Stimmt. Aber ich darf mich bei dir bedienen – Zitat aus dem Buch:
Gott ist in dieser Welt des Spätmittelalters nicht eine entrückte Größe, sondern eine überall mithandelnde Person.
Und genau darauf kommt es an: Gott ist überall präsent und blablablablubblubblubbfaselfaselfabulier
Ich sehe schon, Du brauchst das Buch nicht.
Ich will trotzdem noch ein paar Zeilen zitieren, selbe Seite und noch eine weiter:
Höllenangst? Wir verweisen auf die Aussage der spätmittelalterlichen geistlichen Schauspiele, die so viele Zuschauer anzogen. Obwohl hier die Hölle den Menschen "mit vil gruwelichen und helschen duveln" vorgestellt wurde, obwohl die Teufel in Ketten und Stricken die klagenden Sünder mit sich schleiften, beweisen die Teufelsszenen - eine der Attraktionen des geistlichen Spiels - letztlich eine Vermenschlichung von Luzifer und Satanas. Selbst der Höllenfürst kann als der Übertölpelte erscheinen. Seine Untergebenen werden durch Aussehen - etwa wie ein schwarzer Kessel - oder durch Spottnamen von "Crummnase" bis "Rattenzahn" lächerlich gemacht. Die Höllenfahrtsszenen bersten vor Komik im mittelalterlichen Verständnis. Bisweilen steckt der Teufel selbst in großer Not: Der sittenlose Pfaffe im Wiener Passionsspiel ist so verworfen, daß er noch einmal die Hölle betreten darf und vom Satan in einer Pfütze mit Kot bedeckt wird.
Noch mehr als in ihren Beziehungen zu Gott und Teufel sahen die Menschen in ihrem Verhältnis zu den Heiligen eine personale Verbindung. [...] Die Bevölkerung des Heiligenhimmels gab den Menschen im Spätmittelalter auch die Möglichkeit der Wahl ihres Heiligen. Von 'Moden' der Heiligenverehrung ist gesprochen worden, um etwa in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die zunehmende Popularität der Eltern Marias, Joachim und Anna zu erklären. [...]
Die Menschen wähllen sich ihre Schutzheiligen nicht nach institutionellen Vorgaben, sondern nach ihren eigenen Bedürfnissen. Der Goldschmied verehrt den hl. Eligius, der Wirt betet zu Martha oder Zachäus, die einst den Herrn bewirtet hatten, der Soldat, der Dachdecker und der Bauarbeiter verehren die hl. Barbara, die Patronin derjenigen, die ein rascher Tod bedroht. [...]
Die "Institution Kirche" wurde aus Sicht der Landbevölkerung vom Dorfpfarrer repräsentiert, dieser war keineswegs ein Gott, sondern hatte seine Aufgaben zu erfüllen, also die jeweils anfallenden Messen, Tauf- und Begräbniszeremonien etc. abzuliefern (S. 279):
Die "Alterleute", die "Oldermänner", die "Kirchgeschworenen" überwachen nicht im Auftrag der Kirche, sondern im Auftrag der Gemeinde das Kirchenvermögen, sie wachen darüber, daß der Dorfkirche nichts an ihren Rechten und Besitzungen verlorengeht. Konflikte mit dem Pfarrer waren an der Tagesordnung. Der Pfarrer war Gemeindegenosse. Mochte er auch Messe lesend, vielleicht sogar predigend als Autoritätsperson verstanden worden sein, als Person, welcher der Titel "Herr" gebührte, so bestand doch auf dem Land seine Besoldung teils in Abgaben der Bauern, teils in Stolgebühren, wie sie bei Hochzeiten, Taufen und Begräbnissen anfielen, teils in Erträgen, welche die Grundstücke abwarfen, die der Dorfkirche gehörten. Waren Pfarrers Äcker, war Pfarrers Vieh vor Schabernack sicher, wenn dieser den Bauern allzu hohe Bußen auferlegte?
Vielleicht sogar predigend - zu diesem Stichwort blättere ich noch ein paar Seiten zurück, S. 271:
Allen überlieferten Ordnungen ist alles gemeinsam: Niemals, noch nicht einmal indirekt, werden irgendwelche Qualifikationsmerkmale aufgestellt, die für ein "Indoktrinieren" geeignet waren. Berücksichtigt man, daß die Pfarrer doch die Basisinstitution der Kirche sind, ist das ein zentraler Hinweis darauf, daß die so oft behauptete Macht der mittelalterlichen Kirche über die Seelen der Menschen, ihre übergroße Autorität über die Laien noch nicht einmal eine Karikatur der bestehenden Verhältnisse, sondern ein Konstrukt darstellen, ein Konstrukt, das letztlich erst in der Aufklärungszeit entstand.