Was die Ausstattung betrifft, sind hier vor allem die für die Epoche zu groß geratenen Pferde und die wohl damit einhergehenden anachronistischen Steigbügel (!) anzumerken. Und, vermutlich auf Wunsch der Produktion, hat man es wieder mit den Pelzen der Germanen übertrieben, noch dazu im Sommer — aber die werden von einem internationalen Publikum halt erwartet bei nördlichen Barbaren.
Als ungeheurer Pedant teile ich persönlich die künstlerischen Freiheiten in drei Gruppen ein: Notwendige, die mich nicht stören; notwendige, die mich ärgern; und unnötige, die mich ärgern.
Steigbügel etwa! Selbst wenn die Schauspieler bereit wären, zu lernen, wie man ohne Steigbügel reitet, was gar nicht einfach ist, wird der Versicherer der Produktion wahrscheinlich sein Veto einlegen; zu groß ist die Verletzungsgefahr.
Es handelt sich also um eine notwendige Einschränkung, mit der man leben kann und muss. In diese Kategorie fallen bspw. auch Zusammenlegungen von Ereignissen oder Protagonisten, dem Medium Film geschuldet; man kann in zwei Stunden nicht die komplexe Wirklichkeit abbilden, ohne dass selbst dem geschichtlich versiertesten Zuschauer der Kopf platzt.
Ein großes Ärgernis für mich sind Beobachtungen wie die angesprochenen Pelze; dennoch fallen sie in die Kategorie des Notwendigen. Das Publikum hat über Jahrzehnte hinweg Erwartungen ausgebildet, wie eine Epoche auszusehen und sich anzuhören habe.
Selbst wenn die Produktion einen Berater engagiert hat, der weiß, was er tut, wird sie trotzdem den Erwartungen des Publikums folgen, das sonst den Trailer sehen und sich denken würde: Was ist das denn für ein Quatsch? Immerhin wollen die Leute vom Film Geld verdienen.
Aus diesem Grund werden wir niemals z.B. "Wikinger" sehen, wie sie wirklich aussahen: den Landsknechten ähnlicher als diesen pelzbehangenen Schmutzfinken aus dem Fernsehen, farbenfroh gekleidete Kerle, die sich flamboyant gaben und auf ihr schönes Haar stolz waren.
Immerhin gibt es hier, ausgerechnet auf Netflix, einen Silberstreif am Horizont.
Immer mehr Filmemacher sehen ein Publikum für historische Akkuratesse. So hat "Outlaw King" wahrscheinlich die realitätsgetreuste Ausstattung aller Mittelalter-Filme. Aber auch andere Epochen werden abgedeckt, wie in "Jadotville".
Hoffen wir, dass der Trend anhält.
Unter die ärgerlichen und unnötigen Änderungen fallen solche, die die Zuschauer für dümmer halten, als sie sind.
Etwa, wenn das Leben und Wirken historischer Personen verleugnet wird, um auf Teufel komm raus einen Helden oder Bösewicht zu konstruieren – wie in "Da Vincis Demons", wo man aus Friedrich von Urbino, dem wahrscheinlich fortschrittlichsten und (zumindest gegen seine Untertanen) gutmütigsten Fürsten seiner Zeit einen tumben, blutrünstigen Triebtäter gemacht hat.
Dazu gehört auch die Anbiederung an moderne Befindlichkeiten und politische Einstellungen (wobei ich gar nicht an solche Extreme zum Fremdschämen denke wie die ahistorische ethnische Diversität, die auf einmal in angeblich historischen Filmen Einzug hält).
Woher kommt z.B. in "Braveheart" all das Gerede von Freiheit? Oder selbst in "Kingdom of Heaven" (ein Film, den ich dennoch liebe)? Waren den Zuschauern die Motive früherer Epochen wirklich nicht vermittelbar: religiöse Frömmigkeit, Lehnstreue, das Verdienen des Lebensunterhalts?
Dass es auch anders geht – dass man dem Publikum durchaus historische Akkuratesse zumuten kann –, beweist wiederum "Outlaw King".
Eine der stärksten und ganz und gar bewundernswertesten Personen im Film ist Elizabeth de Bruce, obwohl sie auf die Rolle der Frauen ihrer Zeit reduziert gezeigt wird und gerade nicht zur ahistorischen, Schwerter schwingenden und gegen die Benachteiligung der Frauen aufbegehrenden Heroine mutiert.