Warum keine Neutralitätspolitik?

In einem Szenario, in dem Österreich-Ungarn gezwungen gewesen wäre, einen Modus vivendi mit Russland zu finden und eine aktive Balkanpolitik weitgehend einzustellen, wäre zu erwarten gewesen, dass sich seine Großmachtsabitionen dann nach Westen gerichtet hätten.
In erster Linie in Richtung Italien, weil Österreich-Ungarn als Akteur Italien noch immer überlegen gewesen wäre und weil man da (Kirchenstaat-Thematik) eventuell auch Interessenüberschneidungen mit Frankreich gehabt hätte.

Das ist doch seeehr theorethisch. Wie sollte das denn bitte konkret funktionieren? Meinst du die anderen Großmächte hätten einfach nur zugeschaut, wenn Österreich-Ungarn sich seine ehemaligen Territorien von Italien zurückholt? Ich bezweifle das, vor allem hinsichtlich Großbritannien.

Und weshalb wäre Österreich-Ungarn in deinem wenig realistischen Szenario gezwungen gewesen, gegenüber Russland kleine Brötchen zu backen. Immerhin hätte man Frankreich in der Hinterhand, was dann sicher gerne mit großzügigen Rüstungskrediten zur Stelle gewesen wäre.

In der Konstellation eines hypothetischen Bündnisses Frankreichs mit Österreich-Ungarn, wäre die einzige Möglicheit Italiens die eigenen trritorialen und kolonialen Wünsche auf Kosten dieser beiden Akteure zu realisieren gewesen, sich mit einem anderen Akteur gegen sie zu verbünden und darauf zu setzen, das bei Gelegenheit vielleicht etwas abfällt.

Vor dem Hintergrund der realen Möglichkeiten Italiens, wäre es einfach nur im wohl verstandenen eigenen Interessen gewesen, sich an der glücklichen Erschaffung des Nationalstaates zu erfreuen. Alle anderen, europäischen, Ambitionen hatten mit der Wirklichkeit nichts zu tun und waren Wunschträume.

Du und @Turgot , ihr habt euch darauf verlegt Italien als Akteur vor allem deswegen abzuqualifizieren, weil ihr ihm mangelnde Haltung vorwerft, dabei allerdings übersesehend, dass die vorhandene Konstellation das italienische Verhalten insofern begünstigte, als das Italien sowohl gegen Österreich-Ungarn als auch Frankreich Territorialwünsche hatte und somit in einer Konstellation, in der sich diese beiden Parteien gegenüberstanden, bei jedem Ergebnis gewinnen konnte, wenn es das stratgisch einigermaßen geschickt anstellte und sich gegen große Versprechungen an den wahrscheinlichen Sieger verkaufen.

Von welcher italienischen Haltung sprichst du? Das italienische Verhalten war eine Treulosigkeit erster Güteklasse. Alleine die Lächerlichkeit den Dreibund zu kündigen, was überhaupt nicht möglich war, da es überhaupt gar keine entsprechende Klausel in dem Vertragswerk gegeben hatte .Wer hatte doch gerade 1912 auf die Verlängerung gedrängelt? Ja, das war Italien. Warum? Na, Frankreich war über die italienische Aggression nur mäßig erfreut und es kam zu Spannungen. Das war es doch besser, schnell bei den Dreibundpartnern unter die Decken zu kriechen.
Und zu den anderen Ausführungen, siehe oben.

Die Gelegenheit für ein solches Verhalten hätte aber nicht bestanden, wenn beide Parteien auf deren Kosten Italien gern Territorien gehabt hätte auf der gleichen Seite gestanden wären. Dann wäre die einzige Möglichkeit für Italien dabei etwas zu gewinnen gewesen sich mit deren Feind zu verbünden und einen Konflikt durchzuziehen.
Eine solche Konstellation wäre bei eine französisch-österreichisch-ungarischen Bündnis gegeben gewesen und aus diese Grund hätte der italienische Opportunismus in dieser Konstellation einem Bündnispartner nicht geschadet.

Das Problem war der nicht vorhandene Realitätssinn der Italiener.
 
Das ist doch seeehr theorethisch. Wie sollte das denn bitte konkret funktionieren? Meinst du die anderen Großmächte hätten einfach nur zugeschaut, wenn Österreich-Ungarn sich seine ehemaligen Territorien von Italien zurückholt? Ich bezweifle das, vor allem hinsichtlich Großbritannien.
Und mit welchem Landheer hätte Großbritannien Italien zur Hilfe kommen können?

Den Russen wäre es wahrscheinlich recht gewesen, hätte Österreich-Ungarn versucht sich in Italien wieder ins Spiel zu bringen, weil es dieses vom Balkan abgelenkt hätte, was mehr Friraum für Russland dort bedeutet hätte.
Die relevante Macht, die Italien hätte helfen können wäre Deutschland gewesen. Das hätte aber im Umkehrschluss für Italien bedeutet Wert darauf legen zu müssen, dass diese Macht nicht ausgeschaltet wird.

Und weshalb wäre Österreich-Ungarn in deinem wenig realistischen Szenario gezwungen gewesen, gegenüber Russland kleine Brötchen zu backen. Immerhin hätte man Frankreich in der Hinterhand, was dann sicher gerne mit großzügigen Rüstungskrediten zur Stelle gewesen wäre.
Naja, wenn in diesem Szenario zu keinem Ausgleich zwischen Österreich und Russland gekommen wäre dann hätte das bedeutet, dass

1. Wien eine agressive Norditalien-Politik wahrscheinlich noch engagierter hätte verfolgen müssen um für den Fall eines Ost-Krieges eine Landverbindung zum Verbündeten nach Westen in irgendeiner Form zu haben oder erzwingen zu können.

2. Ohne Beilegung der Probleme mit Russland wäre Österreich-Ungarn in einem Krieg mit Deutschland und Italien dadurch weiter eingeschränkt gewesen seine Ostgrenzen decken zu müssen, denn selbst ein nicht an Deutschland gebundenes Russland hätte sonst die Gelegenheit nutzen können, sich einzumischen um eigene Balkan-Interessen durchzusetzen.

In diesem Fall hätte sich Österreich-Ungarn weder auf Fortifizierung der Grenze zu Deutschland einseitig konzentriern können, noch hätte es im Kriegsfall Kräfte gehabt um gegen Italien vorzugehen weil es alle Kräfte, die es neben der Verteidigung der Westprovinze möglicherweise hätte entbehren können zur Abschirmung im Osten gebracht hätte um Russland vom Eintritt in den Konflikt abzuhalten.
Der Effekt davon wäre gewesen, dass sich Italien im Nordosten relativ unbehelligt dann wahrscheinlich vollständig auf die Verteidigung seiner Westgrenze hätte fokussieren können.

Vor dem Hintergrund der realen Möglichkeiten Italiens, wäre es einfach nur im wohl verstandenen eigenen Interessen gewesen, sich an der glücklichen Erschaffung des Nationalstaates zu erfreuen. Alle anderen, europäischen, Ambitionen hatten mit der Wirklichkeit nichts zu tun und waren Wunschträume.
Was die realen Möglichkeiten Italiens waren, bestimmten die jeweiligen Umstände.

Diverse Akteure des Ersten Weltkriegs und im Vorfeld dessen verfolgten eine Politik, die über ihre gewöhnlichen Möglichkeiten hinausging, die aber durch die Ausnahmesituation drastisch aufgewertet wurden.
Und da wird man sagen können, dass bei einer solchen Politik der Misserfolg nicht unbedingt absehbar war.
Serbien und Rumänien betrieben eine Politik, die sie sich aus eigener Kraft heraus niemals hätten leisten können und standen am Ende des Krieges im Hinblick auf Territorialgewinne als die großen Sieger dar.

Das zeigt, dass eine solch Politik durchaus aufgehen konnte.

Von welcher italienischen Haltung sprichst du? Das italienische Verhalten war eine Treulosigkeit erster Güteklasse.
Das Italienische Verhalten war Verfolgung der eigenen Territorialinteressen.

Du argumentierst fortwährend mit italienischer "Treulosigkeit" und damit, dass sich Italien von der Entente mit Territorien kaufen ließ also, wenn man so will mit "Söldnermentalität" dieses Akteurs.
Ungeachtet dessen, dass ich diese Sicht nach wie vor nur bedingt teile (Diskussion über den Kompensationsartikel des Dreibundvertrags) würde mein Argument hier ganz einfach lauten:

Söldnermentalität eines potentiellen politisch/militärischen Partners stellt überhaupt kein Problem dar, so lange die eigene Partei diejenige ist, die dem Sölnder-Akteur am meisten zu bieten hat.

Italien hatte Interesse an Österreichischen Territorien (Trentino, Isonzo, Triest, Istrien, Dalmatien) und an französischen Territorien (Korsika, Tunesien, Nizza, Savoyen). An Territorien des Deutschen Reiches bestand kein besonderes interesse (was hätte man ohne Landverbindung auch groß damit annfangen sollen?)

Was also hätte ein französisch-österreichisch-ungarischer Block Italien zu bieten gehabt, um es in einem Konflikt mit dem Deutschen Reich für die eigene Seite zu kaufen, sofern er nicht bereit war eigene Territorien auf dem Silbertablett in Rom abzuliefern (und wir wissen, wie schwer sich Österreich-Ungarn historisch damit getan hatte allein das Trentino zur Disposition zu stellen)?
Deutschland hätten in einem solchen Konflikt jederzeit die Karte ziehen können Italien eine Blancovollmacht dafür auszustellen im Siegesfall (an der Seit Deutschlands) von den nicht deutssprachigen Territorien Österreichs und den Grenzgebieten Frankreichs zu nehmen, wonach ihm der Sinn gestanden hätte

Das wäre für Deutschland auch insofern nicht von Nachteil gewesen, als das Italien, wenn es das am Ende erst getan hätte für die Zukunft einen Partner gebraucht hätte um im besonderen französischem Rvanchismus vorzubauen.

Das Problem war der nicht vorhandene Realitätssinn der Italiener.
Der war, wie du am Beispiel Serbiens und Rumäniens sehen kannst, die im Hinblick auf Territorialgewinne mit einer solchen Haltung am Ende damit durchkamen nicht zwingend ein Problem.

Er war im Gegenteil etwas, dass sich unter gewissen Umständen instrumentalisiern ließ.
Und die Umstände wären für ein nicht mit Österreich-Ungarn im Bunde befindliches Deutschland wesentlich günstiger gewesen, als mit diesem Verbündeten
 
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Und mit welchem Landheer hätte Großbritannien Italien zur Hilfe kommen können?

Den Russen wäre es wahrscheinlich recht gewesen, hätte Österreich-Ungarn versucht sich in Italien wieder ins Spiel zu bringen, weil es dieses vom Balkan abgelenkt hätte, was mehr Friraum für Russland dort bedeutet hätte.
Die relevante Macht, die Italien hätte helfen können wäre Deutschland gewesen. Das hätte aber im Umkehrschluss für Italien bedeutet Wert darauf legen zu müssen, dass diese Macht nicht ausgeschaltet wird.

Österreich-Ungarn hatte im Mittelmeer Küsten. Die waren für die Royal Navy erreichbar. Eine Landmacht kann man ausbilden; soo lange dauert es nicht und die Mittel, diese Truppen überzusetzen, die waren definitiv vorhanden. Und wie hat das denn eigentlich bloß im Zuge des Krimkrieges funktioniert?
Und 1876/77 war Großbritannien auch ganz kurz davor im Verbund mit Österreich-Ungarn gegen Russland vorzugehen.

Das Italienische Verhalten war Verfolgung der eigenen Territorialinteressen.

...und den eigenen Bündnispartner gegenüber treulos zu sein, von dessen Schutz man viele Jahre gut gelebt hatte.

Du argumentierst fortwährend mit italienischer "Treulosigkeit" und damit, dass sich Italien von der Entente mit Territorien kaufen ließ also, wenn man so will mit "Söldnermentalität" dieses Akteurs.
Ungeachtet dessen, dass ich diese Sicht nach wie vor nur bedingt teile (Diskussion über den Kompensationsartikel des Dreibundvertrags) würde mein Argument hier ganz einfach lauten:

Söldnermentalität eines potentiellen politisch/militärischen Partners stellt überhaupt kein Problem dar, so lange die eigene Partei diejenige ist, die dem Sölnder-Akteur am meisten zu bieten hat.

Moralisch ziemlich daneben, so würde ich meinen. Auf der einen Seite beim Partner für viele Jahre Schutz suchen und bekommen und im Zweifelsfall sich dann an den Meistbietenden zu verhökern, obwohl Österreich-Ungarn, auch wenn es gedauert hat, bereit war, die italienischen Forderungen zu erfüllen. Eine sehr unangenehme Mentalität! Um dann schließlich auf dem Schlachtfeld nichts, rein gar nichts zu erreichen. Und für die Entente war Italien unter dem Strich auch nur Ballast.

talien hatte Interesse an Österreichischen Territorien (Trentino, Isonzo, Triest, Istrien, Dalmatien) und an französischen Territorien (Korsika, Tunesien, Nizza, Savoyen). An Territorien des Deutschen Reiches bestand kein besonderes interesse (was hätte man ohne Landverbindung auch groß damit annfangen sollen?)

Italien hatte ausgedehnte Träumereien und nur nur sehr begrenzte Möglichkeiten.

as also hätte ein französisch-österreichisch-ungarischer Block Italien zu bieten gehabt, um es in einem Konflikt mit dem Deutschen Reich für die eigene Seite zu kaufen, sofern er nicht bereit war eigene Territorien auf dem Silbertablett in Rom abzuliefern (und wir wissen, wie schwer sich Österreich-Ungarn historisch damit getan hatte allein das Trentino zur Disposition zu stellen)?
Deutschland hätten in einem solchen Konflikt jederzeit die Karte ziehen können Italien eine Blancovollmacht dafür auszustellen im Siegesfall (an der Seit Deutschlands) von den nicht deutssprachigen Territorien Österreichs und den Grenzgebieten Frankreichs zu nehmen, wonach ihm der Sinn gestanden hätte

Diesen Block hätte es in der Wirklichkeit nicht gegeben. Es ist also müßig darüber zu spekulieren. Österreich-Ungarn hatte nach 1870 sich eben sehr schnell mit den Nachkriegsrealitäten, ganz im Gegensatz zu Frankreich, abgefunden gehabt und sein Augenmerk auf dem Balkan gerichtet und. dafür bedurfte es auf Sicht Rückendeckung von Deutschland; was sich mit dem Bedürfnis Bismarcks traf, nach den russischen Ausfällen nach dem Berliner Kongress, mit Österreich-Ungarn ein Bündnis abzuschliessen.
Für Frankreich war die Frontstellung gegen das neue Deutsche Reich wesentlich; für Österreich-Ungarn nicht.
Der war, wie du am Beispiel Serbiens und Rumäniens sehen kannst, die im Hinblick auf Territorialgewinne mit einer solchen Haltung am Ende damit durchkamen nicht zwingend ein Problem.
Mit solchen unrealistischen Wunschträumen können ganz erhebliche Problem geschaffen werden.
Er war im Gegenteil etwas, dass sich unter gewissen Umständen instrumentalisiern ließ.
Und die Umstände wären für ein nicht mit Österreich-Ungarn im Bunde befindliches Deutschland wesentlich günstiger gewesen, als mit diesem Verbündeten

Ja, u.a. für Erpressung und Krieg Siehe beispielsweise 1908/09 oder 1915.
 
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Und mal wieder das Wesentliche übergangen: Die Umtstände der Brussilow-Offensive (und ihrer Fortschritte und Geländegewinne in der Anfangsphase) und den (bevorstehenden, Bündnisvertrag mit der Entente war am 17. August unterschrieben worden) Rumänischen Kriegseintitt, die durchaus den Anschein erwecken konnten, als stünden die Zentralmächte kurz vor dem Kollaps.

Rom erklärte Deutschland den Krieg, in einer Situation, in der der Zusammenbruch der Zentralmächte sich für Außenstehende unmittelbar anzukündigen schien. D.h. sehr wahrscheinlich davon ausgehend nicht ernstlich in Kampfhandlungen mit Deutschland verstrickt zu werden und um die eigene Verhandlungsposition bei den Friedensverhandlungen, wegen der Nachkriegsordnung zu stärken, ohne faktisch etwas dafür tun zu müssen.




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Italien schlug sich einfach auf die Seite des Meistbietenden. Dabei waren die Österreicher zu großen Kompensationen bereit. Erklärten sich nicht nur bereit, das gesamte Trentino abzutreten sondern selbst einer Internationalisierung Triests zuzustimmen.

Die Deutschen boten Österreich als Kompensation an das Kohlerevier von Sosnovice an und waren sogar bereit, einen Teil von Schlesien abzutreten.

Zusammenbruch der Mittelmächte? Da war sicher der Wunsch Vater des Gedankens.

Das Jahr 1915 war doch recht erfolgreich für die Mittelmächte. Die Russen wurden weit zurückgedrängt, Galizien zurückerobert, Serbien niedergeworfen, und die Offensiven an der Westfront bei Arras und Neuve Chapelle scheiterten.

Auch im Jahr 1916 war Österreich wohl angeschlagen, die Ostfront wurde dann aber doch stabilisiert, und die Mittelmächte schlossen das Jahr mit einem erfolgreichen Feldzug in Rumänien. Rumänien wurde zum großen Teil erobert, Dezember 1916 nahmen die Mittelmächte Bukarest.
1915 hatten die Entente-Mächte bei Chantilly für das Jahr 1916 koordinierte Offensiven verabredet.

Die Mittelmächte gerieten während der Somme-Offensive und der Brussilow-Offensive wohl in Schwierigkeiten, die Offensiven der Entente konnten aber abgewehrt werden.

Die Somme-Schlacht hatte die Erwartungen nicht erfüllt, als die Briten am 1, Juli 1916 nach einem 1wöchigen Trommelfeuer aus den Gräben stiegen, erlitten die Briten die höchsten Verluste in ihrer Geschichte. Mehr als 50.000 Mann Verluste, darunter fast 20.000 Tote.

Die Österreicher fühlten sich recht sicher, Brussilows Erfolg hatte niemand erwartet. Die Österreicher setzten hastig und übereilt ihre Reserven ein. Es gab ganze Regimenter, die verschwanden, sich auflösten.


Es sah zeitweise so aus, als würde die Ostfront zusammenbrechen, und das Prestige der Österreicher nahm Schaden nicht zuletzt bei den Völkern der Monarchie selbst.

Italien und Rumänien haben einfach eine Politik des Sacro Egoismo verfolgt und bei der Entente wurde ihnen einfach mehr versprochen. Österreich war bereit, das Trentino abzutreten, doch die Italiener forderten dazu auch Südtirol bis zum Brenner, und die Entente bot ihnen dafür noch Istrien, Dalmatien und den Dodekanes.

Trotz aller Schwächen und seit 1916 zunehmenden Versorgungsschwierigkeiten waren die Mittelmächte doch im Jahre 1916 noch weit vom Zusammenbruch entfernt.

Auch Österreich-Ungarn war durchaus nicht zu unterschätzen. Auf dem italienischen Kriegsschauplatz in den Dolomiten und am Isonzo zeigte sich doch dass sie den Italienern auch ohne deutsche Unterstützung gewachsen waren. Letztlich zeigte sich, dass die hochgespannten Erwartungen der Entente-Mächte sich 1916 nicht erfüllten. Zum ersten Mal hatten die Verbündeten koordinierte Offensiven gegen die Mittelmächte organisiert.

Brussilows Offensive hatte keiner erwartet. Die konservative Armeeführung setzte noch immer auf "artillery conquers, infantry occupies". Brussilow hatte aus Mangel an schwerer Artillerie erstmals die Infiltrationstaktik angewendet.

Die Mittelmächte haben aber die Krise 1916 durchaus gemeistert, die Ostfront stabilisiert, die Somme-Offensive abgewehrt, und sie beendeten das Jahr mit einer erfolgreichen Offensive, dem Feldzug gegen Rumänien, der Einnahme von Bukarest so wie sie auch 1917 alle Offensiven abwehrten und das Jahr beendeten mit einer erfolgreichen Gegenoffensive bei Cambrai und der Offensive am Isonzo, dem Wunder von Karfreit/Caporetto.
 
Ungeachtet aller Bündnisse, Österreich-Ungarn war seit 1866 auf dem absteigenden Ast, um nicht zu sagen auf einer Rutschbahn. Zwar konnte es sich auf dem Balkan 1878 noch Bosnien-Herzegowina abgreifen, aber handelte sich damit nur noch mehr Scherereien ein.

Zum Einen war damit das Verhältnis zu Russland beschädigt, zum Anderen holte es sich weitere unzufriedene Minderheiten ins Land. Eine innere Befriedung, z.B. mit den Tschechen, wäre eine Alternative gewesen, wenn auch auf Kosten eines (noch schnelleren) Abstiegs zu einer zweitrangigen Macht.

Italien dagegen war dabei aufzuschließen, zumindest auf die Stufe Österreich-Ungarns, denn es beteiligte sich am kolonialen Imperialismus, wenn auch im bescheidenen Maße. Aber es war ein wertvoller/begehrter Verbündeter, der jeder Seite etwas zu bieten hatte.

Den Seitenwechsel im 1. Weltkrieg hätte Bismarck als "Realpolitik" bezeichnet.

Ein aktives Eingreifen auf Seiten der Mittelmächte stand für Italien außer Frage, wenn Frankreich die Alpen nur schwer hätte überwinden können, dann konnten die Italiener auch nicht nach Lyon vorstoßen. Und es hätte keine Chance gegen die maritime Übermacht der Entente im Mittelmeer gehabt. Und Arrividerci zu Somalia, Eritrea und Libyen.

Was Italien durch eine (wohlwollende) Neutralität gegenüber den Mittelmächtenn hätte gewinnen können, waren in seinen Augen kosmetische Korrekturen der Grenze zu Österreich-Ungarn und vermutlich ein paar Kolonien in Afrika, Tunesien, Somaliland oder Abessinien. Und, aber so etwas wurde damals nicht berücksichtigt, viele nicht gefallene Soldaten.

Die Allierten hatten in Bezug auf Italien einfach mehr zu bieten. Die Brennergrenze, die gegenüberliegende Adriaküste, das Ausschalten des größten Rivalen. Und wenn das nicht schon ausgerechnet hätte, hatten sie auch die Druckmittel gehabt, Italien ohne größeren Aufwand auf ihre Seite zu ziehen. Blockade des Mittelmeeres, Einsammeln der Kolonien, Landungen auf Sizilien

Wie hätte sich eine italienische Regierung angesichts der Alternativen anders entscheiden sollen?
 
Italien dagegen war dabei aufzuschließen, zumindest auf die Stufe Österreich-Ungarns, denn es beteiligte sich am kolonialen Imperialismus, wenn auch im bescheidenen Maße. Aber es war ein wertvoller/begehrter Verbündeter, der jeder Seite etwas zu bieten hatte.

Nicht einmal das. Die letzten militärischen Abenteuer in Nordafrika war doch für Italien arg ernüchternd. Sowohl Frankreich und Deutschland hatten in jener Zeit ausnahmsweise einmal eine Meinung.
Poincare führte bei Gelegenheit aus. der Sinn und Zweck von 1902 läge nur darinnen, das an den Alpen nicht mehr so viele Truppen vorgehalten werden müssten.
Die Deutschen sahen Italien als Verbündeten unter dem Gesichtspunkt, das Italien französische Kräfte binden würde. Das war es auch schon.

Den Seitenwechsel im 1. Weltkrieg hätte Bismarck als "Realpolitik" bezeichnet.

Er hätte ihn als das bezeichnet, was es tatsächlich war und dies mit deutlichen Worten.

Was Italien durch eine (wohlwollende) Neutralität gegenüber den Mittelmächtenn hätte gewinnen können, waren in seinen Augen kosmetische Korrekturen der Grenze zu Österreich-Ungarn und vermutlich ein paar Kolonien in Afrika, Tunesien, Somaliland oder Abessinien. Und, aber so etwas wurde damals nicht berücksichtigt, viele nicht gefallene Soldaten.

Genau die kosmetischen Korrekturen, auf die man schon viele Jahre geschielt und von Österreich-Ungarn zu Beginn der Verhandlungen eingefordert hatte.
Die Allierten hatten in Bezug auf Italien einfach mehr zu bieten.

War ja auch kein Kunststück, denn sie verhökerten ja nicht eigenes , sondern fremdes Territorium.

Wie hätte sich eine italienische Regierung angesichts der Alternativen anders entscheiden sollen?

Ganz einfach: Erste einmal vertragskonform verhalten und den Dreibund nicht einfach auf dem Müllhaufen, nach dem Motto, was interessiert mich mein Gelaber von vor zwei Jahren, befördern.

Italien hätte die Neutralität wahren sollen.
 
Zum Einen war damit das Verhältnis zu Russland beschädigt, zum Anderen holte es sich weitere unzufriedene Minderheiten ins Land. Eine innere Befriedung, z.B. mit den Tschechen, wäre eine Alternative gewesen, wenn auch auf Kosten eines (noch schnelleren) Abstiegs zu einer zweitrangigen Macht.

Italien dagegen war dabei aufzuschließen, zumindest auf die Stufe Österreich-Ungarns, denn es beteiligte sich am kolonialen Imperialismus, wenn auch im bescheidenen Maße. Aber es war ein wertvoller/begehrter Verbündeter, der jeder Seite etwas zu bieten hatte.
Das sehe ich etwas anders, oder beziehst Du das ausschließlich auf militärische Gesichtspunkte? Wirtschaftlich war die KuK- Monarchie kurz vor Beginn des WKI wohl eher in einer äußerst positiven Entwicklung begriffen.
 
Die Schlüssel für den Kriegseintritt zu ihren Gunsten lagen ganz eindeutig bei der Entente. Sie hatten eben nicht nur das bessere "Angebot" für Italien, sondern nötigenfalls die geeigneten Druckmittel gegen Italien in der Hand, falls dieses noch länger neutral geblieben wäre. Es kann mir niemand weiß machen, dass in Paris und London nicht darüber nachgedacht worden wäre, Italien zu blockieren und/oder die Kolonien anzugreifen.

Andererseits hatten die Mittelmächte eben nicht nur das schlechtere Angebot, sondern auch nichts in der Hand, um Italien mittels Druck von der Entente fernzuhalten.

Und weil die italienischen Politiker (und Militärs) das auch so gesehen haben dürften, konnte aus ihrer Sicht gar keine andere Entscheidung getroffen werden.

Man darf auch nicht die Einschätzung der italienischen Stärke in 1914/15 mit den nachfolgend gewonnenen Erkenntnissen verwechseln. 1914/15 schätzte man auf Entente-Seite Italien mindestens für so stark ein, dass es Österreich-Ungarn entscheidend schwächen und indirekt das Deutsche Reich gefährden konnte.

So unwahrscheinlich wäre ein Durchbruch der Italiener ja nicht gewesen, konnte es doch seine gesamte Armee gegen eine nur dünn besetzte Verteidigungslinie einsetzen.

Und andersherum gefragt, was hätte Italien auf Seiten der Mittelmächte aktiv beitragen können?

Ein Angriff über die französischen Alpen wäre noch schwieriger gewesen als in Österreich, die Westalpen sind höher und "breiter" auf französischen Seite, es gibt weniger Pässe. Bestenfalls also das Szenario des Alpenkriegs, welche nur relativ wenig Truppen band.

Nennenswerte italienische Truppen an der Westfront oder gegen Russland, was sollte Italien dabei gewinnen. Ein Angriff auf Ägypten mit den Franzosen im Rücken? Ein paar allierte Schiffe mehr im Mittelmeer binden?

Ich sehe nur die Balkanfront, auf der sich Italien hätte stärker beteiligen können, Serbien, Montenegro, Albanien und Griechenland, die beiden letzteren m.W. 1915 noch neutral. Hätte Österreich einem weiteren Akteur auf dem Balkan zugestimmt?
 
Die Allierten hatten in Bezug auf Italien einfach mehr zu bieten. Die Brennergrenze, die gegenüberliegende Adriaküste, das Ausschalten des größten Rivalen. Und wenn das nicht schon ausgerechnet hätte, hatten sie auch die Druckmittel gehabt, Italien ohne größeren Aufwand auf ihre Seite zu ziehen. Blockade des Mittelmeeres, Einsammeln der Kolonien, Landungen auf Sizilien
Ich weiß nicht ob das so viel mehr war, wenn man das Italienische Interesse auch an Korsika und Malta in Rechnung stellt.
Für entscheidender halte ich, dass auf Grund des Umstands, dass sich der Krieg zu Gunsten der Entente-Mächte entwickelte, die Versprechen der Entente realisierbar erscheinen mussten, während je mehr die Zentralmächte unter Druck kamen deren Versprechen sich mehr als Luftschlösser ausnehmen mussten.

Das in einem Abnutzungskrieg die Entente längerfristig die besseren Karten haben würde, dass war Rom klar und als in Rom eine Teilnahme am Krieg zu einer immer akuteren Frage wurde, hatte Deutschland sein Pulver in Form des Schlieffenplans längst verschossen.


Die Schlüssel für den Kriegseintritt zu ihren Gunsten lagen ganz eindeutig bei der Entente. Sie hatten eben nicht nur das bessere "Angebot" für Italien, sondern nötigenfalls die geeigneten Druckmittel gegen Italien in der Hand, falls dieses noch länger neutral geblieben wäre. Es kann mir niemand weiß machen, dass in Paris und London nicht darüber nachgedacht worden wäre, Italien zu blockieren und/oder die Kolonien anzugreifen.
Das man bei der Entente ernsthaft erwogen hätte Italien anzugreifen halte ich für kaum vorstellbar, denn dann hätte man zusätzliche Truppen für Südfrankreich gebraucht und eine potentielle Entlastung für die Österreicher geschaffen, weil ein direkter Angriff auf Italien das Land ins Lager der Zentralmächte getrieben hätte.
Es wäre dann eine Östrreichisch-Italienische Zusammenarbeit bei der Sperrung der Straße von Otranto zu erwarten gewesen um jedenfalls die Adria zu sichern, was die Lage Serbiens auf dem Balkan verschlimmer hätte, weil dann Albanien als Ansatzpunkt um Nachschub und Versorgungsgüter nach Serbien hinein zu schleusen entfallen wäre.

Dezidiert feindliche Handlungen gegen Italien wird man eher nicht in Betracht gezogen haben. Aber natürlich gab es Wege massiv Druck zu machen, wie etwa das bereits erwähnte italienische Energieproblem und die Abhängigkeit von Kohle-Importen, wo sich ansetzen ließ.


So unwahrscheinlich wäre ein Durchbruch der Italiener ja nicht gewesen, konnte es doch seine gesamte Armee gegen eine nur dünn besetzte Verteidigungslinie einsetzen.
Naja, die Gebirgszüge erschwerten das schon massiv.

Aber Italien konnte neben seinen Landstreitkräften natürlich zur See, vor allem Im Adriaraum und damit an der Balkanfront eine Rolle spielen und die Seestreitkräft der Entente entlasten.
Wenn Italien einen deutlichen Beitrag zur Abriegelung der Adria und zur Blockade der K.u.K.-Seestreeitkräfte leistete, konnten natürlich Franzosen und Briten Marineinheiten für andere Zweck abziehen.

So unwahrscheinlich wäre ein Durchbruch der Italiener ja nicht gewesen, konnte es doch seine gesamte Armee gegen eine nur dünn besetzte Verteidigungslinie einsetzen.

Und andersherum gefragt, was hätte Italien auf Seiten der Mittelmächte aktiv beitragen können?
Die Frag ist, wozu wäre Italien bereit gewesen?

In früheren Versionen des Schlieffenplans (also nicht der 1914 gültigen) spielte durchaus die Vorstellung mit rein, italienische Truppen direkt in der Mob-Phase von Italien über Tirol/Voralberg nach Süddeutschland zu überführen und im Elsass aufmarschieren zu lassen um den linken deutschen Flügel zu stärken und mehr Truppen für den rechten Angriffsflügel frei zu haben.

Dadurch , dass die Zentralmächte ein zusammenhängendes Territorium kontrollierten und auf ganz vernünftigen Innenlinien operieren konnten, wäre es, das Einverständnis der italienischen Regierung vorausgesetzt natürlich theoretisch möglich gewesen die italienischen Truppen auch auf nachgordneten Schauplätzen einzustzen.
Zum Beispiel um die österreichischen Operationen gegen Serbien zu unterstützen (um hier weniger deutsche Truppen heranziehen zu müssen, oder auch einfach nur zur Bedeckung Siebenbürgens, um Rumänien zu zwingen mindestens neutral zu bleiben und Handelsbeziehungen zu den Zentralmächten aufrecht zu erhalten.
Die Alpengrenze war ja auch für die Franzosen schwer zu überwinden, so dass dort effektiv zwar nicht viele französische Truppen hätten gebunden werden können, andererseits wäre sie effektiv auch mit relativ wenigen Truppen zu halten gewesen.


Als noch relativ stark agrarisch geprägtes Land hätte Italien möglicherweise auch zu einer Verbesserung der Versorgungslage der Zentralmächte positiv beitragen können.

Ich sehe nur die Balkanfront, auf der sich Italien hätte stärker beteiligen können, Serbien, Montenegro, Albanien und Griechenland, die beiden letzteren m.W. 1915 noch neutral. Hätte Österreich einem weiteren Akteur auf dem Balkan zugestimmt?
Wenn die Österricher schlau gewesen wären, hätten sie schon in der Durazzo-Krise, als die Sache mit dem albanischen Staat konkret wurde versucht mit Rom ein Italinisch-Österreichisches Kondominum dort auszuhandeln um die Italiener in den Balkan mit hinein zu holen und sie enger an den Dreibund zu binden.

Stattdessen hat sich Wien aber im Vorfeld des Weltrieges eher darum bemüht Italien dort heraus zu halten (strategische Bedeutung des Adriazugangs) Natürlich war aber Italien dadurch, dass es seit dem Krieg mit dem Osmanischen Reich im Besitz von Rodos und einiger ägäischer Inseln war, mindestens insoweit in den Balkan involviert, als das es damit territoriale Konflikte mit dem Osmanischen Reich, vor allem aber mit Griechenland hatte.
Insofern hatte Italien bereits vorher mindestens indierkt etwas mit dem Balkan zu tun und möglicherweise hätte Wien bereit sein können Rom mehr Einfluss in Griechenland zuzugetehen.

Dazu Italien Einfluss in Albanien oder Montenegro zuzugestehen wäre Wien, jedenfalls von sich und den eigenen Wünschen aus kaum bereit gwesen, das wäre allenfalls unter massivem Druck akzeptiert worden.
 
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Man mag Italien zugestehen, dass es den Teufel tat, das Risiko einzugehen, an der Seite der Mittelmächte in den großen Kladderadatsch einzusteigen, und man mag Italien vielleicht auch noch zugestehen, dass die Entente mehr anbot, mehr zu bieten hatte.

Es ist das aber schon eine recht machiavellistische Politikauffassung, und die historischen Ansprüche Italiens auf Istrien, Dalmatien und den Dodekanes waren doch recht fragwürdig. Es gab eine gewisse Tradition der Venezianer, aber das war auch schon eine ganze Weile her, es gab in den beanspruchten Gebieten keine italienischsprachige Mehrheit oder auch nur starke Minderheit.

Italia Irridenta- "das unerlöste Italien" das war ein politisches Schlagwort, doch Italien hätte den Großteil der Gebiete, in denen Italiener die Mehrheit der Bevölkerung lebten, fast das ganze Trentino- das alles hätte Italien ohne einen mörderischen Krieg haben können.

Die italienische Führung hat den Krieg nicht zuletzt mit äußerster Brutalität auch gegen die eigenen Soldaten geführt, und auch das Trentino mit Südtirol bis zum Brenner, Istrien und Dalmatien, was Italien erhielt und was ihm versprochen wurde, das war dann am Ende doch die beachtlichen Opfer am Isonzo und in den Dolomiten nicht wert.
 
Der ehemalige Ministerpräsident Giolitti fand am 09.Mai 1915 harte Worte für das Vorgehen der italienischen Regierung.
"Den Vertrag jetzt zu brechen und von der Neutralität zum Angriff überzugehen, ist ein Verrat, wie es ihm kaum je in der Geschichte gegeben hat." Die beiden Botschafter in Wien und Berlin, der Herzog von Avarna und Bollati sahen das eben so.
San Giuliano warnte schon im August 1914, ein Kurswechsel von der "triplice alleanza" hin zur Entente werde Italien in ganz Europa verächtlich machen und dürfe, wenn überhaupt, nur in der Sicherheit des Sieges und unter Nutzung umfassender Garantien unternommen werden. Nun, die Sicherheit des Sieges war angesichts des Zustandes des italienischen Heeres sicher nicht gegeben. Der Nachfolger, San Giuliano verstarb im Oktober 1914, wurde Sidney Sonnino, ein Mann der eigentlich als entschlossener Befürworter des Dreibundes galt. Das war jedoch angesichts der Situation Vergangenheit. Der Machiavellist Sonnino wollte zum Ausbau der "italienischen Großmachtstellung" gnadenlos ausnutzen um die irredenten Territorien für Italien einzukassieren.

Italien "löste den Vertrag auf", bevor es den Krieg erklärte, obwohl das gar nicht möglich war, denn es gab keine Kündigungsklausel. Aber das interessierte einen Salandra und Sonnino und Co. nicht weiter, denn Italien sollte nun endlich eine wirkliche Großmacht werden.
Tatsächlich betrieben die Verantwortlichen in ihrer Besessenheit ein unglaubliches Hasardspiel, das sie mit Mitteln und Möglichkeiten rechneten, die Ihnen überhaupt gar nicht zur Verfügung standen. Es wäre sicher nicht die schlechteste Idee gewesen, mit dem italienischen Chef des Generalstabes zu sprechen, und so vor allem über den Istzustand und die Leistungsfähigkeit des Heeres informiert zu werden.

Salandra und Sonnino unterschätzten sträflich brutal die Härte des Weltkrieges und meinten wohl, das italienische Heer könne in einer Art von Betriebsausflug machen und die erwünschten Territorien einsammeln, vor allem vor dem Hintergrund, das sich Österreich-Ungarn gegen Russland gerade verblutete. Man erwartete wohl den Zusammenbruch der Monarchie. Das war ein gravierender Fehler.
Das unverantwortliche Handeln der italienischen Verantwortlichen hat letzten Endes Italien, aufgrund der ungeheuerlichen Verluste, in eine physische und auch moralische Katastrophe geführt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist das aber schon eine recht machiavellistische Politikauffassung, und die historischen Ansprüche Italiens auf Istrien, Dalmatien und den Dodekanes waren doch recht fragwürdig. Es gab eine gewisse Tradition der Venezianer, aber das war auch schon eine ganze Weile her, es gab in den beanspruchten Gebieten keine italienischsprachige Mehrheit oder auch nur starke Minderheit.
Also ich denke "machiavellistisch" und rücksichtslos, war die Auffassung, die dem Imperialismus als solchem zu Grunde lag im Allgemeinen und damit auch die Praxis.

Und das Missachten von Verträgen war keine italienische Spezialität, sondern zumindest, wenn man sich die koloniale Sphäre anschaut eher die Regel in der politischen Praxis der Großmächte.
Z.B. dann, wenn sie in ihren Kolonialen Auseinandersetzungen internationale Abkommen zur Kriegsführung, die sie selbst unterschrieben hatten, einfach mal souverän missachteten.

Die imperialen Akteure Europas waren ja durch die Bank der Meinung Rechte welcher Art auch immer ausschließlich sich selbst zuzugestehen und Verträge, die theoretisch die Rechte und Rechtsgüter der Bewohner von Teilen Afrikas und Asiens oder deren Gesellschaften, Ländern oder Korporationen schützten einfach mal für nichtig zu betrachten, wenn sie gerade den eigenen Intessen im Weg waren.

Insofern finde ich es ein wenig unangebracht, sich über das Missachten von Verträgen auf italienischer Seite derart zu Echauffieren. Wenn Italien damit ein Tabu gebrochen hat, dann allenfalls dadurch, dass es Verträge mit europäischen Akteuren missachtete, aber nicht dadurch, dass es Verträge im Allgemeinen missachtete.
Und ob selbst das so ein Unikum war? Ich glaube auf dem Weg zur deutschen Einheit haben auch Preußen und Österreich diverse Verträge in extermer Weise missachtet, die sie wechselseitig untereinander und mit anderen Vertragsparteien der Deutschen Bundesakte von 1815 hatte.

Ein Bismarck selbst, hat als er 1866 dem Königreich Italien im Fall eines gemeinsamen, erfolgreichen Krieges gegen Österreich Venetien als Beute anbot im Prinzip genau die gleiche Politik betrieben, wie später die Entente Mächte und hat genau dieses Verhalten Italiens seinerzeit gefördert und belohnt.

Interssanterweise ist diese Episode italienischen Opportunismusses und Machiavelismusses nicht als besonders negativ in die deutsche Geschichtsschreibung eingegangen - kein Wunder, es hätte ja irgendwie am Ruf des Nationalheiligen Bismarck und dessen Darstellung als "ehrlicher Makler" gekratzt-.

Also merke, wenn sich Italien von Berlin unter Bruch der Deutschen Bundesakte, da Berlin damit eine auswärtige Macht zum Krieg gegen ein Bundesmitglid anstachete, ködern ließ dann war das in Ordnung und nicht zu beanstanden.

Wenn es sich von der Entente unter Bruch des Dreibundvertrags kaufen ließ, dann war das unverzeihlicher Verat hervorgerufen durch einen absolut miesen Charakter und Beutegier.

Finde den Fehler.


Was das Thema Ansprüche angeht:

Ich denke der Beruf auf die historischen Territorien der Republik Venedig war im Kern nicht Unsinniger als der Beruf manches Deutschen Nationalisten anno 1871/1871, der versuchte die Annexion Elsass und Lothringens damit zu begründen, dass diese Territorien anno Schnee mal zum alten Römisch-Deutschen Kaiserreich gehört hatten.

Italien war so wenig Venedig, wie Preußen-Deutschland in irgendeiner Form Rechtsnachfolger des alten Heiligen Römischen Reiches war, und die Bevölkerung fragte man vorsichtshalber nicht.


Bismarck begründet die Annexion Elsass-Lothringens seinerzeit mit strategischen und militärgeographischen Interessen, dass man annektieren müsse, wegen der Festungen und um ein militärisches Vorfeld gegen Frankreich zu haben. Die italienische Argumentation war zum Teil ähnlich. Zum Teil wurden Gebiete an der Östlichen Adria einfach deswegen gefordert, weil sich diese durch die Geographie steilerer Küsten und geschützter Buchten besser als Marinestützpunkte eigneten, als die italienischen Häfen etc.

Und natürlich spielte für Italien eine Rolle die Adria für sich selbst weitgehend zu sichern um eine Hand auf den Handel im Westbalkan zu bekommen.
Die Annexion Elsass-Lothringens sicherte zwar keine Küste, monopolisierte aber den Oberrhein als Verkehrs- und Handelsroute für das deutsche Reich, was sicherlich die deutschen Einflussmöglichkeiten in der nördlichen und nordwestlichen Schweiz stärkte.


Man kann da gewisse Parallelen sehen, Frage ist, will man.

Italia Irridenta- "das unerlöste Italien" das war ein politisches Schlagwort, doch Italien hätte den Großteil der Gebiete, in denen Italiener die Mehrheit der Bevölkerung lebten, fast das ganze Trentino- das alles hätte Italien ohne einen mörderischen Krieg haben können.
Naja, möglicherweise hätte es sich damit begnügt, wenn Wien das rechtzeitig angeboten hätte.

Aber die Krux ist ja, dass so lange Giolitti und sein Neutralitätskurs in Italien populär waren Wien sich weiterte Italien irgendwas anzubieten.

Das Angebot der Überlassung des Trentino kam erst, als die Entente schon wesentlich mehr geboten hatte und das Österreichische Angebot hatte den Haken, dass Wien darauf bestand Italien das Gebiet erst nach dem Krieg zu überlassen.
Das heißt Rom hätte unter diesen Umständen die Katze im Sack gekauft und wäre das Risiko eingegangen, dass Wien dann möglicherweise von seinem Verprechen nach gewonnenem Krieg nichts mehr würde wissen wollen.

Das gehört zu den Tatsachen schon auch mit dazu.

Die italienische Führung hat den Krieg nicht zuletzt mit äußerster Brutalität auch gegen die eigenen Soldaten geführt, und auch das Trentino mit Südtirol bis zum Brenner, Istrien und Dalmatien, was Italien erhielt und was ihm versprochen wurde, das war dann am Ende doch die beachtlichen Opfer am Isonzo und in den Dolomiten nicht wert.
Das wird sicherlich jeder vernünftige moderne Mensch so sehen, aber das war halt nicht das Mindset der damaligen Gesellschaften und Akteure.

Nur damit standen ja die Italiener nicht allein. Die Italienische Führung hätte es vermeiden können sich in den Krieg verwickeln zu lassen, die Deutsche hätte seinerzeit 1917, als Russland am Ende war die Gelegenheit gehabt das Angebot eines allgemeinen Friedens mit keinen bis geringfügigen Änderungen am Status Quo ante auf den Tisch zu legen.

Tat sie aber nicht, weil ihr ein "Hindenburg-Frieden", Gebiete in Belgien und Osteuropa auf die man keine sinnvollen Ansprüche hatte etc. wichtiger waren und deswegen musste dann noch ein Jahr weiter krepiert werden.

Überhaupt hätte eigentlich keine Beteiligte größere Macht einen unbedingten Zwang gehabt sich auf diesen Waffengang einzulassen, Getan haben es trotzdem alle.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Shinigami (nach dieser gewaltigen Wortlawine) warum setzte man überhaupt Verträge auf, wenn es doch nach deiner Darstellung Usus war, diese nicht ernst zu nehmen, sondern nach Lust und Laune zu brechen? Und diese Praxis müsste doch allen bekannt gewesen sein, sodass die mühsame Verhandelei a priori sinnlos war - warum machten die das trotz dieses Wissens?
 
Italien "löste den Vertrag auf", bevor es den Krieg erklärte, obwohl das gar nicht möglich war, denn es gab keine Kündigungsklausel. Aber das interessierte einen Salandra und Sonnino und Co. mit seinem Machiavellismus nicht, denn Italien sollte nun endlich eine wirkliche Großmacht werden.
Man könnte sich jetzt spitzfindig darüber unterhalten, ob rein juristisch gesehen dieser Vertrag wegen der Missachtung der Informationspflicht seitens Berlin und Wien und wegen dem Kompensationsartikel und der Wiener Weigerung Kompensation von Beginn an in Aussicht zu stellen, obwohl Rom, wenn Wie beabsichtigte den territorialen Zuschnitt Serbiens zu verändern (was es tat, wenn auch nicht zu eigenen Gunsten, sondern zu denen Bulgariens) möglicherweise kompensationsberechtigt gewesen wäre, möglicherweise ohnehin bereits gegenstandslos geworden war.

Das nur am Rande.
 
@Shinigami (nach dieser gewaltigen Wortlawine) warum setzte man überhaupt Verträge auf, wenn es doch nach deiner Darstellung Usus war, diese nicht ernst zu nehmen, sondern nach Lust und Laune zu brechen? Und diese Praxis müsste doch allen bekannt gewesen sein, sodass die mühsame Verhandelei a priori sinnlos war - warum machten die das trotz dieses Wissens?
Ich würde annehmen, um auf eine gewisse Zeit ein gewisses Maß an Sicherheit zu gewinnen.

Denn eins ist doch offensichtlich: So lange Krieg als legitimes Mittel der Politik galt um eigene Interessen duchzusetzen, standen Verträge die das Kräfteverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt abbildeten grundsätzlich zur Disposition.

So lange es als grundsätzlich legitim galt Kriege zu führen um zu Erobern und das betrachteten alle imperialistischen Akteure vom Grundsatz her so, (vertraglich geächtet wurde der Angriffskrieg erst mit dem Briand-Kellogg-Pakt ende der 1920er Jahre) musste es auch in gewissem Maße als legitim gelten frühere Verträge, die z.B. Grenzverläufe regelten einfach mal souverän in die Tonne zu treten obwohl man sie als sie ausgehandelt wurden als Akteur möglicherweise selbst mal unterschrieben hatte.
 
Man könnte sich jetzt spitzfindig darüber unterhalten, ob rein juristisch gesehen dieser Vertrag wegen der Missachtung der Informationspflicht seitens Berlin und Wien und wegen dem Kompensationsartikel und der Wiener Weigerung Kompensation von Beginn an in Aussicht zu stellen, obwohl Rom, wenn Wie beabsichtigte den territorialen Zuschnitt Serbiens zu verändern (was es tat, wenn auch nicht zu eigenen Gunsten, sondern zu denen Bulgariens) möglicherweise kompensationsberechtigt gewesen wäre, möglicherweise ohnehin bereits gegenstandslos geworden war.
...:... _ wow, welch ein Satz! Jetzt heißt es für Thomas Mann, Marcel Proust: warm anziehen. :) ;):)
 
So lange es als grundsätzlich legitim galt Kriege zu führen um zu Erobern und das betrachteten alle imperialistischen Akteure vom Grundsatz her so, (vertraglich geächtet wurde der Angriffskrieg erst mit dem Briand-Kellogg-Pakt ende der 1920er Jahre) musste es auch in gewissem Maße als legitim gelten frühere Verträge, die z.B. Grenzverläufe regelten einfach mal souverän in die Tonne zu treten
...sooo einfach war das? Ich will erst gar nicht von 1870/71 anfangen...
 
...sooo einfach war das? Ich will erst gar nicht von 1870/71 anfangen...
Ich glaube 1870/1871 hat ein Großteil der französischen Öffentlichkeit nach Krieg geschriehen um irgendwelche eigebildeten Demütigungen und die Tatsache, dass man Frankreich gemeiner Weise nicht Luxemburg überlassen wollte zu "rächen".

Die französische Öffentichkeit damals hielt es offensichtlich für vollkommen normal wegen sowas Krieg anzufangen (und damit auch gleich mal bestehende Regelungen in Sachen Grenzverlauf infrage zu stellen).

Die internationale Empörung darüber hielt sich in Grenzen, jedenfalls erschien das französische Handeln keiner der anderen Großmächte derart verächtlich, dass diese sich genötigt gesehen hätten aktiv einzugreifen und dem Rowdytum Frankreichs als Akteur die Grenzen aufzuzeigen.
 
Ein Bismarck selbst, hat als er 1866 dem Königreich Italien im Fall eines gemeinsamen, erfolgreichen Krieges gegen Österreich Venetien als Beute anbot im Prinzip genau die gleiche Politik betrieben, wie später die Entente Mächte und hat genau dieses Verhalten Italiens seinerzeit gefördert und belohnt.

Mit dem sehr feinen Unterschied, das Italien frei, also mit keiner anderen Macht verbunden war. Das gehört der Vollständigkeithalber schon dazu.

Und das Missachten von Verträgen war keine italienische Spezialität, sondern zumindest, wenn man sich die koloniale Sphäre anschaut eher die Regel in der politischen Praxis der Großmächte.
Z.B. dann, wenn sie in ihren Kolonialen Auseinandersetzungen internationale Abkommen zur Kriegsführung, die sie selbst unterschrieben hatten, einfach mal souverän missachteten.

Der italienische Fall war schon speziell und es geht im vorliegenden Falle nicht um irgendwelche kolonialen Spritztouren, sondern einfach darum, das Italien seine Verbündeten gegenüber wenig vornehm verhalten hat. Es fällt mir schwer zu verstehen, das du dieses Verhalten immer wieder rechtfertigst.
nsofern finde ich es ein wenig unangebracht, sich über das Missachten von Verträgen auf italienischer Seite derart zu Echauffieren

Das ist in keiner Weise unangebracht, sondern angemessen.
Interssanterweise ist diese Episode italienischen Opportunismusses und Machiavelismusses nicht als besonders negativ in die deutsche Geschichtsschreibung eingegangen - kein Wunder, es hätte ja irgendwie am Ruf des Nationalheiligen Bismarck und dessen Darstellung als "ehrlicher Makler" gekratzt-.

Die deutsche Geschichtsschreibung hat die Neigung, sich, sagen wir einmal ab 1862 bis 1945, selbst mit Dreck zu bewerfen und die "Schandtaten" der anderen Mächte entweder zu verniedlichen oder einfach zu verschweigen. Ganz anders sieht da die Geschichtsschreibung der heutigen Freunde aus. In Italien ist man der Meinung, das eigene Verhalten war okay. Da lassen sich Beispiele ohne Ende anlisten. Schreibe mies über Deutschland in jener Zeit, und der nächste Historikerpreis ist so gut wie gewonnen.

ismarck begründet die Annexion Elsass-Lothringens seinerzeit mit strategischen und militärgeographischen Interessen, dass man annektieren müsse, wegen der Festungen und um ein militärisches Vorfeld gegen Frankreich zu haben. Die italienische Argumentation war zum Teil ähnlich. Zum Teil wurden Gebiete an der Östlichen Adria einfach deswegen gefordert, weil sich diese durch die Geographie steilerer Küsten und geschützter Buchten besser als Marinestützpunkte eigneten, als die italienischen Häfen etc.

Und natürlich spielte für Italien eine Rolle die Adria für sich selbst weitgehend zu sichern um eine Hand auf den Handel im Westbalkan zu bekommen.
Die Annexion Elsass-Lothringens sicherte zwar keine Küste, monopolisierte aber den Oberrhein als Verkehrs- und Handelsroute für das deutsche Reich, was sicherlich die deutschen Einflussmöglichkeiten in der nördlichen und nordwestlichen Schweiz stärkte.


Man kann da gewisse Parallelen sehen, Frage ist, will man.

Parallelen? Italien benötigte die Hilfe und das Wohlwollen Dritter, da es nicht imstande war, seineTräumereien zu verwirklichen. Darüber hinaus war Frankreich der Aggressor und hatte den Krieg erklärt. Finde den Fehler. Und du hopplest ja ganz schön wieder durch die Zeit. 1866, 1870 der Kellogpakt. Bleibe doch einfach bei 1914/15.
 
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