Der Hinweis auf Pankow gibt zu erkennen, aus welcher Quelle Rust, Heusinger und Ruge dieses Fehlurteil über die Kaiser-Kulis Reichpietsch und Köbis geschöpft haben. Das Wort "Meuterer" trifft die beiden Heizer zwar genau. Aber das revolutionäre "Ziel", das die drei Kommuniqué-Autoren den Meuterern unterschieben, stammt unzweifelhaft aus einer Geschichtsdarstellung, die teils von deutschnationalen, teils von kommunistischen Propagandisten verfertigt und von Historikern und Juristen längst als Geschichtslegende entlarvt wurde.
In Wahrheit hatten die Matrosen - sofern die Politik bei der Flottenmeuterei 1917 überhaupt im Spiel war - lediglich von dem gleichen Bürgerrecht Gebrauch gemacht, das die Offiziere unbedenklich für sich in Anspruch nahmen. Die Offiziere propagierten annexionistische Kriegsziele und ein straffes antiparlamentarisches Regiment, die Mannschaften den Frieden ohne Annexionen und das allgemeine, gleiche Wahlrecht.
Die Partie wurde freilich mit ungleichen Mitteln ausgetragen. Die Offiziere nutzten dienstliche Gelegenheiten, um Propagandareden zu halten; die Mannschaften konnten es nur im Verschwörerkreis wagen sich zu äußern.
Kein Zweifel, solche Konspirationen der Matrosen entsprachen kaum dem althergebrachten Marine-Ideal stummen Gehorsams. Umgekehrt aber kamen die miserablen Dienstverhältnisse in der Kaiserlichen Marine auch keineswegs den Vorstellungen nahe, die der gemeine Mann, gleichviel ob politisch eingeschrieben, interessiert oder indifferent, von der Marine und dem Kriegsdienst gehegt hatte. Daß sich die Matrosen schließlich mehr und mehr um Politik kümmerten, war nicht zuletzt auf jene dienstlichen Mißstände zurückzuführen, ohne die in der Hochseeflotte trotz Sozialisten und - später - Spartakisten schwerlich je gemeutert worden wäre.
Quelle:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42620967.html