Heidnische Überbleibsel

Joinville berichtete als Zeitzeuge in seiner Biographie König Ludwigs IX. von Frankreich, dass ihnen, als sie im Sechsten Kreuzzug in ägyptischer Gefangenschaft waren, die Sarazenen vor ihrer Freilassung zur Feier des Tages gekochte Eier, die mit verschiedenen Farben bemalt waren, zu essen gaben.
Joinville scheint der Brauch der Ostereier noch nicht bekannt gewesen zu sein, jedenfalls erwähnte er das mit den Eiern als etwas Besonderes und zog keinen Vergleich mit Ostereiern.

Merci für den intressanten Hinweis. Das wäre zum Mindesten ein weiterer Indiz, dass der Brauch des Eierfärbens kein spezificher christlicher war und somit wohl tatsächlich einen heidnischen Ursprung hat.
Bemerkenswert finde ich dennoch, dass Joinville offenbar zum ersten Mal auf dem Kreuzzug in Ägypten mit dieser Sitte in Berührung kam. Eine der ältesten mir bekannten mittelalterlichen Erwähnung des Eierfärbens stammt aus dem um 1230 verfassten Freidank - also ungefähr zu Lebzeiten Joinvilles - wo erwähnt wird, dass Kinder ein gefärbtes Ei zwei Ungefärbten vorziehen würden. Dabei wird allerdings - soweit ich das überblicken kann - ebenfalls noch kein Bezug zu Ostern gemacht.
Full text of "Vridankes Bescheidenheit"
Kap. 215
 
In Ägypten feiern Muslime und koptische Christen am Ostermontag das Volksfest Sham Ennessim. Traditionell werden bemalte Eier verschenkt und das sowohl von christlichen als auch von muslimischen Ägyptern.

Die Ursprünge sind ein altägyptisches Frühlingsfest. In frühchristlicher Zeit wurde das Fest mit der christlichen Ostervorstellung verknüpft und entsprechend nach dem neuen Kalender auf den Ostermontag datiert. Nach der Islamisierung wurde das Feier von der muslimischen Bevölkerung weiterhin als nicht religiöses Volksfest fortgesetzt.
 
Die Ursprünge sind ein altägyptisches Frühlingsfest. In frühchristlicher Zeit wurde das Fest mit der christlichen Ostervorstellung verknüpft und entsprechend nach dem neuen Kalender auf den Ostermontag datiert.
Ich bezweifle, dass zu frühchristlicher - also spätantiker - Zeit noch "altägyptische" religiöse Traditionen bekannt waren, schließlich liegt da eine sehr lange Zeit der Hellenisierung (Ptolemäer) dazwischen. Ein traditionelles Datum für ein "Frühlingsfest" lag sicher vor, aber wohl keine Erinnerung mehr an altägyptische Angelegenheiten.
Überhaupt sind doch ehemalige z.B. römische und griechische Festtage schon vor der Christianisierung quasi herabgesunken gewesen zu eher allgemeinen freien (arbeitsfreien) Feiertagen - den Sonntag als freien Tag gab es noch lange nicht (!) Kurzum wie auch @El Quijote schon angemerkt hatte: von weiterlebenden heidnischen Traditionen kann auch bei den kirchlichen Feiertagen, deren Datum auf ehemaligen heidnischen Feiern liegen bzw so gelegt wurden, spätestens im Frühmittelalter nicht mehr die Rede sein.
 
Ich wollte gerade nachfragen, was davon belegt und was davon zusammengereimt ist.

Einen Beleg für ein altägyptisches Frühlingsfest finde ich in dem Wiki-Artikel nicht, der einzige Bezug auf etwas Altägyptisches ist die etymologische Herleitung von Sham Enessim vom altägyptischen šmw.
Das bedeutet so viel wie "Niedrigwasser" und bezeichnet die Erntesaison (entspricht nach dem koptischen Kalender die Zeit zwischen 9. Mai und 10. September).
 
Ich bezweifle, dass zu frühchristlicher - also spätantiker - Zeit noch "altägyptische" religiöse Traditionen bekannt waren, schließlich liegt da eine sehr lange Zeit der Hellenisierung (Ptolemäer) dazwischen.
Das allein würde es nicht ausschließen. Die Hellenisierung war keineswegs durchgängig flächendeckend, sondern beschränkte sich eher auf einige wenige Städte. Ägypten bestand eben nicht nur aus Alexandria. Vor allem in ländlichen Regionen änderte sich bis zur Christianisierung mitunter eher wenig. Die altägyptische Religion starb nicht aus, Kulte wurden fortgeführt, mumifiziert wurde noch in römischer Zeit, die Hieroglyphen wurden bis in die Spätantike verwendet.
 
Vor allem in ländlichen Regionen änderte sich bis zur Christianisierung mitunter eher wenig. Die altägyptische Religion starb nicht aus, Kulte wurden fortgeführt, mumifiziert wurde noch in römischer Zeit, die Hieroglyphen wurden bis in die Spätantike verwendet
Mich würden Quellen zum ländlichen Raum in Ägypten zu religiösen altägyptischen Vorstellungen aus der Spätantike sehr wundern. Wenn ich mich richtig entsinne, war im römischen Imperium ein bissel Isis-Kult folkloristisches Upperclass-Vergnügen ohne altägyptische Tradition. Und unterscheiden sich die koptischen Hieroglyphen nicht ziemlich von den altägyptischen?
Ich bezweifele weiterhin altägyptische (!) religiöse Traditionen bis in die Spätantike hinein.
 
Die Hellenisierung spielte in Ägypten kaum eine Rolle. Die Wirkung in die andere Richtung scheint viel größer zu sein. In Alexandria entstand unter den Ptolemäern eine ägyptisch-griechischen Mischkultur mit ausgeprägten Synkretismus. In römischer Zeit breitete sich die ägyptischen Kulte um Isis, Serapis usw. im gesamten Reich in ihrer hellenisierten Form aus und drängten die alte römischen Religion an den Rand.

Bei Sham Enessim ist wahrscheinlich so, dass es einfach nur Frühlingsfest bzw. Niedrigwasserfest war und ist, dass nur von den Kopten als Teil der Osterfeierlichkeiten verstanden wird.

Die Quellenlage für spätantike Esoterik in Ägpten ist übrigens sehr gut. An Zauberpapyri besteht kein Mangel. Ich hielt es für die übliche Deutung, dass diese durchaus in altägyptischer Tradition stehen - wenn gleich der Synkretismus keine Grenzen kennt.
 
Zuletzt bearbeitet:
In römischer Zeit breitete sich die ägyptischen Kulte um Isis, Serapis usw. im gesamten Reich in ihrer hellenisierten Form aus und drängten die alte römischen Religion an den Rand.
Das klingt spektakulär: das römische Imperium zur Kaiserzeit "altägyptisiert" - bei Demandt (Geschichte der Spätantike) hätte mir das auffallen müssen, aber an derartiges erinnere ich mich da nicht. Jetzt bin ich wirklich verblüfft
 
...das gesamte römische Imperium der Kaizerzeit "in hellenisierter (!) Form quasi (alt)ägyptisiert" verblüfft mich nicht minder...!
 
Wir sind wohl alle von Leuten wie den Grimm Brüdern geschädigt, die alles für irgendwie uralt und heidnisch hielten.

Die Romantiker in ganz Europa haben gewollt, ihr eigenes Volk als besonders kulturell heidnisch darzustellen. Nach dem 2. Weltkrieg ist ja in Deutschland klarer geworden, dass dies vor allem nationalistische Wunschvorstellungen waren. Ostara gab es nicht, der Tannenbaum ist nicht heidnisch, die Monde und Sterne Gebäcke sind nicht heidnischen Ursprungs.

Das wird bei anderen Völkern nicht viel anders sein.
 
Wir sind wohl alle von Leuten wie den Grimm Brüdern geschädigt, die alles für irgendwie uralt und heidnisch hielten.

Die Romantiker in ganz Europa haben gewollt, ihr eigenes Volk als besonders kulturell heidnisch darzustellen. Nach dem 2. Weltkrieg ist ja in Deutschland klarer geworden, dass dies vor allem nationalistische Wunschvorstellungen waren. Ostara gab es nicht, der Tannenbaum ist nicht heidnisch, die Monde und Sterne Gebäcke sind nicht heidnischen Ursprungs.

Das wird bei anderen Völkern nicht viel anders sein.

Irgendwie komisch, wo alle doch so das Christentum hochhielten in der Zeit. Zumindest mehr als heute.
 
Ja, aber gleichzeitig wurde mit dem aufkommenden Nationalismus die eigene "nationale" Vergangenheit verklärt, und die alten Germanen waren nun einmal, auf "deutschem" Gebiet teilweise bis weit ins Frühmittelalter hinein, heidnisch, während das Christentum aus dem Orient stammte, also eine "ausländische" Religion war, die den Ahnen "aufgezwungen" worden war. Der römische Katholizismus hatte den zusätzlichen "Makel", sein Zentrum in Rom zu haben, was den (zumindest zum Teil national motivierten) Antiklerikalismus noch mehr befeuerte, weswegen umgekehrt der Lutheranismus, der bekanntlich nicht von Rom abhing und von einem Deutschen begründet worden war, gerne als "national deutsch" dargestellt wurde. Aus Sicht mancher Protestanten waren daher nur sie brave Deutsche, während Katholiken halbe Vaterlandsfeinde seien. (Daher auch die große Bedeutung und der Erfolg des Epos "Dreizehnlinden" von Friedrich Wilhelm Weber, einem tiefgläubigen Katholiken, das zu fränkischer Zeit in Sachsen spielte und sowohl sehr patriotisch als auch sehr katholisch war. Damit konnten die Katholiken zeigen, dass Patriotismus und Katholizismus sehr wohl zusammenpassten.)
 
Zum Thema Ostereier mein orthodoxer Religionslehrer hat uns die Legende erzählt, dass Maria Magdalena zu Tiberius gegangen sei und ihm ein rotes Ei geschenkt habe, als Symbol der Auferstehung Christi. Dies wird in einer orthodoxen Legende erzählt wonach Maria Magdalena nach Rom ging und später dann mit Maria der Mutter Jesus und Johannes in Kleinasien missioniert hat, dort soll sie geholfen haben das Johannesevangelium zu schreiben.

Jedenfalls meinte auch mein Religionslehrer, dass die Christen in Ägypten und im Orient begonnen haben, Ostereier zu färben und nach der Überlieferung soll Maria Magdalena diesen Brauch gegründet haben. Sicher ist es eine Legende, aber dennoch ist es sehr interessant.

Irgendwie komisch, wo alle doch so das Christentum hochhielten in der Zeit. Zumindest mehr als heute.

Auf dem flachen Land wird es stimmen, aber Mitte 19. Jahrhundert wurde es doch langsam durchaus möglich sehr kritisch mit dem Christentum zu sein, ohne von der Gesellschaft völlig abgekapselt zu werden.

Deutschland ist glaube ich sowieso eine Ausnahme, weil nach dem 2. Weltkrieg die germanischen Wuzeln der Thesen wirklich überprüft wurden. Das gab es in dieser Form in anderen Ländern gar nicht. In Serbien sind sich faktisch alle einig, dass die ganzen serbischen Bräuche schon in der Vorchristlichen Zeit existieren. Die Aufklärer (da besonders Dositej Obradovic) wollte diese Bräuche am liebsten weg haben und hat dagegen geschrieben und plante ein rationales Christentum. Die Romantiker (vor allem Vuk Karadzic, ein guter Freund von Jakob Grimm) sahen darin etwas ganz tolles. Jetzt gibt es nachdem ganzen Schlamassel in den 90ern zwar wieder eine Diskussion darüber, welcher Weg der richtige ist. Progressive Kräfte wollen wieder gegen das Heidentum vorgehen, Nationale es erhalten. Fragen ob diese Bräuche überhaupt heidnisch sind, tut niemand. Ich zweifle, das Vuk Karadzic viel näher an der Wirklichkeit dran war, als es sein Kumpel Wilhelm Grimm war. Was dieses Thema angeht.
 
Ich glaube heidnische Überbleibsel gibt es noch deren viele.
Meiner Meinung nach sind auch Elemente heidnischer Feste in christliche Feste/Bräuche eingeflossen.

Dies scheint mir vor allem da wo der Fall zu seinscheint wo es um die Jahreszeiten geht.
Oft sind auch solche Erscheinungen noch regional.

Zum Beispiel das Fest des „Sommergewinns“ in Eisenach/Thüringen. Eines der größten Frühlingsfeste die Deutschland hat und kennt.
Die Deutsche UNESCO Kommission hat dieses Fest im Dezember 2016 in das „Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerberbes aufgenommen.“ https://www.unesco.de/kultur-und-na...ielles-kulturerbe-deutschland/verzeichnis-ike
So wie es Wikipedia darstellt kenne ich es auch.
Ein Fest des „Winteraustreibens und Sommereinholens“. Im Mittelalter unter den Begriff „Todaustragen“ bekannt.
Gefeiert wird um die Zeit „Laetare“. Das Fest findet jährlich immer frühestens am 01.03 und spätestens am 04.04 statt.

Ich möchte da auch das jetzt anstehende „Halloween-Fest“ erwähnen. Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November, also Allerheiligen.

Der Halloween Brauch liegt wahrscheinlich 2.500 Jahre zurück in der Eisenzeit. Die Kelten verwendeten einen Kalender nach den Jahreszeiten (Zyklus der landwirtschaftlichen Vegetation) und feierten am Abend des 11 Vollmond eines Jahres ihren Jahreswechsel. Das ist der >Samheim<.
Die Kelten glaubten, dass an diesen Abend die „Grenzen zwischen den Welten“ offen sei und die Toten auf die Erde zurückkommen, um ihre Verwandten zu besuchen. Mit Lichtern wiesen sie den Geistern der Verstorbenen den Weg.
Dieses Fest schwappt aber von den in die USA ausgewanderten Kelten, (Schottland, Irland, Wales) nach Europa/Deutschland rüber/zurück.
Täusche ich mich? Ich habe den Eindruck dieses Fest erfreut sich wachsender Beliebtheit.
 
@Ralf.M eine keltische (inselkeltische? irische? gallische? bretonische?) Tradition eines Frühlings/Fruchtbarkeitsfests, vermittelt durch neues nordamerikanisches Brauchtum, welches obendrein vom Frühling in den Herbst verlegt ist als Allerheiligen und eigentlich erstmals im 8.Jh. in Italien für November belegt ist ---- ist das nicht auf sehr schwachen Füßen, um eine bis heute wirksame keltisch-heidnische Tradition zu belegen?
 
Ich möchte da auch das jetzt anstehende „Halloween-Fest“ erwähnen. Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November, also Allerheiligen.

Der Halloween Brauch liegt wahrscheinlich 2.500 Jahre zurück in der Eisenzeit. Die Kelten verwendeten einen Kalender nach den Jahreszeiten (Zyklus der landwirtschaftlichen Vegetation) und feierten am Abend des 11 Vollmond eines Jahres ihren Jahreswechsel. Das ist der >Samheim<.
Die Kelten glaubten, dass an diesen Abend die „Grenzen zwischen den Welten“ offen sei und die Toten auf die Erde zurückkommen, um ihre Verwandten zu besuchen. Mit Lichtern wiesen sie den Geistern der Verstorbenen den Weg.
Dieses Fest schwappt aber von den in die USA ausgewanderten Kelten, (Schottland, Irland, Wales) nach Europa/Deutschland rüber/zurück.
Täusche ich mich? Ich habe den Eindruck dieses Fest erfreut sich wachsender Beliebtheit.
Eigentlich Allerheiligen. Dass das Fest in den letzten 25 Jahren in Europa immer wichtiger geworden ist, liegt an der Amerikanisierung, grundsätzlich ist das Fest aber ent- und resemantisiert.
 
Halloween ist das Fest vor Allerheiligen, da braucht man keine Kelten dazu.

Möglich ist es freilich, aber als gesichert würde ich es nicht sehen.
 
Ja und wurde dann von Iren in die USA importiert. Wie es dann den Weg hierher gefunden hat, würde mich interessieren. Irgendwann um die Jahrhundertwende fingen auf einmal die Kids rumzulaufen und bei dir an der Haustür zu klingeln. "Süßes oder saures" war die Parole. Und wenn man nicht daran gedacht hatte, wurde schon mal die Eingangstür mit Eiern bedacht.
 
Wie es dann den Weg hierher gefunden hat, würde mich interessieren. Irgendwann um die Jahrhundertwende fingen auf einmal die Kids rumzulaufen und bei dir an der Haustür zu klingeln. "Süßes oder saures" war die Parole. Und wenn man nicht daran gedacht hatte, wurde schon mal die Eingangstür mit Eiern bedacht.
a) über Filme
b) so wie der Valentinstag, den vor 30 Jahren hier auch noch niemand gefeiert hat, aufgrund der Initiative von Geschäftemachern, sei es nun der Verband der Blumenhändler auf der einen oder die Süßigkeitenindustrie auf der anderen Seite. Man muss halt nur den Markt mit gewissen Produkten zu einer gewissen Jahreszeit fluten und entsprechend die Werbetrommel rühren. Vor zehn Jahren kannte hier auch noch niemand den Black Friday, heute fahren die Leute wie verrückt in die Städte oder bestellen beim Online-Riesen.
 
Oh je. Muss man nicht gutfinden.

Bist du dir hinsichtlich des Valentinstags sicher? Meine Erinnerung an diesem reicht deutlich weiter zurück oder mein Gedächtnis spielt mir einen Streich.:)
 
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