Noch ein Wort zum Verhältnis der weltlichen Herrscher zu Juden. Herrscher waren oft knapp bei Kasse und brauchten Geld. Geld gegen Zinsen zu verleihen war aber Christen verboten. Da traf es sich "gut", dass Juden sich nicht an dieses Verbot halten mussten. Und weil Geldverleihen eines der wenige Geschäfte war, die sie überhaupt ausüben durften, haben sie sich darauf spezialisiert – und verliehen Geld an jeden, der es brauchte. Besonders viel Geld liehen sich Herrscher. Da sie wussten, dass Juden gefährdet waren, wurden sie oft in der Nähe der Residenzen angesiedelt, um im Falle eines Falles ihnen Schutz bieten zu können: Man wollte seine "Bank" geschützt wissen.
Natürlich gab es auch Fälle, in denen sich Schuldner während des Pogroms ihrer Schulden entledigten, aber auch das war eine Folge der weitgehenden Rechtlosigkeit der Juden.
Bei den jüdischen Geldverleihern ging es um Klein- und Kleinstkredite mit extrem langer Laufzeit. Auf dem flachen Land bei dem geringen Bargeldumlauf brauchte es die jüdischen Geldverleiher, und da kam es durchaus auch vor, dass Juden Schwierigkeiten hatten, ihr Geld zurück zu bekommen.
Die wirklich lukrativen Geschäfte-die machten "christliche" Banken wie die Medici, die Fugger oder die Welser,
Im ausgehenden Mittelalter und in der frühen Neuzeit- da wirst du große jüdische Bankhäuser wie Rothschild oder Warburg in Europa kaum finden. Mittelalterliche oder frühneuzeitliche Herrscher wie Karl V. arbeiteten nicht mit jüdischen Geldwechslern, sondern mit italienischen Banken wie den Medici oder Leuten wie den Fuggern, Welsern, Baumgartnern zusammen.
Bankhäuser wie Rothschild oder Warburg wurden erst Ende des 18. Anfang des 19. Jahrhunderts gegründet. Mayer Amschel Rotschild kam als Münzhändler und Hoffaktor in Kontakt mit Landgraf Wilhelm IX. Auch am Hof Wilhelms der u. a. durch den Soldatenhandel einer der reichsten Männer Europas geworden war, gaben keineswegs jüdische Bankiers den Ton an, sondern angestammte Frankfurter Bankhäuser wie Bethmann.
Dass Mayer Amschel schließlich zum wichtigsten Bankier wurde, lag einmal daran, dass der Finanzminister Buderus von Carlshausen Rothschild förderte, der wie er aus kleinen Verhältnissen aufgestiegen war und weil Rothschild sich als integer, zuverlässig und sehr geschickt bei Wechseldiskontgeschäften und bargeldlosen Geldgeschäften erwiesen hatte. Rothschild hatte Kontakt mit Wilhelm hergestellt, weil dieser leidenschaftlicher Münzsammler war. Die Geschäfte wuchsen nur langsam, als aber Rothschild 1804 ein Geschäft mit dänischen Staatsanleihen vermittelte, von dem Wilhelm stark profitierte, intensivierte er die Kontakte mit Rothschild.
Dass der Kurfürst sich vor allem Rothschild anvertraute, hatte nichts, aber auch gar nichts mit dessen Religion zu tun. Mayer Amschel Rothschild war in bargeldlosen Geldgeschäften einfach fixer und besser geübt, seine Tipps hatten Hand und Fuß, und er hatte sich als zuverlässig und integer erwiesen.
In dem Propaganda-Film Die Rothschilds Aktien auf Waterloo (1940) machen die Rothschilds als Bankiers mit 600.000 Pfund die Kurfürst Wilhelm I. 1806 einzahlt ein Vermögen von 13 Millionen. Tatsächlich aber war Wellington mit der Arbeit von Nathan Rothschild sehr zufrieden. Rothschild hatte Wilhelm geraten, sein Vermögen vor allem in britische Staatsanleihen zu investieren. Er hatte Wilhelm sein großes Vermögen vor Napoleons Zugriff geschützt. Die Zinsen konnten nur in London ausgezahlt werden, und Nathan hatte es übernommen, dem Kurfürsten die Zinsen zugehen zu lassen. Das war wegen der Kontinentalsperre und weil Wilhelm Ende 1806 ins Exil fliehen musste enorm schwierig.
Nathan Rothschilds stieg erst 1811 ins Bankgeschäft richtig ein. Er übernahm auch die Besoldung der britischen Truppen. Die Regierung besaß zwar dank Verkauf von Staatsanleihen genug Geld, Die britische Währung wurde aber in Spanien und Portugal nicht anerkannt, so dass die Regierung sich gezwungen sah, Wellington mit Goldmünzen zu bezahlen. Der Auftrag ging an Nathan Rothschild, der internationale Kontakte besaß und das Bargeld in Gold beschaffen sollte. Das war für die Rothschilds eine starke Herausforderung.
Finanzminister Herries schrieb über Nathan Rothschild:
"Rothschild in his place has executed the various services enthrusted to him in his line admiralbly well, and though he is a Jew we place a good deal of confidence in him."
Den ganz großen Durchbruch schaffte Rothschild 1815. Nach Napoleons Flucht aus Elba hatte Rothschild Gold gehortet, um die Briten bezahlen zu können. Er ging von langen Kriegshandlungen aus. Nach einigen Erfolgen wurde Napoleon bei Waterloo geschlagen. Das von Rothschild gehortete Gold drohte an Wert zu verlieren, und um die Verluste aufzufangen kaufte Nathan britische Staatsanleihen. Er ging davon aus, dass diese steigen würden nach dem Krieg. Viele rechneten mit einer britischen Niederlage und verkauften Staatsanleihen billig, die Rothschild aufkaufte.
Darüber entstanden später viele Verschwörungstheorien.
Als Bankhäuser wie Rothschild gegründet wurden, da waren Juden vielfach bereits gleichberechtigte Bürger geworden. In Frankreich 1791 und in den franzzösischen Satellitenstaaten, in der Batavischen oder Helvetischen Republik, in den Rheinbundstaaten etwas später. Mayer Amschel Rothschild erhielt 1811 im Großfürstentum Frankfurt ein Emanzipationspatent, und er wie die anderen Frankfurter Juden waren gleichberechtigte Bürger geworden. Seine Söhne Nathan, James und Carl wurden in Großbritannien, Frankreich und Österreich geadelt.
Als jüdische Bankiers bis zu Finanziers von Herrscher- und Fürstenhäusern wurden, da ging das 18. Jahrhundert zu Ende, und da lag bereits der Hauch der Emanzipation in der Luft oder war wie in den USA oder in Frankreich bereits geschehen.
Ich wüsste kein jüdisches Bankhaus, das vor Ende des 18. Anfang des 19. Jahrhunderts als Finanzier von Herrschern und Fürsten bekannt wurde.
Im 16., 17. und 18. Jahrhundert waren es doch vor allem "christliche" Banken wie Medici, Fugger, Welser, Baumgartner, die aufwändige Projekte finanzierten. Auch Rothschilds Aufstieg verlief nicht so rasant wie manche sich das vorstellen. Da dominierten zunächst Banken wie Bethmann- Rothschild war Münz- und Antiquitätenhändler, Hoffaktor und tatsächlich Bankier wurde er erst, nachdem er sich durch bargeldlose Geschäfte und kluge Transaktionen empfohlen hatte.
Ähnlich verlief der Aufstieg des Hamburger Bankhauses Warburg.
Als die ersten "jüdischen" Bankiers und Banken anfingen, eine Rolle im europäischen Finanzwesen zu spielen, da existierten die Verhältnisse, die du beschreibst schon gar nicht mehr. Jüdische Geldverleiher spielten im Finanzwesen der frühen Neuzeit schon eine wichtige Rolle: Sie waren es, die die so dringend benötigten Kleinkredite bereitstellten.
Aber Financiers der Fürsten zu werden, da sorgten christliche Bankhäuser schon dafür, dass sie die lukrativen Geschäfte unter sich ausmachten. Der einzige wirklich lukrative Geschäftszweig, der von Juden dominiert wurde, war das Juweliergeschäft. Da schafften es manche Juden wie Joseph Süß Oppenheimer Hoffaktor zu werden. Süß Oppenheimer war auch als Geldverleiher für Adelige aufgetreten und hatte in dieser Tätigkeit Karl Alexander kennengelernt.
Als Hoffaktoren beschäftigten manche Fürsten tatsächlich gerne Juden. Das lag zum einen daran, dass diese über gute Kontakte verfügten, Juden wie Süß-Oppenheimer waren vom Fürsten abhängig. Ohne dessen Legitimation waren sie nichts. Sie waren keinen Interessen von Adel oder Klerus verpflichtet-und man konnte sie notfalls fallen lassen.
In Württemberg herrschte ein katholischer Fürst, beraten von einem Juden ohne volle Bürgerrechte über eine protestantische Bevölkerung. Nach Karl Alexanders Tod machte man Süß den Prozess und er fiel einem Justizmord zum Opfer.
Im 18. Jahrhundert begegnet an dem ein oder anderen Hof mal ein Hoffaktor, aber eine dominierende Rolle im Finanzwesen oder Bankwesen spielten sie nicht. Juden waren auch nicht rechtlos. Sie hatten verminderte Rechte, bestimmte Bereiche oder Geschäfte waren ihnen verboten, sie durften keiner Zunft beitreten oder nicht Getreide auf dem Halm kaufen. Sie mussten für Schutz bezahlen.
Seit dem frühen Mittelalter standen sie als Kammerknechte unter dem Schutz der Krone. Sie waren keine gleichberechtigten Bürger, aber rechtlos waren sie deshalb nicht, es haben jüdische Gemeinden ihre Rechte wahrgenommen und erfolgreich auch vor Reichsgerichten ihre Belange eingeklagt oder von Fürsprechern wie Josel von Rosenheim ihre Belange vertreten lassen.
Pogrome waren doch zumindest in Westeuropa relativ selten. Während des 1. und 2. Kreuzzugs war es in verschiedenen französischen, deutschen, englischen und anderen europäischen Städten zu Pogromen gekommen. Diese wiederholten sich während der Pestwelle. Wegen eines Ritualmord-Verdachts hatte 1280 ein Mob in München 180 Juden samt der Synagoge niedergebrannt.
Bei den Pogromen handelte es sich um widerrechtliche Angriffe, und die Bischöfe oder Könige waren nicht in der Lage, die Juden zu schützen. 1571 kam es in Berlin zu Übergriffen, weil man einem Juden anlastete, am Tod des Kurfürsten Schuld zu sein. Es wurden vom Mob jüdische Häuser geplündert, Schuldscheine verbrannt und Pfänder genommen. Während des Fettmilchaufstands 1613 (?) kam es zu Übergriffen gegen Juden.
Der Begriff Pogrom kommt aus dem Russischen und bedeutet soviel wie Zerstörung, Verwüstung. In der Ukraine kam es 1648 während des Kosaken-Aufstands von Bogdan Chmelnyzky zu massiven Pogromen. Das führte zu einer starken Emigration von Juden, die nach Westen auswanderten.