Man hört und liest zwar viel über einen wirtschaftlichen Schaden von X Trillionen, deren Berechnung nicht gerade nachvollziehbar ist, und eine Übersterblkichkeit durch Mißwirtschaft (vor allem während des WKII)
Darüber wie viel die Briten während des 2. Weltkriegs zu verantworten hatten wird man sich streiten können, schon deswegen, weil es letztendlich die Japaner waren, die den Krieg an die Grenzen Britisch-Indiens brachten und damit einen massiven Einfluss auf die Situation hatten, insofern vor allem Transportkapazitäten die unter anderen Umständen hätten helfen können, im Besonderen die Lebensmittelversorgung besser flächendeckend besorgen zu können, dadurch für Kriegszwecke gebunden waren.
Das wird man wahrscheinlich jedenfalls nicht allein den Briten anlasten können.
Anders sieht es mit den Hungertoten aus, die auf das Konto des Umstands gehen, dass die Briten im 18. und 19. Jahrhundert (zugegeben, das war noch zur Zeiten der EIC, nicht der Britische Staat), in den Teilen Indiens, die sie unter ihre Kontrolle gebracht hatten, sukkzessive dazu übergingen, die Opium-Produktion für den China-Handel massiv auszubauen und dass ging nur, in dem man in Teilen unter Zwang, Teile der Lebensmittelproduktion einstampfen ließ, um die Anbaufläche für die Opiumproduktion nutzen zu können, was mitunter dann eben zu Verknappung von Lebensmitteln und zu Hunger und Hungertoten führte.
Für den 2. Weltkrieg mag das wegen der unterschiedlichen Verwicklungen etwas schwieriger kritierbar sein, aber für das 18. und 19. Jahrhundert ist der Anwurf, dass die britische Kolonialmacht (sei es in Form der EIC oder des britischen Staates) durch verfehlte Politik völlig unnötig Todesopfer fabriziert habe, durchaus nachvollziehbar.
Auch ganz ohne irgendwelche Umrechnungen in Geldsummen.
Selbst denkt man beim Plus eher an immer noch verwendete Infrastruktur, ein geeintes Land, ein westliches Bildungssystem, aber auch die Beseitigung div. Probleme wie der Thugee.
Das mit dem "geeinten Land" stimmt nicht.
Der indische Subkontinennt war unter der britischen Herrschaft nicht geeint, diverse indische Fürsstenstaaten existierten so lange die britische Kolonialherrschaft bestand und wurden erst nach der Unabhängigkeit Indiens und Pakistans in diese beiden Staaten inkorporiert.
Unter anderem geht der Kaschmir-Konflikt auf Streitigkeiten bei der Liquidierung des dortigen Fürstenstaates nach der Unabhängigkeit zurück.
Ohne allzu tagespolitisch werden zu wollen, würde sich hier auch die Frage stellen, ob der territoriale Zuschnitt der heutigen Staatengebilde auf dem indischen Subkontinent undedingt eine so glückliche Lösung ist.
Möglicherweise wäre der Konflikt zwischen Muslimen und Hindus in der Region wesentlich weniger scharf ausgefallen wäre die staatenordnung auf dem indischen Subkontinent kleinteiliger geblieben, so dass die Muslime innerhalb dieses Raumes weniger mit der Befürchtung hätten umgehen müssen, in einem Gesamtstaat von der Mehrheit der Hindu-Bevölkerung dauerhaft majorisiert und benachteiligt zu werden.
Möglicherweise hätte eine kleintiligere Ordnung, die im Norden des Subkontinents für ausgeglichenere Verhältnisse hätte sorgen können, eine bessere Basis für ein friedliches Zusammenleben sein können.
Bei Infrastruktur und Bildungssystem kann man durchaus hinterfragen, ob es dafür eine Kolonialherrschaft brauchte.
Es gibt ja durchaus Reiche/Staaten außerhalb Europas im engeren Sinne, wie das Osmanische Reich (und danach die moderne Türkei) oder Japan, die sich von sich aus darum bemühten westliches know-how ins Land zu holen.
Ob man sich in Indien dafür interessiert hätte, hätte es die britische Herrschaft nicht gegen, ist natürlich kontrafaktische Spekulation.
Allerdings waren die indischen Reiche zum Teil ziemlich hoch entwickelt und hätten wahrscheinlich durchaus aus eigener Kraft zügig den Anschluss an die westliche Entwicklung finden können, wenn ihre Eliten davon positiv überzeugt gewesen wären.
Insofern würde ich Infrastruktur und Bildungswesen, jedenfalls in Indien nicht als tragfähiges Argument sehen.
In bestimmten Regionen Afrikas, könnte man Bildung und Möglichkeiten medizinischer Versorgung, wo das aufgebaut wurde vielleicht als Pluspunkte gelten lassen.
Mit dem Argument, dass Wissenstransfers und Verbesserung der Lebensqualität durch die Behandelbarkeit von Krankheiten durchaus objektiv als zivilisatorischer Fortschritt gesehen werden können und dass es sich in Teilen Afrikas (durchaus nicht in ganz Afrika) um einen erheblichen Schub auf diesen Gebieten handelte und dass diese Gesellschaften (im Besonderen, wenn Schriftlichkeit fehlte) wahrscheinlich Jahrhunderte benötigt hätten um diese Entwicklungen aus eigener Kraft nachzuvollziehen.
Aber auf Indien (und auf die meisten anderen kolonisierten Gesellschaften in Asien) trifft das nicht zu. Da war eine solide Basis vorhanden um westliche Entwicklungen prinzipiell adaptieren zu können.
Also würde ich meinen, dass man das in diesem Fall nicht als Pluspunkt gelten lassen kann.
Das Argument Sicherheit wäre vielleicht insofern teilweise nachzuvollziehen, als dass durch die britische Herrschaft die ständigen Auseinanderstzungen der indischen Fürsten nach dem Kollaps des Mogulreiches zu eine Ende kamen.
Andererseits, es waren die Briten, mit ihrem Kolonialreich, die Indien in zwei Weltkriege hineinzogen. Die Briten hatten zugegebenermaßen keinen davon angefangen, aber ohne die britische Kolonialherrschaft, hätten die Bewohner des indischen Subkontinets sich eben raushalten können, wenn sie gewollt hätten.
Auch wenn Indien selbst nicht oder kaum selbst Schlachtfeld wurde (die Kämpfe im zweiten Weltkrieg spielten sich eher in Birma ab, dass formal nicht zu Britisch-Indien gehörte), wurden natürlich von den Briten in Massen Soldaten vom indischen Subkontinent rekrutiert (teils unter falschen Versprechungen) und in den Konflikten für rein britische Interessen verheizt.
Und auch wenn da die Japaner mindestens mal eine massive Teilverantwortung haben, die Hungersnot in Bengalen während es 2. Weltkriegs hätte es ohne diesen Krieg, bzw. die Verbindung zu Großbritannien, die Indien mit hineinzog, wahrscheinlich auch nicht gegeben.
Nachrungsmittel waren nämlich durchaus in hinreichendem Maße auf dem Subkontinent vorhanden, was fehlte, waren die Transportmittel um sie zu verteilen, weil diese zum Teil kriegsbdingt abgezogen waren.
Ich sehe nicht allzu viel positives, was die Briten Indien gebracht haben, dass man nicht auch ohne Kolonialherrschaft relativ zügig hätte erreichen können.