Ann Gibbons Artikel „Busting myths of origin“

Ich habe keinerlei Erklärung dafür.
das scheint mir auch die passende Ursache für manche schlüpfrige Projektion zu sein wie zum Beispiel diese:
Ich denke mal, die Rolle der Frau in der Eisenzeit war knallhart auf Arbeit/Knechten, ausgebeutet zu werden, Haushalt (Sauberkeit, Vorratshaltung, bestimmte Handarbeiten etc.), ihrem Mann, ihrem Eigentümer jederzeit sexuell zu Willen zu sein (gut, das wissen wir natürlich wirklich nicht) und vor allem möglichst viele kräftige und vitale Nachkommen zu gebären.
(das unterstrichene Verb halte ich für nicht ganz passend...) ;)
In meiner Vorstellung und ich denke auch nach allem, was wir wissen, war die germanische Frau Eigentum und Beute des Mannes
und letzteren präzisiert deine Vorstellung als
eine Horde blutgieriger und möglicherweise auch "notgeiler" Chatten
mein lieber @BerndHH wenn man dir die Gelegenheit gäbe, ein Cherusker-Chatten-Germanen Drehbuch zu schreiben und es opulent zu verfilmen, dann wäre Caligula im Vergleich dazu sowas wie Teletubbies ;):D:D:p
 
Generell muss man wohl davon ausgehen, dass es unter den germanischen Stämmen immer wieder mal zu Auseinandersetzungen gekommen sein muss, auch wenn wir darüber wenig wissen.

Man kann annehmen, dass das auch keine Waisenknaben waren. Aber, wie du schon schreibst, wir wissen sehr wenig. Leider auch über den Prozess, wie das heutige (Süd- und Mittel-)Deutschland "germanisch" wurde. (Wurde es überhaupt??)
Etwas konkretere Informationen haben wir aber eben nur über diejenigen, welche gerade von den Römern angegriffen wurden, oder worden waren.

Ich weiß nicht, ob das Beispiel der Kimbern und Teutonen hier ein gutes ist, einmal wegen ihrer unklaren Zusammensetzung (wenn der Anführer schon Boiorix heißt), zudem da diese offensichtlich weniger auf kriegerischen Konflikt aus waren denn auf das Finden von Siedlungsland. Die Niederlage bei Noreia ging daher für die Römer wesentlich glimpflicher aus als die an der Allia 250 Jahre zuvor.
 
Hallo zusammen,

ich verstehe überhaupt nicht, warum sich mancher von Euch durch meine drastische Ausdrucksweise immer wieder getriggert fühlt. Kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.
Ich denke schon, dass die Augusteischen Germanenkriege mit einer gewissen Härte und entsprechenden Grausamkeit geführt wurden. Beim Germanicus-Feldzug sogar im Sinne eines "Vernichtungskrieges".

Wenn jemand der Meinung ist, dass in der Eisenzeit besonders viel gekuschelt wurde und dass die Chatten gerne Stuhlkreisgruppen gebildet hatten, um Konflikte zu lösen, warum nicht?
Die Literatur gibt das allerdings nicht her. Schon Tacitus schreibt vom "kriegerischen Wesen" der Chatten.

Ich kenne die Realität genauso wenig wie Ihr, frage mich aber nur, was Sinn macht, bzw. was plausibel erscheint.

Außerdem zielt meine Anfangsfrage auf die Ethnogenese der Germanen und den Gibbons-Artikel ab. Das endet leider in einer Sackgasse.
 
ich verstehe überhaupt nicht, warum sich mancher von Euch durch meine drastische Ausdrucksweise immer wieder getriggert fühlt. Kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.
Ich denke schon, dass die Augusteischen Germanenkriege mit einer gewissen Härte und entsprechenden Grausamkeit geführt wurden.
Es geht nicht darum, ob du dich drastisch ausdrückst. Es geht vielmehr um die Reduktion germanischer Stammesgesellschaften auf Krieg. Das klingt bei dir manchmal nach schlechtem Western.
Wir wissen, dass es Konflikte innerhalb der Stämme gab (Arminius belagert seinen Schwiegervater). Gleichzeitig wissen wir von der Zusammenarbeit von Römern und Germanen. In den Jahren 15 und 16 kämpften Cherusker auf beiden Seiten, Batavern wird vorgeworfen, sie haben Arminius ziehen lassen. Ebenfalls wissen wir gleichzeitig - wegen deiner Fixierung auf blutige Indianerkriege zwischen Chatten und Cheruskern - dass die Stämme zusammenarbeiteten und auch durch Ehen miteinander verbunden waren.
 
ich verstehe überhaupt nicht, warum sich mancher von Euch durch meine drastische Ausdrucksweise immer wieder getriggert fühlt. Kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.
kleine Hilfestellung: lies´ deine eigenen Formulierungen ;):D und freu dich doch, dass du damit humorige Reaktionen wie #27 bewirkst :D

Offenbar kennst du nur zwei (fiktive) Szenarien:
das erste ist halb Schwertfuchtel-Western halb "Herrenwitz", und beide Hälften sind ganz offensichtlich das dir genehme, denn du erwähnst dergleichen auffallend oft:
Ich denke mal, die Rolle der Frau in der Eisenzeit war knallhart auf Arbeit/Knechten, ausgebeutet zu werden, Haushalt (Sauberkeit, Vorratshaltung, bestimmte Handarbeiten etc.), ihrem Mann, ihrem Eigentümer jederzeit sexuell zu Willen zu sein (gut, das wissen wir natürlich wirklich nicht) und vor allem möglichst viele kräftige und vitale Nachkommen zu gebären.
eine Horde blutgieriger und möglicherweise auch "notgeiler" Chatten
und wenn diese saftige Projektion nicht auf bewundernde Zustimmung stößt, dann kommt als Pseudo-Gegenargument dein (nicht minder fiktives!) zweites Szenario: die germanische Waldorfidylle :D:D :
in der Eisenzeit besonders viel gekuschelt wurde und dass die Chatten gerne Stuhlkreisgruppen gebildet hatten,

Jetzt ist aber folgendes zu beachten: wenn die ollen Germanen inklusive Chatten und Cheruskern sich nicht vegan ernährt und ihre Namen getanzt hatten, was ja eine absurde Vorstellung ist, dann bedeutet das noch lange nicht, dass sie rund um die Uhr mit Ramboverhalten alles durchgenagelt hätten, was nicht bei drei auf den Bäumen war :D:D:D (wie du siehst: drastische Ausdrucksweise ist nicht dein Alleinstellungsmerkmal) - - oder anders gesagt: wenn ein Szenario A absurd ist, dann ändert sich das nicht, wenn ein Szenario B ebenfalls absurd ist. Als Beispiel: der Satz der Mond ist eine Essiggurke wird nicht dadurch richtig, dass der Satz der Mond ist ein Mollusk Unsinn ist. ;):D
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo liebe Leute,

ja, ich muss mich da ganz klar an meine eigene Nase fassen, ganz klar.
Wer solche unsachlichen Bilder wie ich bemüht, der darf sich über den Spott natürlich nicht wundern.
Es wäre schade, wenn ich wegen einer unangemessenen Sprache oder was auch immer gesperrt werden würde. Also muss man die Spielregeln beachten und gut ist.

Es ist aber ein Merkmal der menschlichen Phantasie, dass sie die Black Gaps der germanischen Kultur- und Sittengeschichte ergänzt, die wir ja alle nicht kennen.
Ein realistisches Bild über die Herkunft, Lebensweise, Religion der Germanen wäre äußerst wünschenswert aber wie wir ja schon mehrfach konstatiert haben --- haben wir das ganz einfach nicht.
Die Germanen würden sofort glaubhafter und greifbarer werden, wenn wir ihre Wertevorstellungen etc. hätten oder zumindest eine greifbare und plausible Näherung.
So könnte es gewesen sein ... das wäre für mich schon mal sehr hilfreich.

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Ich würde aber gerne wieder auf die Aussagen des Gibbons-Textes zurückkommen
“Das neue Bild bedeutet auch, dass Hermann der Cherusker eine Mischung aus nacheiszeitlichen Jägern und Sammlern, anatolischen Farmern und Jamnaja-Steppenreitern war”, sagt Gibbons.
Was will sie uns da auf der Metaebene mitteilen?
Der Germane war das Produkt von drei großen Migrationswellen und der Jetztmensch (2023) sollte bei weiterer Migration keine Angst vor Überfremdung haben, da es ein natürlicher Prozess sein, etc., etc.

Als Kritik könnte ich anmerken, dass die drei historischen Einwanderungswellen in sehr großen zeitlichen Abständen stattgefunden hat und die jetzige seit 2015. Auch die Ausgangslage, Vorbedingungen etc. sind anders, ich weiß nicht, warum Gibbons da einen Kontext sieht.
“In der Vergangenheit und auch heute konstruieren ethnische Gruppen gerne ein imaginäres Bild der alten und ‘reinen’ Abstammung ihrer Gruppe”, sagt Maeir. “Aber das hat wenig mit den realen historischen Prozessen zu tun.” Bei allen Problemen, die der heutige Einstrom der Flüchtlinge mit sich bringt und noch bringen wird – er ist im Prinzip nur eine weitere Episode in der langen Einwanderungs- und Migrationsgeschichte unserer Kultur und unseres Kontinents.
Ich kann da nicht ganz folgen. Wo soll denn da die reine Abstammung sein.
Ein Cherusker z.B. hatte anatolische, asiatische usw. Gene - und wo ist das Problem?

Wenn man in der Zeit den Anker setzt, dann ist das Setting doch gesetzt.
Danach kam doch "nur" die Völkerwanderung, Goten, Hunnen was auch immer - ich denke mal das Leinetal, Harzvorland war davon schon gar nicht mehr berührt.
Nein, das ist Blödsinn, was ich sage. Selbst nach 1945 kamen Schlesier und Ostpreußen in den Westen und damit wieder eine neue genetische Durchmischung.
 
Ich würde aber gerne wieder auf die Aussagen des Gibbons-Textes zurückkommen

Was will sie uns da auf der Metaebene mitteilen?
[…]
ich weiß nicht, warum Gibbons da einen Kontext sieht.

Der Text verbindet zwei Dinge:
a) Entgegen unserer national geprägten Geschichtsbilder, die einen umgrenzten Raum und Volk zu einer Einheit verschmelzen, ist Migration der historische Normalfall.
b) Vorstellung rassischer Überfremdung sind doppelt Quatsch, wenn man zu allem Überfluss aus demselben Genpool stammt.

Das will sie aber nicht auf der Metaebene mitteilen, es ist vielmehr der Aufhänger, über den Sachverhalt (prä)historischer Migration zu schreiben.

Ich kann da nicht ganz folgen. Wo soll denn da die reine Abstammung sein.
Ein Cherusker z.B. hatte anatolische, asiatische usw. Gene - und wo ist das Problem?
Das Problem hat nicht Gibbons, sondern der von ihr zitierte Neonazi. Und der ist lediglich der Aufhänger, aber nicht das Thema. Du bemisst also dem Aufhänger viel mehr Bedeutung zu, als Gibbons selbst.

Danach kam doch "nur" die Völkerwanderung, Goten, Hunnen was auch immer - ich denke mal das Leinetal, Harzvorland war davon schon gar nicht mehr berührt.
Migration ist nicht die Ausnahme, Migration ist der Normalfall.



Hartmann, stockend, aber immer im Ton eines militärischen Rapports: Wegen einer Unklarheit in meinem Stammbaum, Herr General. Meine Familie kommt nämlich vom Rhein. Mein Vater und Großvater waren Linienoffiziere - es besteht kein Verdacht einer jüdischen Blutmischung. Aber - eine meiner Urgroßmütter scheint vom Ausland gekommen zu sein. Man hat das öfters in rheinischen Familien. Sie ist unbestimmbar. Die Papiere sind einfach nicht aufzufinden.

Harras hat sich auf die Lippen gebissen, brummt vor sich hin. So so. Daran liegt's. Da läuft so ein armer Junge mit einer unbestimmbaren Urgroßmutter herum. In aufsteigender Wut Na, und was wissen Sie denn über die Seitensprünge der Frau Urgroßmutter? Die hat doch sicher keinen Ariernachweis verlangt. Oder - sind Sie womöglich gar ein Abkömmling von jenem Kreuzritter Hartmann, der in Jerusalem in eine Weinfirma eingeheiratet hat?

Hartmann, sachlich So weit greift die Rassenforschung nicht zurück, Herr General.

Harras Muß sie aber! Muß sie! Wenn schon - denn schon! Denken Sie doch - was kann da nicht alles vorgekommen sein in einer alten Familie:

Vom Rhein - noch dazu. Vom Rhein. Von der großen Völkermühle. Von der Kelter Europas! Ruhiger Und jetzt stellen Sie sich doch mal Ihre Ahnenreihe vor - seit Christi Geburt. Da war ein römischer Feldhauptmann, ein schwarzer Kerl, braun wie ne reife Olive, der hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht. Und dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie, das war ein ernster Mensch, der ist noch vor der Heirat Christ geworden und hat die katholische Haustradition begründet. Und dann kam ein griechischer Arzt dazu, oder ein keltischer Legionär, ein Graubündner Landsknecht, ein schwedischer Reiter, ein Soldat Napoleons, ein desertierter Kosak, ein Schwarzwälder Flözer, ein wandernder Müllerbursch vom Elsaß, ein dicker Schiffer aus Holland, ein Magyar, ein Pandur, ein Offizier aus Wien, ein französischer Schauspieler, ein böhmischer Musikant - das hat alles am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen und gesungen und Kinder gezeugt - und - und der Goethe, der kam aus demselben Topf, und der Beethoven und der Gutenberg, und der Matthias Grünewald und - ach was, schau im Lexikon nach. Es waren die Besten, mein Lieber! Die Besten der Welt! Und warum? Weil sich die Völker dort vermischt haben. Vermischt - wie die Wasser aus Quellen und Bächen und Flüssen, damit sie zu einem großen, lebendigen Strom zusammenrinnen. Seien Sie stolz darauf, Hartmann - und hängen Sie die Papiere Ihrer Großmutter in den Abtritt. Prost.
 
Quijote, ich muss sagen - wirklich wundervoll erklärt.
Ich gehe nicht in allen Punkten mit, es ist aber absolut einleuchtend, so wie Du es darstellst.
 
Vorab: Mir ist klar, dass der Begriff des "Germanen" in der neueren Forschung in Kritik geraten ist. Ich benutze ihn hier im konventionellen Sinne, um mich verständlich zu machen.

Kann mir jemand, der mehr von Genetik versteht als ich, Sinn und Zweck dieser Diskussion erklären – es sei denn, sie bestünden darin, die längst widerlegte Rassentheorie abermals zu widerlegen? Was das anlangt, scheint sie mir über das Ziel hinauszuschießen.

Was wir als Ethnie bezeichnen, ist nur eine Sammlung ähnlicher Phänotypen, die in einem v.a. kulturellen, sprachlichen oder geographischen Zusammenhang eine erkennbare Klammer besitzen.

Dass sich der Phänotyp eines Menschen aus Genen unterschiedlicher Herkunft speist, sollte klar sein. Der Eintrag weiter Gene durch Migration spielt dabei ebenso eine Rolle wie der Genshift (oder dessen Ausbleiben).

Doch scheint es mir keinen Sinn zu ergeben, den Begriff des Germanischen für die in der Antike in der gemeinhin so bezeichneten germanischen Kulturregion lebenden Menschen nur deshalb zu kritisieren, weil ihre Gene eine Migrationsgeschichte nachweisen. Zu Germanen wurden diese Menschen nicht nur durch ihre Gene, sondern durch Ausbildung einer (auch, aber nicht nur auf ihrem Äußeren erkennbaren) Identität, die ihnen nicht zuletzt von anderen zeitgenössischen Ethnien zugesprochen wurde.

Wenn man die o.g. Klammer und den Faktor Zeit ignoriert, könnte man diese Argumentation auch auf die Spitze treiben und sagen, dass alle Bewohner Germaniens Afrikaner gewesen seien, schließlich liegt auf dem afrikanischen Kontinent nach derzeitigem Kenntnisstand die Wurzel aller menschlichen Erbanlagen. Auch sähe ich nicht, wie dann jemals eine Ethnie hätte verschwinden können, z.B. durch Eroberung und Assimilation.
 
Man könnte doch z.B. ganz platt sagen: jene drei benannten Migrationswellen bildeten die germanische Ethnie, die eine Zeitlang in den beschriebenen Lebensräumen lebte und dann wieder in etwas anderem aufgingen. Also könnte man doch genauso den Anker setzen oder ist das Quatsch?
 
Quijote, ich muss sagen - wirklich wundervoll erklärt.
Ich gehe nicht in allen Punkten mit, es ist aber absolut einleuchtend, so wie Du es darstellst.
@BerndHH dein Lob muss sich @El Quijote mit https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Zuckmayer teilen, aus dessen https://de.wikipedia.org/wiki/Des_Teufels_General_(Drama) die untere (größere) Hälfte von #33 wörtlich zitiert ;) (anzumerken wäre, dass die Sprache der unteren Hälfte kunstvoller ist als die der oberen)
...ob Zuckmayers Drama eine Quelle ist? Und wenn ja, für welchen historischen Zeitabschnitt? ;) oder ist diese Frage zu tückisch ;)

jene drei benannten Migrationswellen bildeten die germanische Ethnie
genauso gut und platt könnte man sagen, der liebe Gott hat irgendwie "die Germanen" gemacht und obendrein hat er gemacht, dass die Leute lange Zeit "Ethnie" als etwas "blutsmäßiges"/schollengebundenes (germanus (lat.) = unvermischt, rein) betrachtet haben - - - in einem anderen Faden hatte ich dir Herwig Wolfram, das Reich und die Germanen (Siedler Verlag) empfohlen: dort findest du in den ersten Kapiteln massenhaft Infos über die Begriffe Gens, Gentes, Ethnie, "Germanen" und ihren widersprüchlichen Gebrauch (ich mag das alles weder kopieren noch mühsam aufzählen) und danach Infos über "germanische" "Stämme"/"Gentes", die im Konflikt mit dem römischen Imperium waren. Kurztipp: das mal lesen und überdenken.
 
Hallo Dekumatland,
Danke für den Tipp! Ja, Du hast das erwähnt. Derzeit lese ich gerade Wolters: Die Schlacht im Teutoburger Wald - bin also just noch dabei. ;-)
 
Was wir als Ethnie bezeichnen, ist nur eine Sammlung ähnlicher Phänotypen
Das ist eine sehr sonderbare Definition von "Ethnie"; mir wäre in Europa keine Ethnie bekannt, die sich über den Phänotypus definiert. Erst recht nicht in historischer Zeit, vielleicht mit Ausnahme von Deutschland zwischen 1933 und 1945, da galt die phänotypische Faustregel "Blond wie Hitler, schlank wie Göring, groß wie Goebbels".


Zu Germanen wurden diese Menschen nicht nur durch ihre Gene, sondern durch Ausbildung einer (auch, aber nicht nur auf ihrem Äußeren erkennbaren) Identität, die ihnen nicht zuletzt von anderen zeitgenössischen Ethnien zugesprochen wurde.

Was heißt "nicht nur durch ihre Gene"? Die Gene spielten doch überhaupt keine Rolle! Niemand wäre auf die Idee gekommen, eine Zuordnung Germane/Skythe/Kelte anhand eines Gentests vorzunehmen, und die Fremdzuschreibung einer Identität begründet noch keine Identität.

Es wäre z. B. völlig unsinnig, von einer "Ethnogenese der Indianer" zu sprechen. Ein indianisches Volk hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Als Kolumbus auf Hispaniola landete, hielt er die dort ansässigen Taíno irrtümlich für Bewohner Indiens; die Bezeichung "Indianer" wurde in der Folgezeit auf Azteken, Irokesen und tausend andere Ethnien völlig unterschiedlicher Kultur und Sprache übertragen, von denen die meisten von den Taíno nie etwas gehört hatten.
 
Wer sich noch nicht das phantastische Buch Krause & Trappe: "Die Reise unserer Gene" (übrigens ein Literaturtipp hier aus dem Forum, besten Dank nochmal dafür!!!) besorgt hat, der sollte das mMn nach wärmster Empfehlung dringend tun. Ein wirklich phantastisches Buch, which opens frontiers.
Gut, es ist populärwissenschaftlich geschrieben, trifft genau meinen Geschmack, könnte natürlich sein, dass so ein oder anderer von Euch die Nase rümpfen wird.
"Das hat doch nichts mit Archäogenetik zu tun, etc., etc., etc."
Der wichtigste Satz ist wohl:
Die genetische Herkunft sagt nichts über Veranlagung aus ...

Was gefällt mir an dem Sachbuch so gut? Nun, es kommt immer wieder auf die drei besagten Migrationswellen zurück und bringt hochinteressante Assoziationen.
Zusammen mit den Migrationswellen folgen als Treiber der Evolution bakterielle und virale Infektionskrankheiten. Populationen, die diesem Druck besser standhalten können als andere. Bevölkerungsdruck führt automatisch zu höherem Infektionsdruck und das treibt die überlebende Population in eine bestimmte Richtung.
Ja, natürlich, man ahnte es schon aber es ist gut, dies noch einmal Schwarz auf Weiß zu haben.

Die Schamanin von Bad Dürrheim wird auch erwähnt.
Hochinteressant, dass es vermutlich eine Zahnverletzung oder Zahnfleischentzündung war, an der sie verstarb.

Ein anderes Kapitel widmet sich dem entstehenden Gewaltpotenzial als Produkt des Ackerbaus.
Wenn ich es recht verstanden habe: Jäger & Sammler|Hunters and collectors neigten nicht zu Gewaltausbrüchen. Sie lebten in kleinen Gruppen, streiften auf der Nahrungssuche durch die Landschaft und hatten nicht unbedingt Territorien zu verteidigen.
Ganz anders bei den Ackerbauern & Viehhaltern. Hier ging es um etwas mehr. Ca. 4 Schwangerschaften/Frau, Nahrungskonzentration durch Überschussernten (wenn man das so nennen darf), mehr Kinder und damit wieder höheren Bevölkerungsdruck.
Entstehen von Großfamilien, die über Generationen ein ganz bestimmtes Land bewirtschaften. Also nachhaltig, da das Land ja den Kindern und Enkeln vererbt wird.
Land, Schwarzerde in der Magdeburger Börde, die Begehrlichkeiten weckt. Also bewaffnete Neusiedler, die ebenfalls das Land der Altsiedler beanspruchen und die wollen das natürlich nicht freiwillig hergeben.

Ganz anders als die Jäger & Sammler, wo Aggressionen wohl besser untersdrückt oder kanalisiert werden konnten.
Beute wurde geteilt und war das Wild verschwunden, machte man sich auf die Suche nach den nächsten Herden. Bei den anatolischen Ackerbauern wohl anders. Hier gab es etwas, was Neid und Missgunst hervorrief und das gipfelte schließlich bis in den Massenmord. So deuten Massengräber mit eingeschlagenen Schädeln hin.
Siedlungen mussten eingefriedet werden, da es ja schließlich etwas Wertvolles (Getreidevorräte, etc.) gab, was man verteidigen wollte.

Ist das so richtig wiedergegeben oder habe ich es mir wieder mal zu einfach gemacht?
 
Na ja, im Großen und Ganzen stimmt das schon, aber diese Satz
„Ganz anders als die Jäger & Sammler, wo Aggressionen wohl besser untersdrückt oder kanalisiert werden konnten.“
ist nur eine Behauptung.

Wenn es kein oder nur wenig Wild gab, dann waren andere Jäger Konkurrenten um das Wenige. Dann gab es sicher bewaffnete Konflikte unter den Klans. Und es gab bei den Jägern & Sammlern mehr Hungersnöte als bei den Ackerbauern. Das ist dokumentiert. Und beim ersten Anflug von Hunger werden Menschen aggressiv wie auch jagende Tiere bei Hunger aggressiv werden.

Jäger & Sammler zu idealisieren ist heutzutage halt in. Wobei bei den Jägern wegen des Tötens von Tieren schon Abstriche gemacht werden - eigentlich glorifiziert man nur noch die Sammler. :D
 
Ganz anders bei den Ackerbauern & Viehhaltern. Hier ging es um etwas mehr. Ca. 4 Schwangerschaften/Frau, Nahrungskonzentration durch Überschussernten (wenn man das so nennen darf), mehr Kinder und damit wieder höheren Bevölkerungsdruck.

Warum sollten Menschen mit mehr Nachwuchs aggressiver gewesen sein? Ist denn heute der Vater von vier Kindern durchschnittlich aggressiver als einer ohne Kinder?(Werden die Gefängnisse von Vätern bevölkert?)

Das Gleiche gilt für Landbesitzer, diese Aggro-Bande… :eek:
 
Nein, ich sehe Eure Argumente durchaus.
Vielleicht habe ich die falschen Schlüsse gezogen oder ganz einfach Krause & Trappe nicht verstanden.
 
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