Turgot
Aktives Mitglied
In einem Szenario, in dem Österreich-Ungarn gezwungen gewesen wäre, einen Modus vivendi mit Russland zu finden und eine aktive Balkanpolitik weitgehend einzustellen, wäre zu erwarten gewesen, dass sich seine Großmachtsabitionen dann nach Westen gerichtet hätten.
In erster Linie in Richtung Italien, weil Österreich-Ungarn als Akteur Italien noch immer überlegen gewesen wäre und weil man da (Kirchenstaat-Thematik) eventuell auch Interessenüberschneidungen mit Frankreich gehabt hätte.
Das ist doch seeehr theorethisch. Wie sollte das denn bitte konkret funktionieren? Meinst du die anderen Großmächte hätten einfach nur zugeschaut, wenn Österreich-Ungarn sich seine ehemaligen Territorien von Italien zurückholt? Ich bezweifle das, vor allem hinsichtlich Großbritannien.
Und weshalb wäre Österreich-Ungarn in deinem wenig realistischen Szenario gezwungen gewesen, gegenüber Russland kleine Brötchen zu backen. Immerhin hätte man Frankreich in der Hinterhand, was dann sicher gerne mit großzügigen Rüstungskrediten zur Stelle gewesen wäre.
In der Konstellation eines hypothetischen Bündnisses Frankreichs mit Österreich-Ungarn, wäre die einzige Möglicheit Italiens die eigenen trritorialen und kolonialen Wünsche auf Kosten dieser beiden Akteure zu realisieren gewesen, sich mit einem anderen Akteur gegen sie zu verbünden und darauf zu setzen, das bei Gelegenheit vielleicht etwas abfällt.
Vor dem Hintergrund der realen Möglichkeiten Italiens, wäre es einfach nur im wohl verstandenen eigenen Interessen gewesen, sich an der glücklichen Erschaffung des Nationalstaates zu erfreuen. Alle anderen, europäischen, Ambitionen hatten mit der Wirklichkeit nichts zu tun und waren Wunschträume.
Du und @Turgot , ihr habt euch darauf verlegt Italien als Akteur vor allem deswegen abzuqualifizieren, weil ihr ihm mangelnde Haltung vorwerft, dabei allerdings übersesehend, dass die vorhandene Konstellation das italienische Verhalten insofern begünstigte, als das Italien sowohl gegen Österreich-Ungarn als auch Frankreich Territorialwünsche hatte und somit in einer Konstellation, in der sich diese beiden Parteien gegenüberstanden, bei jedem Ergebnis gewinnen konnte, wenn es das stratgisch einigermaßen geschickt anstellte und sich gegen große Versprechungen an den wahrscheinlichen Sieger verkaufen.
Von welcher italienischen Haltung sprichst du? Das italienische Verhalten war eine Treulosigkeit erster Güteklasse. Alleine die Lächerlichkeit den Dreibund zu kündigen, was überhaupt nicht möglich war, da es überhaupt gar keine entsprechende Klausel in dem Vertragswerk gegeben hatte .Wer hatte doch gerade 1912 auf die Verlängerung gedrängelt? Ja, das war Italien. Warum? Na, Frankreich war über die italienische Aggression nur mäßig erfreut und es kam zu Spannungen. Das war es doch besser, schnell bei den Dreibundpartnern unter die Decken zu kriechen.
Und zu den anderen Ausführungen, siehe oben.
Die Gelegenheit für ein solches Verhalten hätte aber nicht bestanden, wenn beide Parteien auf deren Kosten Italien gern Territorien gehabt hätte auf der gleichen Seite gestanden wären. Dann wäre die einzige Möglichkeit für Italien dabei etwas zu gewinnen gewesen sich mit deren Feind zu verbünden und einen Konflikt durchzuziehen.
Eine solche Konstellation wäre bei eine französisch-österreichisch-ungarischen Bündnis gegeben gewesen und aus diese Grund hätte der italienische Opportunismus in dieser Konstellation einem Bündnispartner nicht geschadet.
Das Problem war der nicht vorhandene Realitätssinn der Italiener.