7.300 BC: gab es eine ‘soziale revolution’ in cayönü (anatolien)?

Ich bin weder Frau noch Arzt ... aber ist es nicht nur ein falscher Mythos, dass stillende Frauen nicht schwanger werden können? Zumindest wird doch davon abgeraten, Stillen als "Verhütungsmethode" zu verwenden.

Natürlich wird davon als Verhütungsmethode abgeraten, weil es ziemlich unsicher ist. Coitus interruptus wird von pro familia ja auch nicht gerade empfohlen, in Zeiten ohne moderne, sichere Verhütungsmittel, konnten aber auch solche Phänomene oder Methoden es unwahrscheinlicher machen, das eine Schwangerschaft eintrat. Beim Stillen könnten auch noch andere Faktoren dafür sorgen, dass es unter heutigen Bedingugnen eher versagt als unter anderen. Krieg ich aus dem Kopf aber nicht mehr zusammen, Stillzeiten und Fettwerte spielten dabei eine Rolle.

Das mit dem Vier-Jahres-Abstand ist allerdings nur für nicht-seßhafte Menschen naheliegend, da ein wichtiger Grund die Tatsache ist, dass die Mutter sonsz zwei kleine Kinder tragen müsste. Am Vierjähriger kann langsam anfangen, der Gruppe auf eigenen Beinen zu folgen.
 
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'blutrinnen': mir erscheint es etwas unlogisch, einen verstorbenen, dessen herz und blutkreislauf bereits stillstehen, in einen tempel zu bringen, um ihn ausbluten zu lassen und ihn dann nach draussen zu tragen, damit die geier ihren job machen

Menschen tun manchmal unlogische Dinge. Bei der Himmelsbestattung in Tibet werden die Verstorbenen erst zerstückelt und dann lässt man sie von den Geiern fressen. Die Vögel würden das auch ohne menschliche Hilfe schaffen. Von den Toten bleibt nichts übrig. Die Knochen fressen die Bartgeier.
 
Menschen tun manchmal unlogische Dinge.
Richtig.
Ich finde es auch nicht sehr logisch, einen lebenden Menschen in einen Tempel zu bringen, um ihn dort zu schlachten.
Trotzdem bezweifle ich nicht, dass es sowas gegeben hat.


Apropos Entfleischungsverfahren:
Im Mittelalter gab es die sogenannte "deutsche Sitte":
"Die Deutschen entnehmen die Eingeweide aus den Leichnamen hochgestellter Männer, wenn diese in fremden Ländern sterben, und lassen das Übrige so lange in Kesseln abkochen, bis alles Fleisch, die Sehnen und die Knorpel von den Knochen getrennt sind; diese Knochen, gewaschen in wohlriechendem Wein und bestreut mit Spezereien, bringen sie dann anschließend in ihre Heimat fort."

http://de.wikipedia.org/wiki/Mos_teutonicus
 
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Krieg ich aus dem Kopf aber nicht mehr zusammen, Stillzeiten und Fettwerte spielten dabei eine Rolle.

Wer denkt, dass Stillen eine sichere Verhütungsmethode ist, dem kann die Natur schnell einen Strich durch die Rechnung machen. Richtig ist zwar, dass im Gehirn der Mutter durch das Saugen des Kindes das Milchbildungshormon Prolaktin ausgeschüttet wird. Je mehr davon im Blut zirkuliert, desto eher wird der Eisprung unterdrückt. Doch schon bei Stillpausen ab vier Stunden kann der Prolaktinpegel so weit sinken, dass es zum Eisprung kommen kann. Auch eine voll stillende Mutter sollte daher an Verhütung denken.
Verhütung: Verhüten in der Stillzeit - 4-8 Monate - Eltern.de


Das mit dem Vier-Jahres-Abstand ist allerdings nur für nicht-seßhafte Menschen naheliegend, da ein wichtiger Grund die Tatsache ist, dass die Mutter sonsz zwei kleine Kinder tragen müsste.

Da das mit der Verhütung oft nicht klappt, hat man auch zu grausigen Methoden gegriffen:
Auch bei den ǃKung (das ‚ǃ‘ steht für einen Laut, für den es im Deutschen keinen Buchstaben gibt), einem Nomadenvolk aus der Wüste Kalahari ist die Tötung Neugeborener kein ungewöhnliches Phänomen. Die Frauen brachten ihre Säuglinge um, wenn sie mit einer Fehlbildung zur Welt kamen, der Abstand zum nächstälteren Geschwisterkind als zu klein betrachtet wurde (weniger als etwa drei bis vier Jahre) und bei Mehrlingsgeburten wurden prinzipiell alle Neugeborenen bis auf eines getötet.
Neonatizid ? Wikipedia
 
Das mit dem Vier-Jahres-Abstand ist allerdings nur für nicht-seßhafte Menschen naheliegend, da ein wichtiger Grund die Tatsache ist, dass die Mutter sonsz zwei kleine Kinder tragen müsste. Am Vierjähriger kann langsam anfangen, der Gruppe auf eigenen Beinen zu folgen.
in einem frühen beitrag dieses threads schrieb ElQ, dass sie sogar alles über zwei kinder oft selbst getötet haben, da fliehen mit mehr als einem kind auf dem arm nicht möglich ist (und ein 4-jähriges alleine noch nicht wirklich fliehen kann)

zitat: ...im Gehirn der Mutter durch das Saugen des Kindes das Milchbildungshormon Prolaktin ausgeschüttet wird. Je mehr davon im Blut zirkuliert, desto eher wird der Eisprung unterdrückt.

danke, das hab ich gesucht

lg
 
Mir ist das Verhalten des (guten) afrikanischen Jägers, der seine Pfeile anderen Leuten in den Köcher schmuggelt nicht klar. Was soll das denn nutzen?
mehr als in klaus' beitrag steht, weiss ich auch nicht, aber meine vorstellung sieht so aus:

jeder jäger stellt seine eigenen pfeile her - diese sind aber von jäger zu jäger unterschiedlich (z.b. holz, länge, faden usw.), so dass man erkennen kann, aus wessen köcher der geglückte schuss kam

es scheint eine art spiel zu sein, dass der gute schütze dann seine (gleichen) pfeile mehreren anderen unterschiebt, um sagen zu können: 'nein, ich war es nicht, er war es, seht her, er hat die gleichen pfeile im köcher'

in dorf angekommen kann dann keiner mehr sagen, wer der erfolgreiche schütze war, denn es haben mehrere die gleichen pfeile bei sich

so wird verhindert, dass einer der ruhm einsteckt, bewundert wird und dadurch bei den andren neid erzeugt ... besonders, wenn es ein guter schütze ist, und er wiederholt 'den bock abschiesst'

zum vergleich die andere möglichkeit: der schütze ist stolz, dass ER es war, lässt sein ego auf den plan treten, wirft sich in die brust, prahlt im dorf damit: 'ICH hab den bock erlegt' - der wird nicht nur neid sondern auch irgendwann hass auf sich ziehen ... und das wäre für die gemeinschaft schädlich

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für mich ist diese geste mit den pfeilen eine sehr ehrhafte! - haben wir so etwas heute noch?
mir fällt nur ein beispiel aus der bibel ein, was aber nicht so richtig passt, nur in etwa in die gleiche richtung geht: 'gib deine almosen im stillen' (heisst: prahle nicht mit deinen taten)
Wenn das der Grund für den Tausch der Pfeile ist so wäre das ein durchaus positives Verhalten. Nur frage ich mich, nach welchen Kriterien ein solches Volk seine Stammesführer auswählt, wenn jeder seine Begabungen und Fähigkeiten bescheiden versteckt. Spätestens wenn es darum geht eine Frau zu beeindrucken, wird der wahre oder vermeintlich wahre Schütze seiner Angebeteten zu verstehen geben, dass das Dorf ohne seinen Schuss gehungert hätte. Ich denke dass das Prahlen, als Teil des Paarungsverhaltens bei Männern überall auf der Welt ähnlich ist.

Ich bin auch in einer Gesellschaft aufgewachsen in der nur die Leistung des Kollektivs zählen sollte und mir wird die Prahlerei, das Protzen mit Statussymbolen und das sich selbst in den Vordergrund stellen auch immer etwas fremd bleiben. Es gab aber auch im Sozialismus jede Menge Egoisten und im Privatleben machte jeder Seins. Deshalb wird der Kommunismus stets eine Utopie bleiben. Er würde Menschen ohne individuelle Eigenschaften voraussetzen.
 
Zu dem Thema habe ich gefunden: I. Eibl-Eibesfeldt "Die Biologie des menschlichen Verhaltens" (1984), 5. Aufl., S. 126 : "Das Rangstreben ist altes Primatenerbe. Bei den meisten altsteinzeitlichen Jäger- und Sammlervölkern wird es allerdings im Interesse der Erhaltung des inneren Friedens unterdrückt. So dürfen die Buschmänner der zentralen Kalahari nicht mit ihrem Jagderfolg prahlen. Die Beute wird nach genauen Regeln verteilt, und das einzige, was dem Jäger bleibt, ist das Recht, zu verteilen. Damit ein erfolgreicher Jäger aber nicht zu oft als Verteiler auftritt und sich damit vielleicht über die anderen heraushebt, gehört es zu den Pflichten eines jeden, im eigenen Köcher auch Pfeile anderer Jäger bei sich zu tragen und diese auch zu verwenden. Das Recht, zu verteilen, fällt dem Besitzer des Pfeiles zu, der das Tier tötete und damit nicht notendigerweise dem erfolgreichen Schützen. Die Egalität wird hier kulturell erzwungen, sie ist nicht primär gegeben, wie das im älteren Schrifttum gelegentlich fälschlich behauptet wird. "
 
Vor allen Dingen ist es so herum - der erfolgreiche Jäger schießt mit den Pfeilen eines weniger erfolgreichen - auch viel logischer. Bei solchen Geschichten wie der "Schmuggelei" (noch dazu in die falsche Richtung) habe ich eben immer den Verdacht, dass es um die Legende vom "edlen Wilden" geht, das heißt, dass es nicht darum geht, eine bestimmte vormoderne Kultur besser zu verstehen, sondern darum, "unsere" Gesellschaft zu verändern.
 
Mam merkt das dann häufig daran, dass das angebliche Verhalten der "edlen Wilden" keinen Sinn zu ergeben scheint. Pfeile in den Köcher eines anderen zu schmuggeln könnte ja sogar versuchter Betrug sein, weil dann die eigenen Chancen steigen - und ich gehe mal nicht davon aus, dass es Jäger gibt, die immer oder überhaupt nie treffen.

Dazu kommen dann (wie von Galeotto bereits erwähnt) Dinge wie die Wahl von Anführern (bei der Jagd oder im Dorf) oder die Entscheidung für irgendeine Form von Beziehung/ Partnerschaft/ Ehe, wo natürlich die Erfolgreichen im Vorteil gewesen sein dürften.
 
Ich denke dass das Prahlen, als Teil des Paarungsverhaltens bei Männern überall auf der Welt ähnlich ist.
ich auch, und bei frauen auch zu beobachten - ichsucht, geltungssucht, ego

am ende eines intensiven seminares sagte mal ein junger mann unter tränen in der runde: 'ich habe einfach keine lust mehr, mich ständig kleiner oder grösser zu fühlen als andere' - eben der effekt, dass wir uns tief in uns minderwertig fühlen (kleiner) und das beheben durch prahlen, sich dicke tun oder noch mehr schuhe kaufen (grösser)

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dieses pfeile schmuggeln ist ein spiel, jeder weiss wer der schütze war und jeder weiss, dass er pfeile zugesteckt bekommt, aber alle spielen es mit - ritualisiert

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die menschen in catal höyük, die zu tausenden wand an wand über tausend jahre friedlich zusammengelebt haben, die müssen meiner ansicht nach ein ganzes bündel von solchen absprachen, regeln und ritualen gehabt haben, denn eine ich-orientierte gesellschaft, wo jeder erstmal an sich denkt und sich durch lug, trug und gewalt vorteile verschafft, die hätte nicht ein jahr weiter existiert

der text bei wiki zu den akephalen gesellschaften gefällt mir so gut, dass ich hier einen teil kopiere:

"Akephale Gesellschaften sind auch egalitäre Gesellschaften, also auf politische und soziale Gleichheit ihrer Mitglieder gerichtet. Es gibt allenfalls Respektspersonen, beispielsweise die Älteren (Arnold Gehlen: „Institution im Einzelfall“). Macht ist demnach nicht dauerhaft an bestimmte Personen oder Institutionen gebunden. Sie wird je nach Erfordernis (beispielsweise Jagdvorhaben, Verteidigung) basisdemokratisch an geeignete Personen verliehen, die sich durch besondere Fähigkeiten hervorgetan haben. Solche Führungsrollen können nur für Teile der Gesellschaft gelten und sind zeitlich begrenzt. Sie sind nicht mit sanktionellen Herrschaftsrechten (beispielsweise Gewaltmonopol, Rechtsprechung oder Abgaben) ausgestattet.

Akephal organisiert sind insbesondere Jäger und Sammler-Gemeinschaften. Ihre geringe Gruppengröße, die engen Beziehungen der Mitglieder untereinander und die geringe Bedeutung von persönlichem Besitz und Eigentum mindern soziale Unterschiede und verhindern die Machtkonzentration auf Einzelnen."

lg
 
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akephale gesellschaften ... "(1)Ihre geringe Gruppengröße, (2)die engen Beziehungen der Mitglieder untereinander und (3)die geringe Bedeutung von persönlichem Besitz und Eigentum mindern soziale Unterschiede und verhindern die Machtkonzentration auf Einzelnen."

(1) - catal höyük scheint mir ein beispiel dafür zu sein, dass es auch bei grösseren gemeinschaften funktioniert (um die 5.000 menschen!) - ob es auch bei staatengrösse noch funktioniert, werden wir irgendwann ausprobieren (müssen)

[ich und 'man' erlaube mir bitte diesen vergleich zum heute: uruguays derzeitiger präsident ...[Mod: OT/Tagespolitk entfernt]

(2) - die menschen in catal höyük haben wand an wand gelebt und zusammen gearbeitet, so dass sie sicherlich engste beziehungen zueinander hatten - der gegensatz dazu sind die heutigen anonymen blocksiedlungen von vereinzelten menschen

[Mod: OT/Tagespolitk entfernt]
 
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Wie erklärst du mit deiner Hypothese dass Gewalt eine Zivilisationskrankheit sei die Mordopfer von El Sidrón? Das sind Neandertaler, also deutlich vor der Neolithisierung.
Wie erklärst du, dass Riesenschimpansen kleinere Affenarten gerne aus Spaß jagen? (Bei Menschen würde man von Tierquälerei reden.)
Wie erklärst du, dass die symapthischen Großen Tümmler hin und wieder Schweinswale töten, obwohl diese absolut nicht zu ihrem Beuteschema gehören?
 
Hallo!

Melde mich mal zurück von meiner Recherche.

Meiner Meinung nach kann die These Botts von den Rinderzüchter-Nomaden nicht zutreffen, oder allenfalls als Randerscheinung bei Prozessen, die auch ohne sie stattgefunden hätten.
Das liegt einfach daran, das solche Übergänge von "egalitären, akephalen" Gemeinschaften zu differenzierten Strukturen mehrfach unabhängig voneinander, zu unterschiedlichen Zeiten, in verschiedenen Weltgegenden und bei unterschiedlichen ökologischen Vorraussetzungen stattgefunden haben.

Man kann solche "staatlichen", ausdifferenzierten Kulturen überall finden. Sowohl in technologisch auf steinzeitlichem Niveau angesiedelten Kulturen wie in Amerika, als auch in Eurasien mit Beginn der Kupferzeit.
In Amerika gab es aber keine Rinder oder ähnlich große Haustiere, auch auf polinesischen Inseln gab es keine. Trotzdem entstanden überall solche differenzierten Gemeinschaften.
M.M. nach bietet das Häuptlingstum ? Wikipedia eine bessere Erklärung dafür, weshalb sich hierarchische Gesellschaften bildeten.

Bleibt die Frage, weshalb es in Catal Hüyük und anderen Orten nicht dazu kam?
 
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Das ist ein guter Hinweis, Taurus. Letztlich ist es ja auch so, dass, je mobiler eine prähistorische Gesellschaft ist, desto weniger schlägt sich soziale Hierarchie im archäologischen Befunde nieder.
Selbst heute noch ist das so: Trotz Sklaverei-Verbotes haben die Twareg Sklaven. Für einen Außenstehenden ist aber kaum zu erkennen, wer Sklave und wer Herr ist. Denn die Rechtlosigkeit der Sklaven oder umgekehrt der sozial höhere Stand der Herren schlägt sich nicht etwa in der Art der Kleidung oder des Zeltes nieder, sondern darin, wie jemand behandelt wird (Schläge, Vergewaltigungen) oder was er tun muss (Wasser holen, Tiere hüten) und nicht tun darf (etwa auf einem Kamel reiten).
 
Wie erklärst du, dass Riesenschimpansen kleinere Affenarten gerne aus Spaß jagen? (Bei Menschen würde man von Tierquälerei reden.)

Schimpansen führen sogar "Kriege" gegeneinander, bei denen eine Gruppe von einer anderen langsam aufgerieben (bzw fruchtbare Weibchen manchmal in die eigene Gruppe integriert) werden.

Gemeiner Schimpanse ? Wikipedia

Statistische Untersuchungen an Wildbeuter-Völkern aus dem 20. Jh. (bspw den San) sind zwar mit Vorsicht zu genießen, da sie vermutlich recht ungenau sind. Aus diesen lässt sich aber nicht unbedingt folgern, dass gewaltsame Tode in diesen Gesellschaften seltener sind als in modernen Industriegesellschaften. (Quelle: Bermächtnis von J. Diamond, müsste nachschauen, wer die Untersuchungen aus geführt hat, die er erwähnt).
 
Statistische Untersuchungen an Wildbeuter-Völkern aus dem 20. Jh. (bspw den San) sind zwar mit Vorsicht zu genießen, da sie vermutlich recht ungenau sind. Aus diesen lässt sich aber nicht unbedingt folgern, dass gewaltsame Tode in diesen Gesellschaften seltener sind als in modernen Industriegesellschaften. (Quelle: Bermächtnis von J. Diamond, müsste nachschauen, wer die Untersuchungen aus geführt hat, die er erwähnt).

Die Kriminologin Amy Nivette von der Universität Cambridge kommt zu einem eindeutigen Schluss. Sie wertete kürzlich Studien zur Häufigkeit von Gewalt unter nicht-staatlichen Gesellschaften aus (British Journal of Criminology, Bd. 51, S. 578, 2011). Selbst die friedlichsten der untersuchten indigenen Völker weisen demnach "vergleichsweise hohe Gewaltraten auf". Das gleiche Bild zeichnet der Ethnologe Jürg Helbling von der Universität Luzern, Autor des Buches "Tribale Kriege. Konflikte in Gesellschaften ohne Zentralgewalt." Im Schnitt sterbe in nicht-staatlichen Gesellschaften ein Viertel der Bevölkerung durch Gewalt, unter Männern betrage die Mortalitätsrate sogar ein Drittel.
Für einzelne Ethnien liegen die Sterberaten durch gewalttätige Konflikte teils dramatisch hoch, zum Beispiel bei den Waorani (auch Huaorani), die in den Regenwäldern im Osten Ecuadors leben. Die Zeit zwischen 1860 und 1960 klingt wie ein 100-jähriges Gemetzel.
Die Mortalitätsrate in den Kriegen, die Waorani-Gemeinschaften gegeneinander führten, lag bei 44 Prozent - fast die Hälfte aller Menschen verlor in den Auseinandersetzungen ihr Leben. Unter den Männern fanden 53,6 Prozent einen gewaltsamen Tod. Die Waorani führten außerdem Kriege gegen andere Ethnien, die zusätzliche Opfer forderten. "Die haben sich gegenseitig fast ausgerottet", sagt Jürg Helbling, "die musste man in den 1950er-Jahren von außen pazifizieren."
Die Waorani sind ein extremes Beispiel. Doch auch in anderen Völkern ist ein gewaltsamer Tod ein häufiges Ereignis. Unter den Yanomami in Amazonien erreicht die kriegsbedingte Mortalität Raten bis zu 20,9 Prozent der Bevölkerung; bei den Abelam in Neuguinea liegt die Rate bei 30 Prozent. Zum Vergleich: Während des Ersten Weltkrieges lag die kriegsbedingte Mortalität bezogen auf die Gesamtbevölkerung in Frankreich und Deutschland bei etwa drei Prozent.
Trotzdem hält sich auch unter Ethnologen das Gerücht vom friedliebenden Wilden. Immer wieder wird ein Aufsatz des Anthropologen David Fabbro zitiert, der 1978 ein Bild egalitärer, freiheitlicher Gemeinschaften zeichnete, in denen die Menschen ohne Krankheit, Leid und Gewalt miteinander auskamen.
Die Daten sprechen dagegen, doch sind diese Forschungsergebnisse im Einzelnen immer angreifbar, wie Kriminologin Nivette betont. "Beobachtungen von Ethnologen sind meist auf wenige Dörfer beschränkt und zeitlich limitiert", sagt auch Helbling. Dies verzerre die Daten für einzelnen Ethnien. Das Gesamtbild, wonach Gewalt in nicht-staatlichen Gruppen häufig ist, sei aber unstrittig.
Menschliche Gewalt - Hauen und Stechen unter Jgern und Sammlern - Wissen - Sddeutsche.de
 
Meiner Meinung nach kann die These Botts von den Rinderzüchter-Nomaden nicht zutreffen, oder allenfalls als Randerscheinung bei Prozessen, die auch ohne sie stattgefunden hätten.
Das liegt einfach daran, das solche Übergänge von "egalitären, akephalen" Gemeinschaften zu differenzierten Strukturen mehrfach unabhängig voneinander, zu unterschiedlichen Zeiten, in verschiedenen Weltgegenden und bei unterschiedlichen ökologischen Vorraussetzungen stattgefunden haben

Danke für den Hinweis.

Ich hatte oben das Beispiel Mesopotamien mit Literaturverweis erwähnt, wo diese differenzierten Strukturen und Übergänge Tausende Jahre später und parallel zu "einfacheren" zu beobachten waren. Das bezog sich auf die "Hierarchie-Diskussion".

Was sagt den Bott in seinen Thesen dazu? Eine seriöse Arbeit müsste auf solche Widersprüche eingehen.
 
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