Platonia

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Hallo, gerade schreibe ich -trotz Semesterbeginn-an einer Hausarbeit, die sich auf eine kirchengeschichtliches Seminar bezieht, in dem es zentral um frühneuzeitliche Angst im"Abendland" ging-Angst vor Hunger,Glaubensabweichungen, Gewalt, Krieg, Gott, Juden.....
Ursprünglich war mein(vorgegebenes) Referatsthema(im Seminar) "Angst vor religiöser Devianz:Hexen und Flucher=>Stillung der Angst?Verfolgung von Gotteslästerung".
Deshalb wollte ich meine These für die HA daran anlehnen:"Die strafrechtliche Verfolgung von Hexerei minderte kurzfristig die Angst der Verfolger"Der Fokus liegt also auf Strafrecht und Angst.
Als Grundlage habe ich ein Traktat von Peter Binsfeld-"Tractat von Bekanntnuß...1590"- einem Weihbischof aus Trier.Inhaltlich fordert er eine verschärfte Vorgehensweise bei der Bestrafung der Hexen, Zauberer, wie z.B.Zulassung von Kinderbesagungen und Prozess bei bereits einer Besagung.

Jetzt hadere ich mit meiner These, denn es fällt mir schwer, Angst über den Traktat methodisch zu belegen.
Eigentlich brauche ich 5 Argumente,die ich erörtere und deren Schlussfolgerungen dann in meiner Konklusion zusammengefasst werden.
Als Prämissen zur Angst:
1.Angst ist unbestimmt und objektlos und kann in Furcht transformiert werden, wenn sie ein Objekt gefunden hat.
2.Angstbewältigung verwandelt eine passive Hilflosigkeit in eine aktive Handlungsmöglichkeit
3.Übetragung der Angst auf eine verursachende Personengruppe=abwehrendes Handeln
Argumentation:Bedrohte Ordnung
-Teufelsfurcht
-Angst vor Versuchung durch den Teufel
-Angst vor dem göttlichen Zorn
-Angst vor Verdammnis
-Angst vor der Endzeit

Meine Frage:Ist das logisch und verständlich?Oder völlig daneben?

Peter Binsfeld – Wikipedia
 
Deine Fragestellung ist imho keine historische, sondern eher eine psychologische und diese psychologische Fragestellung dürfte zur Pseudepsychologie verkommen, was du jetzt bitte nicht als Geringschätzung missverstehst.
 
Generell stimme ich dir zu.Nur:ich bin ratlos, was die Herangehensweise an das Thema Angst und Hexen angeht und LEIDER muss ich Angst integrieren.
Die Thesen zur Angst habe ich von Heinz Dieter Kittsteiners Aufsatz: Die Angst in der Geschichte und die Re-Personalisierung des Feindes"und er war Grundlage unserer Auseinandersetzung mit Angst in besagtem Seminar.
Hab Dank für deine ehrliche Antwort.
Hast du eine weiterführende Idee?
 
Du arbeitest mit dem Binsfeld-Traktat als Quelle? Pro- oder Hauptseminar? In einer PSs-Hausarbeit könntest du z.B. überprüfen, ob die Thesen Kittsteiners durch Binsfeld bestätigt werden oder eben nicht (Achtung! Du kannst mit Binsfeld Kittsteiner wahrscheinlich eher nicht widerlegen, daher Vorsicht mit der Wortwahl.) Somit hättest du a) Quellenarbeit integriert und b) würdest du dich im wissenschaftlichen Diskurs „einbringen“ (wenn es auch außer deinem Dozenten wahrscheinlich niemand wirklich lesen wird, v.a. nicht Kittsteiner).
 
Binsfeld ist meine Quellengrundlage-und die Arbeit ist für ein HS.
Deine Idee gefällt mir -DANKE!In der Tat-Kittsteiner weilt nicht mehr unter den Lebenden und letztlich dienen Hausarbeiten der eigenständigen Auseinandersetzung/Vertiefung mit einem Thema.
Jetzt werde ich das Ganze durchdenken.
 
Jetzt drängt die Zeit, denn die digitale Lehrform fordert noch mehr Eigenstudium, als bisher.
Ich fürchte, es reicht meiner Dozentin nicht aus, wenn ich Kittsteiners Thesen mit Binsfeld belege-das wäre die Schlussfolgerung-wie du richtig erkannt hast.
Da es ja eine kirchengeschichtliches Seminar war, wäre eine andere mögliche These: Die Ehrfurcht vor Gott wurde durch Hexenangst verdrängt.

Das übergeordnete Thema wäre dann:Hexenangst als bedrohte göttliche Ordnung

Binsfeld könnte ich nach wie vor nutzen, da man bei ihm vergeblich nach göttlicher Barmherzigkeit, Gnade, Liebe etc. sucht. D.h.er ist ein gutes Beispiel für die These.
Allerdings habe ich noch ein Problem mit der "permissio dei", der Zustimmung Gottes in Bezug auf Satans Macht. Gott ist prima causa und Satan die zweite wirkende Macht?Oh je, hoffentlich verfahre ich mich damit nicht...
Was denkst du?
Ich komme mir so dumm vor und will die Arbeit endlich fertigstellen und loslassen, um mich dem Neuen zu widmen.
 
Jetzt drängt die Zeit, denn die digitale Lehrform fordert noch mehr Eigenstudium, als bisher.
Ich fürchte, es reicht meiner Dozentin nicht aus, wenn ich Kittsteiners Thesen mit Binsfeld belege-das wäre die Schlussfolgerung-wie du richtig erkannt hast.
Nicht belegen, sondern überprüfen, auf den Prüfstand stellen.

Da es ja eine kirchengeschichtliches Seminar war, wäre eine andere mögliche These: Die Ehrfurcht vor Gott wurde durch Hexenangst verdrängt.
Mit welcher Methodik wolltest du diese These überprüfen? (Mir scheint sie etwas aus den Fingern gesogen und nicht wirklich tragend.)
 
Die Idee zu dieser These beruht auf meiner Frage, ob dem Teufel möglicherweise zu viel Macht zugebilligt wurde. Diesen Eindruck bekam ich, als ich verschiedene Primärquellen las. Einerseits gibt es jede Menge Erbauliches, andererseits, besonders bei den dämonologischen Traktaten, steht überwiegend die Macht des Teufels im Fokus.Selbst bei Kritikern der Verfolgung wie Weyer, Meyfarth oder Spee.
Die Herangehensweise wäre kirchengeschichtlich und teilweise theologisch.
 
Die Idee zu dieser These beruht auf meiner Frage, ob dem Teufel möglicherweise zu viel Macht zugebilligt wurde.
Das ist nur dann eine historische Fragestellung, wenn du überprüfst, ob das aus zeitgenössischer Sicht häretisch war. Ansonsten ist das, zumindest so, wie ich dein Formulierung verstehe, ziemlich subjektiv. Oder ich verstehe dich gerade einfach falsch.
 
Ich bin unklar-deshalb missverständlich. Ich versuche mal, den dahinterstehenden Gedankengang zu erklären:
Es ist insofern eine historische Fragestellung, als dass die Verfolger von Hexen dem Teufels eine größere Wirksamkeit zubilligten, als der Allmacht Gottes. Aus dem Blick gerät, dass der Teufel als Werkzeug Gottes und somit ein Prüfstein für den Glauben sein sollte. Er agiert also eigentlich im Auftrag Gottes zum Nutzen des Menschen(Selbsterkenntnis)
Die Verfolger richten ihren Blick nach außen, statt nach innen=>dualistisches Denken in der Form =>von einem Gott kommt Gutes, von einem anderen Gott Böses=Abgötterei und auch häretisch.
Gerd Schwerhoff schreibt in "Rationalität im Wahn",S.58 folgendes dazu:"wie sehr im Denken des Malleus die Allmacht Gottes zurücktritt(....)meist erscheint Satan nicht als subalterner Bote, sondern als zielstrebiger, potentiell erfolgreicher Vertreter eigenständiger Interessen."
Und da Binsfeld sich in seinen Ausführungen auch am Malleus orientiert, bin ich auf die These gekommen.
https://www.degruyter.com/view/journals/saeculum/37/1/article-p45.xml

Was meinst du mit subjektiv?
 
Zuletzt bearbeitet:
Was meinst du mit subjektiv?
Deine Ausführungen („dem Teufel zu viel Macht zugebilligt wurde“) lasen sich für mich so, als wolltest du eigene Glaubensvorstellungen, die eben subjektiv sind, in den Mittelpunkt rücken, als sei der Teufel eine Größe, mit dem wir Historiker zu rechnen hätten. Da du das so nicht meintest, ist das jetzt obsolet.
 
....ich bin froh, dass du mir eine so klare Rückmeldung gibst, denn wenn DU mich schon nicht verstehst, wie dann die Dozentin?!
 
Argumentation:Bedrohte Ordnung
Die "Ordnung" ist immer bedroht.
Es gibt zwei interessante Vorträge auf einer großen Videoplattform.
Der eine ist von Keith Wrightson von Yale.
Wie stellen wir uns eine Hexe vor? Nehmen wir mal die Hexe von Hänsel und Gretel.
Eine alte bucklige (Osteoropose) Frau, zahnluckert, gebeugt und mit schlechtem Augenlicht. Das ist eine behinderte alte Frau. Und tatsächlich waren es vor allem alte Frauen, die zum Opfer wurden.
Und, Wrightson bezieht sich hier auf die Auswertung englischer Quellen, die Anschuldigungen werden signifikant oft im Zusammenhang mit Bettelei alter Frauen erhoben.
Also die gebeugte Oma geht zum besser lebenden Nachbarn und erfleht Almosen. Der weist sie zurück und die arme bucklige Alte sondert, nicht nur dieser Zeit entsprechend, wüste Flüche aus. Und dann gibt es bei einem "Verfluchten" eine Fehlgeburt, einen gebrochenen Arm, oder einen überraschenden Todesfall. Der ist dann wirklich so gesonnen einen Zusammenhang zu vermuten und erhebt Klage.
Ähnlich bösartige Nachbarn stützen eilfertig die Anschuldigungen und die "Hexe", die arme Alte Bettlerin, wird spektakulär und grausam zu Tode gebracht.
Eigentlich eine alte Kiste wie so etwas geht. Die, die mir dem Schlechten, ein schlechtes Gewissen macht, wird zum Inbegriff des Bösen und reinigt so die eigene Schuld.

Nun darf sich fragen wie so etwas zur Eskalation in Kontinentaleuropa gegen diese erbärmliche Minderheit, mit dem Beginn der Neuzeit führt.
Dazu fand ich den Vortrag von Teofilo Ruiz von der UCLA erhellend.
 
Nun darf sich fragen wie so etwas zur Eskalation in Kontinentaleuropa gegen diese erbärmliche Minderheit, mit dem Beginn der Neuzeit führt.

Ich denke, der Hexenwahn betraf eben nicht nur "behinderte, arme, alte Frauen". Es konnte viele treffen.

" Zwischen 1589 und 1594 fanden in Trier vor dem weltlichen Hochgericht des Kurfürsten Johann VII. von Schönenberg zahlreiche Prozesse gegen wohlhabende, einflussreiche Männer und Frauen aus der städtischen Oberschicht statt, in deren Verlauf auch der ehemalige Stadtschultheiß Dr. Dietrich Flade († 1589), die gewesenen Bürgermeister Peter Beer († 1590), Niclas Fiedler († 1591) und Hans Reuland († 1594) sowie der Rentmeister und Almosenpfleger Hans Rausch († 1594) unter dem Vorwurf der Hexerei angeklagt wurden."
HEXENWAHN - Ängste der Neuzeit

Ich habe in Köln einmal an einer Stadtführung zum Thema teilgenommen. Auch dort wurde erwähnt, dass relativ oft auch wohlhabende Männer und Frauen betroffen waren, teilweise über Generationen hinweg, sodass die Tochter der hingerichteten Hexe ebenfalls angeklagt wurde. Eine Quelle dazu muss ich leider vorerst schuldig bleiben.
 
In Bamberg bestand das "Malefizhaus" (oder "Drudenhaus) als "Hexengefängnis", durch das mindestens 600 Menschen gefoltert und hingerichtet wurden. Der Abschiedsbrief das ehemaligen Bamberger Bürgermeisters Johannes Junius, der durch dieses Haus umkam, ist erhalten - und kann auch als Gegenbeispiel zur übermäßigen Fokussierung auf "behinderte, arme, alte Frauen" dienen.
Junius-Brief als zentrales Dokument der Bamberger Hexenprozesse online
 
Ich denke, der Hexenwahn betraf eben nicht nur "behinderte, arme, alte Frauen". Es konnte viele treffen.

" Zwischen 1589 und 1594 fanden in Trier vor dem weltlichen Hochgericht des Kurfürsten Johann VII. von Schönenberg zahlreiche Prozesse gegen wohlhabende, einflussreiche Männer und Frauen aus der städtischen Oberschicht statt, in deren Verlauf auch der ehemalige Stadtschultheiß Dr. Dietrich Flade († 1589), die gewesenen Bürgermeister Peter Beer († 1590), Niclas Fiedler († 1591) und Hans Reuland († 1594) sowie der Rentmeister und Almosenpfleger Hans Rausch († 1594) unter dem Vorwurf der Hexerei angeklagt wurden."
HEXENWAHN - Ängste der Neuzeit

Ich habe in Köln einmal an einer Stadtführung zum Thema teilgenommen. Auch dort wurde erwähnt, dass relativ oft auch wohlhabende Männer und Frauen betroffen waren, teilweise über Generationen hinweg, sodass die Tochter der hingerichteten Hexe ebenfalls angeklagt wurde. Eine Quelle dazu muss ich leider vorerst schuldig bleiben.

In Nördlingen wurde die Frau des späteren Bürgermeisters Lemb hingerichtet, und bei den Verfolgungswellen in den Bistümern Würzburg und Bamberg wurden zahlreiche Persönlichkeiten aus den Eliten exekutiert. Maria Holl, die Hexe von Nördlingen war eine angesehene Gastwirtin, im Wirtshaus zur Krone, das Holl gehörte, versammelte sich seinerzeit alles, was in der freien Reichsstadt Nördlingen Rang und Namen hatte. Maria Holl wurde Dutzende Male schwer gefoltert und konnte danach nie wieder ohne fremde Hilfe gehen. Maria Holl muss auch einflußreiche Verwandte in Ulm gehabt haben, die schließlich solchen Druck auf den Rat der Stadt Nördlingen ausübten, dass man Maria Holl schließlich auf freien Fuß setzte. Die Frau muss eine unglaublich belastbare Konstitution besessen haben, jedenfalls überlebte sie alle ihre Peiniger und starb hoch in den Achtzigern.

Auf den ehemaligen Bürgermeister von Bamberg. Johannes Junius hat Ugh Valencia bereits hingewiesen. Von Junius ist auch ein Kassiber erhalten, den dieser an seine Tochter Veronika schrieb. Mit Junius bekam der Scharfrichter Mitleid und riet ihm, ein Geständnis abzulegen, am Ende werde er doch gestehen müssen und retten könne ihn keiner mehr. Jeder, der in das Malefizhaus käme, sei verloren, und wenn er/sie noch so unschuldig sei.

Bei den Verfolgungen in Würzburg und Bamberg waren eine ganze Reihe der Opfer Männer. Prozentual trafen die Hexenverfolgungen mehrheitlich Frauen, aber keineswegs ausschließlich. Bei einer späten Verfolgungswelle in den 1680er Jahren in Tirol, bei den sogenannten "Zauberjackl-Prozessen war die Mehrheit der Opfer, mehr als 80 %, Männer.

Arme, alleinstehende Frauen, die nicht oder nicht mehr über familiäre Beziehungen verfügten, die gewisse Schutzmechanismen versprachen, waren oft die ersten Opfer von Hexenverfolgungen, im späteren Verlauf traf es in der paranoiden Atmosphäre von Hexenverfolgungen immer wieder auch Angehörige der Eliten. Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass Hexenverfolgungen die größte Nivellierung von Standesunterschieden mit sich brachten, die es in Europa vor der Terrorwelle in der Französischen Revolution gegeben hatte.
 
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