Paulus Bedeutung für das Christentum

Klar, und die ersten 2-3 Jahrhunderte stehen hier auch nicht zu Debatte.

Zur Debatte stehen bestimmte Lehren der Kirche(n), die bis zum heutigen Tag mit Paulus begründet werden. Zum Beispiel die Ablehnung der außerehelichen Sexualität – man hat bis zur Ehe keusch zu leben, sonst sündigt man. Und wer homosexuell ist, darf nicht heiraten und dementsprechend auch seine Sexualität nicht ausleben.

In einem Wort: Verboten ist jede sexuelle Handlung, die nicht der Zeugung dient – auch für Eheleute.

Nachzulesen in 1 Kor 5,1-13; 1 Kor 6,9-10; 1 Kor 6,13; 1 Kor 6,15-16; 1 Kor 7,1 und 7; 1 Kor 7,4; 1 Kor 7,8 und 27 und 38; 1 Kor 11,3; Röm 1,26-27 und vielleicht noch an anderen Stellen, aber das sollte reichen.

Dass die Frauen sich ihren Männern unterordnen sollen (Epheser 5,22-24), lehrt die katholische Kirche bis heute - als wären seitdem nicht beinahe 2000 Jahre vergangen.

Und dass Frauen in der Kirche schweigen sollen, gilt heute auch noch. Aber darüber haben wir schon geschrieben. Mit wenig Effekt, weil ich mir erlaubt habe, als Folge auf eine abscheuliche 300-jährige Praxis der Kirche hinzuweisen. Anderes dauert fort: Nicht einmal Diakonissen sind erlaubt, obwohl Paulus sie kannte und achtete (Röm 16,1) – sein Wort über das Schweigen ist in der katholischen Kirche wichtiger.

Nicht? Wenn man über Paulus Bedeutung für das Christentum diskutiert, würde ich meinen, geht es genau um die ersten Jahrhunderte.

Ehebruch galt in so ziemlich jeder antiken Kultur als ein Vergehen, das durchaus streng bestraft wurde, zumindest aber eine schwere Sünde. Ares kommt relativ-mit dem Spott der Götter und mit einer Geldbuße davon, um sich aus der raffinierten Liebesfalle, die Hephaistos konstruierte zu lösen. Nach den römischen Zwölftafelgesetzen durfte ein Ehemann seinen "Schwippschwager ungestraft töten, wenn er ihn inflagranti erwischte. Wegen Ehebruch hat Augustus seine geliebte Tochter Julia verbannt.

Noch vor einem Menschenalter war Ehebruch in der Bundesrepublik ein Vergehen.


Sepiola hat in einem Beitrag bereits darauf hingewiesen, dass man, um Frauen in der zweiten Reihe zu halten, nicht unbedingt auf Paulus angewiesen war, sondern dass man dafür auch römisch-hellenistische oder islamische Quellen anführen könnte, die mit Paulus gar nichts am Hut hatten.
 
Nicht? Wenn man über Paulus Bedeutung für das Christentum diskutiert, würde ich meinen, geht es genau um die ersten Jahrhunderte.
Paulus schrieb das, was zu seiner Zeit mehr oder weniger Usus war. Aber dieses noch heute als moralische Richtschnur zu verwenden, wie z.B. die katholische Kirche es tut, ist das eigentliche Skandal.

Noch vor einem Menschenalter war Ehebruch in der Bundesrepublik ein Vergehen.
Ja, weil die christlichen Parteien regierten und auch die Wähler christlich erzogen gewesen sind – egal ob sie die CDU/CSU, SPD oder FDP gewählt haben. Aber die strenge Moral der 1950er Jahre wurde ab den 1960er Jahren schrittweise gelockert, und in der Folge hat man dem auch bei der Gesetzgebung Rechnung getragen – die konservativen Kräfte wurden einfach überstimmt.

Dass es auch anders geht, beweist die evangelische Kirche in Deutschland, die sonst viel von Paulus hält, aber eben nicht an seinen rigiden Moralvorstellungen klebt.
 
Nicht? Wenn man über Paulus Bedeutung für das Christentum diskutiert, würde ich meinen, geht es genau um die ersten Jahrhunderte.

Sollte man eigentlich meinen.

Paulus schrieb das, was zu seiner Zeit mehr oder weniger Usus war. Aber dieses noch heute als moralische Richtschnur zu verwenden, wie z.B. die katholische Kirche es tut, ist das eigentliche Skandal.

Wenn Dein eigentliches Anliegen ist, die katholische Kirche über die richtigen moralischen Richtlinien aufzuklären, bist Du hier in der völlig falschen Arena.
 
In Südkorea war Ehebruch bis 2015 strafbar, in Indien bis 2018.
Soll das die Situation in Deutschland relativieren?

Wenn Dein eigentliches Anliegen ist, die katholische Kirche über die richtigen moralischen Richtlinien aufzuklären, bist Du hier in der völlig falschen Arena.
Netter Versuch eines persönlichen Angriffs. Zur Sache: Katholische Kirche ist nur ein Beispiel - war im Zitat, das du gebracht hast, deutlich als solches gekennzeichnet -, denn es gibt noch andere christlichen Kirchen, die an pulinischen moralischen Grundsätzen festhalten: russisch-orthodoxe, Baptisten, Evangelikale, etc.
 
Soll das die Situation in Deutschland relativieren?

Das zeigt, dass Ehebruch ganz unabhängig von Paulus vielfach als Vergehen gesehen wurde, das nicht nur die Beteiligten etwas angeht, so wie bei vielen anderen Delikten auch (Diebstahl wird allgemein als Vergehen angesehen, das nicht nur den Dieb und den Beklauten betrifft).
Im übrigen hat sich Paulus m. W. nicht dazu geäußert, welche Vergehen von Staats wegen verfolgt werden sollte und welche nicht.

Netter Versuch eines persönlichen Angriffs. Zur Sache: Katholische Kirche ist nur ein Beispiel - war im Zitat, das du gebracht hast, deutlich als solches gekennzeichnet -, denn es gibt noch andere christlichen Kirchen, die an pulinischen moralischen Grundsätzen festhalten: russisch-orthodoxe, Baptisten, Evangelikale, etc.

Wo siehst Du einen persönlichen Angriff?
Auch für Deine moralischen Ansprachen an Orthodoxe, Baptisten, Evangelikale etc. bist Du hier in der falschen Arena.

Ausgangspunkt der Diskussion war doch eigentlich dieser:
Trotzdem war und ist sein Einfluss auf das Christentum so enorm, dass man sagen kann, ohne Paulus hätten wir heute keines oder ein anderes Christentum, auf jeden Fall weniger frauenfeindliches.
Mit seiner Auffassung zum Thema Ehebruch war Paulus zu seiner Zeit sicher kein einsamer Vordenker, und der Entwicklung des Christentums hat er in dieser Hinsicht auch sicher keine dramatische Wendung gegeben.
 
Auch für Deine moralischen Ansprachen an Orthodoxe, Baptisten, Evangelikale etc. bist Du hier in der falschen Arena.
Nein, ich habe nur gezeigt, dass Paulus Schriften auch heute noch eine weltweite Wirkung auf die christliche Welt haben. Das zu sagen muss möglich sein, wenn wir über Paulus Einfluss auf das Christentum reden.

Zitat aus dem Tagesspiegel vom 07.08.2009:

"Sexualkunde“ und „Abmeldung vom Unterricht“ – wem fiele da nicht unwillkürlich als drittes Stichwort „Muslime“ ein? Ein aktueller Fall aus Karlsruhe könnte dieses übliche Wahrnehmungsmuster ein bisschen durcheinander bringen. Es waren Baptisten, Angehörige der größten evangelischen Freikirche in Deutschland, denen die Verfassungsrichter jetzt das Recht abgesprochen haben, ihre Kinder aus religiösen Gründen vom Aufklärungsunterricht fernzuhalten.

Ist das jetzt Baptistenbashing oder einfach ein Beleg zu meiner Behauptung oben (#45), dass (evangelischen) Baptisten ähnliche und zum Teil sogar strengere paulinisch/augustinische Morallehre vertreten wie die katholische Kirche?
 
Ist das jetzt Baptistenbashing oder einfach ein Beleg zu meiner Behauptung oben (#45), dass (evangelischen) Baptisten ähnliche und zum Teil sogar strengere paulinisch/augustinische Morallehre vertreten wie die katholische Kirche?
Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass es Dir um religionspolitischen Aktivismus geht und nicht um eine historische Diskussion.

Von Paulus sind keine Stellungnahmen zum Aufklärungsunterricht überliefert.
 
Eigentlich lässt sich die These vom Frauenfeind Paulus nur aufrecht erhalten, wenn man emanzipatorische Maßstäbe des ausgehenden 20. und frühen 21. Jahrhunderts anlegt.

Wenn man sich die Quellen ansieht, sie in historischen Kontext setzt, bewegte Paulus sich völlig innerhalb von hellenistisch-römischen und jüdisch-christlichen Wertvorstellungen. Er hat vielfach mit Frauen wie Junia, Phoebe, Priscilla oder Lydia zusammen gearbeitet, und er lobte ausdrücklich deren Arbeit, erkannte Junias apostolischen Rang an, betonte, dass Priscilla länger Christin war, als er selbst.

In der Antike gab es kein Zölibat, Paulus Enthaltsamkeit war sein persönliches Ideal, er macht es eben nicht zur Pflicht. Wie weit Befürworter des Zölibats sich auf Paulus beriefen und berufen, kann ich nicht sagen. Martin Luther und andere Theologen beriefen sich jedenfalls auf Paulus, um gegen ein Pflichtzölibat zu argumentieren. Der 1. Korintherbrief (1. Kor 13. 1-13 "Das Hohelied der Liebe" ) war geradezu eine Steilvorlage, um gegen das Pflichtzölibat zu argumentieren.

Martin Luther und Katherina von Bora wurden so etwas wie das Ur-Modell des protestantischen Pfarrhauses.

Zu Paulus Zeiten gab es noch keinen Klerus, die Aufgaben der Ämter waren nicht klar definiert, nicht zeitlich festgeschrieben, es ist durchaus fraglich, ob man zu dieser Zeit schon von einer Kirche sprechen kann. Es ist zwar von der Ekkleisia (Versammlung) die Rede, es gab aber noch keine Ämterhierarchie und erst recht nicht eine Autorität per Amt. Paulus Autorität basierte einzig auf seiner Bedeutung als Apostel und Missionar und seiner theologischen und rhetorischen Bedeutung. Paulus hat Jesus nicht persönlich gekannt. Um vom engsten Kreis der Jesu-Jünger akzeptiert zu werden, gehörte schon etwas mehr dazu, als sich selbst zu ernennen.

Paulus hatte aber keine Befugnisse Presbyter, Diakone oder Episkopoi ein- oder abzusetzen. Er hätte, selbst wenn er das gewollt hätte, Frauen wie Junia oder Priscilla den Mund nicht verbieten können. Er konnte lediglich ermahnen oder Empfehlungen aussprechen. Seine Autorität war sicher groß

Was Paulus tut, ist dass er Unterordnung und Zurückhaltung von Frauen fordert. Mit seiner Forderung in der Kirche zu schweigen, bezieht er sich auf Prophetie, Zungenreden und deren Auslegung, Dämonenaustreibung und Exorzismen.
 
Was Paulus tut, ist dass er Unterordnung und Zurückhaltung von Frauen fordert. Mit seiner Forderung in der Kirche zu schweigen, bezieht er sich auf Prophetie, Zungenreden und deren Auslegung, Dämonenaustreibung und Exorzismen.
Das allerdings können Kirchen bis heute ins Feld führen, wenn sie Frauen von Predigtämtern fernhalten wollen.
 
Mit seiner Forderung in der Kirche zu schweigen, bezieht er sich auf Prophetie, Zungenreden und deren Auslegung, Dämonenaustreibung und Exorzismen.
Bei der Prophetie würde ich ein Fragezeichen machen.
Dass Frauen prophetisch reden, scheint für Paulus nämlich kein Problem zu sein, nur sollen Männer, wenn sie prophetisch reden, dies barhäuptig tun, Frauen jedoch mit bedecktem Haupt:
"Jeder Mann, der betet oder prophetisch redet und dabei sein Haupt bedeckt hat, entehrt sein Haupt. Jede Frau aber, die betet oder prophetisch redet und dabei ihr Haupt nicht verhüllt, entehrt ihr Haupt. Sie unterscheidet sich dann in keiner Weise von einer Geschorenen." ( 1. Kor 11)
Vgl. Apg 21,8: "Wir gingen in das Haus des Evangelisten Philippus, der einer von den Sieben war, und blieben bei ihm. Er hatte vier Töchter, prophetisch begabte Jungfrauen." (Dass Frauen prophetisch reden, impliziert auch die "Pfingstpredigt des Petrus" in Apg 2)
 
Eigentlich lässt sich die These vom Frauenfeind Paulus nur aufrecht erhalten, wenn man emanzipatorische Maßstäbe des ausgehenden 20. und frühen 21. Jahrhunderts anlegt.
Klar, zuvor war es aufgrund der starken Stellung der Kirchen in moralischen Fragen ziemlich einfach, Frauen kleinzuhalten. Dazu reichte es, auf Paulus und Augustinus zu verweisen, zwei Autoritäten, gegen die ein Widerspruch bis zur Aufklärung so gut wie unmöglich war.

Es gibt immer Kräfte, die die alte Ordnung verteidigen, und andere, die diese Ordnung zu akzeptieren nicht gewillt sind. Die letzteren haben 2 Jahrhunderte gebraucht, um eine min. 2 tausendjährige Ordnung zu stürzen, so dass heute nur die Ewiggestrigen sie noch verteidigen – man lese z.B. dazu den Katechismus der katholischen Kirche.

Wenn man sich die Quellen ansieht, sie in historischen Kontext setzt, bewegte Paulus sich völlig innerhalb von hellenistisch-römischen und jüdisch-christlichen Wertvorstellungen.
Das habe ich nie in Abrede gestellt – das Problem waren und sind seine Nachfolger.

Paulus Autorität basierte einzig auf seiner Bedeutung als Apostel und Missionar und seiner theologischen und rhetorischen Bedeutung.
Eben – die anderen „echten“ Aposteln, also die 12 Jünger Jesu, waren mit Worten nicht so gewandt wie Paulus. Für eine Revolution – und Christentum war eine Revolution – bedarf es Theoretiker oder Ideologen und Propagandisten, die in der Regel studierte Leute sind; irgendjemand hat mal gesagt: Am Anfang einer Revolution steht meistens ein Buch.

Was Paulus tut, ist dass er Unterordnung und Zurückhaltung von Frauen fordert.
Ja, er fordert Unterordnung, obwohl er die Leistung seiner Zeitgenossinnen in der Glaubenssache lobt. Und auch seine Nachfolger lobten und loben sie, aber nichtsdestoweniger forderten und fordern sie deren Unterordnung und ihr Schweigen.
 
Eigentlich lässt sich die These vom Frauenfeind Paulus nur aufrecht erhalten, wenn man emanzipatorische Maßstäbe des ausgehenden 20. und frühen 21. Jahrhunderts anlegt.

Wenn man sich die Quellen ansieht, sie in historischen Kontext setzt, bewegte Paulus sich völlig innerhalb von hellenistisch-römischen und jüdisch-christlichen Wertvorstellungen. Er hat vielfach mit Frauen wie Junia, Phoebe, Priscilla oder Lydia zusammen gearbeitet, und er lobte ausdrücklich deren Arbeit, erkannte Junias apostolischen Rang an, betonte, dass Priscilla länger Christin war, als er selbst.
Der Unterschied liegt in der Wirkungsdauer. Während die hellenistisch-römischen Vorstellungen sich spätestens im Frühmittelalter in Luft aufgelöst hatten entfalteten die diesbzüglichen "jüdisch-christlichen Wertvorstellungen" ihre Wirkung bis über das Mittelalter hinaus. Für die Frauen- und Sexualfeindlichkeit der Kirche war aber tatsächlich weniger Paulus als Augustinus verantwortlich. Und dabei hat sich Augustinus - was die Frauenfeindlichkeit angeht - weniger auf Paulus als auf sich selbst berufen. Auch sonst war es hauptsächlich Augustinus, der die Grundlage für die mittealterliche Theologie lieferte und weniger Paulus.
Auch das Pflicht-Zölibat für Priester geht auf Augustinus zurück, was seine Wirkung und Bedetung auf die katholische Kirche unterstreicht. Die orthodoxe Kirche kannte auch im Mittelalter kein Pflicht-Zölibat für Priester, für Mönche allerdings schon
 
Während die hellenistisch-römischen Vorstellungen sich spätestens im Frühmittelalter in Luft aufgelöst hatten

Das ist eine ziemlich steile These, die anscheinend ignoriert, dass das Christentum sich Jahrhunderte in der römisch-hellenistischen Welt entwickelt hat und von ihr natürlich beeinflusst wurde.
Und natürlich gehören auch Vorstellungen vom Ideal der Ehelosigkeit zur römisch-hellenistischen Welt, vgl. beispielsweise Diogenes Laertios X, 119:

"Ferner wird der Weise nicht heiraten und Kinder zeugen, wie Epikur in den 'Zweifelfragen' und in den Büchern über die Natur sagt. Nur unter besonderen Lebensumständen würde der eine oder andere heiraten, nicht ohne ein gewisses Schamgefühl."


Auch das Pflicht-Zölibat für Priester geht auf Augustinus zurück, was seine Wirkung und Bedetung auf die katholische Kirche unterstreicht.

Wie das?
Die Synode von Elvira beschloss schon 100 Jahre vor Augustinus, dass Bischöfe, Priester und Diakone zur sexuellen Enthaltsamkeit verpflichtet sein sollen - widrigenfalls würden sie vom Dienst suspendiert:

XXXIII. De episcopis et ministris, ut ab uxoribus abstineant.
Placuit in totum prohibere episcopis, presbyteris et diaconibus vel omnibus clericis positis in ministerio abstinere se a coniugibus suis, et non generare filios: quicumque vero fecerit, ab honore clericatus exterminetur.

Canons of the Council of Elvira - Page 2 of 4
 
Das ist eine ziemlich steile These, die anscheinend ignoriert, dass das Christentum sich Jahrhunderte in der römisch-hellenistischen Welt entwickelt hat und von ihr natürlich beeinflusst wurde.
Und natürlich gehören auch Vorstellungen vom Ideal der Ehelosigkeit zur römisch-hellenistischen Welt, vgl. beispielsweise Diogenes Laertios X, 119:

"Ferner wird der Weise nicht heiraten und Kinder zeugen, wie Epikur in den 'Zweifelfragen' und in den Büchern über die Natur sagt. Nur unter besonderen Lebensumständen würde der eine oder andere heiraten, nicht ohne ein gewisses Schamgefühl."




Wie das?
Die Synode von Elvira beschloss schon 100 Jahre vor Augustinus, dass Bischöfe, Priester und Diakone zur sexuellen Enthaltsamkeit verpflichtet sein sollen - widrigenfalls würden sie vom Dienst suspendiert:

XXXIII. De episcopis et ministris, ut ab uxoribus abstineant.
Placuit in totum prohibere episcopis, presbyteris et diaconibus vel omnibus clericis positis in ministerio abstinere se a coniugibus suis, et non generare filios: quicumque vero fecerit, ab honore clericatus exterminetur.

Canons of the Council of Elvira - Page 2 of 4

Man kann sich natürlich streiten, ab wann sich hellenistisch-römische Vorstgellungen in Luft aufgelöst hatten. Ich meine, dass dies spätestens 529 nach der Schliessung der letzten Philosophenschule in Athen als "Stätte heidnischer und verderbter Lehren" geschehen ist. Natürlich hat sich das Christentum in der römisch-hellenistischen Welt entwickelt und ist auch ensprechend beeinflusst worden, dass heisst aber ja wohl nicht, dass das mittelalterliche Christentum eine Fortsetzung oder "Weiterentwicklung" dieser Welt und deren Vorstellung gewesen ist. Wäre es so gewesen, hätte es keine Renaissance gegeben. Und auch wenn die Mönche die ihnen zugänglichen antiken Schriften mehrfach kopierten, hatte dies nicht so einen starken Einfluss, dass man von einem römisch-hellenistischen Weltbild in der mittelalterlichen Theologie oder in den mittelalterlichen Wert- und Moralvorstellungen sprechen könnte. Auch hier musste zuerst die Renaissance kommen.

Es war Augustinus, der die mittelalterliche Theologie massgeblich prägte, und wie der Rest seiner Anschauungen waren auch seine Zölibat-Meinungen bestimmend für die mittelalterlichen Vorstellungen. Die mittelalterlichen Theologen fussten auf Augustinus; sie zitierten ihn und nicht die Beschlüsse der Synode von Elvira. Bei Augustinus selbst - wenn das Zölibat denn nicht überhaupt seine eigene Idee resp. Schlussfolgerung gewesen ist (was ich glaube) - dürfte sich dann wohl eher auf Paulus bezogen haben und nicht auf einen Autor (Laertios), der eine Zusammenfassung der Lehren antiker Philosophen geschrieben hat.

Die Beschlüsse der Synode von Elivra wurden von der Ostkirche nicht anerkannt - dies könnte erklären, warum die orthodoxen Priester heiraten dürfen resp. sogar wenn immer möglich sollten.
 
Ich weiß gar nicht, was das Konzil von Elvira hier für eine Rolle spielen soll. Es hatte doch überhaupt keine Strahlkraft über die iberische Halbinsel hinaus. Auch der Zölibat, der beim Konzil von Elvira beschlossen wurde, hatte keine Wirkung, der heute in der katholischen Kirche gültige Zölibat für Weltpriester ist ein Ergebnis des Reformpapsttums.
 
Ich weiß gar nicht, was das Konzil von Elvira hier für eine Rolle spielen soll. Es hatte doch überhaupt keine Strahlkraft über die iberische Halbinsel hinaus. Auch der Zölibat, der beim Konzil von Elvira beschlossen wurde, hatte keine Wirkung, der heute in der katholischen Kirche gültige Zölibat für Weltpriester ist ein Ergebnis des Reformpapsttums.
Das mein ich ja.
 
Ich weiß gar nicht, was das Konzil von Elvira hier für eine Rolle spielen soll. Es hatte doch überhaupt keine Strahlkraft über die iberische Halbinsel hinaus.

Ich hätte auch die Synode von Neocaesarea (circa 315) nennen können:
Πρεσβύτερος ἐὰν γήμη. τῆς τάξεως αὐτὸν ματατίϑεσϑαι,
"Wenn ein Priester heirathet, soli er aus dem Clerus ausgeschlossen werden
Conciliengeschichte : Hefele, Karl Joseph von, 1809-1893 : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive

Oder die Schreiben des Papstes Siricius aus den 380er Jahren, die laut Theologischer Realenzyklopädie in späteren päpstlichen Verlautbarungen häufig wiederholt wurden.

Wie kann man da behaupten, das Pflichtzölibat ginge auf Augustinus zurück?
 
Wie kann man da behaupten, das Pflichtzölibat ginge auf Augustinus zurück?

Weil Augustinus in weiten Teilen auch bestimmend war für die mittelalterliche Theologie, die zum grossen Teil auf seinen Schriften ruht, jedenfalls mehr als die Synoden von Elvira und Neocaesarea.

Dass der Sex auch in der Ehe ohne Lustempfinden zu praktizieren sei, ist schliesslich ebenfalls auf Augustinus zurückzuführen.Augustinus meinte, dass es ideal wäre, den Geschlechtsakt bis in alle körperlichen Einzelheiten dem bewussten Willen zur unterwerfen. Dann würde man dabei zumindest nicht den Verstand verlieren, die "grösste göttliche Gabe": "Es würde also der Mann Nachkommenschaft erzeugt und das Weib sie empfangen und sich dazu der Zeugungsglieder bedient haben, die wann und soweit nötig, durch den Willen bewegt, nicht durch Lust erregt worden wären. Denn nicht nur solche Körperteile bewegen wir nach Belieben, die durch feste Knochen gegliedert sind …, sondern auch die, welche nur mit weichen Sehnen ausgestattet und schlaff sind.“
Es wird ja auch verschiedentlich behauptet, dass Augustinus die Erbsünde erfunden habe. Das habe ich aber nicht verifiziert.

In den 380er Jahren, zur Zeit des Papstes Siricius, war Augustinus ebenfalls bereits aktiv, wenn auch erst als Laie.
 
Noch mal der DR8NGENDE Hinweis: Wir sind ein Geschichtsforum. Wir sind kein Forum für pro- oder antikirchlichen Aktivismus!
 
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