Da wir mittlerweile ein Forum für „Völkerrecht“ sind – der einzige, der wohl fundierten juristischen Sachverstand dazu aufweist, dürfte wohl „Silesia“ sein – eine Antwort von einem kompletten Laien, der sich auf den Sachverstand entsprechender Fachleute verläßt (vgl. z.B. völkerrechtliche Diskussion bei Hobe zu den Falklands auf S. 156 und die Verweise auf weiterführende Literatur in FN 33 in Hobe (2013/2014) und weiterführend aktuell bei Coll et.al. Dort – bei Hobe - wird u.a. auf Weber verwiesen, der von mir verlinkt wurde und natürlich ignoriert wird.
Der völkerrechtliche Anspruch von GB – auf der Basis der militärischen Landnahme, da es kein „herrenloses Gebiet“ besetzt hatte – wurde dadurch „geheilt“, dass GB ca. 150 eine Herrschaft über das Gebiet ausgeübt hat. (vgl. Weber, S. 78). In diesem Sinne besitzt Gb „den besseren Rechtstitel, aufgrund seiner Effektivität in der langandauernden und über mehrere Jahrzehnte auch unangefochtenen Autoritätsausübung auf den Falklandinseln.“ (Weber, S. 78). Dieser Sicht hat Argentinien widersprochen und entsprechende Ansprüche regelmäßig formuliert.
Rubin resümiert aktuell: „Applying international legal doctrine to the conflicting British and Argentine claims, Rubin concludes that there is still much uncertainty about how a hypothetical tribunal would resolve the sovereignty dispute.“ (Rubin in: Alberto R. Coll and Anthony C. Arend)
In dieser historischen Situation hatte die Generalversammlung der UN die beiden Kontrahenten lediglich gedrängt, eine Lösung im Wege von Verhandlungen zu finden.
Zur Frage des häufig angeführten Selbstbestimmungsrechts der Völker, also „die Berücksichtigung des frei geäußerten Willens der Inselbevölkerung“ hinterfragt Weber, ob die vorhandenen Äußerungen als „repräsentativ“ für die Inselbevölkerung anzusehen wären und letztlich unklar ist, welche politischen Ziele sie präferieren.
Der Angriff von Argentinien hat den Konflikt „auf eine andere Ebene gehoben: die des Friedensbruchs unter Verletzung elementarer Vorschriften der UN-Charta wie des Völkerrechts.“ (Weber, S. 80). Diese Aggression ist im Sicherheitsrat (Res. 502) mit 10 zu 1 bei 4 Enthaltungen verurteilt worden.
Die britische Regierung begründete ihr militärisches Eingreifen mit Bezug auf die Resolution 502. Dieser Sicht widerspricht Weber. „Es ist fraglich, ob Großbritanien die militärischen Maßnahmen gegen Argentinien mit dem Recht auf Selbstverteidigung nach Art. 51 der UN-Charta oder mit einer quasi Ermächtigung der Resolution 502 begründen kann.“ (Weber, S. 80)
Dazu bezieht er sich auf die Vorgeschichte und macht deutlich, dass es bereits im Vorfeld des Krieges zu diplomatischen Kontakten kam. „Großbritannien hat schon vor Ausbruch der Krise zu erkennen gegeben, dass es prinzipiell zur Aufgabe der Souveräntät bereit ist.“ (Weber, S.81)
In diesem Kontext waren vor allem die Bemühungen von US-Außenminister Haig relevant, eine diplomatische Lösung zu finden, die mindestens bei Thatcher nicht unbedingt Begeisterung ausgelöst hatte. Allerdings war man sich im britischen Kabinett insgesamt nicht einig, wie man auf die Vorschläge von Haig reagieren sollte. Und Haig war einer der Vertreter währende der Frühphase des Konflikts, neben UN-Botschafterin Kirkpatrick, die gegen eine Unterstützung von GB sich ausgesprochen hatten.
Des weiteren, so Weber, würden die britischen Reaktionen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Und resümiert dahingegend, dass „Als überschießende, unverhältnismäßige Reaktion geraten die Maßnahmen viel eher in die Nähe einer heute nicht mehr zulässigen Strafexpedition und Repressalie, als dass sie noch als legitime Ausübung eines Rechts auf Selbstverteidigung rechtfertigen ließen.“ (Weber, S. 81)
Diese Beurteilung wäre dahingehend zu qualifizieren, dass Thatcher sie als notwendige symbolische Politik begriff, um den Niedergang des Empire im kollektiven Gedächtnis der Briten zu stabilisieren wie bereits literaturmäßig dargestellt. (vgl. Dibran etc.)
Es kommt ein weiteres Problem im Rahmen des Völkerrechts hinzu, dass die Einhaltung bzw. die Geltung von Normen im Rahmen des Völkerrechts eine universelle Geltung besitzen und von allen Staaten beachtet werden. Vor diesem Hintergrund „According to Franck, many states were extremely concerned about the precedent an Argentine victory might set. They were concerned that the Argentine example, if unchecked, would encourage other states to use force unilaterally in areas where they had a direct stake. Thus, legal principles helped to rally some nations to take a stand in the Falklands War. (Franck in: Alberto R. Coll and Anthony C. Arend)
Und man befürchtete, das eine Akzeptanz des militärischen Überfalls von Argentinien auf die Falklands zu einer weiteren Verwässerung der Geltung der Normen des Völkerrechts führen würde: „This is attributable in part to the long list of violations of article 2 (4) of the UN Charter that have gone unanswered since World War II. Franck contends that the Falklands War illustrates a selective application of principles and concludes that if a principle is invoked only occasionally it loses its power to deter and calls into question the legitimacy of fighting to defend an already emasculated norm.“ (Alberto R. Coll and Anthony C. Arend).
Zumal die Großmächte, wie GB zuletzt in der Suezkrise, deutlich gemacht haben, dass sie selber nicht bereits sind, sich an diese Rechtsnormen zu halten und einen militärischen Angriff auf andere Länder initieren können und wollen (vgl. entsprechende Beiträge in Heinemann und Wiggershaus)
Am Rande sei zudem erwähnt, dass der Falklandkrieg einer Instrumentalisierung durch Thatcher unterlag, die zwar kurzfristig das Selbstwertgefühl in GB erhöhte, aber letztlich den kontinuierlichen Niedergang des Empire global eher beschleunigte (vgl. Elkins oder Mercau).
Coll, Alberto R. (1985): The Falklands War. Lessons for strategy, diplomacy, and international law. 1. publ. Boston u.a.: Allen & Unwin.
Elkins, Caroline (2022): Legacy of violence. A history of the British Empire. London: Bodley Head.
Heinemann, Winfried; Wiggershaus, Norbert Theodor (1999): Das Internationale Krisenjahr 1956. Polen, Ungarn, Suez. München: R. Oldenbourg
Hobe, Stephan (2014): Einführung in das Völkerrecht. 10. Aufl. Tübingen: Francke
Mercau, Ezequiel (2019): The Falklands War. An imperial history. Cambridge: New York, NY; Cambridge University Press.
Weber, Herrmann (1982): Recht und Gewalt im Südatlantik: Der Streit um die Falklandinseln (Malwinen) als Völkerrechtsproblem. In: Vereinte Nationen: German Review of the United Nations 30 (3), S. 77–82.