Ann Gibbons Artikel „Busting myths of origin“

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Ist das so richtig wiedergegeben oder habe ich es mir wieder mal zu einfach gemacht?
Es ist schon eine Weile her, dass ich das Buch gelesen habe und kann jetzt leider nicht die Grenze zwischen "sinngemäß richtig wiedergegeben" und "zu grob vereinfacht" ziehen. Meines bescheidenen Wissens kann ich so viel sagen:
Gewaltausbrüche spontaner Art, auch Gewalt mit längerfristigen Folgen (Racheakte, Familienfehden) gibt es auf jeder Ebene, auch zwischen Jäger-und-Sammler-Gruppen.
Was es bei Jägern und Sammlern nicht gibt, sind Kriege, d. h. "kollektiv geplante und organisierte, bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen politischen Einheiten [...] Krieg zielt letztlich auf die Verletzung oder Tötung von Gegnern und/oder auf die Zerstörung von deren Hab und Gut mittels Einsatz von Waffengewalt ab." (Jürg Helbling, Kriege und Allianzen zwischen Dörfern, in: Ferdinand Sutterlüty, Matthias Jung und Andy Reymann (Hrsg.), Narrative der Gewalt: interdisziplinäre Analysen, Frankfurt / New York 2019)
 
Guten Morgen Sepiola,
genau das meine ich ja auch.

In einer kleinen Jäger & Sammler-Gruppe kann man Konflikten aus dem Wege gehen, indem man sich als Fraktion abspaltet und eigener Wege geht. Ja, natürlich kann man sich über gute Jagdgründe befehden, gar keine Frage aber anscheinend ist das weniger ausgeprägt wie der Kampf um gutes Ackerland.

Vielleicht war das ja die "Erbsünde" aus der "Urzeit", sage ich mal so plakativ.

Mit wird immer vorgeworfen, dass ich vom "Edlen Wilden" rede und seine Lebensweise glorifiziere. Ich weiß gar nicht, wie ihr das meint. Tu ich das wirklich?
Ich denke nur, dass sie ihre Konflikte evtl. anders gelöst haben. Oder liege ich da falsch? Die Shuar|Jivaro oder Yanomami in Südamerika gelten ja auch als kriegerisch, sie sind aber auch keine Jäger & Sammler, eher Ackerbauern. Okay, der Vergleich hinkt - bitte streichen.
Ich kriege sowieso wieder mein Fett ab, weil ich Dinge unzulässigerweise vereinfache. ;-)

Nehmen wir mal die Magdeburger Börde mit ihrer Schwarzerde. Anscheinend war das ein Ort, um den tatsächlich auch in bestimmten Zeitabschnitten der Menschheit gekämpft wurde. Lößböden. Magdeburger Börde, Hildesheimer Börde, etc. genug Nahrung für den Aufbau einer größeren kinderreichen Bevölkerung -- das verspricht ein einfacheres Leben, als im Solling oder Harz ständig hinter Rehen und Rothirschen herzulaufen.
Auch das relativieren Krause & Trappe. Das Leben der Ackerbauern war sogar äußerst anstrengend und arbeitsreich, sie sprechen von Stress und ungesünderer Ernährung.
Ein Jäger & Sammler muss deutlich weniger Zeit aufwenden, um Beute zu machen, als ein Ackerbauer: Aussaat, Pflege der Kulturpflanze gegen Konkurrenzpflanzen, Fressfeinde und irgendwann einmal Ernte.
Interessant ist vielleicht auch die Frage, dass Ackerbauernfrauen vielleicht fruchtbarer sind/waren als Jäger- u. Sammlerfrauen.

Krause & Trappe berichten plakativ von "schwedischen Traktoren", d.h. Ochsenpflüge, um gerodete Waldflächen zu bewirtschaften. Erst durch die Muskelkraft von Ochsen waren die Menschen in der Lage, gerodete Waldflächen zu nutzen, da Menschen nicht in der Lage waren, die Baumstämme aus eigener Kraft wegzuziehen.
Das musste wohl so etwas wie eine große technische Revolution gewesen sein.
Macht Sinn, oder?
 
Mit wird immer vorgeworfen, dass ich vom "Edlen Wilden" rede und seine Lebensweise glorifiziere. Ich weiß gar nicht, wie ihr das meint. Tu ich das wirklich?

Wer wirft Dir das "immer" vor? Wen redest Du gerade mit "ihr" an? Deinen Beitrag hast Du an mich adressiert, die Frage geht aber offensichtlich nicht an mich.
 
Ja, irgendjemand sagte das mal. Ich weiß jetzt nicht mehr wer. Soll ja auch keine Anschuldigung sein.
 
Heutzutage? Das ist doch ein uralter Hut:
Edler Wilder – Wikipedia
Ich meinte das mehr in Richtung „Steinzeitdiät“, die seit ca. 20 Jahren propagiert wird.

Die Dokumente würden mich interessieren.
Ich habe jetzt nicht groß gesucht, aber einen Artikel aus der Welt gefunden, den ich damals nicht gelesen habe, dafür aber andere so ziemlich in die gleiche Richtung zielende – Zitat aus dem Link:

Tatsächlich hatte die Landwirtschaft schwerwiegende Auswirkungen auf die Menschheitsentwicklung. Eine davon war die immense Bevölkerungsexplosion in den letzten Jahrtausenden. Fielen Ernten aus, kam es häufig zu Hungersnöten, die es nach Meinung der Autoren in der Steinzeit nicht gab. Dem widerspricht Annette Braun von der DGE: "Mangelernährung und Hunger waren die ständigen Begleiter der Steinzeitmenschen."
(…)
Er weist unter anderem darauf hin, daß die Urmenschen sehr viel Zeit und Energie aufs Sammeln und Jagen verwenden mußten. Das sei in einer modernen, arbeitsteiligen Welt gar nicht mehr möglich. Außerdem hätten unsere Ahnen bei weitem nicht jeden Tag etwas in den Bauch bekommen: "Eine richtige Steinzeitdiät würde bedeuten, daß man einmal in der Woche eine Weihnachtsgans verschlingt und dann sechs Tage lang fastet", meint D‘Adamo.


Das sind jene, die auf tierische Nahrung weitgehend verzichten (wollen).

Das ging auch aus meinem Beitrag hervor - Zitat: Wobei bei den Jägern wegen des Tötens von Tieren schon Abstriche gemacht werden - eigentlich glorifiziert man nur noch die Sammler.

Krause & Trappe berichten plakativ von "schwedischen Traktoren", d.h. Ochsenpflüge, um gerodete Waldflächen zu bewirtschaften. Erst durch die Muskelkraft von Ochsen waren die Menschen in der Lage, gerodete Waldflächen zu nutzen, da Menschen nicht in der Lage waren, die Baumstämme aus eigener Kraft wegzuziehen.
Gerodet wurde mit Feuer, wie heute noch in Brasilien und Indonesien zu beobachten ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich meinte das mehr in Richtung „Steinzeitdiät“, die seit ca. 20 Jahren propagiert wird.
In Deinem Beitrag ging es um Aggressionen. Falls es Dir um die Ernährung geht, kann man ohne "Idealisierung" sagen, dass unter ansonsten vergleichbaren Bedinungen Sammler und Jäger gesünder leben als sesshafte Ackerbauern, das hatten wir neulich schon mal. Ist das dokumentiert? Ja, ist es:
https://www.researchgate.net/public..._sedentism_worsens_the_Agta's_health_outcomes

Ich habe jetzt nicht groß gesucht, aber einen Artikel aus der Welt gefunden
... aus dem Du ein Statement der Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und eine Meinungsäußerung eines Naturheilgurus, der sein Geld mit pseudowissenschaftlichen Büchern verdient, zitierst?
Dass nennst Du "Dokumente"?
Dann habe ich keine weiteren Fragen.

Das sind jene, die auf tierische Nahrung weitgehend verzichten (wollen).
Von denen gibt es einige in meinem Bekanntenkreis, aber niemand davon "glorifiziert" die Sammler.
 
In Deinem Beitrag ging es um Aggressionen. Falls es Dir um die Ernährung geht, kann man ohne "Idealisierung" sagen, dass unter ansonsten vergleichbaren Bedinungen Sammler und Jäger gesünder leben als sesshafte Ackerbauern, das hatten wir neulich schon mal. Ist das dokumentiert? Ja, ist es:
https://www.researchgate.net/public..._sedentism_worsens_the_Agta's_health_outcomes
Erstens ist diese Studie nicht bezogen auf die Steinzeit, sondern auf die Jetztzeit. Und zweitens ging es in meinem Beitrag nicht darum, wer gesünder lebt, sondern ob Jäger & Sammler Hunger litten. Dass Fasten, also zeitweises Hungern, dem Körper guttut, ist ja bekannt.

Ergo: Zeitweises Hungern kann also der Gesundheit förderlich sein.

Und was die Aggressionen betrifft: Hunger macht aggressiv. In einem Gefängnis in Finnland gab es immer wieder körperliche Auseinandersetzungen unter den Häftlingen, aber als man anstatt 3 Mahlzeiten am Tag, auf 5 Mahlzeiten umstellte, gab es diese Auseinandersetzungen fast nicht mehr. Ich weiß nicht mehr, wann und wo ich das gelesen habe - wahrscheinlich im Spiegel -, aber wenn es dich interessiert, forsche bitte nach; für mich reicht es, das einmal gelesen zu haben.

Dazu noch ein Zitat aus Wikipedia: Bei Menschen wird emotionale Aggression häufig durch negative Gefühle hervorgerufen, also als Reaktion zum Beispiel auf Frustration, Hitze, Kälte, Schmerz, Furcht[5] oder Hunger. Ob und wie Aggressionen im Verhalten zum Ausdruck gebracht werden, unterliegt in hohem Maße den jeweiligen sozialen Normen.[6]

... aus dem Du ein Statement der Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und eine Meinungsäußerung eines Naturheilgurus, der sein Geld mit pseudowissenschaftlichen Büchern verdient, zitierst?
Ich nehme an, dass Deutsche Gesellschaft für Ernährung schon kompetente Leute hat, um eine Journalistenfrage richtig zu beantworten. In diesem Zusammenhang: Annette Braun, die Du als Pressesprecherin der DGE tituliert hast, hat eine Doktorarbeit geschrieben mit dem Titel „Wahrnehmung von Wald und Natur“. Jetzt wirst Du wahrscheinlich sagen, auch Doktoren können Unsinn schreiben. Das gilt vor allem für solche, die Deinen Ansichten widersprechen, nicht wahr? :D

Was D’Adamo betrifft, hast Du Recht – ich hätte ihn besser nicht zitieren sollen.
 
Erstens ist diese Studie nicht bezogen auf die Steinzeit, sondern auf die Jetztzeit.
Soweit ich weiß, ergibt der Vergleich von spätpaläolithischen und neolithischen Skeletten dasselbe Bild: Der Übergang zum Ackerbau war mit einer deutlichen Senkung der Lebenserwartung verbunden. (Fekri A. Hassan, Demographic Archaeology, New York / London 1981.)
Vielleicht ist das überholt, in diesem Fall interessieren mich neuere Untersuchungen.

Und zweitens ging es in meinem Beitrag nicht darum, wer gesünder lebt, sondern
... es ging um Hungersnöte, und die sind nun mal extrem gesundheitsschädlich.

Eine Hungersnot (nicht zu verwechseln mit zeitweiligem, auch heftigem Hunger zwischen zwei Mahlzeiten) ist ein Phänomen, bei dem ein großer Anteil der Bevölkerung einer Region oder eines Landes unterernährt ist und Tod durch Verhungern („Hungertod“) oder durch hungerbedingte Krankheiten in großem Maße zunimmt. (Hungersnot – Wikipedia )

Und nun zitiere ich ein weiteres Mal Deine Behauptung:

Und es gab bei den Jägern & Sammlern mehr Hungersnöte als bei den Ackerbauern. Das ist dokumentiert.

In diesem Zusammenhang: Annette Braun, die Du als Pressesprecherin der DGE tituliert hast, hat eine Doktorarbeit geschrieben mit dem Titel „Wahrnehmung von Wald und Natur“. Jetzt wirst Du wahrscheinlich sagen...

Jetzt werde ich wahrscheinlich sagen, dass in dieser Doktorarbeit wohl kaum Hungersnöte unter Jägern und Sammlern dokumentiert sind.

Die Titulierung stammt nicht von mir, Annette Braun war damals (Ende der 1990er Jahre) tatsächlich Pressesprecherin der DGE. Ob sie identisch ist mit der Annette Braun, die über das völlig andere Thema "Wahrnehmung von Wald und Natur" geschrieben hat, weiß ich nicht, ist für unsere Belange aber auch völlig belanglos. Also spar Dir weitere fadenscheinige Ablenkungsversuche und liefere dokumentierte Fakten.
 
Den habe ich noch gefunden:

Ein Vergleich der Bevölkerungsdynamik und Zusammensetzung von Skelettpopulationen aus neolithischen Fundorten Mitteleuropas und des Nahen Ostens bestätigt die Annahme einer Verbesserung der Lebensbedingungen im Neolithikum nicht. Höhere Arbeits- und Krankheitsbelastungen haben bei neolithischen Bevölkerungen zu einer Verschlechterung der Lebensbedingungen und damit auch zu einer hohen Kindersterblichkeit und einer doch sehr niedrigen mittleren Lebenserwartung von kaum mehr als 20 Jahren geführt (WITTWER-BACKOFEN 1989). Einen guten Uberblick über den aktuellen Stand der demographischen Anthropologie geben MASSET (1973); WEISS (1973, 1976); DRENHAUS (1979); HASSAN (1981); BOCQUET-APPEL & MASSET (1982); LANGENSCHEIDT (1985); GRUPE (1985); BOCQUET-APPEL (1986); HOWELLS (1986); WITTWER-BACKOFEN (1987; 1988).

https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/arch-inf/article/view/21400/15173
 
Guten Morgen Leute,
sehr interessant, was Ihr dazu meint!

Krause und Trappe führen so ziemlich alles, was den heutigen Europäer ausmacht, auf die drei Migrationswellen zurück. Sie sprechen von einem "4-Komponenten-Europäer". Was war jetzt die vierte Komponente?
Die anatolischen Ackerbauern stießen in Mitteleuropa auf die in kleinen Gruppen lebenden Jägern & Sammlern und die wiederum wurden von der großen Steppenmigration der Jamnaja-Kultur geradezu überrannt.
Jene geheimnisvolle Grubengrab- oder Ockergrab-Kultur|Pit Grave Culture aus der pontischen Steppe 3.600 bis 2.500 v. Chr.
Das Ganze fand natürlich in sehr großen Zeitabschnitten statt.
Wenn ich es recht verstanden habe, dann war Hunger aber der Begleiter sowohl bei Jägern & Sammlern als auch sesshaften Ackerbauern. Zumindest zeitweise.

Als Evolutionstreiber werden immer wieder Infektionskrankheiten genannt.
Ackerbauern und Viehhalter hatten Vorräte von Getreide- u. Milchprodukten und die zogen Nagetiere wie Mäuse und Ratten an.
Und diese Nager trugen Flöhe und Läuse. Mit der Jamnaja-Kultur kam auch der Pesterreger, welcher dann wieder ganze Menschenpopulationen auslöschte. Also Yersinia pestis übernahm die Funktion einer Bevölkerungskontrolle, wenn man so will.
Exkremente von Mensch und Tier offenbar nahe beinander und damit verbunden, dass Erreger von der einen Spezies auf die andere übersprangen.

Ein anderes Kapitel widmet sich der Laktoseintoleranz|Milchzuckerunverträglichkeit, also die Unfähigkeit Lactose enzymatisch aufzuspalten.

Laktoseintoleranz erwachsener Menschen war also so etwas wie eine stammesgeschichtlich ursprüngliche Eigenschaft des Menschen. ... Die Fähigkeit der Erwachsenen, Milch zu verdauen, hat sich in Europa demnach erst nach Einführung der Tierzucht, die hier seit etwa 8000 Jahren stattfindet, in der Bevölkerung verbreitet.
Das habe ich übrigens nicht verstanden. Krause und Trappe nennen den anatolischen Ayran und den Schafskäse, der allerdings schon verarbeitet wurde und daher keine Lactase im menschlichen Dickdarm erfordert. Hier hingegen, Nord- und Mitteleuropa wird Rohmilch getrunken, d.h. Lactase ist notwendig, um frisch abgemolkene Milch verwerten zu können.
Gut, Milch aus dem Supermarkt ist auch in der Molkerei verarbeitet, pasteurisiert, homogenisiert, etc.

Also ich finde, das sind hochinteressante Aspekte.
 
Übrigens by the way, gibt es eigentlich Untersuchungen bzgl. ♀ Fruchtbarkeit Jäger & Sammler und Ackerbauern?
Haben die Frauen der frühen Ackerbauern durch die Ernährungsumstellung mehr Kinder gekriegt bzw. war die sesshafte Lebensweise eher geignet, um mehr Nachwuchs zu bekommen?

Wie sah die Schere zwischen Geburt und Kindersterblichkeit aus? 20 Geburten, davon 10 Totgeburten?

Wieviele Kinder konnte eine Frau in der Frühzeit der Menschen überhaupt bekommen? 4 Geburten waren sicherlich schon sehr optimistisch. Anscheinend war es ja doch ein Problem, weil es viel später in der Bibel noch heißt "seid fruchtbar und mehret Euch!" - aber das kann ich zeitlich nicht verorten, impliziert aber die Strategie, dass damals teilweise noch Unterbevölkerung herrschte und es vielleicht einen Wettlauf gab, wer sich stärker vermehrte und damit ausbreitete.
 
Übrigens by the way, gibt es eigentlich Untersuchungen bzgl. ♀ Fruchtbarkeit Jäger & Sammler und Ackerbauern?
Haben die Frauen der frühen Ackerbauern durch die Ernährungsumstellung mehr Kinder gekriegt bzw. war die sesshafte Lebensweise eher geignet, um mehr Nachwuchs zu bekommen?
Fruchtbarkeit hängt natürlich an der Ernährungssituation. Bei hungernden Frauen setzt der Eisprung auch schon mal aus. Das ist jetzt erstmal unabhängig davon, ob es sich um Jäger und Sammler oder Bauern handelt.

Bis vor wenigen Jahren - vielleicht auch noch heute - haben Ethnien am Amazonas ohne mittelbaren Zivilisationskontakt ihre Kinder getötet, wenn sie zu viele bekamen, denn jeder Elternteil kann nur ein Kind tragen, wenn die Gruppe weiterziehen muss, insbesondere dann, wenn dieses Weiterziehen von außen forciert ist (Flucht).
Dies übertragen auf steinzeitliche Gruppen würde eben eine Art rückwirkender Geburtenkontrolle* bedeuten. Das ist natürlich ein Analogieschluss. Aber gleiche Probleme führen zu ähnlichen Lösungsansätzen.

*dieser etwas technokratische Ausdruck, um dem jegliche Wertung zu nehmen.


Wieviele Kinder konnte eine Frau in der Frühzeit der Menschen überhaupt bekommen? 4 Geburten waren sicherlich schon sehr optimistisch.
Grundsätzlich sind wir seit 200.000 Jahren dieselben, insofern sind acht bis zwölf Geburten durchaus drin, sofern die Nahrungsmittelversorgung stimmte. Und das ist unabhängig von der „Kulturstufe“.

Anscheinend war es ja doch ein Problem, weil es viel später in der Bibel noch heißt "seid fruchtbar und mehret Euch!" - aber das kann ich zeitlich nicht verorten, impliziert aber die Strategie, dass damals teilweise noch Unterbevölkerung herrschte und es vielleicht einen Wettlauf gab, wer sich stärker vermehrte und damit ausbreitete.
Bäuerliche Familien brauchten bis ins 20. Jhdt. viele helfende Hände. Meine Großmutter hatte noch elf Kinder. Darunter keine Mehrlinge. Ob es Fehlgeburten gab, ist mir unbekannt. Zwei ihrer Kinder habe ich nicht kennengelernt, aber die sind nicht als Kinder verstorben, die waren schon (zumindest beinahe) erwachsen. Während ihr ältester Sohn an der Ostfront war, ist ihre jüngste Tochter erst nach dem Krieg geboren, um mal das Zeitfenster ein bisschen zu ermessen.
Will sagen dieses „seid fruchtbar und vermehret euch“ hat sicherlich nichts mit einem Gefühl der Unterbevölkerung zu tun. Viele Kinder sind in traditionellen bäuerlichen Gesellschaften einfach die Altersvorsorge. Also, wenn wir die letzten 70 Jahre mal ausblenden, die letzten 12.000 Jahre.
 
Hi Quijote,
ganz herzlichen Dank für Deinen lehrreichen Beitrag.
Damit hast Du mir die richtigen Impulse gebracht. 8-12 Kinder pro Frau finde ich übrigens enorm sportlich und einen gewaltigen biologischen Kraftakt. Man muss dabei bedenken, dass lange Zeit auch noch während der Schwangerschaft körperlich hart gearbeitet (Landwirtschaft, Industrie, etc.) wurde und dann 10 Kinder, also das ist wirklich sehr, sehr beachtlich und respektabel.
Wir modernen Menschen kennen den Kinderreichtum auch gar nicht mehr, das ist klar.

Natürlich weiß ich, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass kinderreiche Familien absolut die Norm waren.
Wir haben das nur einfach vergessen/verdrängt, kommt im urbanen Alltag überhaupt nicht mehr vor.
 
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