Was ist das für eine Argumentation? Alles Mögliche ist auch heute noch verboten, dennoch geschieht es, tausend-, ja millionenfach. Es ist offensichtlich: Wenn etwas verboten ist, dann wird trotz des Verbots genau das getan.
Das ist die Argumentation, die deinen schrägen Postulaten von der Allmacht der katholischen Kirche entspricht.
Wenn Dinge trotz Verbots häufig getan werden, ist das ein Zeichen dafür, dass sich viele für das Verbot nicht interessieren und relativ wenig Sorge davor haben, dass ihnen dieses Handeln irgendwie auf die Füße fällt und sie dafür belangt werden.
Die Bücher ohne Imprimatur wurden damals beschlagnahmt, verbrannt und der Autor/Herausgeber/Verleger/Drucker bestraft.
Wenn denn die regionalen Machthaber eine solche Politik mittrugen und wenn denn irgendwer da war, der etwas beschlagnahmen oder irgendwen bestrafen hätte können.
Sowas, wie ein organisierter Polizei- und Zensurapparat stand den spätmittelalterlichen Herrschern ja durchaus nicht zur Verfügung.
Ein Großteil der Dienstleute der jeweiligen regionalen Herrscher konnten selbst nicht lesen, also auch nicht kontrollieren und nachvollziehen, was genau es mit einem Werk auf sich hatte.
Von dem her dürfte es sich, wenn denn irgendwann mal etwas nach damaligem Verständnis nicht legales beanstandet wurde, sehr oft um reine Zufallsfunde gehandelt haben.
Zumal, wenn man die zunächst relativ geringen Auflagenstärken bei Neuerscheinungen wegen des Kostenfaktors bedenkt.
Aber in diesem Fall wurde der Leser/Besitzer des Buches zum Autor/… erklärt und bestraft – so leicht ließ sich die Kirche nicht austricksen.
1. Darfst du das gerne bequellen.
2. Wie kommst du auf die Idee, dass die Kriche einfach unabhängig vom Inhalt, wegen formaler Abweichungen sich das Recht hätte herausnehmen können, irgendwen zu bestrafen?
Hätte die Kirche versucht irgendwelche Buchhändler oder Leser von Büchern ihrer Gerichtsbarkeit zu unterwerfen, ohne eindeutig belegen zu können, dass Dinge berührt waren, die in die Zuständigkeit des Kirchenrechts fielen, wäre das einzige Resultat gewesen, dass sie von der weltlichen Obrigkeit eins auf's Dach bekommen hätte, für den Versuch der Anmaßung der herschaftlichen Rechte des jeweiligen Fürsten (oder der Körperschaft).
Erasmus von Rotterdam war, im Gegensatz zu Luther, keine Revolutionär, wollte die Kirche von innen heraus reformieren*. Er blieb auch sein Leben lang katholisch.
Blieb Luther übrigens auch, jedenfalls in seinem Verständnis.
Doch nach seinem Tod wurden alle seine Werke verboten und die Inquisition erklärte ihn post mortem zum Ketzer. Und das, obwohl ihn 1536 der Papst Paul III. zum Kardinal ernennen wollte. Man sieht, die Reformation setzte der katholischen Kirche zunehmend so zu, dass sie mit aller Macht zurückschlug
Das Werke, die irgendwann wesentlich später eine Neubewertung erfuhren, ist jetzt eigentlich nicht unbedingt ein besonderes Phänomen.
Machiavelli bendet die Arbeit an seinem
"Il principe" 1513. Noch 1532 bekommt das Werk eine päpstliche Zulassung zum Druck*
1557 landet es dann auf dem Index, weil inzwischen andere Bewertungsmaßsstäbe zum Tragen gekommen waren und sich die Situation verändert hatte.
Man sieht, die Reformation setzte der katholischen Kirche zunehmend so zu, dass sie mit aller Macht zurückschlug: Die Gegenreformation** ward geboren und da hatte auch ein Erasmus, der noch 1524 gegen Luther polemisierte, keinen Platz - weil nicht katholisch genug?
Die Reformation setzte der katholischen Kirche durchaus zu, es war aber lange Zeit überhaupt nicht entschieden, welchen Weg Rom selbst gehen und dass es überhaupt zur definitiven Spaltung der Kirche kommen würde.
Wenn wir über die Reformation und die katholische Kirche sprechen, sollten wir ggf. mal über Papst Hadrian VI. (1522-1523) sprechen, der in seinem relativ kurzen Pontifikat durchaus Neigungen zeigte, den Kritikern der katholische Kirchen in diversen Bereichen deutlich entgegen zu kommen und mit diesen in ernsthaften Dialog zu treten.
Die Vorstellung, Rom hätte zu allen Zeiten blindwütig auf alles drauf geschlagen, was irgendwie nach Kritik aussah und dass solche offen geäußert ein Ding der Unmöglichkeit gewesen hätte, geht ziemlich krass an den überlieferten Realitäten der Zeit vorbei.
* Im Übrigen kommt die Kirche im "principe" nicht so gut weg und die christliche Moral und entsprechende Traditionen schonmal überhaupt nicht. So viel nur zu der Behauptung, offene Kritik an der Kirchen oder der Religion hätten nicht geäußert werden können. Konnten sie zum Teil sogar mit expliziter päpstlicher Genehmigung, wie der Fall Machiavelli beweist.