Das ist anzunehmen, ja. Aber zuletzt ging es ja um Bauern, die in Hessen angeblich NSDAP wählten, weil sie von den Nazis eine ideologische Aufwertung erfuhren. Die gleiche Aufwertung erfuhren auch die Bauern in Bayern, die aber das - insofern sie katholisch waren - nicht mit Stimmen für die NSDAP "belohnten". Dieser Unterschied ist mMn auf unterschiedliche Konfessionen dort und hier zurückzuführen, zumal auch die mehrheitlich protestantischen Bauern in Franken überdurchschnittlich häufig NSDAP wählten.
Oder hast du eine andere Erklärung für?
Da würde ich meinen, müsste man sich die regionale Struktur der Landwirtschaft und ihre Probleme näher anschauen.
Wie war der durchschnittliche Zuschnitt der Höfe, welche landwirtschaftlichen Produkte wurden angabaut, in wieweit spielte Viehzucht eine Rolle gegenüber dem Anbau von Feldfrüchten, wie entwickelten sich die Preise für Futtergetreide, wie sahen die jeweiligen regionalen Bodenqualitäten aus und so weiter und so weiter.
Wahrscheinlich werden Regionen mit in der Regel mittlgroßen/großen Höfen und vernünftigen Bodenqualitäten deren Problem eher darin lag Mittel für die Industrialisierung der Landwirtschaft aufzubringen, als in grundsätzlichen Problemen eine eher geringe Tendenz gehabt haben die Nazis zu wählen.
In Millieus, die allerdings so strukturiert waren, dass einige wenige Großgrundbesitzer einen Großteil des Landes mit vernünftigen Bodenqualitäten besaßen und die Masse der Bauern auf eher kleinen Parzellen saß und mehr oder weniger Subsistenzwirtschaft betrieb, womöglich noch auf wenig ertragreichen Böden und damit unter enormem wirtschaftlichen Druck stand, dürfte das anders ausgesehen haben.
Gerade Subsistenzbauern mit kleinen Parzellen, die sich in wirtschaftlicher Not befanden konnten sich möglicherweise von der "Lebensraum"-Denke der Nazis durchaus angesprochen fühlen, weil ein Mangel an eigenem Boden, der sie vor existenzielle Probleme stellte, etwas war, was in ihrer Lebenswirklichkeit tatsächlich vorkam.
Dann wird sicherlich auch eine Rolle spielen, was genau produziert wurde und wie eng der Zusammenhang mit der Industrie möglicherweise gewesen ist.
Ich habe von der Landwirtschaft in Bayern in den 1920er und 1930er Jahren was das angeht, wenig Ahnung, muss ich zugeben. Wenn allerdings etwa Hopfenanbau, der eng mit der Brauwirtschaft verflochten ist bereits damals in einigen Regionen Bayerns eine vergleichbare Rolle spielte, wie das heute der Fall ist, konnten Teile der dortigen Landwirtschaft möglicherweise von der industriellen Entwicklung eher sogar profitieren, während etwa Betriebe, die vor allem auf Viehzucht speezialisiert waren, durch die neuartigen Transportmittel und landwirtschaftlichen Maschinen, die den Einsatz von Arbeitstieren in immer geringerem Maße voraussetzten, eeher unter Druck gerieten.
Im Hinblick auf Bayern könnte als Faktor noch hinzukommen, dass Teile Ostbayerns tatsächlich auch finanziell vom Osthilfe-Programm profitierten, dass neben den preußischen Ostgebieten tatsächlich auch einigen Regionen Bayerns zu gute kam.
Insofern musste die bäuerliche Bevölkerung in Bayern sich, je nach Region möglicherweise nicht ganz so vergessen fühlen, wie in Nordhessen.
Was Wiederrum Nordhessen angeht, wäre die Frage zu stellen, ob sich da möglicherweise alte wirtschaftliche Zusammenhänge auflösten.
Nordhessen grenzt mit dem Harz und mit dem Siegerland an zwei Regionen deren (Proto-)Industrie im Laufe des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zunehmend unrentabel wurde.
Der Bergbau im Harz verschwand mehr oder weniger, der Bergbau im Siegerland bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts auch und die industriellen Betriebe des Siegerlandes wanderten zunehmend nach Norden ins Ruhrgebiet ab.
Durchaus denkbar, dass das für Nordhessen das Wegfallen traditioneller Abnehmer bedeutete und die wirtschaftliche Umstrukturierung der Harz-Region und des Siegerlandes den Konkurrenzdruck erhöhte.
In Bayern wiederrum dürften Abnehmer wahrscheinlich ein geringeres Problem gewesen sein.
Die Metropole München hatte natürlich einen entsprechenden Versorgungsbedarf und auch um Nürnberg herum hatte sich ja einiges an Industrie entwickelt, dass sicherlich mit verschiendenen Stoffen und Lebensmitteln für die dortige Arbeiteerschaft versorgt werden wollte.
Für die bayrischen Grenzregionen gab es auch in Österreich Absatzmärkte, nachdem der traditionelle wirtschaftliche Zusammenhang des alten Österreichs zusammengebrochen war und weite Teile des Landes sich auf Grund der Gebirge nicht unbedingt für besonders ergibige Formen der Landwirtschaft eigneten, auch die Versorgung der Millionenstadt Wien, war eine Herausforderung.
Kommt hinzu, dass Teile Bayerns mit der Donau und den anderen Teilen des entsprechenden Flussystems, respektive dort einmündenden Flüssen recht gute Transportmöglichkeiten, jedenfalls in Richtung der Meetropolen München und Wien, so wie in Richtung Österreich generell hatten.
Das mag möglicherweise zu recht unterschiedlichen wirtschaftlichen und sozialen Ausgangssituationen geführt haben, die in weiten Teilen Bayerns möglicherweise erfreulicher waren, als in Nordhessen oder Teilen Ostelbiens.
Müsste man sich näher anschauen, wäre aber sicherlich denkbar.
Einzig auf konfessionellee Unterschiede abstellen zu wollen, greift da zu kurz.
Zumal, schau dir demgegenüber die Wahlergebnisse in Baden und Würtemberg an.
Beides primär landwirtschaftlich geprägte Regionen mit eher bescheidener Industrie zu diesem Zeitpunkt.
Bei der Reichstagswahl im November 1932 holten die Nazis im gemischtkonfessionellen Würtembrg 26,2% in deutschlich katholischeren Baden aber stolze 34,1% der Stimmen.
In der vorangegangenen Wahl im Sommer 1932 hatte die NSDAP in Würtemberg etwas besser abgeschnitten, als im November und 30,3% geholt, lag aber dennoch hinter dem Wahlergebnis im benachbarten Baden mit 36,9% deutlich zurück.
Nun bin ich auch für diese Region kein besonderer Experte und weiß nicht, ob Industrie in Würtemberg eine deutlich größere Rolle spielte, als in Baden.
Stuttgart und das Umland dürften etwas mehr Industrie gehabt haben, als Karlsruhe und Umgebung, dafür lieegt aber der größere Teil der Rhein-Main-Region, sofern zum Gebiet des heutigen Baden-Würtembrg gehördend zu Baden nicht zu Würtemberg und die übrerregionale Verflechtung Badens mit der rheinischen Industrie, eben über den Rhein als Transportweg und der Rhein-Main-Region ddürfte größer gewesen sein.
Aber selbst wenn Industrie in Würtemberg eine deutlich größere Rollee gespielt hätte als in Baden, müsste, wenn es an der Kofession der Landbevölkerung gelegen hätte Würtembrg stärker oder jedenfalls gleichmäßig stark NSDAP gewählt haben, als das deutlich katholischere Baden.
Das scheint aber nicht der Fall gewesen zu sein, schaut man sich exemplarisch die Wahlen von 1932 an, holten die Nazis im katholischen Baden deutlich größere Stimmanteile als im gemischtkonfessionellen Würtemberg.
Das legt andere Ursachen für die Wahlentscheidung nahe. Möglicherweise wirtschaftliche Probleme in Baden durch die Auflösung des wirtschaftlichen Zusammenhangs mit Elsass-Lothringen durch die Grenzziehung nach 1918, möglicherweise andere Dinge.