Wie beeinflussbar, war Wilhelm der Zweite Wirklich?

Es wäre sicherlich ein staatsmännischer Schachzug gewesen, Frankreich dadurch zu beruhigen oder zu besänftigen, Elsass-Lothringen, zurückzugeben. :cool: Allerdings, hätte er sich damit sicherlich zu Hause sehr, sehr unbeliebt gemacht.:eek: Galt doch Elsass-Lothringen, als rechtmäßige Kriegsbeute! Auch wenn, man dabei vollkommen außer Acht lässt, dass die dortigen Menschen, nicht nur die deutschstämmigen, alles andere als glücklich waren, dem Deutschen Reich anzugehören. Aber seinerzeit, war man noch lange nicht soweit, auf die Meinungen der Menschen einzugehen.
Das ist so wie du es formulierst nicht richtig.
Die Elsässer und Lothringer erhielten die deutsche Staatsangehörigkeit, sie hatten aber die Möglichkeit, sich bis Ende 1872 für die französische Staatsangehörigkeit zu entscheiden. Insgesamt waren es nur etwas mehr, als 10% der Bevölkerung, die für die Beibehaltung der französischen Staatsbürgerschaft optierten. Im Oberelsass waren es fast doppelt soviele, etwa 20% der Bevölkerung, die Franzosen bleiben wollten.

Dabei gab es starke Unterschiede zwischen den Konfessionen: Die Protestanten waren mehrheitlich für die Anbindung an Preußen-Deutschland, während viele Katholiken unter dem Eindruck des Kulturkampfes den neuen Verhältnissen eher skeptisch gegenüberstanden und sich eher mit Frankreich identifizierten. Die preußischen Beamten im Reichsland Elsass-Lothringen haben sich häufig ungeschickt aufgeführt, es wäre vermutlich besser gewesen, Beamte aus Süddeutschland, aus Württemberg, Baden oder der Pfalz zu entsenden, die mentalitätsmäßig sich leichter hätten verständigen können. In der Armee waren die Elsässer und Lothringer vielfach Diskriminierung ausgesetzt. Ein Leutnant Forster hatte im Rahmen der Zabern-Affäre seinen Soldaten geraten, bei Streitigkeiten von der Schusswaffe Gebrauch zu machen und er hatte ihnen 5 Mark versprochen, wenn sie einen "Wackes" (Elsässer) niederschossen. Auch im Weltkrieg waren die "Wackes" Anfeindungen ausgesetzt. Paul Ettighofer, selbst Elsässer berichtete darüber in seinem autobiographischen Roman "Gespenster am Toten Mann".

Die überwältigende Mehrheit der Elsässer war deutschsprachig, und im Laufe der Jahre wussten sie durchaus die deutsche Staatsangehörigkeit zu schätzen, zumal auch Elsaß-Lothringen erheblich vom Wirtschaftswachstum Deutschlands profitierte. Die Protestanten waren ohnehin mehrheitlich pro-deutsch eingestellt, und die jüdische Bevölkerung sah die Verwerfungen der Dreyfus-Affäre mit großer Besorgnis und versprachen sich von Deutschland mehr Schutz vor Antisemitismus. Aber auch die Katholiken gaben nach dem Ende des Kulturkampfs ihre Opposition auf, und die Elsässer schlossen sich den reichs-deutschen Parteien an. Die laizistische Politik Frankreichs und die Trennung von Kirche und Staat erregte auch bei Katholiken Besorgnis, und auch sie identifizierten sich mit Deutschland und wählten deutsche Parteien: Katholiken wählten das Zentrum, Arbeiter die SPD. Um die Jahrhundertwende war längst eine Generation herangewachsen, die kaum noch Bezüge zu Frankreich hatte. Es gab schlichtweg um 1900 keine relevante Gruppe der Bevölkerung, die im Reichsland Elsass-Lothringen eine Anbindung an Frankreich gewünscht hätte.

Die Vorstellung, dass die Elsässer eine unterdrückte Minderheit waren, die sehnsüchtig darauf wartete, von Frankreich "befreit" und wieder in die Grande Nation aufgenommen zu werden- das war Bullshit! Französischen Schulkindern erzählte man das, trichterte es ihnen ein. Es war aber genauso ein Bullshit wie die These von der unüberwindlichen deutsch-französischen Erbfeindschaft. Im Elsaß und in Lothringen gab es viel zu viele genealogische Verflechtungen in beiden Staaten, als dass man das unkritisch geschluckt hätte.

Auch im Elsass und in Lothringen sind 1914 die Freiwilligen zu den Fahnen geströmt, und trotz zahlreicher Schikanen und Benachteiligungen haben die Elsässer im Weltkrieg tapfer und loyal für Deutschland gekämpft.

Eine Abtretung von Elsass-Lothringen wäre kurz nach dem Krieg 1870/71 vielleicht noch akzeptiert worden, obwohl auch damals nur 10% für Frankreich optierten. Um 1900 aber wäre so etwas nicht zuletzt von der einheimischen Bevölkerung mit Empörung aufgenommen worden. Trotz aller Kalamitäten in der Armee, trotz Vorurteilen fühlte sich die überwältigende Mehrheit der Elsässer und Lothringer mittlerweile als Deutsche, und das galt für alle Gruppen der Gesellschaft über alle Grenzen von Konfession oder Religion hinweg.


https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsland_Elsass_Lothringen
 
Eine Abtretung von Elsass-Lothringen wäre kurz nach dem Krieg 1870/71 vielleicht noch akzeptiert worden, obwohl auch damals nur 10% für Frankreich optierten. Um 1900 aber wäre so etwas nicht zuletzt von der einheimischen Bevölkerung mit Empörung aufgenommen worden.

Der ganze Gedankengang einer Rückgabe ist ohnehin insofern wennig sinnvoll, als dass die ausschlaggebenden Argumente für eine Annexion annno 1870/1871, wenn man sich da bei Bismarck etwas einliest militärgeographischer Natur waren.

Was nichts anderes bedeutet, dass man, als man annektierte ohnehin der Meinung war der nächste Krieg mit Frankreich sei unvermeidlich und man müsse mit der Annexion bezwecken für eine französische Revanche-Aktion, die ohnehin käme, vorteilhafte Bedingungen schaffen.
Insofern Bismarck und Konsorten ihrerzeit davon ausgingen, dass Frankreich ohnehin nicht zu beschwichtigen/saturieren sei, wäre ihnen das Ansinnen das ausgerechnet an den eigenen Grenzen zu versuchen wohl wiedersinnig erschienen.
 
Ich möchte mal im Zusammenhang mit dem 1. Weltkrieg und seinen Folgen eine Frage klären! Siehe oben. Man kann sicherlich der Meinung sein, dass der deutsche Kaiser, als Monarch und Mensch versagt hat! Unabhängig davon:

Es hätte doch möglich sein müssen, mit seiner Majestät, vernünftig zu reden! Natürlich ziehen mächtige Männer, auch immer Speichellecker und Hofschranzen an. Aber ich weigere mich, zu glauben, dass Wilhelm von Hohenzollern, keinen Argumenten zugänglich war? Selbst wenn, er von dem Gedanken beseelt oder besser besessen war, Deutschland seinen Platz an der Sonne zu verschaffen.:confused:

Das Deutsche Reich, als solches, hatte genug eigene Probleme. Der Krieg, kam also eigentlich zu Unzeit. Mich wundert, dass die Industrie und die Kaufmannschaft, nicht stärker gegen einen Krieg war. Wo die Weisheit lautet, dass man im Frieden bessere Geschäfte machen kann, als im Krieg. Es dürfte wohl feststehen, dass der Krieg, die Probleme Deutschlands nicht lösen konnte.

Was mich noch mehr wundert? Wilhelm, hatte aufgrund seiner Abstammung, eine umfangreiche Bildung genossen. Somit kann er nicht als dumm im Sinne von ungebildet bezeichnet werden. Somit hätte ihm doch auffallen müssen, dass man ihn auf gut Deutsch; verarscht bzw. hinters Licht führt!
Sein Kanzler Bethmann-Hollweg, war doch eigentlich ein vernünftiger Mensch.
https://de.wikipedia.org/wiki/Theobald_von_Bethmann_Hollweg
Diesem hätte es doch gelingen können, ihn von diesem ausländischen Schwachsinn abzuhalten. Nach dem Krieg sollte ja der Kaiser als Sündenbock herhalten! Aber das scheint mir auch nicht richtig Auch hier wollte man dem Mann eine Geisteskrankheit andichten, um sich aus der Affäre zu ziehen.

Mit Wilhelm II. konnte man durchaus vernünftig reden. In besseren Momenten zeigte er vernünftige Ansichten, war logischen Argumenten zugänglich und auch willens, zuzuhören und sich eine Meinung zu bilden. Gelegentlich tat er das Richtige.

Ein vernünftiges Gespräch unter Männern, bei einer guten Flasche Wein, das war durchaus möglich. Aber mit einem vernünftigen Gespräch unter Männern damit war es bei Wilhelm II. eben nicht getan, dazu hätte es mehrerer therapeutischer Sitzungen bedurft, und so lange bekam keiner den hohen Herrn auf die Therapeuten-Couch.

Wilhelm II. war mit großer Sicherheit nicht geisteskrank in dem Sinne, dass sich eine Einweisung in eine psychiatrische Klinik medizinisch hätte rechtfertigen lassen. Es gab aber eine Fülle von Informationen von Leuten, die ihn sehr gut kannten, die Zweifel hatten, ob Wilhelm II. immer ganz Herr seines Verstandes war. Bismarck hielt Wilhelm für erblich belastet, und eine Reihe von solchen Berichten stammt von Leuten, die absolut loyal zu Wilhelm waren und denen man auch kaum unterstellen kann, dass sie Wilhelm II. irgendetwas andichteten wollten, um von eigenen Fehlern abzulenken.

Bismarcks Memoiren "Gedanken und Erinnerungen" waren brillant geschrieben, das war aber durchaus eine Generalabrechnung, die stellenweise so deftig ausfiel, dass sie erst in der WR veröffentlicht wurden. Der Historiker und Friedensnobelpreisträger Ludwig Quidde, der wegen Majestätsbeleidigung 3 Monate Stadelheim absitzen musste, fand es ekelhaft, dass viele gegen Wilhelm vom Leder zogen, die früher waagrecht vor ihm in der Luft lagen.

Auch Maximilian Harden, ein einflussreicher Journalist, der schließlich Wilhelm Intimfreund Eulenburg zur Strecke brachte, meldete Zweifel an Wilhelms Geisteszustand an, und auch er war nicht unbedingt ein objektiver Beobachter. Harden hatte aber recht gutinformierte Gewährsleute.

Zeitzeugen wie Philipp von Eulenburg oder Wilhelms Sohn, der Kronprinz waren absolut loyal gegenüber dem Kaiser, und sie haben Informationen über ihn mit Sicherheit nicht verbreitet, um ihn zu diskreditieren. Im Gegenteil! Eulenburg oder der Kronprinz waren ja Befürworter des persönlichen Regiments von Wilhelm II., und sie machten sich lediglich Sorgen, weil es der Kaiser denkbar ungeschickt anfing.

Es haben relativ mittelmäßige Herrscher oder Regenten hervorragende Premier-Minister gehabt, und Ludwig XIII., Anna von Österreich, Ludwig XVIII., Wilhelm I. haben mit Hilfe von Typen wie Richelieu, Mazarin, Taleyrand oder Bismarck insgesamt eine erfolgreiche Politik gemacht.

Wilhelm II. aber wollte nach dem Vorbild von Ludwig XIV. oder Friedrich dem Großen Politik machen. Louis wollte nicht wie sein Vater von Richelieu und seine Mutter von Mazarin abhängig sein, und Wilhelm wollte sein eigener Bismarck sein, wollte wie Friedrich der Große die gesamte Politik überblicken. Es gab Schmeichler, die ihm einbliesen, dass Friedrich niemals der Große geworden wäre, wenn er einen Bismarck als Premier gehabt hätte.

Es waren aber die Zeiten des Absolutismus vorbei. Die Regierungsgeschäfte, der Aktenbestand hatte einen solchen Umfang, dass ein Einzelner das unmöglich alles überblicken konnte. Friedrich war auch ein unglaublich fleißiger Administrator gewesen, der bis zu 16 Stunden täglich arbeitete und bis ins kleinste Detail Akten studierte. Dabei hatte Friedrich auch oft genug daneben gehauen. In dem berühmten "Müller Arnold-Prozess" war der König im Unrecht. Die Vorstellung, im Industriezeitalter, im Zeitalter der Massenmedien Politik im Stile eines Autokraten treiben zu wollen, war recht naiv, und Wilhelm II., Nikolaus II. wären auch daran gescheitert, wenn sie über das Format eines Friedrichs, eines Peters oder einer Katherina verfügt hätten- was sie nicht taten und wenn sie ebenso fleißige Politiker gewesen wären- was sie noch weniger waren.

Die Vorstellung, dass man nur mal hätte vernünftig mit seiner Majestät hätte reden müssen, ist recht naiv, denn sie verkennt den Einfluss der Hofgesellschaft, und sie verkennt die Persönlichkeit Wilhelms II. und sie verkennt die Schwächen des politischen Systems: der Reichskanzler wurde vom Kaiser ernannt, nicht vom Volk oder vom Reichstag gewählt. Wenn der Kaiser sich zum "persönlichen Regiment" entschloss, dann tat er eben etwas, zu dem er aufgrund der Verfassung des Kaiserreichs jedes Recht hatte. Er war Oberbefehlshaber der Armee, er ernannte oder entließ den Reichskanzler.

Wilhelm war relativ leicht beeinflussbar, und er war sehr sprunghaft. Wer ihn zu nehmen wusste, der konnte durchaus auch mal vernünftig mit ihm reden, und der konnte ihn auch mal kritisieren, wenn er die Kritik in Form einer Schmeichelei vorbrachte.

Damit war es aber eben nicht getan, ein vernünftiges Gespräch zu führen. Es hätte erfordert, dass Wilhelm Kritik nicht nur zur Kenntnis nahm, sondern dass er sie annahm und dass er konsequent sein Verhalten änderte und konsequent guten Rat hätte befolgen müssen.



Man konnte Wilhelm nicht den Mund verbieten, wenn er so gerne predigte und Reden hielt. Wer vernünftig mit seiner Majestät reden wollte, der musste erst einmal zu ihm vordringen, der musste ihn in besseren Momenten abpassen, und der musste erst einmal dessen Aufmerksamkeit erreichen. Er musste ihn ein bisschen amüsieren, er musste ihm auch bei der Kritik ein bisschen schmeicheln. Wenn Bülow, den hohen Herrn wieder ins richtige Gleis führen wollte, dann sagte er "Wie Majestät soeben ganz richtig bemerkten..." was Bülow dann vorschlug, das war oft das glatte Gegenteil von dem was "Majestät so richtig bemerkt hatte." Als Wilhelm einen seiner kapitalsten Böcke schoss, bei der Daily Telegraph-Affäre hatte Bülow Mist gebaut. Vermutlich hatte er Wilhelms Ergüsse gar nicht gelesen, sonst hätte er sie nicht genehmigt und er hätte Wilhelm sachte davon abgebracht, das was Majestät so richtig bemerkte ungefiltert dem Daily Telegraph zu erzählen. Wegen seines Verhaltens in der Daily Telegraph-Affäre verlor Bülow das Vertrauen des Kaiser, mehr vielleicht aber noch wegen der Harden Eulenburg-Affäre ab 1907, bei der sich der Verdacht verdichtete, dass Bülow selbst Harden Informationen zuspielte, um Eulenburg zu stürzen. Eulenburg war zumindest ein loyaler Freund des Kaisers, den dieser gnadenlos fallenließ und nie mehr besuchte.



Wilhelm II. war durchaus recht leicht zu beeinflussen. Wenn ihm jemand einen überzeugenden Rapport hielt, etwas vortrug, das ihn interessierte, war er oft geneigt war, sich dessen Meinung anzuschließen. Er übernahm fremde Ideen war, dann oft überzeugt, dass er selbst darauf gekommen war. Er war begeisterungsfähig an vielem interessiert, offen für Technologie.

Er war aber nicht eine Persönlichkeit, die dauerhaft Persönlichkeiten geduldet hätte, die unbequeme Wahrheiten aussprechen, die (konstruktive) Kritik üben, die mahnen, die warnen, die zurückhalten. Wilhelm ließ sich vielleicht beeinflussen, aber sicher nicht leiten, in dem Sinne dass er nicht nur Kritik zur Kenntnis genommen, sondern dass er diese auch angenommen hätte, dass er sein Verhalten geändert und konsequent vernünftige Ratschläge angenommen hätte- so war der Kaiser nicht.
 
Wilhelm war relativ leicht beeinflussbar, und er war sehr sprunghaft. Wer ihn zu nehmen wusste, der konnte durchaus auch mal vernünftig mit ihm reden, und der konnte ihn auch mal kritisieren, wenn er die Kritik in Form einer Schmeichelei vorbrachte.

Allerdings garantierte der Umstand, dass er sprunghaft war und ständig von einem Themenfeld zum anderen chaotisierte, genau so schnell Interesse zeigt, wie er es wieder verlor etc. allerdings auch, dass er in den meisten Bereichen nicht allzu viel Schaden anrichtete bzw. Dinge sehr schnell wieder repariert werden und relativ geräsucharm weiterlaufen konnten, wenn seiner Majestät Interesse an einem Thema wieder nachgelassen hatte.

Problematischer waren Themen, für die sich der Mann dauerhaft interessierte, wie die Marine.

Und das zweite Problem das ich sehe, ist die Tendenz seines Umfeldes, seien das die führenden Politiker oder die Militärs Wilhelm II. auf Grund seiner Sprunghaftigkeit nicht wirklich für voll zu nehmen und wahrscheinlich auch auf Grund dessen sich berechtigt zu fühlen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.
 
Das sogenannte persönliche Regiment Wilhelm II. war nicht nur ein "Versagen" der politischen Führungseliten, sondern, die SPD einmal ausgenommen, auch der Parteien, die eben sehr wenig bis gar keine Neigung verspürten an den bestehenden Verhältnissen etwas zu verändern. 1908 allerdings, ich spiele auf Daily Telegraph Affäre an, waren die Konservativen doch ernstlich besorgt, das die Monarchie ernsthaft bedroht sei und es dringend einer Veränderung des Führungs- oder Herrschaftsstils Wilhelm II. bedarf. Dabei war es der Reichskanzler von Bülow, der diese schwere innenpolitische Krise durch seine Fehler verursacht hatte. Als Wilhelm II.so einigermaßen von dieser Krise erholt hatte, musste Bülow dann auch seinen Hut nehmen.
 
Ich möchte mal im Zusammenhang mit dem 1. Weltkrieg und seinen Folgen eine Frage klären! Siehe oben. Man kann sicherlich der Meinung sein, dass der deutsche Kaiser, als Monarch und Mensch versagt hat! Unabhängig davon:

Es hätte doch möglich sein müssen, mit seiner Majestät, vernünftig zu reden! Natürlich ziehen mächtige Männer, auch immer Speichellecker und Hofschranzen an. Aber ich weigere mich, zu glauben, dass Wilhelm von Hohenzollern, keinen Argumenten zugänglich war? Selbst wenn, er von dem Gedanken beseelt oder besser besessen war, Deutschland seinen Platz an der Sonne zu verschaffen.:confused:
'....von dem Gedanken beseelt oder besser besessen war, Deutschland seinen [ihm zustehenden, gerechten!] Platz an der Sonne zu verschaffen.' Genau so war's! Das war die damalige Mentalitaet in DEU.
Um dieses politische Ziel zu realisieren - schliesslich durchquerte die Strecke osmanisches Hoheitsgebiet - bedurfte es vorrangig einer politischen Strategie: Willy buhlte um den Sultan Abdul Hamid's Gunst, Willy - so wurde er am brit. Hof genannt - machte dem Sultan den Hof und war in sogar erfolgreich: der Sultan schenkte dem Kaiser 1898 (?) ein Stueck Land oben auf dem Oelberg , damit der Kaiser dort die 'Friedenskirche' und 'Kaiserin Auguste Hospital' bauen konnten. Beides existiert noch heute unversehrt.
Auf der anderen Seite erkannte der Sultan auch die Vorteile die ihm mit einer Freundschaft mit DEU zugute kaemen, naemlich technisches und militaerisches Wissen und Faehigkeiten. Die Konzessionens der Hohen Pforte fuer Bahnstrecken der 'BERLIN - BAGHDAD BAHN' waren somit quasi garantiert.
Drum alles, was aus Willy's Perspektive diesem Ziel 'Platz an der Sonne' naeherbrachte, wurde gefoerdert und umgekehrt. Menschenleben zaehlten dabei natuerlich nichts, schliesslich sah er sich von Gott in seine Rolle berufen.
 
Genau so war's! Das war die damalige Mentalitaet in DEU.
Also, das stimmt schon mal nicht, denn die klassischen Konservativen á la Bismarck, der politische Katholizismus und die erstarkende politische Linke hielten wenig von kolonialen Abenteuern. Die Reichtagswahl 1907 geriet zu einem veritablen Referendum über die deutsche Kolonialpolitik, welche Zentrum und SPD scharf kritisierten. Wenn man bei der Betrachtung des Ergebnisses bedenkt, dass das Wahlrecht des Reiches darauf getrimmt war, die Sozialdemokratie zu benachteiligen, kann man zu dem Schluss kommen, dass die Deutschen wenig Lust auf Kolonien hatten.

Der "Platz an der Sonne" war etwas, wonach Wilhelms Kamarilla, einige Wirtschaftsführer und die Jingoisten im Proletariat strebten. Nicht selten wurde dieses Bild übrigens durch den Kakao gezogen. Und wiewohl der Kolonialismus ein Elitenprojekt war, gab es auch etliche Wirtschaftsführer, die sehr wohl wussten, dass die Kolonien wenig einbrachten, aber viel kosteten, und man sich am besten von dem Thema fernhielt.

Ich würde behaupten, dass es im Deutschen Reich keinen derart internalisierten und für selbstverständlich gehaltenen Drang nach Kolonien gab wie in Großbritannien und Frankreich.
Drum alles, was aus Willy's Perspektive diesem Ziel 'Platz an der Sonne' naeherbrachte, wurde gefoerdert und umgekehrt. Menschenleben zaehlten dabei natuerlich nichts, schliesslich sah er sich von Gott in seine Rolle berufen.
Unterschied sich Wilhelm II. in dieser Hinsicht von den politischen und gesellschaftlichen Anführern der anderen imperialen Mächte?
 
Seit der Reichsgründung gehörte das Deutsche Reich zu dem Kreis der Großmächte.Es prosperierte, sein wirtschaftliches, demographisches und militärisches Potenzial war atemberaubend. In vielen Bereichen war es moderner, schwungvoller, vitaler und wirkte dabei gleichzeitig stabiler als andere Großmächte. Ein Beteiligung am imperialen Wettlauf, möglicherweise hast du bei deinen Ausführungen vergessen, das wir uns hier über das Zeitalter des Imperialismus unterhalten, war daher naheliegend und keineswegs irgendwie ungewöhnlich.

Ich würde einmal ein Blick auf den kolonialen Besitzstand Großbritanniens werfen. Noch 1910 sind mal eben Nigeria, Ägypten und der Sudan zu britischen Territorium geworden. Im Jahre 1920, nach Übernahme der deutschen Kolonien, erreichte das Empire mit 35,5 Millionen Quadratkilometer seine größte Ausdehnung.

Seit 1881 hatte Großbritannien sein ohnehin schon riesiges Empire um ein Drittel vergrößert und überstieg die bescheidenen deutschen Besitzungen an Fläche und Bevölkerung.

Wie würdest du denn diese britische Mentalität bezeichnen?
 
Wilhelm II. hatte auch nicht Gedanken, andere Reich aufzuteilen wie beispielsweise der britische Premier Lord Salisbury hinsichtlich des Osmanischen Reiches sie hatte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Unterschied sich Wilhelm II. in dieser Hinsicht von den politischen und gesellschaftlichen Anführern der anderen imperialen Mächte?
@muck vermutlich: ja.
Vermutlich gibt es in manchen Köpfen die Unterteilung halbwegs tolerabel, man redet nicht gern darüber und das da ist besonders böse. Deswegen ist der Kolonialismus/Imperialismus-Willy besonders böse, über den Kolonialismus/Imperialismus-Leopold II redet man nicht gern und der humanitär sicherlich immens segensreiche Kolonialismus/Imperialismus-George V ist mindestens halbwegs tolerabel... ;)
 
....von dem Gedanken beseelt oder besser besessen war, Deutschland seinen [ihm zustehenden, gerechten!] Platz an der Sonne zu verschaffen.'

Ich zitiere kurz eine Passage aus Bülows Reichstagsrede aus dem Jahre 1897.

"Wir sind endlich gern bereit, in Ostasien den Interessen anderer Großmächte Rechnung zu tragen, in der sicheren Voraussicht, daß unsere eigenen Interessen gleichfalls die ihnen gebührende Würdigung finden.

Mit einem Worte: wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne."


Von einem ihm zustehenden, gerechten Platz lese ich da nichts.
 
Die Reichtagswahl 1907 geriet zu einem veritablen Referendum über die deutsche Kolonialpolitik, welche Zentrum und SPD scharf kritisierten. Wenn man bei der Betrachtung des Ergebnisses bedenkt, dass das Wahlrecht des Reiches darauf getrimmt war, die Sozialdemokratie zu benachteiligen, kann man zu dem Schluss kommen, dass die Deutschen wenig Lust auf Kolonien hatten.
Da wäre aber auch zu beachten, dass im Zusammenhang mit dieser Wahl die koloniale Kriegsführung in Namibia und in Deutsch-Ostafrika, steht, die zu diesem Zeitpunkt seit 2 Jahren lief und wegen des schwierigen Terrains und anderer Probleme wie Guerilliakriegsführung nicht beendet werden konnte.

Ein erheblicher Teil des Unmuts, der bei den Wahlen von 1907 greifbar wird, dürfte eher mit dem Umstand der andauernden militärischen Aktionen und der brutalen Methoden im Zusammenhang stehen, als mit der Frage von Kolonien an und für sich.
Wie ich das sehe, haben sich im Kaisereich lediglich altkonservative Elemente deren geistiger Bezugsrahmen das alte Preußen war und der Linke Flügel der Sozialdemokratie über längere Zeit konsequent gegen ein Kolonialreich ausgesprochen.

Die mögen vielleicht 20 oder 25% der Wahlberechtigten hinter sich gehabt haben.
Ein Großteil der Bevölkerung bestsand vielleicht nicht unbedingt aus Kolonialenthusiasten, hatte aber sicher nichts dagegen und kaufte, wenn er es sich leisten konnte, auch gerne in der Kolonialwarenhandlung ein.
 
Von einem "zustehenden und gerechten Platz" hat Bülow aber eben so nicht gesprochen. Ja, er hat einen gefordert. Das Zitat sollte dann schon korrekt vorgetragen werden.
 
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