Darum geht es doch auch garnicht, sondern um allgemeines machtpolitisches Kalkül. Dass man Preußen an der Seite Preußens kontrollieren könnte, halte ich für undenkbar. Zusammen mit Frankreich ließ sich schon eher Druck aufbauen.
Preußen sehe zumindest ich als traditionellen Gegenpart zu Kurhannover in Norddeutschland. Klar, war das vor 1756 noch deutlicher erkennbar...
Im Frieden von Paris waren alle Gebietsansprüche Englands befriedigt worden. Zwischen England und Frankreich war (fast) alles geregelt, sodass berechtigte Hoffnungen bestanden, dass die beiden Westmächte aus der Situation heraus, dass beide keine Gebietsforderungen auf dem Kongress stellen würden oder konnten zu Schiedsrichtern auf dem Kongress werden könnten.
Preußen war, beginnend in Kalisch, die Wiederherstellung in der Größe von 1805 mit etwa 10 Millionen Untertanen zugesagt worden. Daran hielten sich alle Allierten. Nicht festgelegt war hingegen, wie und wo diese Wiederherstellung stattfinden sollte.
Daraus ergaben sich natürlich Differenzen zwischen Frankreich und England:
"Talleyrand wollte Preußen vor allem das Königreich Sachsen vorenthalten, an dessen Erhaltung Ludwig XVIII., der Sohn einer sächsischen Prinzessin, verwandschaftliches Interesse nahm, und für alle Vergrößerungsforderungen eintreten, welche Bayern, Braunschweig, Hessen, Hannover erheben würden, "um den Kreis der für Preußen verfügbaren Länder so klein wie möglich zu machen". Er wollte Preußen von Mainz und aus dem Lande links der Mosel fernhalten und seine Macht lähmen durch eine die kleinen Staaten begünstigende Organisation des Deutschen Bundes. Dagegen wünschte England ein wenigstens an der Westgrenze starkes Preußen, das Holland und Hannover gegen französische Angriffgelüste zu schützen vermochte, und wollte Preußen in Norddeutschland in gewissem Grade zufriedenstellen, wenn seine Politik den englischen Wünschen auf dem Festland dienlich sein würde." [1]
England war auch lange Zeit bereit, Preußen ganz Sachsen zu überlassen.
Nicht uninteressant ist Talleyrands Einschätzung zu Preußen, die seiner Strategie vorherging:
"In Deutschlang gilt daselbe von Preußen, denn die geografische Lage dieser Monarchie macht ihr Streben nach Vergrößerung zu einer Notwendigkeit. Jeder Vorwand hierzu ist ihr willkommen; kein Bedenken hält sie darin auf, und was für sie für zweckmäßig hält, hält sie für Recht. Dadurch hat Preußen es zuwege gebracht, im Laufe von dreiundsechzig Jahren seine Bevölkerung von 4 Millionen bis auf 10 zu steigern und so den Grund zu einer sehr ausgedehnten Monarchie zu legen und sich sozusagen einen Rahmen für ein noch größeres Reich zu schaffen, in welchem es nach und nach die zerstreut liegenden und noch zu erwerbenden Gebiete einfügen will. Der furchtbare Sturz, den sein Ehrgeiz ihm zuzog, hat Preußen von dieser Sucht nicht geheilt. Augenblicklich durchstreifen seine Emissäre und Parteigänger ganz Deutschland, wiegeln das Volk auf und schildern Frankreich in den schwärzesten Farben. Frankreich, so behaupten sie, stehe schon bereit, abermals Preußen zu überfallen, und da letzteres allein nicht im stande sei, Deutschland zu verteidigen, so verlangen sie, dass man es ihm, unter dem Vorwande, es zu schützen, preisgebe. Preußen hat auch ein Auge auf Belgien geworfen, ja, es nimmt alles Land zwischen den gegenwärtigen Grenzen Frankreichs, des Maas und den Rhein für sich in Anspruch. Es will Luxemburg, Mainz und ganz Sachsen besitzen, weil sonst angeblich nicht in Sicherheit leben könne... Ließe man Preußen rhig gewähren, es würde bald 20 Millionen zählen und ganz Deutschland unterjochen. [2]
Es spricht viel Weitsicht aus den Worten Talleyrands und so kann es nicht wundern, dass er sich energisch gegen die Ansprüche Preußens stellte, sogar versuchte, durch die Beurteilung der Qualität der zu verteilenden "Seelen" die Ansprüche Preußens zu verkleinern.
Grüße
excideuil
[1]
Griewank, Karl: Der Wiener Kongress und die europäische Restauration 1814-15, Koehler & Amelang, Leipzig, 1954 (1942) Seite 104
[2] Talleyrand: „Memoiren des Fürsten Talleyrand“, herausgegeben mit einer Vorrede und Anmerkungen von Herzog de Broglie, Original Ausgabe von Adolf Ebeling, Köln und Leipzig, 1891-1893, Bd. 2, Seite 188