Ich verstehe die Diskussion nicht. Es gab die Vinland-Fahrten isländischer oder grönländischer Kolonisten. Das waren keine Eroberungsfahrten, es waren Fahrten von denen sich wirtschaftlich bedrängte Siedler eine Ansiedelungsmöglichkeit versprachen.
Dort werden Frauen, Werkzeug und Vieh mitgenommen worden sein.
So einfach ist die Sache nicht.
Die meisten Vinland-Fahrten dienten nicht dem Ausbau der Landwirtschaft. Die meisten Fahrten dienten wahrscheinlich nur der Jagd, dem Holzfällen und dem Handel mit den Ureinwohnern.
Die in den Sagen überlieferten Fahrten nach Vinland waren vor allem Handelsfahrten und offensichtlich auch an diesen waren in der Sage auch Frauen beteiligt. Lediglich vom Händler Thorfinn Karlsefni und Gudrid ist überliefert, dass sie einige Jahre dort lebten, einen Sohn bekamen und auch Rinder hielten.
Selbst in Grönland auch spielte der Ackerbau nur eine ungeordnete Rolle. Der Anbau von Gerste war anfangs wahrscheinlich noch möglich, wurde aber bald aufgegeben, als sich das Klima verschlechtere. Die Grönländer waren vor allem Viehzüchter. Die Zucht von Rindern, Schafen und Ziegen wurde aber im hohen Maß durch die Jagd auf Robben ergänzt. Bei den Grönländer sollte man daher nicht von Bauern im eigentlichen Sinn sprechen und eher damit rechnen, dass Jäger die Siedlungen immer wieder für Tage und Wochen auf nach der Suche nach Robben, Walrössern und Walen verlassen haben. In der Zeit müssen natürlich andere das Vieh versorgt haben. Ergo gab es auf Grönland gar keine richtige Bauern, sondern eine Unterschicht aus Hirten. Die Rädelsführerschaft bei Handelsfahrten wie im Fall von Freydis ist auch eher was für die Oberschicht.
Für die Siedlung L’Anse aux Meadows in Neufundland ist die Viehzucht archäologisch nicht nachgewiesen. Nach der Nachweis der Viehzucht ist aufgrund der durch Stallhaltung im Boden leicht nachweisbar. Wenn die gefundenen Teile einer Schere, Nähnadel und Spinnwirtel tatsächlich als Nachweis der Anwesenheit von Frauen gilt, dann müssen einige Frauen auf bei Handelsfahrten, Jagdausflügen oder Holzfällerexpedition dabei gewesen sein. Sie werden dort noch einige andere Aufgaben als Spinnen gehabt haben.
Die dritte Ebene ist die der auch hier durchs Forum geisternden Schildmaiden. Kann man das nicht einfach zu Folklore und Sagenkitsch zählen? Eine Schildmaid, so es sie denn gab, hätte den ersten emsländischen oder mecklenburgischen wehrhaften Bauern nicht überlebt.
So einfach kann man es sich nach den Grabfunden nicht mehr machen. Natürlich kann man jetzt überlegen, ob die waffenführenden Frauengräber auf die Sagenfiguren anspielen. Dann wären wir wieder beim Thema vom rituellen Crossgender, wenn eine irdische Frau als Priesterin wie eine Walküre oder symbolische Kriegerin herumläuft oder wenigstens in dieser Tracht bestattet wird.
Dass die Waffen in dem Fall nur symbolische Bedeutung habt, ist mir klar. Aber das gilt wahrscheinlich auch für Fürstengräber und Kriegergräber für biologische Männer.
Die Waffen in den Gräbern haben meines Erachtens nur symbolische Bedeutung und keinen praktischen Nutzen; es sei denn man betrachtet die Gräber als praktische Abfallgrube für Altmetall. Nichts an den Gräbern ist praktisch. Heutige Kategorien wie Fürstengrab, Kriegergrab oder Männergrab sind nur moderne Interpretationen und sagen noch nicht aus, ob der Bestattete tatsächlich ein Fürst, ein Krieger oder Mann war. Zweifellos hatten die Waffen im Grab symbolische Bedeutung und symbolisierten wahrscheinlich Herrschaft, Kriegertum und Männlichkeit. Durch das Vermessen der Knochen oder genetische Untersuchungen kann heute geklärt werden, ob tatsächlich ein Mann bestattet wurde oder nur ein Jüngling oder eine biologische Frau. So kann auch ein Kleinkind mit reichen Waffen bestattet werden, obwohl es sicherlich nie gekämpft oder geherrscht hat. Die Grabausstattung von Kindern und jungen Männern sind besonders reich und das könnte auch eine Art Hyperkorrektur für Tote sein, die im Leben noch keine Heldentaten als Krieger oder Fürst geleistet haben. Durch die Beigabe einer Waffenausstattung können aber die Angehörigen dem Toten aber vielleicht post mortem in den Krieger- und Fürstenstand erheben, obwohl eine Initiation zu Lebzeiten noch nicht gelungen war. Ein alter Mann hatte eine derartige Grabausstattung vielleicht nicht mehr möglich, weil er genug Taten vollbracht hatte. Ähnliche Überlegungen werden die Angehörigen bei der Ausstattung von Frauen mit Waffenbeigaben getroffen haben. Irgendetwas haben sie sich dabei gedacht genau in diesen seltenen Fällen Frauen mit Waffen zu bestatten. Ob es sich jetzt um ein Priesterinnen handelt, die aus rituellen Gründen eine Walkürentracht trugen, oder um Transmänner (biologische Frau mit männlicher Gender-Identität) oder um Crossgender-Schildmaiden oder um eine Frau, die einfach als Alleinerbin ihres Vaters mit dessen Waffen bestattet wurde, kann nicht mehr geklärt werden. Klar ist, dass sich die Trauergemeinde ganz bewusst beschloss eine biologische Frau mit den Symbolen von Herrschaft, Kriegertum und Männlichkeit zu bestatten, weil sie mit dem Durchbrechen der sonst wenig durchlässigen Geschlechtergrenzen einverstanden war. Ob die Angehörigen einer streitlustigen Häuptlingstochter vom Typ Freydis Erikson aufgrund ihrer Charakterzüge ein Schwert beigeben würden, kann man nur mutmaßen - das wäre aber so ähnlich wie das Grab einer Verbrecherin zu markieren.
In der Tat gibt es in den Sagas die Erwähnung kämpfender Frauen. Sie sind zwar meist als Ausnahmeerscheinungen dargestellt und nicht unbedingt immer positiv, aber eine gewisse Glaubwürdigkeit muss das grundsätzlich gehabt haben. So kommen etwa in der Hervarar Saga zwei Damen mit Namen Hervör vor, die Großmutter und Enkelin sind. (Vermutlich handelt es sich allerdings um eine Doublette). Die Großmutter kleidet sich wie ein Mann, gibt sich einen Männernamen und wird als kampflustig und grausam beschrieben, irgendwann wechselt sie aber ihre Rolle, kehrt vom Wikingerleben ab und verhält sich ganz als Frau, wird Mutter von Heiðrek.
Heiðreks Tochter wiederum wird als Befehlshaberin in einer gotischen Burg in einem dunklen Wald beschrieben (von manchen als der Schwarzwald interpretiert), die sie erfolglos aber heldenhaft gegen die Hunnen verteidigt. (Das Schicksal der Familie wird durch das magische Schwert Tyrfing bestimmt, was mit dem Vorläufervolk der Westgoten, den Terwingen in Verbindung gebracht wird.)
Interessanterweise ist diese Sage von Hervör, die einzige, in der das Wort Schildmaid überhaupt vorkommt.
Die Ältere Hervör lebt in ihrer Jugend als Schildmaid und übt sich zusammen mit den Jungen mit Waffen un Schild. Die Schildmaid Hervör ist also lediglich Crossgender, da Geschlechtergrenzen durchbrochen werden, aber kein Namens- und Identiätswechsel stattfindet. Anschließend übt sich sich mit den Nadel in der Handarbeit, was aber nicht ihren Neigungen entspricht. Im Erwachsenenalter wird ein Identitätswechsel notwendig, um endlich in den Krieg ziehen zu dürfen und aus der Frau wird ein Mann (Transgender). Hervör wird zu Hervard und trägt nur noch Männerkleider, lebt als Mann und Krieger. Vielleicht wird die Rolle der Schildmaid nur bei jungeen Frauen zugelassen, darauf deutet jedenfalls die Bedeutung des Wortes hin. (Die rachsüchtigen Merowinger-Königinnen sind aber eigentlich keine Maiden, sondern alte Witwen.)
Die dritte oder die gleiche Hervör kommt auch im Lied von Wöland in der Lieder-Edda vor. Hier ist Hervör eine der drei Schwanenjungfrauen die "von Süden" her durch den Mirkwald fliegen. Hervör ist hier die Tochter von Hlöver, was als nordische Verballhornung von Chlodwig gilt. Hervör ist also eine erfundene Merowingerkönginin und gleichzeitig eine Schwanenjungfrau.
Ob die Hervör der isländischen Sage nun Gotin, Fränkin, Rus-Wikingerin sein soll, ist mir genauso egal wie den Skalden. Eine interessante Spiegelung findet sich aber im mittelhochdeutschen Nibelungenlied. Der deutscher Dichter verlegt macht nämlich Brunhild zur Königin von Island und verlegt somit auch die seltene Kriegerin in ein weit entferntes Land zwischen Sage und Wirklichkeit - genauso exotisch wie Hreidgothaland (zwischen Gotland und Schwarzwald) für die Isländer.