Dion
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Ich würde das nicht überbewerten, denn solche Briefe bzw. Hetztiraden gab es schon immer und gibt es auch heute: Fernsehkommentatoren bekommen sie, nur weil sie als jüdisch (Marcel Reif) geoutet wurden oder anhand des Namens eine nichtdeutsche Herkunft (Béla Réthy) zu erkennen ist.Ein beispielhafter Hetzbrief 1924 (!) - auf dieser breiten Basis von Hass auch ohne Bezug zum Versailler Vertrag setzte die NS-Bewegung auf:
Aber das nur nebenbei, denn das Thema des Threads interessiert mich sehr:
Das mit Versailles hatte sicher sehr vielen, wenn nicht allen gefallen. Und das mit der Hegemonialmacht nicht nur wenigen. Das hätte auch heute Zustimmung gefunden – zumindest bei gewissen Kreisen. Dass heute nur die dritte Strophe des Deutschlandliedes gesungen wird, hat schon seinen Grund.… dass aber der Verfasser von "Mein Kampf" den Parlamentarismus, die Demokratie, die Gewerkschaften und die Pressefreiheit aufheben und beseitigen würde, daran konnte es keinen Zweifel geben. "Mein kampf" war eine Abrechnung- der verlorene Krieg wurde analysiert und bereits der folgende vorbereitet, der nicht nur den Frieden von versaillles revidieren sollte, sondern Deutschland zur Hegemonialmacht in Europa machen sollte.
287.000 Exemplare – das wäre auch nach heutigem Maßstab ein Bestseller.Das einbändige Werk, die Volksausgabe, wurde bis 1933 287.000 Ex. verkauft.
Erst nach Januar 1933 stiegen die Verkaufszahlen massiv an. Bis Dez, 1933 waren es dann 1,5 Millionen Ex. die verkauft wurden.
Die deutschen Ottonormalverbraucher als Wähler wussten damals von der Politik so viel, wie die heutigen von der heutigen – das Verhalten der Masse ist überall auf der Welt ziemlich gleich. Ein Spruch Hilters aus dem „Mein Kampf“ gilt heute noch:Noch mal, wir reden hier vom Deutschen Ottonormalverbraucher als Wähler 1929-1933.
Die Aufnahmefähigkeit der großen Masse ist nur sehr beschränkt, das Verständnis klein, dafür jedoch die Vergesslichkeit groß. Aus diesen Tatsachen heraus hat sich jede wirkungsvolle Propaganda auf nur sehr wenige Punkte zu beschränken und diese schlagwortartig so lange zu verwenden, bis auch bestimmt der Letzte unter einem solchen Worte das Gewollte sich vorzustellen vermag.
Immerhin gab es bei den entscheidenden Wahlen eine enorme Wahlbeteiligung, die in unseren Zeiten nie wieder erreicht wurde. Was beweist: Die Menschen waren damals politisierter als heute.
Ja, man sah, las und hörte das alles – und tolerierte es. Weil die etablierte Politik es ganz offensichtlich nicht schaffte, die nun schon 3 Jahre dauernde Wirtschaftskrise zu meistern, dachten sehr viele, man müsse neue Wege gehen und einem anscheinend starken Mann eine Chance geben.Das alles ändert ja nichts daran, dass MK nicht die einzige Publikation der Nazis war, Völkischer Beobachter und Stürmer war für jedermann zu lesen, zudem die Meinung der bürgerlichen Presse - die vielfach in den Händen Hugenbergs war - und der proletarischen Presse zu den Nazis und ihren Bekundungen. Gerade den Menschen in den Großstädten aber auch auf den Dörfern konnte nicht entgehen, was die Nazis auf der Straße veranstalteten: Straßenkämpfe und Saalschlachten. Nicht zuletzt war Hitler Wahlkämpfer, der vieles von dem, was er geschrieben hatte in ähnlicher Form auch in seinen Wahlkampfreden von sich gab.
Der großen Mehrheit ging es ja gut im Hitler-Deutschland. Das war schon 1933 zu spüren gewesen und steigerte sich bis zum Krieg permanent. Man darf nicht vergessen, in der NSDAP steckten 2 Wörter (sozialistisch und Arbeiter), die diese Partei ernst nahm: Sie taten was für die Arbeiter und die sog. kleinen Leute – siehe Beschäftigungs- und Häuserbauprogramme. Die ersten 6-7 Jahre der Diktatur wurden von den Zeitgenossen wirtschaftlich als euphorisch empfunden. Und auch Anfangserfolge im Krieg waren nicht dazu angetan, Bedenken gegen den Führer zu schüren. Später, nach Stalingrad und Städtebombardierungen, kam noch Trotz dazu: Wir stehen zusammen, egal was kommt.Wieso hat das Volk an bestimmten Stellen nicht STOP gesagt? Einerseits wurde das in der Nachkriegszeit den Deutschen immer wieder vorgeworfen, aber andererseits: wie realistisch wäre das gewesen? Wie hätte sich bei all den oppotunistischen Mitläufern eine größere Opposition entwickeln können?
In meiner Verwandtschaft in Celle hat man mir glaubhaft versichert, dass sie die ersten KZ-Insassen bei Aufräumarbeiten nach Bombardierungen gesehen hatten. Vorher wussten sie zwar von der Existenz dieser Lager, aber glaubten, da seien Asoziale und Arbeitsscheue untergebracht, um umerzogen zu werden. Das fanden sie voll in Ordnung, denn gegen solche „Elemente“ hat die große Mehrheit noch heute Vorurteile – siehe die Pauschalisierungen über die Hartz IV Empfänger. Nicht umsonst konnte Thilo Sarrazin Säle füllen mit Leuten, die jeden Kritiker niederbrüllten. Und das waren beileibe keine einfache Leute, sondern welche im feinen Zwirn – ich hab es selbst erlebt.