Arminius = Siegfried ?

Vielleicht sollte man mal fragen, wer die Geschichte Siegfried = Arminius aufgebracht hat.
Es war Otto Höfler, Siegfried, Arminius und die Symbolik, Heidelberg 1961. Seine These "Arminius wird zu Siegfried" ist keine literaturhistorische These im engeren Sinne, auch keine historische, sondern ein Versuch zum mythischen Geschichtsbewusstsein der Germanen. (siehe dazu K. D. Schmidt, Germanen und germanisch-christliche Geschichtstheologie. In: Wege der Forschung Bd. 21. Darmstadt 1961). Die angenommene Transponierung der geschichtlichen Arminiusschlacht in den Drachenkampf Siegfrieds soll mit Hilfe einer Methodik bewiesen werden, die letztlich von der Religionsgeschichte und Ethologie übernommen wurde. Eine genaue Analyse der Höflerschen Methodik zeigt, dass sie einer spezifischen Forschungsrichtung, dem Ritualismus, verpflichtet ist: Die große Tat des Heros und sein Tod sei in Spielen dargestellt worden, im Drachenkampfspiel und in einem Verfolgungsspiel in Tiergestalt oder Tiermaske. Das wiederholbare Spiel als kultische Größe wird der Erzählung vorgeordnet, das Drama dem Epos zeitlich vorangestellt.
Dieses Verfahren zeigt deutliche Parallelen zur Methode A. Heuslers. Heusler hatte auf der Grundlage der Texte des 12. und 13. Jh. auf Heldenlieder des 5./6. Jh. geschlossen. Ähnlich kam Höfler mit seiner Methode zu einer Grundschicht wesentlich älterer kultischer Spiele.
Alle Versuche, die Heldendichtung auf einen konkreten Ursprung zurückzuverfolgen, werden schließlich den Charakter kanonischer Modelle annehmen. Sie beinhalten zahlreiche unhistorische Kriterien, die durch Interpretation in die Dichtung hineingetragen werden.
Man darf bezweifeln, ob es möglich oder sinnvoll ist, für die Vor- und Frühgeschichte der europäischen Literatur geschlossene Systeme mit genetischer Linie aufzustellen. Das gleiche gilt für so geschichtslose Kriterien, wie den für alle möglichen Gebiete entwickelten Archetypen, mit denen geschichtliche Motiv-Stammbäume errichtet wurden.

Die historischen Methoden, wie sie z.B. von Emil Ploss, Siegfried - Sigurd; Der Drachenkämpfer (1966) und in ganz anderem Zusammenhang (Homer) von M: Parry, Studies in the Epic Technique of Oral Verse-Making, Harvard Studies in Classical Philology 41, (1943) und C.M. Bowra, Heldendichtung. Eine vergleichende Phänomenologie der heroischen Poesie aller Völker und Zeiten, Stuttgart 1964) vorgelegt worden sind, versprechen eher Erkenntnisfortschritte im Verständnis mittelalterlicher Epen.
 
Habe jetzt einen "tollen" Artikel in einem Höxteraner Blatt gelesen. Weiß gerade nicht welches Blatt, kann aber nachgucken. Dort sucht man nach einer Erklärung des Namens Höxter-Huxori. Der unbekannte Autor deutet ihn aus dem Schwedischen als 'Hau eine Kerbe rein' oder so.:S :confused:
Danach kommt er sofort darauf, daß dies mit Arminius/Siegfried zu tun habe und mit der Varusschlacht. Dieser Gedanke ist wohl nicht auszurotten.
 
Ähnliches habe ich vor ein paar Tagen in so einem Hamelner Käseblatt gelesen. Es ging um das Dorf Thüste und den Thüster Berg, es soll schon zu Cheruskerzeiten existiert haben und damlas "Thiusto" oder so ähnlich geheissen haben.
 
askan schrieb:
Ähnliches habe ich vor ein paar Tagen in so einem Hamelner Käseblatt gelesen. Es ging um das Dorf Thüste und den Thüster Berg, es soll schon zu Cheruskerzeiten existiert haben und damlas "Thiusto" oder so ähnlich geheissen haben.
Aha!! Und da wohnte wohl in alter Zeit der "Gott" Tuisto:rofl: uder was wollten uns dein/e Autor/en damit sagen. Höxter soll übrigends aus den Worten hügg-saar-i bestehen. Wie heißt doch der Spruch? Warum in der Nähe bleiben, das Weite liegt so fern!?:confused:
 
beorna schrieb:
Aha!! Und da wohnte wohl in alter Zeit der "Gott" Tuisto:rofl: uder was wollten uns dein/e Autor/en damit sagen. Höxter soll übrigends aus den Worten hügg-saar-i bestehen. Wie heißt doch der Spruch? Warum in der Nähe bleiben, das Weite liegt so fern!?:confused:

Irgendwo habe ich schon mal gelesen, das der Thüster Berg auch mit dem Keltengott Teutates in Verbindung stehen soll. Also: Rattenfänger, Münchhausen, wollen die Hamelner alles in Beschlag nehmen?:D
 
Ursprung Siegfried=Arminius

Zitat:

fingalo schrieb:
Vielleicht sollte man mal fragen, wer die Geschichte Siegfried = Arminius aufgebracht hat.
Es war Otto Höfler, Siegfried, Arminius und die Symbolik, Heidelberg 1961. Seine These "Arminius wird zu Siegfried" ist ...

Hallo,

die These Arminus=Siegfried ist sehr viel älter. Sie ist im Gegenteil zu anderen Thesen einer der absolut ältesten, seitdem man (Obereit und Bodmer, 1755 und Handschrift C 1773 ) die Nibelungenlieder in der alten Bibliothek des Schlosses Hohenems wiederentdeckte, die erste nicht ganz vollständige Veröffentlichung der Abschrift der Handschriften erfolgte durch Myller 1782 unter Auslassung der Siedfriedlieder. Erst 1807 kam die erste vollständige Übersetzung durch von der Hagen heraus, 1827 die bis heute noch geläufige von Karl Simrock.

Die Ähnlichkeiten der Figuren Siegfried und Arminius liegen viel zu sehr auf der Hand, als dass man sie in rund 200 Jahren der Mythenforschung hätte übersehen können. So war es wenigstens schon J. Mone 1830 und A. Giesebrecht 1837 welche die These Siegfried gleich Arminius oder Claudius Civilis aufbrachten. Letzterer war wenig später als Arminius mit einem Aufstand und Raubzug gegen die römische Rheingrenze aufgefallen.

Neben der auf der Hand liegenden These Siegfried=Arminius sind die dutzenden (!) anderslautenden Thesen erst später und auch viel weit hergeholter entstanden (es scheint halt nichts so uninteressant zu sein, als eine von Anfang an naheliegende Hypothese).

Als Literatur zu diesen Ursprüngen weise ich auf F. Sander, Das Nibelungenlied, Stockholm 1895 hin. Sander führt schon 1895 all die heute wieder aktuellen Thesen auf, inklusive des beliebten Sigiberts, Arminius erscheint ihm als älteste These geradezu uninteressant, Sander selbst bringt als seine neue Gleichung Siegfried=Alarich (Plünderung Roms in 410, Schatz im Busento) auf.

Nun wie so oft, der erste Gedanke ist meist, wenn auch nicht immer, der Richtige. Die These Arminus=Siegfried war niemals tot, sie hat eigentlich nur wegen des unglaublichen nationalistischen Getöses um Arminius und die Nibelungen einen verwerflichen Touch bekommen.
 
Trajan schrieb:
Zitat:
Nun wie so oft, der erste Gedanke ist meist, wenn auch nicht immer, der Richtige. Die These Arminus=Siegfried war niemals tot, sie hat eigentlich nur wegen des unglaublichen nationalistischen Getöses um Arminius und die Nibelungen einen verwerflichen Touch bekommen.
Soweit ich sehe, wird sie in der Wissenschaft nicht mehr vertreten und gilt als widerlegt (Emil Ploss: Siegfried - Sigurd / Der Drachenkämpfer. Untersuchungen zur Germanisch Deutschen Heldensage Köln 1966; Peter Paulsen: Darchenkämpfer Löwenritter und die Heinrichssage, Köln 1966; J. Haustein "Sigfrid". In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Bd. 28. Berlin 2005. Distanziert auch Volker Losemann: "Arminius". In Der Neue Pauly Bd. 2 (1997).)
Aber Ihr dürft ja weiter dran glauben :winke:
 

Hallo fingalo,

soweit ich sehe ist sie seit fast 200 Jahren die älteste und unter Historikern am meisten verbreitete These.

Aber nun zu deinen Zitaten: Ploss und Paulsen sind genauso wie Höfler zunächst mal Philologen und nicht Historiker. Ploss stammt aus dem Fränkischen Bayern und schrieb einige Beiträge in den Publikationsorganen des Vereins für ostbairische Heimatforschung sowie für den Historischen Verein Bamberg, weswegen man ein gewisses Interesse an einer Lokalisation der NL im süddeutschen und nicht im nordeutschen Raum unterstellen darf. Ploss schrieb darin in 1957 eine Arbeit über die Datierung der NL, Berufskollege Otto Höfler kam 1961 zu anderen Ergebnissen, und so schrieb er seine Replik dann 1966. Alles also im normalen Rahmen, jedoch fand die Arbeit von Kollege Höfler bis heute weit mehr Anklang.

Die Arbeit von Paulsen ist wesentlich kunsthistorisch zu sehen, ihr Untertitel lautet: Eine Studie über die Kirchentür von Valthjofstad auf Island. Sie behandelt die Ikonographie einer hölzernen Kirchentür in Island welche Drachen und Löwenmotive enthält. Datierung und Ort machen diese Arbeit schon interessant, ich werde sie mir ggf. über die Uni besorgen, danke für den Hinweis.

Die beiden letzten Zitate, Jens Haustein und Volker Losemann sind natürlich leicht zu recherchieren. Ich habe beide Stellen noch mal nachgelesen, von Distanzierung von der Arminiusthese einer der beiden modernen Autoren kann aber gar keine Rede sein: Deren Darstellungen sind wissenschaftlich als völlig neutral zu bezeichnen. Lediglich Haustein bemerkt zu der Götterthese (d.h. Siegfried=Odin/Balder/Freyr usw.) dass diese dagegen abenteuerliche Konstruktionen seien.

Interessant ist übrigens der Vergleich zwischen altem Pauly (von 1899) und dem neuen Pauly: In der alten Ausgabe nimmt der Stichpunkt Arminius noch mehr als 10 Spalten ein, im neuen Pauly nur noch gerade 2 Spalten. Daran erkennt man schon, wie gebrochen das deutsche Verhältnis zur Geschichte geworden ist: Vor den beiden Weltkriegen machte sich noch kein Historiker verdächtig, wenn er sich intensiv mit Arminius und Siegfried beschäftigte.

Also von nicht mehr vertreten oder gar widerlegt kann jedenfalls keine Rede sein. Ich kann dir nur insofern beipflichten, als dass es für jeden ernsthaften Historiker es natürlich schwierig ist sich auf eine der vielen Thesen stocksteif festzulegen, denn hieb- und stichfeste Beweise sind so oder so z.Z. kaum zu erbringen. Man kann nur mehr oder weniger gut untermauerte Indizienketten zur Diskussion bringen und hoffen dass sich irgendwann durch neue archäologische Entdeckungen (altes Schrifttum u.a.) mehr Licht ins Dunkel kommt. Sowie z.B. mit der Varusschlacht: Da waren rund 700 Thesen im Umlauf, also sind davon so oder so zwangsläufig 699 falsch gewesen, also viel massives Glatteis für Historiker !

Aber glauben darfst du natürlich was du möchtest.
 
Trajan schrieb:

Interessant ist übrigens der Vergleich zwischen altem Pauly (von 1899) und dem neuen Pauly: In der alten Ausgabe nimmt der Stichpunkt Arminius noch mehr als 10 Spalten ein, im neuen Pauly nur noch gerade 2 Spalten. Daran erkennt man schon, wie gebrochen das deutsche Verhältnis zur Geschichte geworden ist: Vor den beiden Weltkriegen machte sich noch kein Historiker verdächtig, wenn er sich intensiv mit Arminius und Siegfried beschäftigte.

Der "kleine Pauly" oder auch die "RE" gewichten anders als "der neue Pauly", das hat nichts mit dem Verhältnis zu tun.
Außerdem, etwas was hier offensichtlich nicht nicht ankam, ist man in den letzten Jahrzehnten deutlich vorsichtiger geworden als zu Zeiten hunderter (teilweise hahnebüchender) Thesen...
 
Trajan schrieb:

Hallo fingalo,

soweit ich sehe ist sie seit fast 200 Jahren die älteste und unter Historikern am meisten verbreitete These.

...

Es kommt ja wohl auf die Argumentation an und nicht auf den Beruf der Argumentierenden.

Die Siegfriedsage wird bislang ja nicht archäologisch, sondern philologisch behandelt. Und Höfler war Skandinavist. Seine Herleitung beruhte, wenn ich mich recht entsinne, auf der Etymologie von Ortsnamen. Und diese Etymologie ist es, die von Paulsen und Ploss z.B. in Abrede gestellt wird. Ich habe das Buch von Paulsen. Es ist keine "Kunsthistorische" Arbeit, sondern der Versuch, die Darstellung historisch zu deuten und die dargestellten Motive in den geschichtlichen Kontext zu stellen und damit festzustellen, wer die dargestellte Person ist.
Ich habe auch das Buch von Ploss. Eine "Replik auf Höfler" ist wohl ziemlich zu kurz gegriffen. Und von einer lokalpatriotischen Verlagerung in den süddeutschen Raum kann keine Rede sein. Kannst Du mir die Stelle nennen?
In seinem Buch geht es um das Drachenmotiv. Es handelt sich um eine motivgeschichtliche Arbeit. Zur Höfler-These nimmt er in seiner Einleitung Stellung, wo es um die Methodik geht, und auf S. 74 ff., wo es um die Gnitaheide = Knetterheide in der Nähe von Bad Salzuflen zur Gemeinde Werl-Aspe gehörig geht. Höfler hat sich auf den Reisebericht des isländischen Mönchs Nikulás aus dem Kloster Munka-Þverá in Island berufen, der diese Identifikation als erster vermutet hatte. Was Ploss zu dieser Identifikation und zur Ortsnamengeschichte der Knetterheide schreibt, muss in der Sache widerlegt werden, zumal dies Höfler gar nicht wissen konnte, es sei denn, er hätte in den nichtveröffentlichen Archivalien des Staatsarchivs Detmold geforscht.
Da reicht die Abstempelung als süddeutschen Winkelgelehrten nicht.
 
Hallo fingalo,

nun wir sollten uns nicht in gegenseitigen Zitatenorgien verschleissen, ich habe gestern noch meine Bücherregale weiter ausgebaut, da passt schon nicht mehr viel zusätzliches Material rein. Bei all den Hypothesen rund um die historische Interpretation des NL muss man auch mal den Wald lichten.


Tatsache ist jedenfalls, dass die Arminius=Siegfried These nicht von Höfler stammt, auch wenn diese Arbeit extrem häufig in diesem Zusammenhang genannt wird. In Wirklichkeit kam sie von Anfang an mit der Wiederentdeckung der NL auf. Sie war nun mal sofort die auf der Hand liegende These und wurde sehr schnell erkannt (wenngleich auch nicht von jedem anerkannt).


Übrigens, in den 60/70er Jahren, als ich die Schulbank drückte und mich dieses Thema nicht wirklich interessierte, war diese Identität Siegfried/Arminius in der Tat sehr geläufig. Als ich mich vor nicht allzu langer Zeit wieder intensiv damit zu beschäftigen begann, habe ich mich zunächst einmal gewundert, dass diese gerade nicht mehr in Mode war. Der hier auch diskutierte Spiegelartikel hat sie dann aber wieder so richtig hochgebracht.


Du schreibst:
fingalo schrieb:
...Die Siegfriedsage wird bislang ja nicht archäologisch, sondern philologisch behandelt.....
Ja, dass denke ich auch, es ist im wesentlichen richtig und wohl auch der Knackpunkt: Historiker haben sich garnicht so viele ernsthaft damit befasst, vermutlich weil die Aussicht auf Erfolg nicht eben gigantisch ist.



Die philologische Sicht ist vor allen Dingen aber deswegen problematisch, weil sie eine anachrone Betrachtung darstellt: Das Pferd wird von hinten aufgezäumt, denn bei jedem Detail das interpretiert wird, kann man nicht sicher unterscheiden ob es sich um tiefsten historischen Grund oder um später Überprägtes handelt. Besser ist aber eine diachrone Betrachtung, also aus der Zeit hinaus, man sollte sich die Frage stellen: Was musste eigentlich passieren, dass wir im Jahre 1200 eine solche Geschichte wie die NL aufgetischt bekommen ?


Warum aber glaube ich nun mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit an die Gleichung Siegfried=Arminius ? Ich will dass verkürzt ohne Erörterung der Details klarmachen:


(A) Arminius schaffte es im römischen germanischen Krieg 9-16 Rom komplett aus seinem rechtsrheinischen Machtbereich herauszuwerfen, dies war den benachbarten Galliern in Jahrzehnten des Kampfes nicht gelungen. Er bekam dabei einen Schatz in die Hände, insbesondere den Prunktross des Varus, der für das Verständnis der damaligen Germanen von schier unglaublicher, sprichwörtlich sagenhafter, Grösse war.


(B) Nach seinem Tod durch Verwandtenmord um das Jahr 21 rieb sich der gesamte Cheruskerstamm in Bruderkämpfen auf, so dass man in Rom sogar um die Lieferung eines cheruskischen Königs nachbat. Um das Jahr 100 herum schrieb Tacitus dass das grosse ruhmreiche Volk der Cherusker praktisch nicht mehr existierte, aber Arminius immer noch in Liedern besungen werde.


Soweit nur die zwei wichtigsten Eckpunkte am Anfang und Ende, die Thusnelda/Segestesdramen lasse ich erst mal beiseite. Diese Geschichte vom unmöglichen Sieg des jugendlich strahlenden Helden, dem grenzenlosen Schatz, der dramatischen Liebesgeschichte mit Thusnelda, dem Meuchelmord am Helden und dem im folgenden Bruderkampf um Schatz und Ehre untergegangen Cheruskerstammes wurde von allen germanischen Stämmen sehr stark antizipiert.


(C) es ist nun schlicht unmöglich dass diese für die damalige Zeit absolut grandiose Geschichte nicht in einen Mythos aufgeht: Es gibt keine vernünftig denkbare Möglichkeit, dass die unabhängigen Stämme irgendwann alle aufgehört hätten, die Geschichte von Arminius in irgendeiner Form weiterzuerzählen.


(D) Aufgrund der weitestgehenden Schriftlosigkeit der Zeit wurde dieses, sagen wir zur Unterscheidung Arminiuslied, dabei ständig mit zeitgenössischen Anlehnungen überprägt.


Man kann nun getrost annehmen dass die Argumente C und D stimmig sind: Du könntest heute den Leuten so oft verbieten wie du willst z.B. die Geschichte von Prince Charles und Lady Di weiterzuerzählen, es hätte keinen Zweck, sie würden es erst recht tun. So war es auch mit dem Arminiuslied, es wurde nur in wenigen Generationen vergessen, um welche Personen es nun wirklich ging. Und das diese Geschichte von Mund zu Mund verändert wird ist auch klar, lediglich der innewohnende Topos bleibt einigermassen sicher erhalten.


Der nächste Anknüpfungspunkt ist nun das Nibelungenlied, dass um das Jahr 1200 niedergelegt wurde. Für die Zwischenzeit ist uns an Quellen nur wenig bekannt, z.B. das Tacituszitat vom besungenen Arminius um 100 sowie die Runensteine von Gotland, die bezeugen dass die Sigurd/Siegfriedsage so etwa um 400 bis 600 in Skandinavien gängig war.


Wenn wir nun das NL in der Hand haben, so können wir weiter sagen: Das NL ist offensichtlich eine Sammlung germanischer Sagen und Myten, die zu einem Werk zusammengeführt wurden. Nun gibt es genau zwei Möglichkeiten:


(1) Das NL enthält nicht das Arminiuslied
(2) Das NL enthält das Arminiuslied (in irgendeiner überprägter Form).


Im Falle (2) ist ohne weitere Verrenkungen klar das Siegfried dem Arminius entspricht. Im Falle (1) haben wir aber ein Problem: Wie kann es sein, dass das Arminiuslied nicht in die Nibelungensage eingegangen ist ? Dazu gibt es im wesentlichen folgende Möglichkeiten:


(i) Die germanischen Völker hörten irgendwann alle damit auf, die Arminiusgeschichte weiterzuerzählen und zu variieren.


(ii) Der unbekannte Verfasser des NL hat die Arminiusgeschichte einfach übersehen oder für nicht weiter erzählenswert gehalten.


Der Punkt (i) ist praktisch nicht denkbar. Eine solche Topstory, nicht unähnlich auch Romeo und Julia, wird immer weitererzählt, in den unterschiedlichsten Varianten, aber nie und nimmer unterlassen die unabhängigen Völkerschaften das Weiterdichten.


Der Punkt (ii) wäre dagegen durchaus denkbar, das Arminiuslied kam vielleicht so uninteressant daher, dass es im süddeutschen Raum einfach fallengelassen wurde. Dass beisst sich aber mit der Wiedergabe des Siegfriedliedes in den räumlich weit und zeitlich recht nahen Niederlegungen der Sagenkreisen wie z.B. der Edda in Skandinavien und des Beowulf in Britannien. Hier wurden nämlich die gleichen Sagenkreise von unterschiedlichen und inzwischen kulturell unabhängigen Autoren niedergelegt. Es wäre extrem unwahrscheinlich, dass alle diese Autoren das Arminiuslied über Bord geworfen hätten, es folgt daher:


(iii) wenigstens einige zum NL konkurrierende Niederlegungen enthalten das Arminiuslied


Dies bedeutete aber, es


(iv) müsste einer der Nebenfiguren der konkurrierenden Niederlegungen wie Edda oder Beowulf usw., mit untereinander ähnlichem Charakter, den Arminius darstellen.


Ich kann nicht sehen dass letzteres (iv) zutreffend wäre, das also eine im Nibelungenlied nicht vorkommende Nebenfigur in der Edda und/oder Beowulf den Arminius charakterisiert.


Aus letzterem folgt dann endlich die Gleichsetzung Siegfried=Arminius, q.e.d.

Beste Grüsse, Trajan.
 
Trajan schrieb:
Man kann nun getrost annehmen dass die Argumente C und D stimmig sind: Du könntest heute den Leuten so oft verbieten wie du willst z.B. die Geschichte von Prince Charles und Lady Di weiterzuerzählen, es hätte keinen Zweck, sie würden es erst recht tun. So war es auch mit dem Arminiuslied, es wurde nur in wenigen Generationen vergessen, um welche Personen es nun wirklich ging. Und das diese Geschichte von Mund zu Mund verändert wird ist auch klar, lediglich der innewohnende Topos bleibt einigermassen sicher erhalten.


Bei diesem Beispiel ist mir die Idee zu einem Gedankenexperiment bzw. einer Wette gekommen:

Ich behaupte, eine mit derart vielen nachträglichen Ausschmückungen versehene Legende läßt keine Rückschlüsse auf ein bestimmtes historisches Ereignis zu, vielmehr läßt sie sich mit nahezu jedem beliebigen Ereignis verknüpfen.

Dazu schlage ich folgende Wette vor:

1. Du schmückst die Lady-Di-Geschichte legendär mit irgendwelchen Details nach Deinem Gusto aus, so wie sie möglicherweise bei mündlicher Wiedergabe in einigen Jahrhunderten erzählt würde - in etwa analog der Wandlung vom historischen Arminius-Geschehen zum Nibelungenlied. (Das braucht kein Roman zu sein, ein Plot von zwanzig Zeilen dürfte genügen.)

2. Ich hingegen werde den Versuch machen, die Details aus Deiner Geschichte mit einem anderen historischen Ereignis bzw. einer anderen historischen Persönlichkeit zu verbinden. (Die von mir ohne Kenntis Deines noch zu schreibenden Plots ausgewählte Figur habe ich bereits in einem verstecken Beitrag niedergelegt, den ich ggf. sichtbar mache.)

Wie wär's?
 
hyokkose schrieb:
Bei diesem Beispiel ist mir die Idee zu einem Gedankenexperiment bzw. einer Wette gekommen:

Ich behaupte, eine mit derart vielen nachträglichen Ausschmückungen versehene Legende läßt keine Rückschlüsse auf ein bestimmtes historisches Ereignis zu, vielmehr läßt sie sich mit nahezu jedem beliebigen Ereignis verknüpfen.

Dazu schlage ich folgende Wette vor:



Wie wär's?

Ob das hier einen Sinn macht?:grübel:
Ich halte das für eine Spielerei, die uns in dem Thema nicht weiterbringt.

Oder willst Du den Lady-Di-Autofall nachher auch mit dem Autounfall von James Dean vergleichen? Übrigens da hat der Beifahrer überlebt......
 
Cherusker schrieb:
Ob das hier einen Sinn macht?:grübel:
Ich halte das für eine Spielerei, die uns in dem Thema nicht weiterbringt.

Ich halte eher das Thema selbst für eine Spielerei. Solange nicht eine Frühfassung der Siegfriedsage z. B. aus dem 5. Jahrhundert gefunden wird, bleibt alles mehr oder weniger Spekulation.

Und wie sollen uns Spekulationen beim Thema weiterbringen?




Cherusker schrieb:
Oder willst Du den Lady-Di-Autofall nachher auch mit dem Autounfall von James Dean vergleichen? Übrigens da hat der Beifahrer überlebt......

Das wird natürlich erst am Schluß verraten. Es sei denn, einer von uns muß vorher passen...
 
Trajan schrieb:
Wenn wir nun das NL in der Hand haben, so können wir weiter sagen: Das NL ist offensichtlich eine Sammlung germanischer Sagen und Myten, die zu einem Werk zusammengeführt wurden. Nun gibt es genau zwei Möglichkeiten
Und hier ist der Kanckpunkt. Das ist eine Tansponierung Grimmscher Sammelleidenschaft in die mittelalterliche Zeit. Es gibt ja immer noch die mir näherliegende Möglichkeit, dass der Dichter nicht die Sagen sammeln, sondern sich ein bestimmtes Thema behandeln wollte. Und dabei hat er bereits vorhandene Versatzstücke, die den Höhrern / Lesern bekannt waren, verwendet und neu zusammengesetzt. Durch den neuen Kontext verloren sie ihren ursprünglichen Inhalt und wurden mit neuem Inhalt gefüllt. Wir kennen das aus dem Urchristentum, wo römisch-heidnische Elemente aufgegriffen und umgestaltet wurden. So wurde in Rom Weihnachten auf den Festtag des Sol invictus gelegt. Die gleichung Siegfried = Arminius ist dann etwa so zu beurteilen, wie Christus = Sol invictus. Und das wiederum würde ich als assotiative Motivwanderung akzeptieren. Aber dass jemand zu dieser Zeit ein solches Epos aus schierem Konservierungswillen schrieb, halte ich für ausgeschlossen.
Um nicht missverstanden zu werden: Selbstverständlich gab es Büchersmmlungen und konservierende Abschriften. Selbstverständlch gab es auch Kompilationen. Aber eine völlige Neugestaltung eines Textes aus vorhandenem nur als l'Art pour l'Art, ohne ein (gesellschafts)politisches Motiv, dazu kenne ich keine Parallele aus der Zeit. Alle verfassten Texte, weil sie in ihrer Zeit etwas bewirken wollten, nicht um etwas vor dem Vergessen zu bewahren. Und das macht ja gerade die Quellenkritik so schwierig.
 
Zuletzt bearbeitet:
fingalo schrieb:
Und hier ist der Kanckpunkt. Das ist eine Tansponierung Grimmscher Sammelleidenschaft in die mittelalterliche Zeit. Es gibt ja immer noch die mir näherliegende Möglichkeit, dass der Dichter nicht die Sagen sammeln, sondern sich ein bestimmtes Thema behandeln wollte....... dass jemand zu dieser Zeit ein solches Epos aus schierem Konservierungswillen schrieb, halte ich für ausgeschlossen.
.......

Hallo fingalo,

schön dass Du den Knackpunkt gefunden hast. Natürlich liegt er in der Frage, ob das Nibelungenlied als eine einigermassen brauchbare Sammlung wenigstens der wichtigsten damals geläufigen Mythen und Sagen zu sehen ist oder nicht. Ob der unbekannte Autor der NL dies absichtlich oder ohne weiter darüber nachzudenken tat, spielt dabei jedoch keine Rolle.

Also statt die ziemliche schwierige Frage "Ist Arminius in Siegfried aufgegangen" zu lösen, löst man besser die einfachere Frage "ist das Nibelungenlied eine halbwegs vollständige Mythensammlung seiner Zeit ?". Wird letztere Frage mit JA beantwortet, so ist mit hoher Sicherheit Siegfried=Arminius, ist sie mit NEIN zu beantworten so bleibt die Frage leider weiterhin ungeklärt.

Ich bin der Überzeugung dass letztere Frage eben mit JA zu beantworten ist. Kurz gefasst deswegen weil,

(a) soweit ich die philologisch-historische Literatur dazu kenne werden von den Autoren regelmässig grosse Sagenkreise an den NL festgemacht. Der Eindruck dass der unbekannte Autor vieles, wenn nicht alles, an volkstümlicher Überlieferung aus seinem Umfeld zusammentrug liegt sehr nahe.

(b) besonders gravierend in diesem Zusammenhang ist natürlich der Umstand, das im germanischen Grossraum, nämlich auch in Britannien und Skandinavien ähnlich lautende Mythensammlungen aufgefunden wurden. So z.B. der Beowulf (erste bekannte Niederlegung um 1000) und die Edda (erste bekannte Niederlegung um 1270) und zwar eben ohne dass da ein direkter Zusammenhang bzgl. der Niederlegung mit dem NL (erste bekannte Niederlegung um 1200) erkennbar ist. D.h., die inzwischen durch die Völkerwanderung getrennten germanischen Kulturen fixierten alle ziemlich spät ihr mythisches Kulturgut in Form solcher Sagensammlungen die nun alle im Detail unterschiedlich und auch in einzelnen Sagenteilen unterschiedlich, jedoch offensichtlich mit vergleichbarem Grundstoff ausgestattet sind. Die deiner Meinung nach (Zitat:„...näherliegende Möglichkeit, dass der Dichter nicht die Sagen sammeln, sondern sich ein bestimmtes Thema behandeln wollte....“) vorhandene Möglichkeit, das der Dichter der NL lediglich ein bestimmtes Thema erzählen wollte, kommt daher so nicht in Frage.


Davon unberührt bleibt selbstverständlich die Möglichkeit, das der unbekannte Autor mit dem Vehikel der NL auch noch zeitgenössische Gesellschaftpolitik behandeln wollte, das mag schon sein, ändert aber imho nichts an dem einen, zugegeben speziellen Aspekt, der Siegfried/Arminiussage.



Beste Grüsse, Trajan.
 
Trajan schrieb:
Hallo fingalo,

schön dass Du den Knackpunkt gefunden hast. Natürlich liegt er in der Frage, ob das Nibelungenlied als eine einigermassen brauchbare Sammlung wenigstens der wichtigsten damals geläufigen Mythen und Sagen zu sehen ist oder nicht. Ob der unbekannte Autor der NL dies absichtlich oder ohne weiter darüber nachzudenken tat, spielt dabei jedoch keine Rolle.

Also statt die ziemliche schwierige Frage "Ist Arminius in Siegfried aufgegangen" zu lösen, löst man besser die einfachere Frage "ist das Nibelungenlied eine halbwegs vollständige Mythensammlung seiner Zeit ?". Wird letztere Frage mit JA beantwortet, so ist mit hoher Sicherheit Siegfried=Arminius, ist sie mit NEIN zu beantworten so bleibt die Frage leider weiterhin ungeklärt.

Ich bin der Überzeugung dass letztere Frage eben mit JA zu beantworten ist. Kurz gefasst deswegen weil, ...

Es kommt für mich noch folgendes hinzu:
Siegfrieds Kampf mit dem Drachen kommt im NL unmittelbar gar nicht vor, sondern wird nur als Vorgeschichte von Hagen in einigen Strophen erzählt.
Es geht um die Heirat von Siegfried und Gunther, um den Streit der Königinnen, um den Zug der Burgonden an die Donau und den Untergang der Burgonden, die erst ab der Reise zu Etzel den Namen Nibelungen bekommen.
Was um alles in der Welt hat das mit Arminius zu tun?
Warum, wenn er nur Sagen zusammenstellen wollte, legt er so großen Wert auf die Kleidung auf der Brautfahrt nach Island und beschreibt sie bis ins Detail?
Warum ist Krimhild so dämlich, und markiert die einzig verwundbare Stelle, die (ein Lindenblatt groß) niemals auf einer Jagd aus versehen hätte getroffen werden können? Welchem Sagenkreis soll das entspringen?

Wenn man schon nach einer Sagensammlung sucht, dann liegt diese eher in der Saga Thidreks von Bern. Die hat viele alte Sagenstoffe und wohl auch die Quellen des NL-Liedes benutzt. Aber der qualitative Unterschied ist beträchtlich. Aber auch das werden politische Zeitbezüge eingeflochten.

Natürlich suchen Philologen gerne nach den älteren Vorlagen und legen ihr Schwergewicht auf die Vorstufen, z.B. auf ein verschollenes Brünhildlied. Aber die Historiker sieht mit ganz anderen Augen auf das Lied. Er fragt nach den historischen Ereignissen, die der Dichter in seinem Lied zum Ausdruck bringen wollte. Und da ist Arminius nur im Promilleberich zu finden. Spannender ist die Beschreibung des Wormser Hofes (wo ungewöhnlicherweise ein Truchsess auftaucht), die bildlichen Darstellungen von Kreuzrittern mit einem aufgenähten Kreuz auf dem Rücken, die Beschreibung von Kleidern, die so nur in Sizilien hergestellt werden konnten (Gisela Helmecke: "Sizilianische Textilien von den Arabern bis zu denStaufern. In: Das Staunen der Welt, Bilderhefte der Staatlichen Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz. Heft 77/78 Berlin 1995 S. 24 ff.) usw. aber angeblich auf Island (!) große Mode sein sollen, Island, das etwa um die Entstehung des Nibelungenliedes erst christianisiert wird. Brünhild hat diese Stoffe im Überfluss. Es sind "ferrantinische Röcke aus arabischer Seide". Ferrantia liegt auf Sizilien. Das Verhältnis Brünhildes zu Gunter gleich dem der Normannin Konstanze von Sizilien zu Heinrich VI.
Wenn man nach Persönlichkeiten sucht, die zur Zeit der Abfassung des Nibelungenliedes in aller Munde waren, so war das nicht mehr Arminius, sondern Richard Löwenherz. Und der war Kreuzritter mit einem Kreuz auf dem Rücken. Er war der Abenteuerhld der damaligen Zeit schlechthi, so dass man nicht auf einen Arminius zurückzugreifen brauchte.

Mich stört ein wenig, dass sich Germanisten und Literaturhistoriker des NL bemächtigt und die Deutungshoheit übernommen haben. Historiker beginnen erst ganz zaghaft, das NL auf die Folie der Zeitgeschichte seiner Abfassung zu legen. Mir kommt das so vor, als ob man bei Riemenschneider Abhandlungen über das Kirschbaumholz schriebe und das eigentlich Dargestellte nicht in den Blick bekäme.
 
Urstoff

fingalo schrieb:
....Wenn man nach Persönlichkeiten sucht, die zur Zeit der Abfassung des Nibelungenliedes in aller Munde waren, so war das nicht mehr Arminius, sondern Richard Löwenherz. Und der war Kreuzritter mit einem Kreuz auf dem Rücken. Er war der Abenteuerhld der damaligen Zeit schlechthi, so dass man nicht auf einen Arminius zurückzugreifen brauchte....


Ja so sieht dass aus. Zur Zeit der Abfassung waren fast 40 Generationen seit Arminius vergangen, also hat die Geschichte von Siegfried/Arminius entsprechend viele Überprägungen erhalten. Richard Löwenherz wäre als eine letzte Überprägung um 1200 gerade noch möglich, aber erscheint mir nicht sehr wahrscheinlich. Aber wie auch immer, es würde genau bestätigen was ich meine: Der Grundstoff wurde fast 1200 Jahre lang für detailsichere Anreicherungen genutzt:

So erzähle ich hier den Urstoff; soweit er sich mir aus den Quellen erschliesst und die Entstehung der NL nachvollziehbar macht:

(A) Die beiden Söhne des Cheruskerfürsten Sigimers, der ältere ist Siegfried, von den Römern später Arminius genannt, und sein Bruder, von den Römern später Flavus, der Blonde, genannt, werden aufgrund von Friedensvereinbarungen mit den Römern bei denen erzogen und militärisch ausgebildet. In römischen Kriegsdiensten wird Flavus bald schon eine entstellende Verwundung davon tragen, er wird ein Auge verlieren.

(B) Siegfried liebt die Tochter des benachbarten Cheruskerfürsten Segestes, von den Römern wird sie später Thusnelda genannt. Selbige ist aber schon einem Chattenfürstensohn versprochen. In der Folge entbrennt hier eine höchst ungewöhnliche superromantische Liebesgeschichte.

(C ) Siegfried schlägt in 9 n.Chr. in einem militärischen Glanzstück, das vor kurzem noch niemand für möglich gehalten hatte, den Sommerzug des römischen Legaten Varus und kommt in den Besitz des gesamten riesigen prunkvoll ausgestatteten Tross. Der Sieg verleiht im riesiges Ansehen und einen gigantischen Schatz. Siegfried nennt sich nun „Sygfrid Irmin“ was germanisch ungefähr soviel heisst wie Siegfried der Grosse. Irmin ist für Römer leichter auszusprechen und so wird er von Ihnen schliesslich Arminius genannt.

(D) Arminius holt sich nun seine Thusnelda gegen den erklärten Willen deren Vaters. Eine üble Familienfehde entbrennt spätestens jetzt, der Fürst Segestes und das benachbarte Chattische Fürstenhaus ist geprellt und tödlich beleidigt. Im Jahre 15 gelingt es Segestes seine inzwischen schwangere Tochter dem Arminius zu entreissen und gegen ihren Willen auf Vaters Burg zu verbringen.

(E) Die Römer lassen auch nicht ewig auf sich warten. Germanicus setzt ab dem Jahre 14 mit Vergeltungs- und Rückeroberungsfeldzügen an. Im Frühsommer 15 kommt er dem Segestes zu Hilfe gegen Arminius: Der belagert Segestes gerade auf seiner Burg um seine Thusnelda und sein werdendes Kind, es wird später von Tacitus Thumelicus genannt werden, wieder zu bekommen. Germanicus obsiegt und nimmt Thusnelda, sowie ihren Vater und Bruder mit auf römisches Gebiet in Gewahrsam und Sicherheit vor dem vor ohnmächtiger Wut schäumenden Arminius.

(F) In 15 und 16 kommt es dann zu mehreren Schlachten zwischen Germanicus und Arminius, so die Schlachten von pontes longi, idistaviso und am angrivarierwall. Laut Tacitus hat Germanicus mehr Siege davongetragen, in Wahrheit aber wurde er von Arminius dermassen gerupft, dass er nie mehr wiederkam und Arminius in 17 sogar noch die rund 70.000 Mann starke Armee des aus Böhmen anrückenden Konkurrenten Marbod in die Schranken weisen konnte. Dabei läuft aber sein Onkel Inguiomerus aus eifersüchtigen Motiven zum Gegner über.

(G) In 17 war er nun quasi König über Mitteldeutschland bis hin an den Böhmerwald und seinen Stammesfürstenkollegen, so z.B.seinem Onkel Inguiomerus, an Macht und Ansehen weit überlegen und damit ein Dorn im Auge. Zudem hatte er ja noch den riesigen Schatz.

(H) Die aufkommenden Familienstreitigkeiten um Macht und Schatz führen schliesslich zu seiner Ermordung durch die eigene Verwandschaft. Darin verwickelt sind neben Inguiomerus auch der einäugige Flavus und einer der beleidigten Chattenfürsten, von Tacitius als (H)adgandestrus überliefert.

(I) Mit dem Tod des Arminius in 21 n.Chr. ist die Sache aber noch nicht beendet. Das Meucheln geht jetzt erst so richtig los. Die Einzelheiten sind leider nicht überliefert, in 47 verlangt man jedenfalls in Rom nach dem Italicus, den Sohn des Flavus, dass man ihnen diesen als Fürsten übergeben möge, da ansonsten wohl kein lebendiger Adelsspross in Cheruskerland mehr da wäre.

(J) Zwischenzeitlich sitzen in Ravenna, im römischen Exil, die Personen Marbod aus Böhmen (in 19 gestürzt) sowie die in 15/16 geflüchteten Segestes, sein Sohn Segimer, der einäugige Flavus mit Sohn Italicus, sowie Thusnelda und Ihr Sohn Thumelicus und sicherlich noch einige anderer germanische Exilanten aus der cheruskischen Sippschaft. Thusnelda hat spätestens mit der Ermordung ihres geliebten Mannes allen Grund ihre Sippschaft zu hassen. Vermutlich wird sie unter der buckligen Verwandschaft bei einem arrangierten Treffen ein Massaker organisiert haben, dem unter Umständen neben den Siegfriedmördern auch ihr Sohn Thumelicus zum Opfer fiel, so dass später nur noch Italicus als Fürst verfügbar war. Tacitus (ann.I,58) deutet dies an: "Der Knabe wuchs in Ravenna auf. Von dem Spiel, das das Schicksal später mit ihm getrieben hat, werde ich zu gegebener Zeit berichten." Leider ist dieser Bericht verschollen.

(K) Um 95 n.Chr. bestanden die Cherusker nach Tacitus dann nur noch aus einem heruntergekommenen kleinen Haufen ohne Bedeutung mehr für Rom. Die Cherusker hatten sich endgültig selbst ausgelöscht.

Nun soweit die Geschichte. Was dann in 1100 Jahren daraus gemacht wurde kann sich jeder leicht ausmalen: Der erste Teil, in den Jahren 9 bis 21 entstanden, ergeben die Siegfriedlieder, der zweite Teil 21- 47 bzw bis ca. 95 ergeben in späteren Überprägungen das ganze Burgundengedöns, unterwegs bis dahin werden mindestens noch die Völkerwanderungsgeschichten des 4-6 Jhd. überprägt, so dass wir je nach Gusto auch noch Attila, Theoderich und sonstige Helden vorfinden.
Denn mit der ab der späteren Hälfte des 3 Jhd. einsetzenden Völkerwanderung werden die Völker des ehemaligen Cheruskergebietes von den aus dem Osten nachrückenden Völkern einerseits nach Westen über den Rhein, nach Süden über die Donau vertrieben, wo sie sich mit romanischer Kultur vermischen, aber auch nach Norden nach Britannien, Skandinavien und sogar bis nach Island getrieben. Im Süden werden wir später das Nibelungenlied, in Britannien den Beowulf und in Skandinavien die Edda als eigenständige Überprägungen des Urstoffes vorfinden.

Von mit vermeintlicher Detailsicherheit ausgestatteten Geschichten von Drachen, Lindenblättern und Zwergen und Nebelmenschen, Kleidungsstoffen und Kreuzen auf dem Rücken, sollte man sich nicht verwirren lassen, wirklich wichtig ist der zugrunde liegende Topos.

Beste Grüsse, Trajan.
 
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