Ich habe verschiedene Urteile über diese Frage gehört. Viele von namenhaften Historikern. Als erstes denkt man ja bei den Kreuzzügen eher als ein aggressives Unternehmen, schließlich reisen "Franken" in den nahen Osten um gegen "Sarazenen" zu kämpfen.
Womit wir schon bei der ersten Problematik sind, nämlich derjenigen, dass man in Albi, Carcasonne und Toulouse oder im Baltikum gar keine größeren Ansammlungen von "Sarazenen" entreffen konnte, dafür aber Kreuzzüge und der 4. Kreuzzug, dessen Ergebnis dann die vorläufige Zerschlagung des byzantinischen Reiches war, hatte mit irgendwelchen Sarazenen irgendwie auch so gar keine faktische Feindberührung.
Will heißen, bereits die Annahme, dass ein Kreuzzug im Endeffekt per se eine Auseinandersetzung zwischen Christen und Muslimen oder überhaupt eine Auseinandersetzung zwischen Christen und Nichtchristen darstellte, geht schonmal fehl.
Das entspricht offensichtlich so nicht den historischen Tatsachen.
Von daher täte dieser ominöse "man", um wen auch immer es sich dabei handeln mag, ganz gut daran, sich vor dem Denken mal etwas mit der Materie zu befassen.
Doch heute betont man gerne mal den Aspekt der Verteidigung des byzantinischen Reiches oder einen Wiederstand gegen die islamische Expansion die ja sogar zur Plünderung Roms und Kriegsreisen bis in die Schweiz führte. Was haltet ihr davon? Mir widerstrebt es die Kreuzzüge als "Gutes" unternehmen zu verstehen.
Nun, wenn du in diesem Bereich irgendetwas studiert haben willst oder studierst, müsste dir ja klar sein, dass eine auf ein ominöses "man" bezogene Diskussion erstmal wenig Grundlage bietet.
Um wen handelt es sich dabei also? Irgendwelche namenhaften Historiker mit entsprechendem Fachbereich und - Kompetenz?
Irgendwelche bekannten, geschichtsinteressierten Laien, die ihre Weißheiten aus antiquierten Büchern haben, die in der Vorrede noch dem Kaiser gewidtmet sind?
Irgendwelche Mitglieder einer Partei deren Abkürzungen mutmaßlich für die Bezeichnungen "Nichtsnutze Palavern Dummfug" oder "Armleuchter für Dosenbier" stehen und die auch bis heute behaupten der Überfall auf Polen anno 1939 wäre eine Verteidigung gegen wie auch immer stattgefundene sowjetische oder ganz perfide englische Agression gewesen?
Erzähl doch mal, mit wem wir es da so zu tun haben und wo man das nachlesen kann.
Kriege im Mittelalter sind für mich immer moralisch Grau.
Während in Kriegen außerhalb des Mittelalters sich moralisch einwandfrei in berechtigtes Handeln heldenhafter Akteure und das marodierende Treiben menschenfressender Ork-Horden trennen lassen oder wie darf man diesen Satz verstehen?
Letztendlich ist noch jeder Krieg dadurch zustande gekommen, dass jemand etwas besitzt, dass ein anderer gerne hätte, was auch immer genau das ist.
Sei das ein Stück Land, seien das irgendwelche Ressourcen oder sei das nur ein Machtzuwachs durch ein vorteilhaftes Bündnissystem, das dem Gegenüber zuwider ist.
Und mir wurde im Studium beigebracht die Kreuzzüge wurden grade erst möglich durch die kulturelle und politische Entwicklung in Europa, die Enstehung des christlichen Rittertums und so weiter.
Die Kreuzzüge, so wie sie sich dann am Ende abspielten, setzten diese Entwicklungen zweifelsfrei voraus, aber das ist eine Binsenweisheit denn eine Entwicklung abseits ihrer eigenen materiellen Grundlagen hat es in der gesammten Geschichte noch auf keinem Feld gegeben.
Das bedeutet aber nicht, dass wenn die politische Ordnung West- und Mitteleuropas eine andere gewesen wäre oder sich das Rittertum nicht in dieser Weise herausgebildet hätte, es keine Kreuzzüge hätte geben können.
Sie hätten dann nur eben einer anderen Organisation bedurft und sie wären auf Grund anderer struktureller Eigenarten sicherlich anders verlaufen, aber warum hätte es sie verhindern sollen?
Hätte sich anstelle eines mächtigen ostfränkischen- dann eben als Zentrum ein mächtigeres westfränkisches oder italienisches Reich herausgebildet, warum hätte das ein prinzipielles Hindernis für Kreuzzüge darstellen sollen?
Warum hätte man Kreuzzüge anstatt unter Einbeziehnung des Rittertums, wenn sich dieses in dieser Form nicht herausgebildet hätte, nicht breiter auf Basis eines dann vielleicht stärkeren Söldnerwesens führen können? Was hätte dagegen gesprochen?
Die Motivation der Teilnehmer wäre mitunter eine andere Gewesen, möglicherweise hätte das ganze weniger auf persönlichen Loyalitäten, als viel mehr auf einer stärker ökonomisch ausgeprägten Basis stattgefunden, möglicherweise mit anderen Hauptakteuren, von einer anderen Basis aus, über andere Routen und zu anderen Zielen hin und vielleicht wäre gemäß der Verschiebungen mit anderen Mitteln gekämpft worden.
Aber was genau ist ein Kreuzzug jetzt anderes gewesen, als abstrakter gesprochen eine militärische Expedition, die letztendlich durch das Oberhaupt der katholischen Kirche abgesegnet und legitimiert wurde?
Darauf beschränkte sich doch die Gemeinsamkeit, die die Kreuzzüge untereinander hatten.
- Sie wurden von sehr verschiedenen Hauptakteuren geführt
- Gegen sehr unterschiedliche, in Teilen gar christliche Ziele
- Die mit diesen Zügen verbundenen Heilsversprechungen wandelten sich im Laufe der Zeit und waren mitunter denn auch vom Zielort abhängig.