Female Choice? Damenwahl?

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Je länger ich über Stoverocks Thesen nachdenke, um so mehr erscheinen sich mir als eine Aneinanderreihung von Fehlschlüssen, wenn nicht gar als provokativer Unsinn.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Stoverock provozieren wollte. Anlass dazu gibt es genug. Allerdings sind manche ihrer Thesen aus geschichtswissenschaftlicher und ethnologischer Sicht abzulehnen und wirken aus Sicht der Biologie für mich reichlich undurchdacht. Immer unter dem Vorbehalt, dass sie richtig wiedergegeben wird.
 
Für den männlichen Homo sapiens hat diese anatomische Besonderheit der menschlichen Vulva den Nachteil, dass er die Empfängnisbereitschaft der Weibchen nicht erkennen kann. Er kann sich bekanntermaßen also nie sicher sein, ob er die Frau gerade wirklich geschwängert hat.
Wenn der Mann eine Frau also wirklich schwängern möchte und er ihre fruchtbaren Tage nicht herausfinden kann, empfiehlt sich "aus evolutionsbiologischer Sicht" für den Mann die tägliche Paarung mit dieser Frau, was vielleicht schon als eine Art von Monogamie oder Paarbeziehung aufgefasst werden kann.
Auch in monogamen Paarbeziehungen gibt es Vergewaltigungen. Erst 1997 unter Widerstand einiger Politiker im Bundestag für die Bundesrepublik strafbewehrt worden.
 
„Die heutige Weltbevölkerung hat ungefähr doppelt so viele weibliche wie männliche Vorfahren, in präkulturellen Zeiten haben sich also ungefähr 70% der Frauen mit 35% der Männer gepaart.“
Angenommen die Fortpflanzungswahrscheinlichkeit läge beim Menschenweibchen konstant 5% höher als beim Männchen, dann betrüge das Verhältnis nach einer Generation 1,05 : 1, nach zwei Generationen 1,05^2 : 1, und nach n Generationen 1,05^n : 1. Nach 15 Generationen wäre bereits die Schwelle zu "ungefähr doppelt so viele weibliche wie männliche Vorfahren " überschritten.
Wie dann der Schluss des zweiten Halbsatzes zustande kommt versteh ich gar nicht.
Oder steh ich aufm Schlauch?
 
"Der entscheidende Punkt ist aus meiner Sicht, dass sich bislang eben nur Unterdrücker die Biologie zu eigen gemacht haben", sagt Meike Stoverock. "Und mir fehlt ein bisschen der neutrale, wertfreie Blick auf biologische Sachverhalte."
(Hervorhebung von mir)

Unter dem Vorbehalt korrekter Wiedergabe *, in einem solchen Statement kann ich nix, aber auch rein gar NIX anderes als einen Offenbarungseid für die postulierte Wertfreiheit und Neutralität sehen. Allenfalls, wie auch schon @El Quijote in #21 vermutet, die Absicht einer Provokation - einer Provokation die mir inhaltlich zudem auf reichlich oberflächlichem Niveau daher zu kommen scheint. Eine auf Schwarz/weiß- oder Gut/böse-Grundannahmen fußende Herangehensweise empfinde ich als einen quasi pränatal angelegten Sargnagel für jegliche wertfreie Beobachtung, in welchem Kontext auch immer.
Ich bilde mir ein, über ein gewisses Faible für Provokationen zu verfügen. Herabwürdigung, egal in welche Richtung, ist meines Erachtens allerdings so ziemlich die fragwürdigste Zutat für Inspiration und Austausch. Oder, um im Kontext des Themas zu bleiben, dem Potential wechselseitiger geistiger Befruchtung wird auf solche Art leider per se eine rabiate Note verpasst.

*Die männliche Dominanz | ttt – titel, thesen, temperamente
 
Und trotzdem ergibt eine feministische Vereinnahmung evolutionsbiologistische Argumente in einem machtpolitischen Diskurs (Geschlechterkampf) mit akademischen Provokateuren des gegnerischen Spektrums (Musterbeispiel Ulrich Kutschera) durchaus einen Sinn. Eine Schreispirale bringt natürlich auch keine Lösung in diesem Konflikt und dabei entsteht auf keiner Seite ein sinnvoller Beitrag zur Vor- und Frühgeschichte u.a.
 
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Vielleicht bin ich gerade mit Blindheit geschlagen, aber ich verstehe deinen Einwand nicht, denn du wiederholst im Grunde genommen genau das, was ich kritisiert habe
Nein, ich sagte mit anderen Worten das, was du auch gesagt hast:
Und auch in unserer Gesellschaft kommen Vergewaltigungen vor. Insofern ist die These, dass Frauen den Zugang zu Sex kontrollieren, doch recht fragwürdig.
Und weil sie körperlich schwächer sind als Männchen, können sie sich einer Vergewaltigung kaum entziehen. Das bedeutet: Sie können grundsätzlich nicht selbst bestimmen, mit wem sie Sex haben.
Obwohl meine Formulierung etwas radikaler ist, meinen wir beide das gleiche: Die These der Autorin, Frauen kontrollieren den Zugang zu Sex, könne nicht stimmen, weil Männer, wenn sie nur wollen und stark genug sind, Sex erzwingen können.

Natürlich ist das nicht Normalfall, deswegen werden Vergewaltigungen in fast allen Staaten dieser Erde bestraft. Das ist aber eindeutig eine kulturelle Leistung, denn bei anderen Primaten wird eine Vergewaltigung nicht bestraft: Wenn ein Männchen stark genug ist, kann es sich nehmen, was es will.

Deswegen weiß ich nach wie vor nicht, was konkret du mir vorwirfst.

Wenn der Mann eine Frau also wirklich schwängern möchte und er ihre fruchtbaren Tage nicht herausfinden kann, empfiehlt sich "aus evolutionsbiologischer Sicht" für den Mann die tägliche Paarung mit dieser Frau, was vielleicht schon als eine Art von Monogamie oder Paarbeziehung aufgefasst werden kann.
Ja, die Angst des Mannes, er könnte nicht der Vater der Kinder sein, für die er zu sorgen hat, könnte das auslösende Moment für die „Ehe“ gewesen sein.* Auch die Existenz des Hymens zeigt uns, dass die „Unberührtheit“ der Frau als sehr wichtig angesehen wurde und in manchen Kulturen immer noch wird.

Um nicht missverstanden zu werden: Es gibt auch bei anderen Tieren monogame Beziehungen, aber die sind von Seiten des Weibchens in der Regel freiwillig und dauern in der Regel nur so lange, bis ein höherrangiges Männchen Interesse zeigt bzw. dieses den bisherigen Partner besiegt. Es gibt aber auch umgekehrten Fall: Das Weibchen bewacht bzw. sorgt dafür, dass das Männchen nicht fremdgeht.

* In der Tierwelt gibt es verschiedene Arten, die Vaterschaft möglichst sicherzustellen – siehe z.B. bei Hunden, die sich nach der Kopulation nicht sofort trennen können, d.h. mit Geschlechtsteilen für mehrere Minuten verbunden bleiben, um dem Samen einen zeitlichen Vorsprung zu geben vor dem des nächsten Männchens, das ev. danach zum Zuge kommt.
 
@ Maglor: Es liegt mir absolut fern, Hinterfragungen ihre Berechtigung oder Sinnhaftigkeit absprechen zu wollen. Was mich zum Stirnrunzeln bringt, ich erachte vorwurfsschwangere wie auch ratschlagende und vor allem pauschalisierende Artikulationen für einen äußerst effektiven Entwicklungskiller in zwischenmenschlichen Begegnungen. Ich erlebe solche Haltung als eher zementierend denn mobilisierend, ob nun im Hinblick auf den Geschlechterdiskurs oder in anderen Zusammenhängen.
Wenn ich mich in der Spontaneität des Alltags selbst bei derlei Verhalten ertappen lassen oder selbst ertappen darf, dann bekomme oder entdecke ich völlig zu Recht dafür (hoffentlich!) die Quittung - es begegnet mir als ebenso unglücklich wie auch menschlich...

Dabei werde ich es an dieser Stelle belassen, denn mir ist in den Tiefen des Netzes (ich weiß leider nicht mehr wo) Stoverocks Bitte begegnet, wenn schon nicht alles, so doch bitte wenigstens die Einleitung ihres Buches aufmerksam zu lesen - und das liegt mir nicht vor.
 
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Nein, ich sagte mit anderen Worten das, was du auch gesagt hast: Obwohl meine Formulierung etwas radikaler ist, meinen wir beide das gleiche: Die These der Autorin, Frauen kontrollieren den Zugang zu Sex, könne nicht stimmen, weil Männer, wenn sie nur wollen und stark genug sind, Sex erzwingen können.
Das hört sich bei mir allerdings ganz anders an, als bei dir. Ich beschreibe eher eine Möglichkeit und Gefahr, die unserem Erfahrungswissen nach besteht, du beschreibst einen Zustand - zumindest hört sich das für mich so an - wonach die Vergewaltigung gewissermaßen den natürlichen Normalfall darstellt. Als wären Männer per se Monster, die man erst dazu erziehen müsse, eine Frau als Menschen mit eigenen Rechten zu respektieren, weil sie im Urzustand sich sonst das nähmen, was sie wollten.

Das ist aber eindeutig eine kulturelle Leistung, denn bei anderen Primaten wird eine Vergewaltigung nicht bestraft: Wenn ein Männchen stark genug ist, kann es sich nehmen, was es will.
Ich eirnnere an die Bonobos.
Bei den Orang-Utans kommen Vergewaltigungen durch "Incels" vor, aber eben nicht durch in der Gruppe lebende Männchen, mit denen die Weibchen freiwillig kopulieren.
Jede Affenart hat eigene Fortpflanzungsstrategien, die Behauptung, dass bei anderen Primatenarten Vergewaltigung "nicht bestraft" würde (eine etas seltsame Formulierung bei Tieren ohne Rechtssystem) greift irgendwie nicht, weil die dahinterliegende Annahme, dass die Vergewaltigung bzw. erzwungene Kopulation der Normalfall bei Primaten sei, eben nicht stimmt.

Bei Gorillas (Wikipedia, Artikel Silberrücken) soll die Paarung sogar i.d.R. auf Initiative der Weibchen zurückgehen. Zwar hat der Silberrücken das Vorrecht zur Paarung, aber man beobachtet immer wieder, dass Weibchen sich auch mit anderen Männchen als dem dominanten paaren und dies bei älteren Silberrücken sogar mit dessen Wissen geschieht. Jüngere Silberrücken achten eifersüchtiger auf ihren Harem.
 
Moin moin, ich bin bei der Suche nach Rezensionen zu dem Stoverock-Buch auf dieses Forum gestoßen und fand den langen Eingangspost gleich sehr gut (weil ich zufällig in fast allen Punkten der gleichen Meinung bin ;-) ), aber auch die folgenden Kommentare. Weil also das Niveau hier ziemlich hoch ist (in den Rezensionen auf Amazon geht es ruppiger zu), wollte ich einen Ausrutscher nicht unkommentiert stehen lassen:

Auch in monogamen Paarbeziehungen gibt es Vergewaltigungen. Erst 1997 unter Widerstand einiger Politiker im Bundestag für die Bundesrepublik strafbewehrt worden.

Das ist definitiv falsch. Die meisten Handlungen, die man informell als Vergewaltigung ansieht, waren schon vor dem 5. Juli 1997 innerhalb einer Ehe strafbar, aber aufgrund anderer Paragraphen des StGB und mit geringeren Mindeststrafen, z.B. mit "nur" einem halben Jahr Gefängnis als Mindeststrafe, und das schon mindestens seit den 1950er Jahren.

Etwas genereller zum Thema Matriarchat: Der Mythos von einem prähistorischen Matriarchat findet sich nicht nur bei Stoverock, sondern auch in vielen früheren feministischen Quellen, die aber nach meinem Eindruck von seriösen Geschichtsforschern nicht ernst genommen werden.
 
Der Mensch ist ein soziales Wesen, das in funktionalen Gruppen die größten Überlebenschancen hat. Und anders, als von Schaf behauptet, produzieren im Übrigen auch Männer Oxytocin.
Es wurde gezeigt, dass Östrogen die Freisetzung von Oxytocin aus dem Hypothalamus stimuliert und die Rezeptorbindung in der Amygdala fördert.[98] Es wurde auch gezeigt, dass Testosteron Oxytocin bei Mäusen direkt unterdrückt.[99] Es wurde angenommen, dass dies eine evolutionäre Bedeutung hat. Wenn Oxytocin unterdrückt wird, wären Aktivitäten wie Jagen und Angreifen von Eindringlingen mental weniger schwierig, da Oxytocin stark mit Empathie verbunden ist.[100]
Oxytocin - Wikipedia
Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)
Oxytocin - Wikipedia
 
Etwas genereller zum Thema Matriarchat: Der Mythos von einem prähistorischen Matriarchat findet sich nicht nur bei Stoverock, sondern auch in vielen früheren feministischen Quellen, die aber nach meinem Eindruck von seriösen Geschichtsforschern nicht ernst genommen werden.
Richtig, es gibt verschiedene Behauptungen zum Thema Matriarchat in der Frühgeschichte, ist natürlich schön, dass man keine erzählenden Quellen hat. Stoverock unterscheidet sich dabei darin, dass sie das Neolithikum als Beginn des Patriarchats sieht. Eine gängige Erzählung ist die, dass das Neolithikum matriarchal gewesen sei und erst die indoeuropäische Invasion das Patriarchat gebracht hätte. In dieser Erzählung wäre das Matriarchat auch bzw. teilweise sogar gerade im Neolithikum die vorherrschende Gesellschaftsform gewesen.
 
Nur Machomänner mit dicken Mercedes werden sich fortpflanzen und alle anderen bleiben auf der Strecke, find ich als Mann jetzt wenig prickelnd.

Klinkt für mich, als würde die Dame ihre Wunschvorstellung auf die Vergangenheit projizieren. Wirklich wissen tuen wir es nicht und ob ein Gorilla in seinem Harem wirklich davon abhängt ob die Weibchen wollen, sei mal auch zu klären.

Der Mensch hat Kultur und ist nicht 100 % Biologie, dass kapieren aber auch andere Biologen nicht, Ulrich Kutschera hat ja ähnliches geschrieben. (sehe grad Maglor hat Ähnliches geschrieben)
 
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Auch die Existenz des Hymens zeigt uns, dass die „Unberührtheit“ der Frau als sehr wichtig angesehen wurde und in manchen Kulturen immer noch wird.
Dass die Unberührheit einer Frau am unverletzten Hymen (Jungfernhaut) erkannt werden könne, wurde in den letzten Jahren weitgehend als medizinischer Mythos entlarvt, vgl. Wikipedia Hymen.
Ansonsten ist das Thema blutendes Jungerhäutchen natürlich ein sehr interessantes, kulturelles Phänomen.

Die Vulva des Menschen ist eines der am schlechtesten erforschten Körperteile der Welt. Über Jahrzehnte gab es regelrecht blinde Flecke - nicht zuletzt weil Mediziner (insbesondere die Forscher) bis in die jüngste Zeit immer Männer waren, haben sie bestimmte Aspekte gar nicht verstanden oder konnten sich mit dem tabuisierten Körperteil nicht beschäftigen. Bestimmte Funktionsweisen und anatomische Besonderheiten der Vulva wurden erst vor wenigen Jahren von Frauenärztinnen entdeckt. Erst 1998 legte Helen O'Connell eine genaue anatomische Beschreibung der Klitoris vor. Die Erektionsfähigkeit bzw. der Schwellkörper der Klitoris wurden erst von ihr entdeckt. Die Forschung geht weiter.

Vor einem anatomischen Vergleich mit der Tierwelt, müsste erstmal die genaue Anatomie der Frau unterhalb der Gürtellinie geklärt.
 
Richtig, es gibt verschiedene Behauptungen zum Thema Matriarchat in der Frühgeschichte,...

Ein sehr interessante Übersicht über die historische Entwicklung dieser Behauptungen, also der Diskurse zum Thema Matriarchat, habe ich hier gefunden:

Elke Hartmann: Zur Geschichte der Matriarchatsidee. Antrittsvorlesung, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Geschichtswissenschaften, 02.02.2004. https://edoc.hu-berlin.de/handle/18452/2340

Es ist erstaumlich, wie verschieden im Laufe der Zeit "Matriarchat" und die in einem Matriarchat bestehenden Privilegien definiert wurden. Das Fazit in dem Text:

Um die Geschichte von Familienformen sowie anderer sozialer Systeme und der ihnen innewohnenden Machtverhältnisse zu untersuchen, erscheint ... der Rückgriff auf den Matriarchatsbegriff ungeeignet. Vielmehr wäre mit einem differenzierteren Machtbegriff zu arbeiten, ...

Dies führt zum Kernproblem aller Debatten über Matriarchate oder Patriarchate: dort muß man immer irgendeine Art von Macht unterstellen, die eine bestimmte demographische Gruppe (angeblich) hat. Macht tritt aber in sehr vielen sozialen Kontexten auf und ist meist nicht einfach ein isoliertes, binäres Phänomen, sondern ein komplexes Zusammenspiel, und Macht in einem Kontext impliziert nicht Macht in allen Kontexten (ein klassischer Fehler der feministischen Gesellschaftsanalysen).
 
Dies führt zum Kernproblem aller Debatten über Matriarchate oder Patriarchate: dort muß man immer irgendeine Art von Macht unterstellen, die eine bestimmte demographische Gruppe (angeblich) hat. Macht tritt aber in sehr vielen sozialen Kontexten auf und ist meist nicht einfach ein isoliertes, binäres Phänomen, sondern ein komplexes Zusammenspiel, und Macht in einem Kontext impliziert nicht Macht in allen Kontexten (ein klassischer Fehler der feministischen Gesellschaftsanalysen).

Es hat nie "angeblich" nur eine Gruppe "Macht". Die sinnvollste Unterteilung der unterschiedlichen Formen von Macht legte M. Mann in "Die Geschichte der Macht" vor. Er differenziert vier unterschiedliche Machtzentren in Staaten, die jeweils über eine Form von Macht verfügen. Im sogenannten "IEMP"-Modell benennt er die Produktion von Ideologie, in ihrer religiösen oder weltlichen Form, die Ökonomie, das Militär und die eigentlich Politik, als Administration und politische Führer, als die unterschiedlichen Formen von Macht.

In der Regel sind die Inhaber der Macht auf bestimmte Formen der Nutzung von Macht spezialisiert.

In diesem Kontext wird um die Herrschaft in einem politischen Gebilde um die Herrschaft gerungen. Und es werden mit Hilfe dieser Machtinstrumente Gruppen an der Macht gehalten und anderen Gruppen wird der Zugang erschwert.

Die Beziehungen in den Familien unterliegen den Vorgaben durch die Produktion von Ideologie, teils unterstützt durch ökonomische Ungleichheit. Und dieses komplexe System an Machtressourcen hat die Frauen für mindestens die letzten 2000 Jahre systematisch benachteiligt.

Dieses Problem betrifft ebenso die unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten bzw. Klassen und kann ebenso konfliktsoziologisch auch für den Zugang zu Bildungskapital begriffen werden. Wie Bourdieu es ausführlich gezeigt hat. Der in seinem Ansatz ähnlich wie Collins argumentiert.
 
Dies führt zum Kernproblem aller Debatten über Matriarchate oder Patriarchate: dort muß man immer irgendeine Art von Macht unterstellen, die eine bestimmte demographische Gruppe (angeblich) hat. Macht tritt aber in sehr vielen sozialen Kontexten auf und ist meist nicht einfach ein isoliertes, binäres Phänomen, sondern ein komplexes Zusammenspiel, und Macht in einem Kontext impliziert nicht Macht in allen Kontexten (ein klassischer Fehler der feministischen Gesellschaftsanalysen).
In der feministischen Theorie ist man eigentlich auch schon weiter.

Wichtige Stichorte dazu sind Intersektionalität oder marginalisierte Männlichkeit.
Klassisches Beispiel wäre die heterosexuelle, weiße Frau aus der Oberschicht, die vergleichsweise wenig diskriminiert wird, verglichen mit homosexuellen oder nicht-weißen oder anderweitig marginalisierten Männern. Demnach werden auch Männer im Patriarchat unterdrückt und zwar meistens von anderen Männern (oder seltner von mächtigen Frauen vom Typ Margeret Thatcher).

Aber ein derart komplizierter Feminismus wird nicht von allen Feministinnen und Feministen geteilt.

Das war aber auch schon genug mansplaining von mir.;)
 
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In der feministischen Theorie ist man eigentlich auch schon weiter.

Wichtige Stichorte dazu sind Intersektionalität .......

Aber ein derart komplizierter Feminismus wird nicht von allen Feministinnen und Feministen geteilt.

"Intersectionality" ist ein sehr "mächtiger" theoretischer Ansatz. Der Ausgangspunkt ist, dass Formen von Ungleichheit eine starke Korrelation aufweisen. Diese Formen von Ungleichheit sind durch Machtbeziehungen definiert.

Die Ungleichheit drückt sich in unterschiedlichen Formen von Changengleichheit aus und führt u.a. zu unterschiedlicher Inklusion oder Exklusion.

Betroffen von Chancenungleichheit sind soziale Gruppen, denen bestimmte "Label" zugesprochen werden, wie Geschlecht, Ethnizität, Klasse etc. Diese werden teils als "soziale Konstruktionen" betrachtet, die ihrerseits Ausdruck von Machtstrukkturen sind.

Das Methodenverständnis, wie bei Collins beschrieben, der unterschiedlichen Ansätzen hat im Kern den Anspruch, die soziale Analyse mit der sozialen Intervention zu kombinieren und so die Analyse zur praktischen Verbesserung der Situation der Betroffenen zu machen.

Die Vorläufer dieser methodischen Vorgehensweise sind dabei unter anderem das Verständnis der Konflikt-Soziologie von Gesellschaft und auch der Anspruch der "Aktionsforschung" zur praktischen Anwendung von Analyse.

Sofern die Bekämpfung des "strukturellen Rassimus" durch wissenschaftlichen Studien begleitet und angeleitet werden kann, könnte der Anspruch und das Verständnis einer intersektionalen, begleitenden und intervenierenden Forschung einen hilfreichen Beitrag liefern.

Collins, Patricia Hill (2006): From Black power to hip hop. Racism, nationalism, and feminism. Philadelphia: Temple University Press
Collins, Patricia Hill (2019): Intersectionality as critical social theory. Durham: Duke University Press.
Collins, Patricia Hill; Bilge, Sirma, (2020) Intersectionality: Cambridge, Press.
 
Dass die Unberührheit einer Frau am unverletzten Hymen (Jungfernhaut) erkannt werden könne, wurde in den letzten Jahren weitgehend als medizinischer Mythos entlarvt, vgl. Wikipedia Hymen.
Das ist klar, nur kann das nichts daran ändern, dass dieser Mythos nicht weniger mächtig (gewesen) ist als andere Mythen auch – siehe Religionen.

Der Mensch hat Kultur und ist nicht 100 % Biologie, dass kapieren aber auch andere Biologen nicht, ...
Die Kultur ist ein ganz dünner Firnis, der schon in normalen Zeiten kaum die darunterliegende Biologie verbergen kann, in Krisenzeiten aber binnen Tagen fast ganz verschwindet: Die Kriege zu Zeiten Attilas und die unserer Tage unterscheiden sich in ihrer Grausamkeit gegenüber dem weiblichen Teil der Bevölkerung in keiner Weise. Ich habe dafür nur eine Erklärung: Angesichts des ihn ständig bedrohenden Todes, will ein Krieger zuvor noch seinen Samen unterbringen – das ist Biologie pur. Dass der Verstand, also die Kultur, bei diesem Unterfangen keine oder nur eine geringere Rolle spielt, zeigt sich bei Massenvergewaltigungen, weil da die Wahrscheinlichkeit, dass gerade er die Frau schwängern wird, äußerst gering ist.

Macht tritt aber in sehr vielen sozialen Kontexten auf und ist meist nicht einfach ein isoliertes, binäres Phänomen, sondern ein komplexes Zusammenspiel, und Macht in einem Kontext impliziert nicht Macht in allen Kontexten (ein klassischer Fehler der feministischen Gesellschaftsanalysen).
Eben. Man könnte diese Diskussion abkürzen, in dem man einfach konstatiert: Patriarchat hat sich als fitter als Matriarchat* erwiesen, wäre dem anders, hätten wir es heute nicht.

* Man kann in diesem Zusammenhang sogar die Frage, ob es irgendwann früher das Matriarchat als herrschende Form des menschlichen Zusammenlebens überhaupt gegeben habe, vernachlässigen. Aber dann hätten Soziologen und vor allem Soziologinnen weniger zu tun, was sie hinzunehmen verständlicherweise nicht gewillt sind. Deswegen produzieren sie fleißig weiter Studie und Bücher, die auf nichts als einer Annahme basieren: Es habe mal Matriarchat gegeben, es gehe jetzt fast nur noch darum, wann. Beweise dafür: Keine.
 
Man könnte diese Diskussion abkürzen, in dem man einfach konstatiert: Patriarchat hat sich als fitter als Matriarchat* erwiesen, wäre dem anders, hätten wir es heute nicht.
Du tauschst hier einfach mal so eben den Begriff "Macht" durch "fitter sein" aus. Dies erachte ich für mehr als fragwürdig.
 
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