Germanicus war ja am Ort des Geschehens, somit scheidet Kalkriese schon mal als Schauplatz des Varus aus.
Wenn Kalkriese Ort der Varusschlacht gewesen ist, dann MUSS Germanicus am Ort des Geschehens gewesen sein. Insofern ist die Aussage Unsinn.
Wie du nun Germanicus in Kalkriese detektierst, ist mir schleierhaft (das heißt, natürlich weiß ich, dass du das anhand der Kontermarken CA 58 1/2 und TIB 193 machst, aber damit unterstellst du a priori eine Spätdatierung dieser Kontermarken)
Neben den Münzen gibt es für den Germanicus-Horizont auch Keramiken aus Italien, welche vor allem in der Germania Superior (u.a. Vindonissa, Mainz) mit den germanicuszeitlichen Münzen gefunden worden sind. Es handelt sich dabei um arretinische TS (die Formen Conspectus 19, 22, 31, 33, 36).
Stopp! Wir erinnern uns an den Brand in Köln des Winters 13/14 (Varusschlacht 9, Germanicusfeldzüge in Germanien 14-16), vor Ankunft Germanicus' in Germanien. Unter den 56 Münzen der Brandschicht waren 8 Stück postvarianisch. Unter den über 2000 Münzen des Schlachtfeldes Kalkriese ist keine einzige postvarianisch. Ich sag nur
Gesetz der großen Zahlen.
An und für sich ist eine Münze ein schlechtes Datierungsmittel. Wir können nämlich immer nur sagen, dass eine Münze erst nach ihretr Prägung in den Boden gekommen sein kann, dass nennen wir
terminus post quem (tpq). Also 'Zeitpunkt nach dem'.
Wenn wir aber große Mengen an Münzen haben, dann haben die die Tendenz, dass ältere Stücke eher vereinzelt auftauchen, wohingegen die Schlussmünze (die Münze mit dem jüngsten Prägedatum) oder Münzen aus den Jahrenn unmittelbar vor der Schlussmünze in vielen Exemplaren vorliegen. In Kalkriese ist die Schlussmünze aus dem Jahr Jahr 2. Aber der Münzhorizont von Kalkriese umfasst etwa 200 Jahre.
Hätte ein Heer des Germanicus in Kalkriese über 2000 Münzen verloren. Dann wäre zu erwarten, dass in Kalkriese auch Münzen gefunden worden wären, die - wie die im Kölner Brandhorizont des Winters 13/14 - postvarianisch wären, zumal Germanicus ausdrücklich den Truppen Geld auszahlte.
Keramik hat meist nur eine kurze Lebensdauer. Sie geht kaputt, es ist kompliziert, sie zu reparieren (es gibt reparierte Keramik aus der Bronze- und Eisenzeit, man hat dann Löcher in die Fragmmente gebohrt und mit Metallklammern die Stücke wieder aneinandergebracht.
Für die Archäologen ist die Keramik, eben weil sie eine kurze Lebensdauer hat das archäologische "Leitfossil", Münzen dagegen, die teilweise über Jahrhunderte im Umlauf waren (wir haben Münzschätze im Ostseeraum, die im 9. Jhdt. vergraben wurden, aber tw. Einzelstücke aus dem 2. und 3. Jhdt. aufweisen), sind als Leitfossil unbrauchbar. Man kann zwar häufig - gerade bei römischen Münzen - den Prägezeitraum wunderbar eingrenzen, teilweise sogar jahrgenau, aber das gibt eben nur den tpq und keinen genauen Verlusttag.
Mit dem Gesetz der Großen Zahl können wir aber tatsächlich (ein verlustreiches Gefecht der Truppen des) Germancius in Kalkriese mit großer Sicherheit ausschließen, da die Münzen, die man im Brandhorizont 13/14 in Köln gefunden hat , gänzlich fehlen (
terminus ante quem, taq). Ich würde nicht erwarten, dass man in Kalkriese auch ein Achtel postvarianischer Münzen fände, wie in Köln, aber gar keine wäre schon ein wenig seltsam.
Vorgestern behauptete Hermundure noch steif und fest, Tiberius habe in Kalkriese eine Schlacht gegen die Brukterer beinahe verloren, das stünde bei Sueton (Tiberius, Schlacht gegen die Brukterer?!?), Heute, im Brusttonn der Überzeugung "Germanicus war in K'riese, dammit scheidet Varus aus".
Desweiteren gibt es Fibeln vom Typ Almgren A47, welche ebenfalls mit spätaugusteisch/frühtiberischen Münzen gefunden worden. Das sind alles Aspekte, welche ich nicht einfach beiseite schieben kann.
Nochmal: Münzen sind nur dann, wenn sie in großer Stückzahl auftauchen, für eine Datierung sinnvoll heranzuziehen, man kann immer nur einen tpq ausmachen.
Der archäologische, als auch der numismatische Befund zeigen klar an, dass Kalkriese nicht das varianische Schlachtfeld sein kann.
Und genau das stimmt nicht. Es fehlen postvarianische Funde, es sind Knochen Jahre nach der Schlacht bestattet worden, es war ganz offensichtlich eine römische Niederlage.
Warum solche Befunde sich (bisher) nicht zwischen Rhein und Weser finden lassen, hatte ich hier schon öfters mitgeteilt. Die historischen Quellen (Strabon, Tacitus) geben Auskunft darüber, dass die Germanen sich ins Landesinnere zurück gezogen hatten.
Über welches Jahr redest du genau?
Es gibt eine Stelle, in der Tacitus Germanicus behaupten lässt, dass die Germanen nach der Schlacht von Idistaviso auf der Flucht in Richtung Elbe seien. (Jahr 16, wie eine Kabinenrede eines Fußballtrainers vor einem Spiel)
Im Herbst 14 lässt Tacitus die Römer den Rhein überqueren, um die Schlacht im caesischen Wald zu schlagen, die von einigen an der Ruhr verortet wird (ich bin da eher skeptisch, aber es muss in Rheinnähe gewesen sein)
15 verwüstet erst Caecina und dann Caecina und Germanicus das Gebiet der Brukterer zwischen Ems und Lippe.
Auf dem Rückmarsch von der Ems in Richtung Rhein wird Caecina in Bedrängnis gebracht.
16 muss erst das belagerte Aliso entsetzt werden, bevor man den Feldzug an die Weser unternehmen kann.
Welche Stelle bei Sueton meinst du, wonach die Germanen ihr Land verlassen hätten? VII, 1, 4?
Da steht
- εἶτ᾽ ἐνδιδόντα καὶ πάλιν ἀφιστάμενα ἢ καὶ καταλείποντα τὰς κατοικία - dass die Germanen revoltierten ODER ihre Wohnungen verließen. Das entspricht im Übrigen auch der bei Tacitus geschilderten Begebenheit, dass Germanen beim Anrücken der Römer ihre Höfe selbst entzündeten, nur begegneten die Römer ihnen im darauffolgenden Jahr wieder anderselben Stelle. Dass die Sugambrer am Rhein leben, ist für Strabon Gegenwart:
Σούγαμβροι πλησίον οἰκοῦντες τοῦ Ῥήνου
- (Partizip Plural Präsens: οἰκοῦντες)
Die Sugambrer sind für Strabon zudem diejenigen, welche die Konflikte zwischen Römern und Germanen überhaupt erst vom Zaune brachen! (ἤρξαντο δὲ τοῦ πολέμου Σούγαμβροι
) Und die leben (Präsens!!!!!) direkt am Rhein.
Tacitus gibt sogar an, dass diese im Jahr 16 n. Chr. im Begriff waren sich über die Elbe zurück zu ziehen,
Gefühlt habe ich dich schon 100 x darauf hingewiesen, dass Tacitus das nicht behauptet, sondern Germanicus in den Mund legt: Was heute bei einem Fußballmatch eine Kabinenrede wäre, nichts anderes ist das.
Die Brukterer hatten ihre Behausungen verbrannt und waren ebenfalls in Bewegung
Behausungen verbrennt man vor allem, damit der Feind die Vorräte nicht findet. Im nächsten Jahr waren sie wieder am selben Ort.
(Vergleich Caesar - Auszug der Helvetier). Es gab also massive Verschiebungen zwischen 10-15 n. Chr. Speziell zwischen Weser und der Elbe-Saale-Region lassen sich für die spätaugusteisch/frühtiberische Zeit keramische Formen fassen, welche in den ostwestfälischen und nordhessischen Raum weisen. Also hatte ich mich vor Jahren auf die Suche begeben. Denn bisher hielt man immer nur an "alten" Zöpfen fest...
Das interessante ist, dass du nicht einmal merkst, in welche Widersprüche du dich verstrickst.
Einerseits sagst du, zwischen Rhein und Weser sei alles leer gewesen, dannn behauptest du, Kalkriese sei ganz klar Tiberius. Zwei Tage später kann nur Germanicus dort gewesen sein. Aber das Gebiet zwischen Rhein und Weser war leer. Was haben Tiberius und Germanicus dann in Kalkriese gemacht? Eine riesige Orgie gefeiert? Was du da zusammenzimmerst, passt hinten und vor nicht zusammen. Und dass du immer wieder die dem Germanicus von Tacitus in den Mund gelegte Kabinenrede als "Beleg" für die Entvölkerung der rechtsrheinischen Gebiete heranziehst, obwohl du es besser weißt, finde ich wirklich ärgerlich.