Mauritius/Moritz der Heilige Mohr der Deutschen

Maglor

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"Mohre" gibt es in vielen deutschen Städten, ob als heraldische Figuren oder auch im Namen von Straßen, Apotheken, Gasthäusern etc. Die meisten gehen auf den Heiligen Mauritius zurück. In Feuilleton und Co wurde in jüngster Zeit immer wieder die Verwendung des Wortes oder Symbols des Mohrs kritisiert bzw. die Abschaffung des Wortes und Symboles gefordert.

Aus der Reihe tanzt dieser Artikel aus der taz, in dem der historische Hintergrund der Mohren-Figuren in Magdeburg erklärt wird:
taz: Heiligenskulptur in Sachsen-Anhalt. Kaiser Otto und der Schwarze Ritter

Nach der Legende gehörte Mauritius zur Thebaischen Legion. Diese spätantiken Legionäre sollen sich geweigert haben gegen Christen zu kämpfen, wurden deswegen hingerichtet und später deswegen als christliche Märtyrer verehrt. Frühstes Zentrum ihres Kultes waren das von den Franken beherrschte Rheinland und das Königreich der Burgunden. In Burgund stieg Mauritius zum Schutzpatron des Königreiches auf und wurde als solcher von den Ottonen übernommen. So wurde Moritz zum Schutzpatron der Kaiser und des Heiligen Römischen Reiches.

Kurios ist allerdings, dass der Mauritius nicht immer als Mohr dargestellt wurde. Der schwarze Mauritius entstand erst im Hochmittelalter bzw. in der Gotik - also nach den Kreuzzügen. Darstellungen des Mauritius als Weißer gab es danach aber weiterhin.
 
Überraschend war für mich der Besuch des Schwarzhäupterhauses in Riga: die Schwarzhäupter, eine Kaufmannsbruderschaft, hatten den Hl. Mauritius als Schutzpatron, und der steht mit dunklem Kopf und weißem Gewand vor dem Gebäude. Heute ist der Kopf von Mauritius Teil des Stadtwappens. Ich bin sicher, dass man den Mauritius wegen des Namens des Bundes (Schwarzhäupter) gewählt hat, ob man ihn allerdings im Lettischen als "Mohrenkopf" bezeichnet, weiß ich nicht.

Schwarzhäupterhaus (Riga) – Wikipedia
 

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Auffallend ist es schon, wie sehr sich Otto I. um den heiligen Mauritius kümmerte. Vielleicht glaubte er ein Pendant zum an Frankreich verloren geglaubten Hl. Martin als römischen Offizier etablieren zu müssen. Er könnte auch als Symbol für den bis nach Afrika reichenden imperialen Anspruch des neuen HRR stehen.

Nicht erklären kann ich mir auch die Veränderung der Hautfarbe im Wappen der Herren von Mandach. Drei Schweizer Gemeinden führen ihr Wappen auf die Herren von Mandach zurück.
Zwei davon, Mandach und Oberweningen, zeigen heute einen dunkelhäutigen Mann im Wappen, die dritte, Niederhasli, nicht.

Die älteste Abbildung des Wappen der Herren von Mandach (Zürcher Wappenrolle 1335/45) ist genau so, wie jenes der Gemeinde Mandach heute.
Doch im 17. und 18. Jh. zeigt das Wappen der Familie von Mandach einen hellhäutigen Mann mit schwarzer Robe. Wusste die Familie von Mandach damals mehr über die Herkunft ihres Wappenbildes (Mann auf dem Dach?) als der Volksmund heute deutet (Hl. Mauritius)?
MANDACH VON
Später wurde daraus wieder die ursprüngliche Form (ausser in Niederhasli), vermutlich weil im 19. Jh. die alte Wappenrolle wieder bekannt wurde.

Offenbar war die Hautfarbe auf Wappen in der Vergangenheit problemlos veränderbar.
 
Ich bin sicher, dass man den Mauritius wegen des Namens des Bundes (Schwarzhäupter) gewählt hat, ob man ihn allerdings im Lettischen als "Mohrenkopf" bezeichnet, weiß ich nicht.
Wohl eher umgekehrt - wegen des schwarzhäuptigen Mauritius wurden die Mitglieder dieser Kaufmannsgilde Schwarzhäupter genannt.
Da die Bruderschaft der Schwarzhäupter war eine deutschbaltische Einrichtung, hat das ganze mit der lettischen Sprache nichts zu tun. Die Inschriften im Schwarzhäupterhaus von Riga sind deutsch. Letten konnten nicht mall Mitglied der Bruderschaft werden.
Diese Gilde war im Spätmittelalter noch dem Heiligen Georg gewidmet. Ähnlich wie Mauritius galt Georg als Musterbeispiel des frommen Ritters. Die Vorgänger der Schwarzhäupterhäuser hießen Artushöfe.
Mauritius, Georg und Artus sind gewissermaßen Varianten des gleichen Themas.

Auffallend ist es schon, wie sehr sich Otto I. um den heiligen Mauritius kümmerte. Vielleicht glaubte er ein Pendant zum an Frankreich verloren geglaubten Hl. Martin als römischen Offizier etablieren zu müssen.
Mauritius hatte bereits in Burgund einen hohen Status und war der Patron der dortigen Könige. Die Abtei St. Moritz (Wallis) war auch Grablege der burgundischen Könige.
Die ottonischen Könige eigneten sich gleiche mehrere burgundische Heilige und Reliquien an.
Diese Lanze des Longinus soll Heinrich I. von König Rudolf II. von Burgund erhalten haben.
Otto I. erhielt die Mauritius-Reliquien Konrad III. dem König von Burgund. Auf diese Reliquien wurde schließlich der Magdeburger Dom errichet - als Grablage der ottonischen Könige.
Kurze Zeit später wurde auch die Heilige Lanze mit der Mauritius-Legende verknüpft wurde. So kam dann alles zusammen: Der deutsch-römische Kaiser, die Lanze und der Mohr.

Er könnte auch als Symbol für den bis nach Afrika reichenden imperialen Anspruch des neuen HRR stehen.
Die Mauritius-Lanze steht jedenfalls für die römisch-deutsche Kaiserwürde und die Herrschaft über Italien.
Man muss Mauritius nicht als Mauren sehen. Nach der spätantien Legende stammte seine Legion aus dem äyptischen Theben. Römer, Ägypter, Burgunde, Schweizer, Deutscher ... eigentlich auch egal.
Es besteht zwar eine klare etymologische Verwandtschaft von Mauritius und Mauretanien, aber das tut eigentlich gar nicht so viel zur Sache. Nach mittelalterlicher Vorstellung waren die Mauren bzw. Mohren bereits im maurischen Spanien allgegenwärtig. Sizilien galt im Mittelalter wegen der Herrschaft der Sarazenen ebenfalls schon "Mohrenland". Eine Gleichsetzung von "Mohrenland" mit Afrika greift deswegen zu kurz und wäre anachronistisch.
Auf gewisse Weise war sogar Burgund ausgerechet in der Ottonenzeit ein "Mohrenland", denn dort bekämpfte Otto I. gegen die Sarazenen, die von der Provence vorgedrungen waren und sogar Abtei St. Moritz (Wallis) geplündert hatten.
Der Kampf Ottos I. gegen die Sarazenen im heiligen Burgund spielt in der Rezeptionsgeschichte und im Geschichtebewusstein keine Rolle. Im Geschichtsmythos ist Otto I. mit der Mauritius-Lanze vor allem als Bekämpfer der heidnischen Ungarn auf dem Lechfeld bekannt.
 
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Otto I. erhielt die Mauritius-Reliquien Konrad III. dem König von Burgund. Auf diese Reliquien wurde schließlich der Magdeburger Dom errichet - als Grablage der ottonischen Könige.
Das ist so eine Sache mit den Reliquien: man muss daran glauben.
König Rudolf II. von Burgund schenkte damals jedem, der vorbei kam, Reliquien der thebäischen Märtyrer, so auch Otto. Nur waren es im Falle Ottos nicht die des Mauritius sondern des Innocentius, angeblich ein Bannerträger des Mauritius. So finden wir heute die Gebeine des Mauritius in Augsburg, Turin, Auxerre, Vienne etc.
Die in Magdeburg verwahrte Schädelecke kam sogar erst unter Friedrich II. dorthin. Den Schädel selbst beansprucht die Kirche in Vienne und das Kloster Rheinau.
Ob Otto tatsächlich bei der Gründung des Klosters in Magdeburg (937) bereits Reliquien im engeren Sinne (Gebeine) des Mauritius besaß, ist umstritten. Wie er später (961) dazu kam, ist unklar. Er glaubte aber im Besitz des Vexillums der thebäischen Legion zu sein, welches er vielleicht als Mitgift seiner Ehefrau Edgith erhielt. Deren Halbruder König Æthelstan war wohl in den Besitz des Vexillums geraten, hatte aber keine weitere Verwendung dafür. Es soll sich dabei auch mehr oder weniger nur um eine Lanze gehandelt haben.
Insofern ist es fraglich, ob schon Otto die heilige Lanze des Longinus als jene des Mauritius ausgegeben hätte. Passen würde es aber zu seinem gegen den Widerstand seiner Bischöfe aber mit Erlaubnis des Papstes eingeführten Mauritiuskults.
Dass diese besondere Heiligenverehrung politischer Natur war, wird mW nicht bestritten. Über seine Motive dazu äußerten sich schon viele und mit Bestimmtheit kompetenter als ich.
Erstaunlich ist ja, dass Mauritius der einzige Heilige aus der thebäischen Legion ist, der oft dunkelhäutig dargestellt wird und ich vermute, dass dies mit Otto und seinen damit verbundenen politischen Absichten zu tun hat. Vielleicht ist aber die Figur in Magdeburg doch "nur" Innocentius. Dann hätten wir einen zweiten.
Auf gewisse Weise war sogar Burgund ausgerechet in der Ottonenzeit ein "Mohrenland", denn dort bekämpfte Otto I. gegen die Sarazenen, die von der Provence vorgedrungen waren und sogar Abtei St. Moritz (Wallis) geplündert hatten.
Der Kampf Ottos I. gegen die Sarazenen im heiligen Burgund spielt in der Rezeptionsgeschichte und im Geschichtebewusstein keine Rolle.
Davon habe ich hier auch schon gehört (Die Sarazenen in der Schweiz ). Ob und wie Otto im Burgund militärisch gegen die Fraxinetum-Sarazenen vorging, müsste man mal dort diskutieren. Hier nur soviel: Ich glaube, er nahm das Problem zur Kenntnis und platzierte hie und da eine diplomatische Note. Militärisch regelten das die Burgunder selbst.
 
Wohl eher umgekehrt - wegen des schwarzhäuptigen Mauritius wurden die Mitglieder dieser Kaufmannsgilde Schwarzhäupter genannt.

Nun bin ich beileibe kein Experte des Schwarzhäupterbundes, aber in der wiki wird angedeutet, dass sich der Bund aus anderen Gründen als Schwarzhäupter bezeichnete: als Gegenentwurf zu den Grauhäuptern der "Großen Gilde". Denn bei den Schwarzhäuptern handelte es sich um einen Junggesellenverein, in dem die Haare noch nicht grau sind; Vorform einer Burschenschaft, würde ich sagen. Na, und dann hat man eben einen Heiligen gesucht, der ein schwarzes Haupt vorweisen konnte: Mauritius.
 
Ein interessantes Phänomen sind die Veränderungen des Mauritius in der Heraldik.
Die mittelalterliche Figur des Heiligen Moritz verwandelte sich im Verlauf der Neuzeit in einen nackten Mohr und wurde so erst zur rassistischen Karikatur - quasi passend zur Entwicklung des Kolonialismus.

Beispiel: Adelsgeschlecht Wolfskeel
Das Wappen taucht zuerst bei Bischof Wolfram Wolfskeel von Krummbach im 14. Jahrhundert auf. Es handelt sich um einen bekleideten Mauritius mit drei Rosen, die wahrscheinlich die Dreifaltigkeit symbolieren.
Schon in der frühen Neuzeit wird der bekleidete Heilige durch einen nackten Mann oder leicht bekleideten Mann - im 20. Jahrhundert auch mit goldenen Ohrringen und Palmenrock. So ist der "schreitende Mohr" am Ende nur noch ein naiver Wilder mit Blumenstrauß und die Figur hat dadurch ihre ursprüngliche, christlichen Bedeutung verloren.
https://blackcentraleurope.com/sour...caricature-on-a-family-crest-ca-1345-present/

Beispiel: Stadt Coburg
Auch der Coburger Mohr, besser "Mohrenkopf" hat sich vom edlen Ritter in einen edlen Wilden verwandelt. Die stereotypen Ohrringe erhält er erst im 19. Jahrhundert.
Eine wichtigtes Detail ist, dass der Mohr während der Nazi-Zeit nicht als Wappen Coburgs gefüht wurde. Er wurde 1934 durch ein Schwert mit Hakenkreuz ersetzt.
https://blackcentraleurope.com/sources/1000-1500/the-coburg-moor-ca-1380-present/
 
Muss das denn zwingend einen rassistischen Hintergrund haben? Oder könnte es nicht auch daran liegen, dass man im Mittelalter in weiten Teilen Europas vielleicht einfach noch keine rechte Vorstellung von "Mohren" hatte? Die (ohnehin recht vage) Kenntnis Afrikas beschränkte sich doch auf den Norden und antike Überlieferungen zu den "verbrannten" Äthiopiern. In der frühen Neuzeit erweiterte sich einerseits durch die Entdeckungsfahrten der Portugiesen das Wissen über Afrika, andererseits konnte dieses Wissen nunmehr in Europa leichter verbreitet werden.
 
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Muss das denn zwingend einen rassistischen Hintergrund haben? Oder könnte es nicht auch daran liegen, dass man im Mittelalter in weiten Teilen Europas vielleicht einfach noch keine rechte Vorstellung von "Mohren" hatte?
Leider steht diese Deutung nicht in Widerspruch zur Unterstellung von Rassismus. Der konnte sich eben erst entwickeln, als der Begriff des Mohren aus dem religiösen Kontext herausgelöst und auf die Bezeichnung bestimmter "bekannter" Ethnien angewandt wurde.
 
Muss das denn zwingend einen rassistischen Hintergrund haben? Oder könnte es nicht auch daran liegen, dass man im Mittelalter in weiten Teilen Europas vielleicht einfach noch keine rechte Vorstellung von "Mohren" hatte?
Ich wüsste nicht warum die nackten Mohrenfiguren der Neuzeit realistischer sein sollen, als die mittelalterliche Figur des ritterlichen Mohren. Der halbnackte Mohr mit Bastrock und Ohrringen basiert auf einer falschen Vorstellung von Afrika.

Tatsächlich gab es nämlich im 19. Jahrhundert noch Panzerreiter in Afrika. Beim Mahdi-Aufstand im heutigen Sudan Ende des 19. Jahrhunderts kamen tatsächlich noch Panzerreiter zum Einsatz. Die Krieger trugen Kettenhemde, eiserne Helme, Schilde, Lanzen und Schwerter - selbst die Pferde waren gepanzert. Gegen die Briten mit ihren Maschinengewehren hatten diese letzten Ritter natürlich keine Chance.

Wenn der Mohr in der Neuzeit in Europa nicht mehr als Ritter oder König, sondern als nackter Wilder gezeichnet wird, drückt das vor allem ein Herrschaftsverhältnis aus und die damit verbundende Ideologie der Überlegenheit der Europäer.
 
Interessant, aber ist ein Mauritius nicht jemand, der von Mauren (den heutigen Berbern) abstammt, und bedeutet Mauroi nicht die Dunklen?
Ich halte die mittelalterlichen Darstellungen des Mauritius nicht für rassistisch, weil Mauritius als edler Ritter abgebildet wird, als verehrte Person und nicht als Untermensch. Die Existenz unterschiedliche Hautfarben ist ja gewissermaßen auch ein Fakt, während die Konstruktion ungleichwertiger Menschenrassen eine rassistische Konstuktion ist.

Die Feststellung, dass jemand dunklere Haut ist, gar nicht das Problem, sondern die Vorstellung, dass es irgendjemand einer unterlegenen, minderwertigen Rasse angehört. Mauritius gehörte der Legende nach zur Thebaischen Legion - aus Theben in Ägypten.
Diese heiligen Legionäre haben häufig sprechende Namen. Viktor der Sieger, Gereon der Greis, Magnus der Große, Ursus der Bär ... und eben Mauritus der Schwarze. Laut der Legende stammten sie alle aus dem römischen Ägypten! Eine Ethnisierung der Heiligen war ursprünglich nicht intendiert.

Es gibt aber auch nicht wenige Abbildungen, die Mauritius als Weißen abbilden.
Besonders kurios ist das Deckengemälde der Kirche St. Mauritius in Ebersmunster von 1727. Hier wird der hellhäutige Mauritus, gekleidet als klischeehafter, römischer Legionar, von einem halbnackten Mohren mit dem Krummschwert umgebracht. (Ob sich der Künstler hier einen Scherz erlaubt hat?)

Der Treppenwitz, dass ausgerechnet die burgundischen Könige der Völkerwanderungszeit jenen Mohrenkult in Europa maßgeblich förderten und dies das Nibelungenlied beinflusst hat, findet meines Erachtens zu wenig Beachtung.

Die Mohren in der deutsche Heraldik wandelten sich im im Zeitalter des Kolonialismus und aus den schwarzen Rittern und Königen wurden halbnackte Wilde.
 
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Meine Formulierung "Mohrenkult" der Burgunden ist sicherlich zu weit aus dem Fenster gelehnt, weil sich die frühmittelalterlichen Burgunden der Mauritius sicherlich nicht als Mohren vorstellten. In der Heiligenlegende sind Mauritius und die anderen Legionäre einfach nur christliche Römer, die von heidnischen Römern hingerichtet werden.

Die Abtei St. Maurice am Ort des angeblichen Mauritius-Marytriums im Schweizer Wallis wurde vom burgundischen König Sigismund gestiftet. Nach seiner Ermordung wurde Sigismund selbst als Heiliger verehrt und in St. Maurice bestattet. Der Mauritius-Kult und Burgund bleiben anschließend über Jahrhunderte in enger Verbindung.
Viktor von Xanten ist ebenfalls ein legendärer Legionär in der von Mauritius geführten legendären Thebaischen Legion, soll sein Marytrium aber in Vetera (heute Xanten) am Rhein erlitten haben. Der heutige Name der Stadt Xanten geht auf das Kloster St. Viktor zurück. Besonders pikant ist noch, dass dem Heiligen Viktor manchmal eine Drachentötung zugeschrieben wird.

Es kann vermutet werden, dass die Heiligenlegenden um Sigismund von Burgund und Viktor von Xanten wesentlichen Einfluss auf die Entstehung der Sagenfiguren Siegfried von Xanten und Gunther genommen haben. Es gibt jedenfalls mehrere Übereinstimmungen zwischen den beiden Heiligen und den Sagenfiguren. An Theorien zu den Vorbilden der Nibelungen herrscht aber bekanntlich kein Mangel.
 
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Ein interessantes Phänomen sind die Veränderungen des Mauritius in der Heraldik.
Die mittelalterliche Figur des Heiligen Moritz verwandelte sich im Verlauf der Neuzeit in einen nackten Mohr und wurde so erst zur rassistischen Karikatur - quasi passend zur Entwicklung des Kolonialismus.

Beispiel: Adelsgeschlecht Wolfskeel
Das Wappen taucht zuerst bei Bischof Wolfram Wolfskeel von Krummbach im 14. Jahrhundert auf. […]
Ich halte den von Dir vermuteten Zusammenhang zwar für prinzipiell gegeben, möchte aber zu bedenken geben, dass mit dem Wiederaufleben der Heraldik im 19. Jahrhundert eine Rückbesinnung auf (tatsächliche und vermeintliche) heraldische Regeln stattfand, und eine der wichtigsten Regeln ist das Gebot der Stilisierung.

Die humanistischen Einflüsse der Renaissance und der Untergang der "gelebten" Heraldik im Laufe des 16. Jahrhunderts führten allmählich zu sehr naturalistischen Darstellungen. Während des Rokoko z.B. sah ein Löwe im Wappen wie ein Löwe aus, bspw. spiegelten die Proportionen oder die Mähne das Vorbild wider.

In der Heraldik geht es aber um einen möglichst hohen Wiederkennungswert, aussagekräftige Symbole sollen sofort ins Auge springen, und zwar aus möglichst großer Entfernung, was in der Blütezeit des Wappenwesens sehr wichtig war. Daran begannen sich die Heraldiker der Romantik wieder zu orientieren.

Sie schufen deshalb erneut stark stilisierte Wappen. Ein zu jener Zeit gestiftetes oder neu aufgerissenes Löwenwappen bekam also übergroße Pranken, ein riesengroßes Maul, eine Mähne aus drei, vier großen Zotteln; alles wurde übersteigert dargestellt. War die gemeine Figur ein Mensch, galten die gleichen Regeln.

So ist die Mohrin im Wappen der Grafen von Kirchberg in Aufrissen aus dem Mittelalter manchmal nur anhand ihrer Kleidung eindeutig als Frau zu erkennen (wie es Frauenfiguren in Illuminationen bis zum 15. Jahrhundert oft erging). Im Zuge der Renaissance, und später wieder in der Romantik, wird ihr Geschlecht hingegen deutlicher hervorgehoben, sie erhält feminine Gesichtszüge, deutlich sichtbare Brüste usw. usf.

Anders ausgedrückt, natürlich speisten sich Stilelemente wie die fleischigen Lippen aus dem Rassismus der Zeit, aber vor allem deshalb, weil die Heraldiker glaubten, den Betrachter mit der Nase voran in die Bedeutung ihrer Darstellung stoßen zu müssen. "Karikiert" wurde also beileibe nicht nur der Heilige Mauritius.
 
So ist die Mohrin im Wappen der Grafen von Kirchberg in Aufrissen aus dem Mittelalter manchmal nur anhand ihrer Kleidung eindeutig als Frau zu erkennen (wie es Frauenfiguren in Illuminationen bis zum 15. Jahrhundert oft erging).
Und auf den frühsten ist die "Mohrin" oftmals sogar weiß.

Die ursprüngliche Bedeutung der Frauenfigur kann nicht mehr erschlossen werden.
https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kirchberg,_Grafen_von#Wappen_und_Siegel

Interessant ist, dass diese rätselhafte Mohrin den Bischofshut und die blonden Haare über Jahrhunderte behalten hat. Die "Mohrin" wird bis heute als bekleidete Christin und nicht als nackte Wilde abgebildet. Die Figur wurde eben anders als die Mohren von Coburg und Wolfskeel nicht an neuzeitliche Mohren-Klischees (weitgehende Nacktheit, Bastrock, Ohrringe, Perlenkette etc.) angepasst.
 
Und auf den frühsten ist die "Mohrin" oftmals sogar weiß.
Richtig. Ich halte das für eine Folge des Wandels der künstlerischen Praxis durch die Zeiten; vermutlich war die Figur ursprünglich eine Weiße, die erst durch die Mithilfe der Chemie zur Mohrin wurde und, dank neuer Aufrisse durch Herolde im Zuge der Verstetigung des deutschen Wappenwesens, auch blieb.

Illuminationen und Wappenrollen aus der ersten Blütezeit der Heraldik im deutschen Sprachraum stellen das heraldische Metall Silber recht häufig durch weiße Farbe oder durch Auslassung dar, wogegen in späterer Zeit Silberfarbe verfügbarer wurde. Silber oxidiert allerdings schnell und läuft dann schwarz an.
 
In irgendeinem altfranz. oder mhd. Heldenepos/Ritterroman (mit Kreuzzug Einsprengseln) gibt es einen Ritter mit schwarz-weißer "Schachbretthaut", ich erinnere mich aber leider nicht, wo das war: Hartmann von Aue?
 
Parzifal ist heute einer der berühmtesten Ritter vom Hofe König Artus - vor allem wegen der bekannten Opfer aus dem 19. Jahrhundert.
Parzifals gemischtrassiger Halbbruder Feirefiz ist heute aber mehr oder weniger vergessen. Dieser "bunte" Ritter in Elsterscheckung kommt in Wagners Oper einfach nicht vor. Richard Wagner hat den "elsterfarbenen" Feirefiz und seine "rabenschwarze" Mutter die Mohrenkönigin Belakane in der Parzifal-Geschichte einfach gecancelt. Die Beschreibung der Hautfarbe mit Vogelvergleichen stammt direkt von Wolfram von Eschenbach.

Es ist jedenfalls ersichtlich, dass die positiv besetzen Mohren der mittelalterlichen Sagenwelt, in der Neuzeit nicht mehr erwünscht waren und bei der Mittelalter-Romantik des 19. Jahrhunderts unter den Teppich gekehrt wurden.
 
Richard Wagner hat den "elsterfarbenen" Feirefiz und seine "rabenschwarze" Mutter die Mohrenkönigin Belakane in der Parzifal-Geschichte einfach gecancelt.
@Maglor du merkst das mit vorwurfsvollem Unterton an --- ja stell dir mal vor, ausgerechnet der hätte einen lächerlich "schachbrettigen" und seine Mutti auf die Bühne gebracht, was gäbe es da heuer für ein Wutgeheule...
 
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