Wie müssen nicht über das Frauenbild der damaligen Zeit diskutieren. Allerdings hat man von den Männern das Gleiche verlangt: sich unterzuordnen und zu dienen.
Warum sollten wir nicht über das damalige Frauenbild diskutieren? Denn dies ist ein zentrales Thema des Films und spielt in der Geistigen Landesverteidigung ebenso eine wichtige Rolle, wie andere Elemente. Das Frauenbild das in diesem Film gezeigt wird hat Auswirkungen bis in die 90er Jahre.
Wie schon gesagt spielt der Film in der Zeit der Grenzbesetzung 1914 – 1918. Die Filmfigur Gilberte de Courgenay hat mit der echten Gilberte Schneider-Montavon (geb. 20. März 1896, gest. 2. Mai 1957) nichts gemeinsam. Kurz zum historischen Hintergrund. Gilberte Schneider-Montavon half während des ersten Weltkrieges im elterlichen Hotel «de la Gare» mit. Das Hotel war ein beliebter Treffpunkt der Schweizer Grenztruppen.
Kurz zur Filmproduktion:
Der Film zählt ja immer noch zu den bekanntesten und populärsten alten Schweizer Spielfilmen, der immer noch in der Originalversion vertrieben wird. Das Drehbuch stammt von Richard Schweizer und Kurt Guggenheim. Hauptrolle Anne-Marie Blanc als Gilberte, Ditta Oesch als Tilly, Erwin Kohlund als Peter Hasler. Die Dreharbeiten fanden Februar bis März 1941 im Studio Rosenhof in Zürich statt. Premiere war am 17. April 1941 in Kino Urban in Zürich. Kosten des Films beliefen sich auf 280 000 Franken unterstütz wurde der Film durch die Schweizerische Nationalspende und dem Armeefilmdienst.
Nun zur Filmfigur der Gilberte de Courgenay und dem Frauenbild als zentrales Element:
Anne-Marie Blanc spielte die Gilberte de Courgenay im Alter von 21 Jahren. Sie stand am Anfang ihrer Karriere. Davor drehte sie die Filme «Wachtmeister Studer» (1939) und «die missbrauchten Liebesbriefe» (1940). Die Filmfigur von Gilberte faszinierte damals die «Massen» und dies gilt bis heute. Keine andere weibliche Filmfigur der alten Schweizerfilme hat so einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Der Film wurde in wenigen Wochen zum Publikumserfolg. Das Lied «C’est la petite Gilberte ….» wurde zum Inbegriff der Schweizer Soldatenlieder. Das Lied stammt vom Volksmusiker Hanns In der Gand (1882 – 1947).
Die Gilberte wurde zur idealen nationalen Frauenfigur und zur Integrationsfigur verschiedener Volksschichten in der Schweiz. Das Frauenbild steht in der Beziehung mit dem Diskurs der geistigen Landesverteidigung geforderten Frauenleitbild. Wenn man den Film schaut, fällt einem auf, dass die Titelheldin im Grunde eine der wichtigsten Nebenfiguren ist. Sie erscheint erst nach ca. zehn Minuten im Film zum ersten Mal. Sie ist eine adrette Erscheinung, jungfrauenhaft, grazil, die blonden Haare hochgesteckt, im langen hochgeschlossenen Kleid mit Schürze und Rüschen. Ihre unnahbare Eleganz verschlägt dem Soldaten die Sprache. Gilberte spricht im Film nicht viel und wen dann immer in zarter Stimme und welschem Akzent. Dafür sprechen ihre Mimik Bände. Grossaufnahmen ihres Gesichtes sorgen dafür, dass sie zur Ikone für das Publikum wird. Gilberte hat im Film für jeden Soldaten ein gute Wort bereit und ist mit einer absoluten Selbstverständlichkeit zur Stelle wenn jemand Hilfe braucht. Nacht, Wind und Kälte halten sie nicht davon ab, den Soldaten Tee ins Feld zu bringen. Sie kümmerst sich um die Kriegsverwundenten im Rotkreuzzug der vorbei kommt. Dann kümmert sie sich um den Kanonier Hasler der wohl private Sorgen hat, diese privaten Sorgen untergraben seinen Wehrwillen. Sie rügt ihn deswegen mit den Worten:
«Nei, das verstan in nöd, en Soldat, wo sini Pflicht nöd tuet, ah non, das het ich nie dengt vo ine, je ne pourrais plus vous estimer!»
Der Grund dafür war, dass sich Hasler in der Neujahrsnacht weigert seinen Wachposten zu beziehen. Die Dreiecksgeschichte zwischen der Städterin Tilly (Halsers Freundin), dem Landmädchen Gilberte und dem Soldaten Hasler nimmt ihren lauf. Hasler dichtet das Lied für Gilberte, kurz darauf kommt seine Freundin Tilly angereist und Gilberte wird am Ende Tilly grossherzig das Feld überlassen.
Ihre Devise ist:
«Tu pleures, Gilberte? Ah non, on ne pleure pas».
Gilberte lässt sich im Film nicht mit einem Soldaten ein. Das ist eine zentrale Aussage des Films. Dazu die Mutter von Gilberte:
« Les soldats viennent et puis ils s'en vont. Ills oublient vite. Je veux que ton bien.»
Der Drehbuchautor vermerkt am Rande des Drehbuches folgendes:
«(…) indem aus der unbewussten Kameradin die bewusste Trägerin eines Frauenideals heranwächst, das al eine Art Vorläuferin der vielen Schweizerfrauen anzusehen ist, die während der jetzigen Grenzbesetzung ihre Einsatzbereitschaft haben.»
(Zitat aus Gilberte de Courgenay. Drehbuch zu einem volkstümlichen Schweizerfilm aus der Grenzbesetzungszeit von 1914 – 1918 nach dem gleichnamigen Theaterstück von Richard Schweizer und Kurt Guggenheim: Cinématèque Suisse. Lausanne.)
Die Vorbildfunktion der Gilberte wird an den beiden Frauenfiguren herausgearbeitet. Tilly die oft weinende Städterin und Gilberte die ländlich-einfache dafür tapfere und selbstlose «Soldatenmutter».
Im Film selber ist das Soldatenleben an der Grenze der Hauptstrang. Gilberte übernimmt die Lenkung aus dem Hintergrund, sie muntert die Soldaten auf, besänftig sie und sorgt dafür das sie ihre Pflicht als Soldaten erfüllen. Sie bewegt sich zwischen Hausfrauenpflicht und der weiblichen Variante des Militärdienstes. Ihre Pflichterfüllung steht im Dienste aller.
In der Ostschweizer Zeitung. Nr. 200 vom 30. April 1941 steht folgendes:
«Das Mädchen, das da im Mittelpunkt steht – ob es sich nun Gilberte nennt oder anders, ist an sich einerlei – steht als leuchtendes Beispiel eines echten unverfälschten Schweizermädchens vor uns: treu, bescheiden, dienstfertig, opferfreudig und froh.»
Die Rolle der Frauen in der geistigen Landesverteidigung wurde klar zugewiesen. Sie sollte eine opferbereite Mutter, dienende Hausfrau und die Unterstützerin des Wehrmanns sein. Dazu benötigt sie Selbstdisziplin, eine entschlossene Haltung, Hilfsbereitschaft und Demut. Der Film Gilberte de Courgenay übermittelt genau dieses Frauenbild der geistigen Landesverteidigung. Seine Wirkung verehlte er nicht, denn die Schweizer Frauen (natürlich nicht alle) gingen in diesem Schema auf. Sie glaubten mit einer gewissenhaften Ausführung ihrer Hausfrauen- und Mutterrolle ihren Beitrag zur geistigen Landesverteidigung zu leisten.
Der Erfolg des Filmes hatte vor allem mit der Besetzung der Gilberte zu tun. Dies kann man in er NZZ vom 22. April 1941 nachlesen. Darin steht:
«Mit der Wahl von Anne-Marie Blanc für die Rolle der Gilberte hat man einen ausgezeichneten Griff getan. Sie ist ein über alle Massen liebreizendes, dabei schlichtes und ungeziertes Wirtstöchterlein. Welch ein Unterschied zu dem koketten, süsslichen Margritli.»
Hier wird auf den Film "S’Margritli und d’Soldate" (1940/41) eingegangen. Die Hauptfigur darin war eine kecke, vitalere und zu Jazzmusik tanzende Figur. Was in der Schweizer Presse nicht gut ankam.
Anne-Marie Blanc wurde mit ihrem Film praktisch über Nacht zum Star. Und der Film verfehlte seine Wirkung nicht. Denn er bestätigte die Geschlechterordnung und die Vorstellung der «Schweizer Frau» als einfühlsame und disziplinierte Unterstützerin des Soldaten im Aktivdienst. Das Ideal der «Schweizer Frau» war aber nicht nur ein von Männern projizierte Phantasie, sondern auch den Frauen war die Gilberte nah.
Aus einem Votum der Zeitschrift «Schweizer Film vom 1. August 1941:
«Am besten hat mir davon die Gilberte gefallen. Wissen Sie, die Gilberte war ein so richtiges, einfaches Mädchen und so richtig «schweizerisch» und damit stand sie einem besonders nah.»
Das Ideal der «Schweizer Frau» wie sie im Film dargestellt wurde, war ein Frauenbild, das noch eine lange Zeit in der Schweiz verbreitet war und da kann ich auch als Zeitzeugin sprechen. Denn ich bin mit diesem Ideal der «Schweizer Frau» aufgewachsen. Die Generation meiner Eltern lebte dieses Rollenbild und man kann es noch weiterspinnen Denn diese Rollenbild verhindert lange, dass in der Schweiz ein Frauenstimmrecht eingeführt wurde. Die Frauen in der Schweiz erhielten erst 1971 die gleichen politischen Rechte wie die Männer hatten, (im Kanton Appenzell auf kantonaler Ebene erst ab 1991). Und an diese beiden Debatten kann ich mich sehr gut erinnern.
Quellen:
Simone Chiquet, Doris Huber: Frauenbilder in der Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg 1942 - 1965. in: Auf den Spuren weiblicher Vergangenheit. Beiträge der 4. Schweizerischen Historikerinnentagung. Arbeitsgruppe Frauengeschichte Basel 1988
Peter Neumann. Der Spielfilm als historische Quelle. Mit einer Analyse von "Füsilier Wipf" Zürich 1986
Sibylle Meyrat, Janine, Schmutz: Mutter Helvetia und ihre Söhne. Der Spielfim "Gilberte de Courgenay" als historische Quelle seiner Entstehungszeit. Basel 2000
Janine, Schmutz. Idéal de femme suisse. In Schweizerische Zeitschrift für Geschichte. 2003