Warum keine Neutralitätspolitik?

Griffel

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Mich würde mal interessieren, warum das Deutsche Reich, sprich Kaiserreich, nach seiner Gründung, keine aktive und anerkannte Neutralitätspolitik verfolgt hat bzw. verfolgen konnte?

Es wurde ja dem Reich vorgeworfen, dass man keine feste Bündnispolitik verfolgt hat! Oder besser gesagt, unter Wilhelm dem 2. kam es ja zu einer Politik, von der man behauptet, sie hätte zum 1. Weltkrieg geführt. Bismarck, hat zwar versucht, so etwas zu etablieren. Diese Politik endete aber mit seiner Entlassung. Und dennoch verstehe ich nicht, warum Deutschland nicht geschafft hat, was Schweden nach dem nordischen Krieg gelang.

Das Reich hatte ja an sich genug eigene Probleme! Auf fast allen Gebieten! Wirtschaftlich, sozial, und finanziell. Somit war Deutschland, an sich, keine Bedrohung. Weder, für Frankreich noch für England. Beide Nationen, hatten ja durchaus einen enormen Vorsprung, auf allen wichtigen Gebieten. Auch wenn, Deutschland es im Laufe des 19. Jahrhunderts geschafft hat, zu einem Konkurrenten zu werden!

Der Kaiser war ja nicht gänzlich von der Meinung des Volkes unabhängig. Ferner, gab es ja zu Anfang, einen starken Widerstand gegen jede Form von Kolonialismus. Schweden, hat es ja auch geschafft, ohne Kolonien auszukommen. Dem nordischen Land, scheint seine Neutralität ja nicht geschadet zu haben. Heute ist ja bewiesen, dass es keineswegs notwendig war, Kolonien zu besitzen. Die Probleme des Landes hätte man auch anders lösen können. Leider, haben sich die Befürworter des Kolonialismus durchgesetzt.
:(

Immerhin, begann man damit, in die Menschen zu investieren. Oder besser gesagt, in die Bildung der Menschen. Auch der Kaiser war ja sehr an der Wissenschaft, Technik interessiert. Neutralität oder wohlwollendes Desinteresse, sofern es ehrlich gemeint ist, kann ja von niemandem als Bedrohung empfunden werden. Die Schweiz hat ja damit gute Erfahrungen gemacht.
 
Mich würde mal interessieren, warum das Deutsche Reich, sprich Kaiserreich, nach seiner Gründung, keine aktive und anerkannte Neutralitätspolitik verfolgt hat bzw. verfolgen konnte?
Das ist eine interessante. Fragestellung!

Das Reich hatte ja an sich genug eigene Probleme! Auf fast allen Gebieten! Wirtschaftlich, sozial, und finanziell. Somit war Deutschland, an sich, keine Bedrohung. Weder, für Frankreich noch für England. Beide Nationen, hatten ja
...ganz so zwergenhaft war es nicht, weder wirtschaftlich noch militärische; und auch kulturell war es das nicht.
 
Das Reich hatte ja an sich genug eigene Probleme! Auf fast allen Gebieten! Wirtschaftlich, sozial, und finanziell. Somit war Deutschland, an sich, keine Bedrohung. Weder, für Frankreich noch für England. Beide Nationen, hatten ja durchaus einen enormen Vorsprung, auf allen wichtigen Gebieten. Auch wenn, Deutschland es im Laufe des 19. Jahrhunderts geschafft hat, zu einem Konkurrenten zu werden!
Was meinst du denn jetzt genau? Du meinst doch das Kaiserreich ab Wilhelm I ? Die Probleme, die das Reich hatte, hatten doch die anderen relevanten Nationen auch, es ist zu dem ja schon industriell nicht bei null angefangen. Das DR war wirtschaftlich und von der Bevölkerung her am Ende des 19ten Jahrhunderts Anfang des 20ten Jahrhunderts eher ein Schwergewicht. Frankreich und Russland waren wirtschaftlich abgehängt und das BE verlor ständig an Boden gegenüber dem Reich. Einzig die USA waren die andere ernsthafte Konkurrenz.

Ich sehe schon aus dem Selbstwertgefühl der relevanten europäischen Industrienationen her kaum einen Willen zu Neutralität.

Schon allein aus der Wirtschaftskraft und den Abhängigkeiten vom Im-und Export kann ich mir eine Neutralität des DR nicht vorstellen. Hierzu gaben die damals üblichen diplomatischen Gepflogenheiten und "Machtspiele" meiner Meinung nach auch wenig Anreiz.
 
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Mich würde mal interessieren, warum das Deutsche Reich, sprich Kaiserreich, nach seiner Gründung, keine aktive und anerkannte Neutralitätspolitik verfolgt hat bzw. verfolgen konnte?

Nun ja, es ging um Sicherheit. Bismarck wollte seine "Schöpfung", eben das Deutsche Reich, schützen. Das neue Deutsche Reich war schon aufgrund seiner Größe, seiner Bevölkerungszahl, seiner offenkundigen militärischen und wirtschaftlichen Potenz ein neues Gravitationszentrum in Europa. Stärker als jede einzelne der anderen vier Großmächte, auf dem Kontinent, aber doch nicht stark genug um sich im Alleingang behaupten zu können, hatte das Deutsche Reich ein quasi halbhegemoniale Stellung in Europa inne. Also benötige Deutschland im Interesse der eigenen Sicherheit Verbündete. Mir Deutschland gab es fünf Großmächte in Europa, also am Besten ein Bündnis mit zwei Großmächten.

Welche Wahlmöglichkeiten gab es für Deutschland? Bismarck hatte schon, um die anderen Großmächte zu beruhigen, erklärt, das Deutschland saturiert ist. Die Frage, die sich nun stellte, mit wem war das 1871 erreichte am besten zu sichern?

Vieles hing dabei davon ab, wie sich die Verlierer von 1866 und 1871 orientieren würden. Frankreich erholte sich erstaunlich schnell. Vor allem die finanziellen Lasten der Reparationen wurden schneller als erwartet beglichen. Als große Belastung für die Beziehung zwischen Berlin und Paris standen die beiden Provinzen Elass und Lothringen und auch nicht zu vernachlässigen, die verlorene Vormachtstellung in Europa.

Österreich hingegen hatte 1867 mit dem "Ausgleich" zwischen den deutschen und ungarischen Reichsteilen und der Gründung einer österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie neue Weichen gestellt. Statt sich, wie von einigen Militärs gefordert, auf eine Revanche zu konzentrieren, fand sich Wien relativ zügig mit den neuen Gegebenheiten ab und konzentrierte sich auf die Absicherung seines Bestandes in Südosteuropa. Fast zwangsläufig würde es im Gegensatz zu Russland mit seinen panslawistischen-nationalistischen Strömungen geraten. Wien suchte Anlehnung an Deutschland.

Für Deutschland galt es es Bismarcks Albtraum cauchemar des coalitions unbedingt zu verhindern. Also war der zweite Wunschpartner Russland und dies gelang auch. Anfangs, 1873, wurde zwischen den drei Kaiserreichen das Dreikaiserabkommen abgeschossen.

Später, nach der russischen Angriffskrieg gegen das Osmanische Reich kam es dann, nach der Krieg endgültig auf dem Berliner Kongress liquidiert worden war, Russland war mit dem Ergebnis gar nicht zufrieden und gab Bismarck die Schuld, vereinbarten Deutschland und Österreich-Ungarn am 07.Oktober 1879 den Zweibund.
Bismarck ist es denn gelungen, das am 18.06.1881 sich die drei Kaiserreich wieder zusammenfanden und den Dreikaiservertrag abschlossen, der bis 1887 Bestand hatte.
Österreich-Ungarn und Russland sind sich immer, aufgrund der bulgarischen Wirren, fremder geworden. Bismarck gelang es noch einmal den wichtigen Draht nach Russland zu erhalten und schloss noch 1887 den sogenannten Rückversicherungsvertrag, der im Jahre 1890 von den Männern des Neuen Kurse nicht verlängert worden war.
Frankreich nutzte diese Chance und sprang in die Bresche und schloss mit Russland eine Militärkonvention ab. Bismarcks Albtraum war Wirklichkeit geworden.
 
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Der Kaiser war ja nicht gänzlich von der Meinung des Volkes unabhängig. Ferner, gab es ja zu Anfang, einen starken Widerstand gegen jede Form von Kolonialismus. Schweden, hat es ja auch geschafft, ohne Kolonien auszukommen. Dem nordischen Land, scheint seine Neutralität ja nicht geschadet zu haben. Heute ist ja bewiesen, dass es keineswegs notwendig war, Kolonien zu besitzen. Die Probleme des Landes hätte man auch anders lösen können. Leider, haben sich die Befürworter des Kolonialismus durchgesetzt.
:(

Zum Thema Kolonie lies dir diesen und die folgenden Beiträge durch. Ich meine, diesen Faden schon einmal für dich verlinkt gehabt.

Bismarcks Kolonialpolitik
 
Aber Schweden ist da ein etwas "hinkendes" Beispiel. Schweden war mal eine starke expansive Macht. Parallel dazu war das HRR eher eine passiv ausgerichtet Macht ohne große Expansionsbestrebungen. Schweden hatte seine Stellung in der Ostsee klar verloren. Wozu jetzt wieder als Macht mit geringer Bevölkerung und ungünstiger Lage ins Rennen um Kolonien gehen?
 
Schweden hat doch überhaupt keine Neutralitätspolitik betrieben, jedenfalls nicht bis 1815, letzte Errungenschaft war die erzwungene Union mit Norwegen.
Nach der Unionsauflösung 1904 war Schweden der letzten Mittel und Ressourcen beraubt, expansive Kolonialpolitik zu betreiben, zumal die Welt bis dahin mehr oder weniger "verteilt" war.
Zuvor galt: mit den vorhandenen Mitteln und geschickter Bündnisstrategie das beste herauszuholen. Und das konnte keine Großmachtstellung mehr sein.
Der erste Bernadotte hatte das erkannt, in den napoleonischen Kriegen auf den Versuch einer Rückeroberung Finnlands verzichtet und sich von den Alliierten stattdessen Norwegen versprechen lassen, als Belohnung für den (sparsamen) Einsatz seiner Armee gegen den französischen Kaiser.
 
Mich würde mal interessieren, warum das Deutsche Reich, sprich Kaiserreich, nach seiner Gründung, keine aktive und anerkannte Neutralitätspolitik verfolgt hat bzw. verfolgen konnte?
Wie hätte das möglich sein sollen?
Dieses Reich war auf Kosten Dänemarks, Österreich-Ungarns und Frankreichs gegründet worden.
Dänemark war vielleicht klein genug, dass man es nicht fürchten musste. Aber Österreich hatte seinen gesamten traditionellen Einfluss in Süddeutschland verloren und Frankreich Elsass-Lothringen.

Hätte sich Berlin nicht einige Zeit nach der Reichsgründung um Verbündete bemüht, hätte es mittelfristig eine Koalition der beiden Verlierer von 1866/1867 und 1870/1871 und einen Revanchekrieg geradezu herausgefordert.
Sowohl Frankreich als auch Österreich-Ungarn hätten sicherlich gern das Ergebnis minndestens von 1870/1871 rückabgewickelt.

Das Reich hatte ja an sich genug eigene Probleme! Auf fast allen Gebieten! Wirtschaftlich, sozial, und finanziell. Somit war Deutschland, an sich, keine Bedrohung. Weder, für Frankreich noch für England. Beide Nationen, hatten ja durchaus einen enormen Vorsprung, auf allen wichtigen Gebieten. Auch wenn, Deutschland es im Laufe des 19. Jahrhunderts geschafft hat, zu einem Konkurrenten zu werden!
Ich weiß nicht, woher du deine Informationen beziehst, aber das ist in dieser Form nicht zutreffend. Deutschland und Frankreich lagen stand 1871 auf den meisten Gebieten ungefähr gleichaus, zur Jahrhundertwende hin, hatte Deutschland Frankreich auf so ziemlich allen Gebieten deutlich abgehängt.

Der Kaiser war ja nicht gänzlich von der Meinung des Volkes unabhängig. Ferner, gab es ja zu Anfang, einen starken Widerstand gegen jede Form von Kolonialismus.
Wer sollte einen solchen Widerstand geleistet haben (abgesehen von Bismarcks persönliche Bedenken)?

Ferner, gab es ja zu Anfang, einen starken Widerstand gegen jede Form von Kolonialismus. Schweden, hat es ja auch geschafft, ohne Kolonien auszukommen.
Schweden? Schweden war in seiner Geschichte zeitweise Kolonialmacht in der Karibik an den Küsten Afrikas und im indischen Ozean. Es wurde nur von anderen Mächten aus seinen Stürzpunkten dort verdrängt.
Und was Schweden in der FNZ in Europa so veranstaltete ist, denke ich bekannt?

Dem nordischen Land, scheint seine Neutralität ja nicht geschadet zu haben.
Welche Neutralität? Neutralität hat sich Schweden erst nach 1815 zugelegt, nachdem klar war, dass es militärisch keine Rolle als Großmacht mehr spielen konnte und nachdem sein altes Ostsee-Imperium endgültig an Russland und Preußen verloren war.
Nur lag Schweden bzw. Schweden-Norwegen am Rand Europas und war im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ein vergleichsweise armes Land, das nicht viele Begehrlichkeiten weckte.
Russland schaute eher nach Asien und zum Balkan, als nach Skandinavien und für die anderen Großmächte war das auch nicht wirklich interessant.

Immerhin, begann man damit, in die Menschen zu investieren. Oder besser gesagt, in die Bildung der Menschen.
Ja, aber vorwiegend um aus ihnen effizientere Arbeitskräfte zu machen. Für moderne Produktionsmethoden braucht es eben ein gewisses Maß an Elementarbildung und mit vormodernen Produktionsmethoden war im Zeitalter der Industrie kein Profit mehr zu machen.

Auch der Kaiser war ja sehr an der Wissenschaft, Technik interessiert.
So lange sie keine unangemehen sozialen Folgen zu zeitigen drohte.

Neutralität oder wohlwollendes Desinteresse, sofern es ehrlich gemeint ist, kann ja von niemandem als Bedrohung empfunden werden.
Aber als Einladung um sich daran zu bereichern. Das war immerhin das Zeitalter des Hochimperialismus.

Die Schweiz hat ja damit gute Erfahrungen gemacht.
Die Schweiz hatte vor allem den Vorteil bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts hinein kein besonders reiches Land zu sein und mit den Alpen, die einen Großteil des Staatsgebietes in irgendeiner Form ausmachen über sehr viel für militärische Aktionen ungemein schwieriges Gelände zu verfügen.
Die damit verbundenen militärischen Schwierigkeiten, lud sich natürlich niemand auf, so lange dabei keine berauschenden Gewinne erwartbar waren.

Deutschland war in einer anderen geographischen Situation und hatte mit Elsass-Lothringen, dem Rheinland und Schlesien drei industrielle Boom-Regionen, inklusive der entsprechenden Bodenschätze dazu, in unmittelbarer Grenznähe deren Erbeutung für andere Mächte durchaus ein lohnendes Ziel darstellen konnte.
 
Dieses Reich war auf Kosten Dänemarks, Österreich-Ungarns und Frankreichs gegründet worden.
Dänemark war vielleicht klein genug, dass man es nicht fürchten musste. Aber Österreich hatte seinen gesamten traditionellen Einfluss in Süddeutschland verloren und Frankreich Elsass-Lothringen.

Hätte sich Berlin nicht einige Zeit nach der Reichsgründung um Verbündete bemüht, hätte es mittelfristig eine Koalition der beiden Verlierer von 1866/1867 und 1870/1871 und einen Revanchekrieg geradezu herausgefordert.
Sowohl Frankreich als auch Österreich-Ungarn hätten sicherlich gern das Ergebnis minndestens von 1870/1871 rückabgewickelt.
Seltsame fifty-fifty-Historie: mit einem der beiden Verlierer verbündete man sich - der andere hatte seinerzeit selber die Aggression begonnen (und sich eine blutige Nase geholt) ;)
 
Hätte sich Berlin nicht einige Zeit nach der Reichsgründung um Verbündete bemüht, hätte es mittelfristig eine Koalition der beiden Verlierer von 1866/1867 und 1870/1871 und einen Revanchekrieg geradezu herausgefordert.
Sowohl Frankreich als auch Österreich-Ungarn hätten sicherlich gern das Ergebnis minndestens von 1870/1871 rückabgewickelt.

Das glaube ich nicht. Beust wurde als Reichskanzler bald abglöst und durch Andrassy ersetzt. Dieser war auf und gegen Russland fixiert; nicht gegen das neugegründete Deutsche Reich. Wie schon ausgeführt: Wien fand sich, ganz anders als Frankreich, schnell mit den neuen Gegebenheiten ab. Und ob Frankreich militärisch in der Lage gewesen, so kurz nach dem kräftezehrenden Krieg eine Revanche zu starten, das bezweifle ich.
 
Das glaube ich nicht. Beust wurde als Reichskanzler bald abglöst und durch Andrassy ersetzt. Dieser war auf und gegen Russland fixiert; nicht gegen das neugegründete Deutsche Reich. Wie schon ausgeführt: Wien fand sich, ganz anders als Frankreich, schnell mit den neuen Gegebenheiten ab. Und ob Frankreich militärisch in der Lage gewesen, so kurz nach dem kräftezehrenden Krieg eine Revanche zu starten, das bezweifle ich.
Allerdings wurde dieses "sich abfinden" der Donaumonarchie durch die deutsche Bereitschaft zu einem Bündnis und damit Sicherheit gegenüber Osten und eventuell die Möglichkeit freier auf dem Balkan zu agieren versüßt.
Das verschaffte Wien eine Perspektive, die ein neutralisiertes Deutschland, dass sich geweigert hätte sich bündnismäßig zu binden, nicht verschafft hätte.

Hätte Berlin sich zu diesem Bündnis nicht bereit gefunden und tatsächlich einen strikten Neutralitätskurs versucht, hätte es durchaus sein können, dass sich Österreich-Ungarn gegenüber dem wieder zunehmend expansionistisch auftretenden Russland auf eine Klärung der Intessensphären hätte einlassen und den Balkan abschreiben müssen.

In diesem Fall hätte sich dann eine Allianz mit Frankreich angeboten, um sich wenigstens die tradtionelle Einflusszone in Süddeutschland und vielleicht auch Norditalien zurück zu holen.
 
Die Allianz mit Frankreich war ja schon zwischen 1867 und 1870 gescheitert.

Aber der entscheidende Punkt ist doch der ;), dass Deutschland gar nicht im Sinne hatte, die Gründe dafür habe ich oben aufgezeigt, Neutralitätspolitik zu treiben.
 
Aber der entscheidende Punkt ist doch der ;), dass Deutschland gar nicht im Sinne hatte, die Gründe dafür habe ich oben aufgezeigt, Neutralitätspolitik zu treiben.
Natürlich hatte es das nicht im Sinn, aber die Frage von @Griffel lautet ja nicht, ob es das im Sinn gehabt hätte, sondern warum das nicht der Fall war.

Meine Antwort darauf, weil es in dieser Konstellation überhaupt nicht möglich gewesen wäre, ohne Gefahren herauf zu beschwören.

Die Allianz mit Frankreich war ja schon zwischen 1867 und 1870 gescheitert.
Der Unterschied ist nur, 1867 kam es zu keiner Allianz, weil Frankreich zu dem Schluss kam einen Gewinn bereits für die eigene Neutralität einstreichen zu können und ohnehin mit einem Österreichischen Sieg rechnete.
1870 war es effektiv schon deswegen problematisch, weil sich Österreich-Ungarn noch nicht von 1867 erhohlt hatte und der Wert dieses Bündnispartners für Frankreich von dem her kurzfristig nicht allzu hoch zu veranschlagen war.
Außerdem waren die Süddeutschen Staaten noch nicht dem Norddeutschen Bund beigetreten (und das war vor dem Krieg gegen Frankreich mindestens was Bayern und Würtemberg betrifft zunächst auch perspektivisch nicht absehbar), so dass Wien zunächst darauf hoffen konnte seinen Einfluss in Süddeutschland auch ohne Revanchekrieg aufrecht erhalten zu können.
Viel mehr hätte es von einem Krieg gegen Preußen damals ohnehin nicht zu gewinnen gehabt.

Nach 1871 hätten die Dinge etwas anders gelegen, weil beide Parteien von einem Bündnis und einem Revanchekrieg einen potentiellen Gewinn hätten haben können.
 
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Der Gedanke, dass eine europäische Großmacht auf Dauer neutral bleiben konnte, ist nahezu absurd. Dies gilt insbesondere für das Deutsche Reich nach 1871.

Natürlich hielten sich bei vielen Konflikten einzelne Großmächte heraus und erklärten sich neutral, im Krimkrieg Österreich und Preußen, in den Einigungskriegen Russland und das UK (Frankreich 1864 und 66 auch), aber das waren "Einzelfallentscheidungen".

Das Britische Empire kam einer Neutralität bis zur Entente Cordiale recht nahe, nachdem es sich nach dem Krimkrieg endgültig auf die Kolonien konzentrierte. Es hatte auf dem europäischen Kontinent keine vitalen Interessen mehr zu verteidigen und konnte mit dem status quo gut leben. Erst als dass Deutsche Reich auch nach maritimer Macht griff, änderte sich diese Haltung.

Das Deutsche Reich war ein fundamentaler Einschnitt in das Gleichgewicht Europas. Aufgrund seiner wirtschaftlichen und militärischen Stärke war es eindeutig die führende Macht auf dem Kontinent und hatte bewiesen, dass es ein 1:1 Aufeindertreffen kaum zu fürchten brauchte. Es war aber die einzige Großmacht mit 3 ebenfalls mächtigen Nachbarn.

Bismarck war das sehr bewusst. Frankreich plus X, Österreich-Ungarn plus Y, Russland plus Z wären übermächtige Gegner eines Reiches ohne Verbündete gewesen. Daher war es Bismarck so wichtig, zwei der anderen Großmächte auf seiner Seite zu haben.

Nach der "Krieg-in-Sicht"-Krise von 1875 war auch klar, dass eine weitere Expansion Deutschlands in Europa gegen den Willen Russlands und England nicht mehr möglich war. Es musste also Zurückhaltung üben.

Diese Zurückhaltung galt, zum Ärger der deutschen Imperialisten, auch in Bezug auf Kolonien. Zu denen musste Bismarck ja quasi getragen werden. Und als mit Wilhelm II. der Ober-Imperialist den Thron bestieg, verscherzte sich das Reich ja der letzten Sympathien Englands (und der USA), die vorher durchaus wohlwollend gesinnt waren.
 
. Erst als dass Deutsche Reich auch nach maritimer Macht griff, änderte sich diese Haltung.
Das ist tatsächlich die Frage, ich sehe da nicht!! die Flottenrüstung als das Problem für das BE, zumal man ja letztendlich durchaus zu einer Lösung der Marinerüstung zwischen beiden Mächten gekommen ist. Ich sehe die "vitalen" Interessen GBs eher in der ständigen und auch tiefgreifenden bedrohlichen Handels-/Marktkonkurrenz der deutschen Industrie. Allein schon das Wachstum der Handelsflotte und der signifikante Rückgang des britischen Anteils daran, muß auf die dortige Industrie und Handel alarmierend gewirkt haben.
 
Erst als dass Deutsche Reich auch nach maritimer Macht griff, änderte sich diese Haltung.

Das Ende der Splendid Isolation wurde nicht durch die deutsche Flottenrüstung verursacht. Sie verursachte unstrittig im Verlaufe der Jahr für jede Menge Verdruss auf beiden Seiten des Kanals, zeichnet aber nicht verantwortlich für das Heraustreten der Briten aus ihrer Isolation. Vielmehr war Großbritannien nicht mehr in der Lage seine überragende Position in Welt alleine zu halten. Es bedurfte Verbündeter und Unterstützter. Deshalb hatte es beispielsweise u.a. auch in Berlin angeklopft.
 
"Auch", wobei ich zugebe, dass das missverständlich zu lesen war.

Die deutsche Flottenpolitik führte auch zur Entscheidung der Briten , so wie die immer offensiver ausgetragenen imperialen Ansprüchen nach dem "Platz an der Sonne", womit man sich dann bei den US-Amerikanern unbeliebt machte. Die Parteinahme für die Buren, die Marokkokrisen, die Bagdadbahn, die Angst mancher britischer Politiker und Meinungsmacher vor einem zu mächtigen (militärisch und wirtschaftlich) Deutschland...

Das Britische Empire konnte mit der Situation nach 1871 noch einigermaßen gut leben. Ab den 1890ern wandelte sich das, wobei zunächst Frankreich (z.B. Faschoda 1898) und Russland (The Great Game, Unterstützung Japans noch 1905) als bedrohlicher wahrgenommen wurden.

Daher war das UK auf der Suche nach einem Partner in Europa, was lag näher als das Deutsche Reich, was ebenfalls einen starken Partner hätte gebrauchen können. Diese Chance hat man in Berlin dann versemmelt.
 
Das Britische Empire kam einer Neutralität bis zur Entente Cordiale recht nahe, nachdem es sich nach dem Krimkrieg endgültig auf die Kolonien konzentrierte.

Naja, ich weiß nicht, ob man streng betrachtet von einer vollständigen Neutralität Großbritanniens in Europa überhaupt sprechen kann, und denke da ganz konkret an Großbritannien als Vertragspartei und Garanntiemacht in der Dänisch-Schleswig-Holsteinischen Angelegenheit und bezüglich der Garantie der Neutralität Belgiens seit 1839.

Es stimmt zwar, dass sich Großbritannien seit dem Krimkrieg de facot in keine länger dauernde vertragliche Allianz mit den anderen europäischen Mächten mehr eingelassen hatte, aber man könnte durchaus argumentieren, dass angesichts vor allem der belgischen Garantien britische Verpflichtungen auch in Europa fortbestanden.
 
"Recht nahe" ist nicht "streng genommen".

Großbritannien blieb von 1856 bis 1904 in Europa bündnisfrei (streng genommen bis 1914, die Entente Cordiale regelte ja "nur" Kolonialfragen), nicht aus Mangel an Alternativen wie Frankreich bis 1890, sondern aus freien Stücken, Stichwort "splendid isolation".

Großbritannien hatte den Luxus, so handeln zu können, eine Insel, die stärkste Flotte der Welt, lange Zeit die wichtigste und größte Industrienation, ein riesiges Kolonialreich.

Deutschland (Preußen) hatte dagegen gegen 2 benachbarte Großmächte siegreiche Kriege geführt. Mit der Einen schloß man einen Vertändigungsfrieden, mit der Anderen nicht. Und die dritte, damals noch größte europäische Macht, ragte tief ins preußische Herzland hinein.

Die Hybris der Nachfolger Bismarcks war ja leider, die Zweifronten-Lage nicht mehr ernst genug genommen zu haben. Wohl auch im Vertrauen darauf, dass das Britische Empire, wie im Falle der Krieg-in-Sicht-Krise, gar nicht anders handeln konnte, als das europäische Gleichgewicht zu erhalten.
 
Mich würde mal interessieren, warum das Deutsche Reich, sprich Kaiserreich, nach seiner Gründung, keine aktive und anerkannte Neutralitätspolitik verfolgt hat bzw. verfolgen konnte?
Wie hätte das möglich sein sollen?
War das wirklich nicht möglich gewesen?

Das Bündnis mit Ö-U war ja schließlich fatal weil man sich an das Schicksal des instabilen Balkans band.
Brauchte das wirtschaftlich und militärisch starke DR wirklich andere Verbündete als solche des Handels und kulturellen Austausches?
Eine Neutralität hätte auch bedeutet nicht am Imperialismus teilzunehmen.
Das wäre dem DR gut bekommen und es hätte in Ruhe den weiteren Erfolg auf fast allen Gebieten der Kultur aufbauen können, statt mit Europa in die Katastrophe zu gehen.
Ich spekuliere mal, dass es stark genug dafür war. Es war die größte militärische Landmacht Europas und ein wirtschaftlicher Riese der rasch wächst.
... .. wer solche Verbündete hat wie das DR (Italien, Ö-U) braucht ja wirklich keine Feinde mehr.:)
Dieses Reich war auf Kosten Dänemarks, Österreich-Ungarns und Frankreichs gegründet worden.
Es wurden schon weit größere Erbitterungen durch eine kluge Diplomatie geheilt.

Eine andere Frage ist: wurde eine Neutralität des DR zur fraglichen Zeit diskutiert?

Weiß jemand was darüber?
 
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