifft.

Die Linie von Bremgarten nach Petinesca führt in der Verlängerung genau auf Tavannes. Unmittelbar südlich von Tavannes überquerte die römische Straße den Col de Pierre Pertuis (Petra pertusa); ebenfalls bei Tavannes entspringt die Birs, die bei Basel in den Rhein mündet.

"Die von Petinesca her kommende, durch das [...] Felsentor auf der Passhöhe führende Römerstrasse verband die beiden röm. Militärstrassen Avenches-Solothurn-Augst und Besançon-Mandeure-Kembs." [HistLexCH]

Die nunmehr wieder aktualisierte Karte enthält außerdem zusätzlich den südwestlich von Petinesca abknickenden Decumanus.

limhelv_01.jpg
 
Zuletzt bearbeitet:
Und noch ein Update:

Zwischenzeitlich konnten auch Oberwinterthur (Vitudurum) und Konstanz (Constantia) in die Karte integriert werden.

limhelv_02.jpg
 
Ich weiß, es fruchtet nichts, aber ich versuche es trotzdem noch mal: Dir ist schon noch klar, dass die Siedlungen alle an besonders siedlungs- bzw. verkehrsgeographisch günstigen Standorten angelegt wurden? Und als Geologe, dass diese siedlungs- und verkehrgeographisch günstigen Standorte durch Jahrmilliarden Jhre Erdgeschichte geschaffen wurden? Ich frag nur mal ganz vorsichtig nach...
 
Nur zur Erinnerung, der Verlauf des vermuteten Decumanus' Petinesca–Vindonissa durch das Amphitheater von Windisch:

windisch_dec.jpg

Rechte Winkel kommen in der Natur im kubischen Kristallsystem vor, ansonsten sind sie eher selten, zumal bei organisch gewachsenen Strukturen.
 
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