Römische Bauten noch genutzt?
Die eigentliche Frage zur Nutzungsdauer römischer Bauten kann ich nicht beantworten, dazu ist ja schon einiges gesagt worden.
Man sollte zuerst einmal unterscheiden werden, um welche Art von Bauwerken aus der Römerzeit es sich handelte, um dann zu bedenken, welche Rolle sie in der Gesellschaft bislang spielte und im Mittelalter hätten spielen sollen:
-Militärische Bauten, also Festungen wurden noch am ehesten lange weiterbenutzt und entsprechend angepasst. Natürlich nur, wenn es einen Nutzen dafür gab. Römische Stadtmauern waren in der Regel viel zu weitläufig für effektive Verteidigung, besonders da mittelalterliche Städte kleinräumig-enger waren und daher verfielen zumindest Teile der Mauern. Die „Porta Nigra“ in Trier etwa wurde zu einer Kirche umgebaut.
-Öffentliche Bauten: Also Foren, Thermen, Tempel und Kirchen. Für sie gab es nach Untergang des Reiches meist nur veränderte Nutzungen. Tempel überstanden, wenn sie als Kirchen angesehener Heiliger umgeweiht werden konnten und ihre Zweckmäßigkeit erhalten bleiben konnte. Eine Ausnahme dabei ist das Pantheon in Rom, dessen Erhaltungszustand wohl einmalig ist. Für das Betreiben von Thermen, die ein wichtiges Mittel politischer Praxis im Römischen Reich gewesen waren, bestand nunmehr kein Bedarf mehr. Es war nicht einfach fehlendes Knowhow die ausgedehnten Anlagen zu betreiben, sondern auch das Fehlen von Sklaven, (politisch finanziertes) Wasser und entsprechenden Summen. Zudem war der Badekult Ausdruck des politischen Römertums gewesen. Manche „Zirkus“-Arena überstand die Zeitenwende recht gut indem es zur Burg umgebaut wurde, denn Wagenrennen oder gar Gladiatorenspiele gab es nicht mehr und waren ebenfall ein Bestandteil des politischen Lebens gewesen. Aufgrund ihrer Festigkeit wurden zumindest Teile öffentlicher Bauten gerne in veränderter Form weiter genutzt. Die Trierer Barbarathermen etwa wurden zum Sitz eines Ritters und eines Teils der Stadtmauern!
-Die ländlichen Villen waren nicht einfach private Prachtbauten, sondern Zentren eines Lebens- und Herrschaftsstil! Indem Macht und gesellschaftliche Stellung der römischen Großgrundbesitzer gebrochen wurde, mussten sie einfach verschwinden. In Ländern, wo sich Fremde ansiedelten, nisten sich die „Barbaren“ einfach nach Belieben in deren Trümmern ein, wie es etwa von einem Fall in Baden-Württemberg bekannt ist. In Gallien, einem einstigen Zentrum produktiver villae rusticae ist es wieder die politische Organisation reicher, römischer Großbesitzer mit ihrem alten Klientel auf Bauernhöfen zu ihrem Unterhalt, die zusammenbricht. Die neue, feudalistisch geprägte Oberschicht des Mittelalters konnte mit derartigen Landsitzen nichts anfangen. Sie waren damit nicht nur Überflüssig, sondern oft auch störend! Das römische, öffentliche Leben (in denen solche Großbesitzer eine tragende Rolle spielten) spielte sich in den Städten ab, doch die Mittel dazu kamen vom Land, auf das sich ihre Nutznießer gerne einmal zurückzogen. In entsprechendem Ambiente, versteht sich!
Die neue, feudalistische Oberschicht stützte sich ebenfalls auf Landbesitz, doch ein Hauptzweck war militärische Beherrschung und daraus resultierende politische Aufgaben! Dazu brauchte man feste Häuser, die sich auch verteidigen ließen – also Burgen. Offene, weitläufige Gebäudekomplexe wären keine Stütze ihrer Stellung gewesen und hätten nur zum Raub eingeladen. Eine Ausnahme zum „Adel auf dem Land“ bildete sich vor allem im langobardischen Italien heraus, wo der Adel in der Stadt blieb. Er schlüpfte aber nicht in die alte, römische Rolle – man war ja ebenfall Krieger – sondern dieser Stadtadel baute die bekannten Geschlechtertürme, norditalienischer, mittelalterlicher Städte.
Vielleicht ein gewagter Vergleich, aber am ehesten zum Zentrum für produktive Agrarwirtschaft mit zuarbeitenden Bauernhöfen ist wohl das mittelalterliche Kloster, das darin in einiger Hinsicht zum wirtschaftlichen Nachfolger von villae rusticae wurden. Ihre repräsentativen Aufgaben waren jedoch völlig anderer Natur, genau wie die Lebensweise ihrer Bewohner. Bestenfalls konnten die römischen Landhäuser als Steinbruch den Mönchen wirklich dienen.