Keltische Oppida in germanischer Hand

Natürlich nicht.
Aber da sie unmittelbar an der römischen Grenze tätig waren und auch mit den Römern zusammenstießen sowie die Römer sie auskundschafteten (z. B. um Makrian zu fassen), sollte den Römern aufgefallen sein, ob es sich nur um eine bunt zusammengewürfelte, herumziehende Kriegertruppe handelte oder um einen richtigen Stamm mit Frauen, Kindern und Alten sowie einer Stammesstruktur und Zivilleben.
 
Natürlich nicht.
Aber da sie unmittelbar an der römischen Grenze tätig waren und auch mit den Römern zusammenstießen sowie die Römer sie auskundschafteten (z. B. um Makrian zu fassen), sollte den Römern aufgefallen sein, ob es sich nur um eine bunt zusammengewürfelte, herumziehende Kriegertruppe handelte oder um einen richtigen Stamm mit Frauen, Kindern und Alten sowie einer Stammesstruktur und Zivilleben.

Wie hätten die Römer denn eine hierarchisch organisierte Kriegergefolgschaft bezeichnet?
Eine, die eben nicht als Räuberbande durchgeht, aber dennoch halbnomadisch an der Grenze ihre Chancen sucht, so wie es die Hunnen taten, wie es die Awaren taten, wie es ein Großteil der damaligen Gruppierungen tat.
Was wäre die römische Bezeichnung dafür gewesen?
 
nun ja,die Gebiete jenseits des Rheins in der oberrheinischen Tiefebene waren ja früher die Agri decumates, die laut Tacitus sowohl von keltischen Siedlern als auch von (neckar)suebischen Germanen einerseits und wohl auch von Römern andererseits besiedelt und kultiviert wurden. mit dem Einsickern der Alemannen in dieses Gebiet nach Aufgabe des Odenwaldlimes könnten diese Bevölkerungsgruppen nach alemannischer Tradition assimiliert worden sein . Die Siedlungskontinuität der römischen Orte Dieburg und Gross-Gerau weisen zumindest darauf hin,.
Makrian als König der Bucinobanten genannten Gruppe scheint innerhalb der alemannischen Teilstämme eine herausragende Rolle gespielt zu haben, wird er doch als turbarum rex artifex bezeichnet. Dies spricht dagegen, dass es sich bei den Bucinobanten nur um eine mehr oder weniger zusammengewürfelte Krieger- und Räuberbande handelte.
Julian stand bereits 357 in einer Schlacht bei Strassburg einer Koalition der alemannischen Heerführer und Gaukönige Makrian, dessen Bruder Hariobaud, Ur , Ursicinus, Vadomar und Vestralp gegenüber.
359 musste Julian nochmals den Rhein bei Mainz überschreiten um u.a gegen Makrian zu Felde zu ziehen, was letztlich zum Friedensvertrag führte.
Makrian und seine Bucinobanten waren weiterhin ein Macht- und Störfaktor bis zum Bündnisvertrag von 371.
Das ganze deutet auf einen bedeutenden und mächtigen alemannischen Teilstamm hin.
 
Makrian als König der Bucinobanten genannten Gruppe scheint innerhalb der alemannischen Teilstämme eine herausragende Rolle gespielt zu haben, wird er doch als turbarum rex artifex bezeichnet. Dies spricht dagegen, dass es sich bei den Bucinobanten nur um eine mehr oder weniger zusammengewürfelte Krieger- und Räuberbande handelte.

Ob "König und Meister der Unruhen" nun ein erstrebenswerter und ehrenhaft gemeinter Titel ist, sei mal dahin gestellt. Von Räuberbanden war nicht die Rede. Von Beutegemeinschaften schon. Mobile, halbnomadische Kriegerkontingente an der römischen Peripherie, typisch für das 4. und 5. Jahrhundert.

mit dem Einsickern der Alemannen in dieses Gebiet nach Aufgabe des Odenwaldlimes könnten diese Bevölkerungsgruppen nach alemannischer Tradition assimiliert worden sein . Die Siedlungskontinuität der römischen Orte Dieburg und Gross-Gerau weisen zumindest darauf hin,..

Wir haben nichts weiter als eine gewisse Siedlungskontinuität. Weder wissen wir, ob dort "Alamannen" eingesickert sind, noch ob diese etwas mit den Siedlungen zu tun haben.
 
mit dem Einsickern der Alemannen in dieses Gebiet nach Aufgabe des Odenwaldlimes könnten diese Bevölkerungsgruppen nach alemannischer Tradition assimiliert worden sein
Der Odenwaldlimes wurde um 160 n. Chr. aufgegeben.
Ich nehme an, Du meinst den Obergermanischen Limes, der hundert Jahre später aufgegeben wurde.

Wir haben nichts weiter als eine gewisse Siedlungskontinuität.

Zu Groß-Gerau finde ich folgendes:

Eine Besiedlungskontinuität im Bereich des Vicus über das 3. Viertel des 3. Jahrhunderts hinaus ist bisher nicht zu belegen. Münzen und Keramik weisen jedoch bereits für die constantinische Zeit auf eine erneute Besiedlung von Teilen des Areals hin. Der Schwerpunkt der Siedlungstätigkeit lag nun jedoch westlich des ehemaligen Vicusgeländes. Dennoch können auch dort Befunde dieser Epoche zugewiesen werden. Beim derzeitigen Stand der Bearbeitung sind keine verlässlichen Aussagen zur Ausdehnung und Struktur der spätantiken Besiedlung der Flur „Auf Esch“ möglich. In deren direktem Umfeld konnten Gräber des 4. Jahrhunderts nachgewiesen werden.

Die Neusiedler nutzten einen Platz, dessen topographische und strategische Position nach wie vor günstig war. Die Verteilung der spätantiken Befunde auf dem Areal des ehemaligen Vicus von Groß-Gerau scheint dafür zu sprechen, dass gerade die einstmals dicht besiedelten Zonen für die Neuankömmlinge besondere Anziehungskraft besaßen. Die Kleinfunde weisen zumindest einen Teil dieser Bevölkerung als Germanen, vermutlich Alamannen, aus. Eine große Anzahl von Funden römischer Provenienz, darunter neben Keramik auch Militaria und Münzen, lassen darüber hinaus die Anwesenheit romanisierter Gruppen in Groß-Gerau möglich erscheinen. Der Fundniederschlag bricht offenbar am Ende des 4. Jahrhunderts ab. Zu dieser Zeit oder spätestens im frühen 5. Jahrhundert ist mit einem Ende der Besiedlung des Areals „Auf Esch“ zu rechnen.
Goethe-Universität — Groß-Gerau, „Auf Esch“: Römischer Vicus und alamannische Siedlung

Zu Dieburg finde ich folgendes:

Unsicher ist, wann die römische Bevölkerung letztlich die Siedlung verlassen hat, ob Teile ansässig blieben, ob die römischen Gebäude von den germanischen Einwanderern zumindest teilweise genutzt wurden oder ob der Platz für eine bestimmte Zeit völlig verlassen lag. Erste Spuren einer nachrömischen Besiedlung im Stadtgebiet stammen aus dem 5. Jahrhundert. 1965 wurde in der Kratzengasse das Fragment einer bronzenen Stangenkette, ein charakteristischer fränkischer Frauenschmuck, gefunden.
https://www.lagis-hessen.de/downloads/statl/4.pdf
 
Natürlich meinte ich den Obergermanischen Limes und nicht der eigentlichen Odenwaldlimes

Wenn Julian in der Schlacht bei Strassburg einer Koalition der alemannischen Gaukönige von Makrian und Hariobaud mit ihren Buconibanten von der Mainmündung bis zu Vadomar,dessen Teilstamm im Breisgau verortet war, gegenüberstand und Rom sich danach noch ca. 40 Jahre lang mit Macrian herumschlagen musste gehen die Buconibanten m.E. über den Status einer reinen Beutegemeinschaft hinaus. Hier müssen m.E. aufgrund Organisationsgrad und Zeitdauer langfristigere Stammesstrukturen existiert haben.
 
Wenn Julian in der Schlacht bei Strassburg einer Koalition der alemannischen Gaukönige von Makrian und Hariobaud mit ihren Buconibanten von der Mainmündung bis zu Vadomar,dessen Teilstamm im Breisgau verortet war, gegenüberstand ...

Nun ist es allerdings so, dass bei in Beschreibung der Schlacht von Straßburg weder Makrian noch Hariobaud noch die Bucinobanten erwähnt werden.
Die Anführer der Koalition waren Chonodomar(ius) und sein Neffe Serapio alias Agenarich, die weiteren reges hießen Vestralpus, Urius, Ursicinus, Suomar(ius) und Hortarius.
Vadomar, der einige Jahre zuvor einen Friedensvertrag mit den Römern geschlossen hatte, beteiligte sich persönlich nicht - er behauptete, seine plebs sei gegen seinen Willen in die Schlacht gezogen. Was, nebenbei, auch nicht gerade für sonderlich "langfristige Stammesstrukturen" spricht.
 
Dann hat mich Tante Wiki in die Irre geführt. Dort heisst es im Artikel über Ursicinus unter Bezug auf das Reallexikon wörtlich :
"Nach dem römischen Geschichtsschreiber Ammianus Marcellinus besiegte der Caesar (Unterkaiser) Julian 357 in der Schlacht von Argentoratum eine Koalition alamannischer Heerführer, namentlich Ursicinus, Makrian, Hariobaud, Ur, Vadomar und Vestralp. "

In anderen diese Schlacht und die beteiligten betreffenden Artikeln wird Makrian allerdings nicht als Teilnehmer erwähnt erwähnt, allerdings war mit Vestralpus angeblich ein Gaukönig der Bucinobanten vertreten.
 
Dann hat mich Tante Wiki in die Irre geführt.
Sowas kommt gelegentlich vor, aber hier ist schon erstaunlich viel falsch. Es fehlen die Oberanführer Chnodomar und Serapio, außerdem Suomar und Hortarius, dafür wurden drei reges reingeschmuggelt, die nicht erwähnt wurden (bzw. mit Vadomar einer, der ausdrücklich nicht teilgenommen hat).

allerdings war mit Vestralpus angeblich ein Gaukönig der Bucinobanten vertreten.
Wie man Vestralpus mit den Bucinobanten zusammenbringen will, ist mir allerdings schleierhaft.
 
tja da ist wohl jemand richtig durch und über Julians Feldzüge gestolpert ;)

Passt aber generell zum Umgang mit dem ganzen Thema.
Anstatt zuzugeben, dass es riesige Wissenslücken gibt, wird einfach etwas rausgehauen? Wer hat im 3. Jahrhundert den Dünsberg besiedelt? Müssen wohl Alamannen gewesen sein. Wir haben zwar keinen Beleg...
Die nach-römischen Siedlungen in der Wetterau? Bestimmt Alamannen.
Irgendein Fund in Thüringen? Mit Sicherheit Hermunduren.
Lässt sich beliebig fortsetzen.
Wir können archäologisch keine einzige dieser Gruppierungen eindeutig zuordnen.
Und als Quelle haben wir nur knappe Angaben des Griechen Ammianus, und ein paar Fragmente anderswo.
Über die Zuverlässigkeit dieser Quellen können wir keine Aussagen machen - was wusste ein Ammianus wirklich über die sogenannten "Alamannen", die den Römern nur als Feinde kurz gegenübergestanden hatten?

Oder war "Alamannen" in besagter Zeit ein Sammelbegriff für sämtliche Gruppierungen rechts des Rheins, so wie man zeitweise alle Piraten an der Kanalküste "Sachsen" nannte, alle rechtsrheinischen Gruppen im Norden "Franken"?
War das eine Bezeichnung wie die von uns später verwendeten "Sarazenen" oder "Mauren" ? Da wurde auch nicht gefragt, ob es Berber oder Araber, Jemeniten oder Syrer waren.
Wurde der Begriff "Alamannen", wie der Begriff "Franken" oder "Sachsen" vielleicht erst später zur Selbstbezeichnung der damals noch bunt zusammengewürfelten Gruppierungen, deren "Ethnogenese" genau dort und genau damals stattfand?
 
das Problem , dass archäologisch wenige der im Mittel- und Oberrheingebiet auftretenden diversen keltischen und germanischen Gruppierungen eindeutig zuzuordnen sind haben wir allerdings bereits seit den ersten schriftlichen Beschreibungen durch römische Schriftsteller, angefangen bei Caesar. und im Grunde bis zum Ende der Völkerwanderung- und das führt dann zu undifferenzierten Zuordnungen unter Sammelbezeichnungen wie Treverer, Alemannen, Chatten, etc. Das Problem wurde hier ja unter dem Aspekt Abgrenzung Kelten /Germanen bereits öfter diskutiert. und gilt auch für die Spätantike.
 
Ich bin da für die Zukunft optimistisch. Die unterschiedlichen naturwissenschaftlichen Methoden werden meines Erachtens in den nächsten Jahren bis Jahrzehnten den Durchbruch liefern.

  • Die genetische Abstammungsforschung wird immer mehr Daten liefern
  • Die Strontiumsisotopenanalyse sagt uns immer genauer, wo jemand aufgewachsen ist
  • die Archäometallurgie gibt uns immer mehr Informationen, über die Herkunft der Waffen und der Schutzausrüstung von Kriegern sowie auch über landwirtschaftliches Gerät
Dieser Strauß an Daten wird den Diskurs beenden.

Lebten Menschen in einer Siedlung, die aus verschiedenen Gegenden Europas stammten und die mitochondriale DNA auf den Friedhöfen sich keiner Generationenfolge zuordnen lässt.
Oder es kommt gerade anders herum. Gemeinsame Herkunftsgebiete und enge Verwandtschaftsverhältnisse über entfernte Siedlungsgebiete hinweg, belegen die Wanderung von Stämmen oder zumindest Sippen.

Abwarten. Hoffentlich wird zu unseren Lebzeiten diese Frage naturwissenschaftlich beantwortet werden. Dann werden die Quellengläubigen ihren Tacitus oder Ammianus ins Altpapier werfen oder die kritischen Geister werden diesen antiken Autoren vielleicht doch mehr Respekt erweisen müssen.
Bis es soweit ist, bleibe ich den römischen Autoren treu.
:)
 
Dieser Strauß an Daten wird den Diskurs beenden.
Ich kann Deinen Optimismus nicht teilen.

So wie wir nur in den Quellen lesen können, die erhalten sind, können auch naturwissenschaftliche Methoden nur das untersuchen, was erhalten ist. Und da bei Germanens bis ins 4./5. Jahrhundert die Brandbestattung weithin üblich war, werden uns die Friedhöfe auch in den nächsten Jahren bis Jahrzenten nur in wenigen Ausnahmefällen Strontiumisotopen- oder DNA-haltige Überreste liefern. Und deren Aussagemöglichkeiten sind naturgemäß sehr begrenzt und werden es auch weiterhin bleiben.
Denn bislang gibt es keine naturwissenschaftliche Methode, die auch nur ansatzweise Anhaltspunkte dafür liefern könnte, ob sich die Menschen, die diese Spuren hinterlassen haben, als "Juthungen", als "Sueben", als "Semnonen", als "Alemannen" oder als was auch immer verstanden haben.
 
Das ist ein wichtiges Argument, dass Brandbestattungen eine Zuordnung über genetische Erkenntnisse verhindern. Wobei auch hier verschiedene Arten der Brandbestattung zu unterscheiden sind. Es gibt ja auch Brandbestattungen, bei welchen größere Knochenteile ausf dem Verbrennungsplatz aufgesammelt und in einer Urne bestattet werden. Da müsste man schauen, wie die Wissenschaft bei diesen Überresten noch genetische Spuren sichern kann.

Denn bislang gibt es keine naturwissenschaftliche Methode, die auch nur ansatzweise Anhaltspunkte dafür liefern könnte, ob sich die Menschen, die diese Spuren hinterlassen haben, als "Juthungen", als "Sueben", als "Semnonen", als "Alemannen" oder als was auch immer verstanden haben.
Das ist aber nur eine Diskussion um einen Namen. Wenn die Wissenschaft nachweisen kann, dass größere Gruppen zum Beispiel aus dem Gebiet der Weichsel geschlossen an die Donau umgesiedelt sind, wäre dies ein Indiz, dass entsprechende Schriftquellen über die Goten zumindest teilweise zutreffen.
 
Ich halte die Vorstellung, dass man Ethnien vor 2000 Jahren oder davor oder danach anhand von mitochondrialen Haplogruppen identifizieren kann, für nicht nachvollziehbar. In dieser wiki-Karte, die den Stand von etwa 1500 n.Chr. widerspiegeln soll, könnte man sich dann z.B. fragen, welche Ethnie ist Haplogruppe H.
1024px-Haplo-mt-Europa.png
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich halte die Vorstellung, dass man Ethnien vor 2000 Jahren oder davor oder danach anhand von mitochondrialen Haplogruppen identifizieren kann, für nicht nachvollziehbar.

Dieser Vorstellung liegt eben immer noch eine falsche Definition von "Ethnie" zu Grunde. Von jahrhundertelang auf ihren Planwagen durch die Lande ziehenden "Völkern", deren Weg man irgendwie in ihre "Urheimat" zurückverfolgen könne, die dann irgendwo "saßen" und sich scharf von ihren "Nachbarvölker" abgrenzten.
Im Grunde die Gedankenwelt des 70/71-er Krieges, wo der "Erbfeind" jenseits des Rheines saß. Und ausgerechnet die bunt durchmischten "Deutschen" anfingen, von "Reinrassigkeit" zu faseln.
Das prägt die Geschichtswissenschaft bis heute, oder zumindest bis vor kurzem.
 
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