Luthers Bibelübersetzung hatte v.a. zwei Vorteile gegenüber den vorigen Übersetzungn:
1.) Sie war alltagssprachlich.
2.) frühere Übersetzungen waren direkte Übersetzungen, die Satzkonstruktionen hielten sich also stark an die hebräischen/aramäischen und griechischen Originaltexte, Luthers Übersetzung war eine semantische bzw. idiomatische Übersetzung.
Die direkte Übersetzung nimmt auf die Zielsprache und ihre grammatischen Strukturen wenig Rücksicht, orientiert sich an der Syntax der Originalsprache, ist also für Rezipienten der Zielsprache weiterhin schwer zu verstehen. Die semantische und mehr noch die idiomatische Übersetzung nehmen dagegen die Zielsprache stärker ins Auge, orientieren sich an deren Syntax und den Bedürfnissen der Rezipienten, entfernen sich dafür aber weiter vom Originaltext.
Ich will gar nicht luthers durchaus orriginelle Leistung infragestellen.
Wenn ich auf Dions Behauptung, Luthers Erfolg sei seiner Bibelübersetzung geschuldet gewesen antwortete:
Ich meine aber, dass Luther bereits sehr bekannt und in Sachen popularität sehr erfolgreich in Norddeutschland war, bevor er seine Bibelübersetzung ablieferte.
Dann ging es mir vor allem darum, Luther in erster Linie durch seine "Thesen", und dem bekannt wurde, was darauf folgte, nicht an und für sich durch die Gesamtübersetzung der Bibel.
Es waren die "Thesen", die die einfache Bevölkerung erreichten und die entsprechende Stimmung erzeugten, nicht die Übersetzung der Bibel.
Unabhängig davon ob man es für plausibel halten möchte, dass die Übersetzung der Bibel durch Luther vollständig auf der Wartburg passierte, oder ob er damit viel früher begonnen hatte, konnte er die Arbeit daran jedenfalls erst in dieser Zeit beenden.
Da waren aber die Disputationen in Leipzig und in Heidelberg. Das Zitat nach Augsburg und Luthers Weigerung zum Widerruf, die Androhung der Exkommuniktation, das Zitat vor den Wormser Reichstag, die abermalige Weigerung zu widerrufen, Exkomunikation, Reichsacht und das geheimnissvolle Verschwinden danach längt gelaufen.
Luther war publizistisch erfolgreich und im hablen römisch-deutschen Reich bekannt, wie ein bunter Hund, bevor er seine Bibelübersetzung vorlegte.
Darauf lege ich deswegen so viel Wert, weil Dions Narrativ ja darauf hinausläuft, dass mit der Bibelübersetzung die Bevölkerung den Machtmissbrauch der Kirche erkannt und sich deswegen empört habe.
Nein, die schlug sich schon auf die Seite Luthers und empörte sich, bevor sie Gelgenheit haben konnte Luthers Bibelübersetzung zu konsumieren.
Langfristig, hatte Luthers Werk sicherlich auch für die Herausbildung der deutschen Hochsprache ungeheuerliche Wirkungen, die man in keinem Fall geringschätzen sollte, völlig d'accord.
Nur Luthers Bibelübersetzung hatte nicht die kurzfristigen Wirkungen, die Dion ihr zuschreibt. Dafür fehlten gänzlich die Voraussetzungen.
Man muss Luther schon zugestehen, dass er eine Demokratisierung des Wissens erreichen wollte
Ich bin der letzte, der ihm den gute Willen absprechen wollte und würde ihm durchaus, dass er das
in the long run auch ein gutes Stück weit erreicht hat, weil er es schaffte, innerhalb seiner Gefolgschaft das Sozialprestige der Fähigkeit lesen und schreiben zu können deutlich aufzuwerten.
Webers Vorstellung eines besonderen Einflusses der prothestantische Ethik auf den kapitalistisch-industriellen Prozess würde ich so wie das mal postuliert wurde, zurückweisen.
Aber ich würde der protestantischen Ethik und Anschauungsweise und dazu gehört nicht nur die Möglichkeit die Bibel selbst zu lesen, sondern im Prinzip auch die Pflicht das zu tun um die postulierte immediate Verbindung zwischen dem Gläubigen und Gott auch tatsächlich ralisieren zu können, durchaus einen massiven Impact auf die flächendeckende Durchsetzung von Elementarbildung zuschreiben.
Die wurde in den protstantsichen Territorien nämlich tatsächlich im weitüberwiegenden Maße eher realisiert, als in den Katholischen.
Und hierfür war sicherlich auch der Schritt der Volkssprachlichen Schriftsprache und Lithurgie sehr hilfreich.
Bei den weiteren Ausführungen deinerseits in diesem Abschnitt bin ich völlig d'accord.
Ohne Dions Einschätzungen, die besonders in der Wortwahl (neudeutsch: im Wording) mal wieder absolut unangemessen sind, zu teilen, würde ich dir hier doch widersprechen wollen. Natürlich hat die Kirche den Bibeltext nicht zensiert. Und natürlich hatte sie auch rationale Gründe dafür, der Übersetzung in die Volkssprachen skeptisch gegenüber zu stehen. Das hat eben zur Konsequenz gehabt, dass ~ 99 % der Bevölkerung der Zugang zur Bibel und zu den Glaubensinhalten nur über Interpretatoren (also Priester) zugänglich war. Das wollte Luther ändern. Und selbst wenn man nicht lesen konnte, so könnte man doch im Gottesdienst mithören (und musste nicht irgendein lateinisches Gebrabbel über sich ergehen lassen).
Ja, natürlich konnt man im Gottesdienst mithören.
Und natürlich bekam man dadurch einen anderen Zugang zu religiösen Inhalten, als wenn da der katholische Priester Harry Potter-mäßig irgendwelche lateinischen Zauberformeln aufsagte.
Aber die Kontrolle darüber, was im Gottesdienst gelesen wurde und was gehört werden konnte, die hatten noch immer Priester.
Wenn man jetzt mit Dion unterstellen möchte, dass die Priester aus Eigennutz schon immer die Bibel zum eigenen Zweck verbogen und ausgelegt hätten, nunja, das konnten sie theoretisch auch weiterhin, daran änderte die volkssprachliche Lithurgie des Gottesdienstes nichts.
Die Bibel in ihren verschidenen Überlieferungstraditionen ist in sich bei vielen Themen Widersprüchlich und natürlich konnte ein Priester, auch wenn die Predigt nicht auf Latein, sondern Deutsch gehalten wurde, bestimmte Auslegungen stärken, in dem er bestimmte Texte in der Predigt preferierte und andere eher wegließ.
Ob das, was der Priester in der Predigt da möglicherweise mit Inbrunst behauptete so eindeutig war, wie er es darstellte, oder ob andere Texte vorhanden waren, die widersprüchliches behaupteten, konnte doch das analphabetische Gemeindemitglied nicht nachvollziehen.
Auch nicht das Gemeindemitglied, das zwar grundsätzlich lesen, sich aber keine eigene Bibel leisten konnte um das Werk in seiner Gesamtheit nachzuvollziehen.
Konnte es passieren, dass irrgendjemand in der Gemeinde saß, der eine eigene Bibel hatte und volkssprachlich lesen konnte, den Priester dabei ertappte? Klar konnte das passieren.
Genau so gut konnte es aber auch passieren, dass im Publikum 1-2 Leute drinn saßen, die Latein durchaus verstanden.
Z.B. der nachgeborene Sohn eines reichen Landbesitzers, der in Vorbereitung auf das Priesteramt durchaus mal Latein gelernt hatte, dann aber wegen des vorzeitigen Todes des älteren Bruders wieder in den weltlichen Stand wechselte um die Familie fortführen zu können oder ähnliche Konstellationen.