Beziehungen Deutschland-Großbritannien 1890-1914

1883 standen in der Pall Mall Gazette folgende bermerkenswerte Zeilen:

"Eine Suprematie, wie sie Deutschland genießt, fast ohne Vorrang an sich, ist noch einziger in der Art, wie sie ausgeübt wird.
Weder England nach Waterloo, noch Frankreich nach Solferino, noch Kaiser Nikolaus nach Niederwerfung des ungarischen Aufstandes übten einen ähnlichen Einfluß aus. Die meisten Männer, die in den Traditionen der Lehre vom europäischen Gleichgewicht aufgewachsen sind, würden es für unmöglich erklärt haben, dass eine so ungeheure Autorität in die Hände einer einzelnen Regierung gelegt werden konnte, ohne ernsten Nachteil für den Frieden, die Unabhängigkeit und das allgemeine Wohlergehen Europas.
Jedoch , nach dreizehnjähriger Erfahrung kann kein unparteiischer Beobachter in Frage stellen, dass das deutsche Übergewicht im ganzen das gesundeste Element in der europäischen Lage gewesen ist. Die deutsche Politik hat gelegentlich Irrtümer begangen, denn Deutsche sind sterblich wie andere Menschen, aber im ganzen hat Europa das Vorhandensein dieser großen friedlichen Kraft in seinem Zetrum zum Vorteil gereicht, und wenn es gewiß wäre, dass dieselbe Zukunft mit der halben Wahrheit und Zurückhaltung wie bisher gehandhabt werden würde, so würden nur wenige Männer außerhalb des engen Kreises französischer Politiker nicht geneigt sein, esto perpetua zu sagen. Eine so ungeheure Macht ist selten so gut angewendet worden."

Nachzulesen bei Becker, Bismarcks Bündnispolitik, S.59
 
Zuletzt bearbeitet:
Als die Russen sich nach dem chinesisch-japanischen Krieg 1895 ihren Schwerpunkt der auswärtigen Politik verlegte, hatte das Rückwirkungen auf Europa.
1897 wurde zwischen Russland und Österreich-Ungarn ein Abkommen geschlossen, was den Status Quo auf dem Balkan festschrieb. So konnte Russland seinen Interessen in Asien nachgehen.
Damit war zumindest die Umklammerung Deutschlands, die das französisch-russische Bündnis ausmachte, gelockert. Paris musste, wenn es seinen neuen Verbündeten nicht verlieren wollte, gute Mine machen. Gleichzeitig geriet die französische Republik in stärkeren Gegensatz zu England; nicht zuletzt aufgrund seiner kolonialen Bestrebungen in Afrika. Die praktische Konsequenz war eine gewisse Annäherung der kontinentalen Mächte; etwas, was London nicht gefallen konnte.
Da trat der eigentlich sehr befähige Staatssekretär des Äußeren Salisbury gegenüber dem deutschen Botschafter Hatzfeld, gemäß Bismarck das beste Pferd im Stall, mit einer abenteuerlichen Idee hervor.

Er schlug eine Zerlegung des "verfaulten" ottomanischen Reiches vor. Er drückte sich vorsichtig und nicht sehr klar aus, bezeichnete aber Albanien und Tripolis als Teile der Türkei, die man Italien in Aussicht stellen könne und schien auch den russischen Wünschen hinsichtlich Konstantinopel in gewissen Umfang entgegenkommen zu wollen (1).

Dieser Punkt muss erstaunlich anmuten, denn ein bleibender Grundsatz der englischen Politik war seit Jahrzehnten das Zarenreich nicht zum Beherrscher der Meerengen werden zu lassen.

Man kann also mit Fug und Recht davon ausgehen, das der britische Vorstoß nur den Zweck verfolgte, die Gegensätze in Europa wieder lebendig werden zu lassen.

Hatzfeld fragte Salisbury, wie dieser denn glaube, wie sich eine gütliche Teilung des ottomanischen Reichs unter die Interessenten bewerkstelligen lasse.
Von Berlin aus wies man daraufhin, das ein Vordringen Italiens nach Albanien und Tripolis eine weite Kluft zwischen Wien und Rom aufwerfen und damit den Dreibund sprengen werden. (2) Man lehnte den Plan entschieden ab, weil man die augenblicklich zurückgetretenen Probleme des Nahen Ostens nicht künstlich akut machen wolle.

Plötzlich lenkte Salisbury und räumte wenig später ein, das er niemals die Absicht gehabt habe, den Russen die Dardanellen zu überlassen. (3)

(1) Große Politik, Band X, S.10ff
(2) Große Politik, Band X, S.15
(3) Große Politik, Band X, S.82
 
1883 standen in der Pall Mall Gazette folgende bermerkenswerte Zeilen:
Hier muss man natürlich die Entstehungszeit berücksichtigen. Das war eben noch zu Zeiten Bismarcks, der Deutschland in Europa als saturiert ansah und der die Politik verfolgte, keiner der europäischen Großmächte einen Grund zu geben, sich mit Frankreich gegen Deutschland zu verbünden und abgesehen von dem kurzen Ausflug in die Kolonialpolitik, gab es eben auch die Weltpolitik und das Streben nach dem "Platz an der Sonne" unter Wilhelm II und seinen Kanzlern noch nicht.

1905 oder 1910 hätte man solche Zeilen vermutlich nicht mehr in einer britischen Zeitung lesen können.
 
Dieser Punkt muss erstaunlich anmuten, denn ein bleibender Grundsatz der englischen Politik war seit Jahrzehnten das Zarenreich nicht zum Beherrscher der Meerengen werden zu lassen.
@Turgot wenn ich mich an unsere vergangenen Diskussionen erinnere, in welchen die Wasserstraße zwischen Mittelmeer und schwarzem Meer thematisiert waren, dann kommt es mir geradezu neckisch vor, dass hier neben Russland ein weiterer selbsternannter "Besitzer/Verfüger" über die nun mal seit Jahrhunderten osmanischen Meerengen auftaucht :D
(siehe aus humoristischen Gründen Liman-von-Sanders-Krise und die Dardanellen. (..Ein Versuch) )
 
Ende der 90ziger begannen zwischen Berlin und London die hinlänglich bekannten Bündnissondierungen. Der britische Kolonialminister Chamberlain gab erfrischend offen zu, dass es ihm bei seinem Plan eines Beitritts zum Dreibund auf eine Einschränkung der russischen Ausdehnungsbestrebungen in Ostasien ankomme.
Der deutsche Botschafter Hatzfeld berichtet unter dem Datum des 25.04.1897, der britische Kolonialminister "halte eine gemeinschaftliche Erklärung, dass Russland sich mit den erworbenen Vorteilen begnügen und jedenfalls nicht über einen bestimmten Punkt hinausgehen müsse, für das einzige Mittel, einem künftigen Krieg der in China interessierten Mächte mit Russland vorzubeugen, weil Russland die Unmöglichkeit einsehnen werde, einer solchen Übermacht gegenüber an seinen weiteren Plänen festzuhalten."

Das war eine Forderung, die Deutschland nur schwerlich erfüllen konnte. Es sollte die so willkommene Erleichterung an der Ostgrenze Deutschlands helfen rückgängig zu machen und Russland wieder auf dem Balkan zu fokussieren. Daraus ist zu entnehmen, wie sich Chamberlain das Heraustreten aus der Isoloierung dachte. Man. ließ sich in London von gewissen, naiven, Egoismus leiten. Man sucht Unterstützung für die eigenen Interessen ohne sich über die besonderen politischen Lebensbedingungen des zukünftigen Bundesgenossen große Gedanken zu machen.

Chamberlain machte aber auch klar, wenn es auf die nach seiner Ansicht naturgemäßen Allianz mit Deutschland verzichten müsse, dann wäre es keine Unmöglichkeit mit Russland und Frankreich zu einer Verständigung zu gelangen.

Bülow meinte hierzu, das Russland gegenüber den Deutschen, speziell in asiatischen Angelegenheiten weit kulanter gewesen sei als England..........
Das die Sicherheit vorliegen müsste, dass das Unterhaus das Abkommen ratifizieren, das Regierung und Öffentlichkeit das Abkommen voll mittragen würden.
Deutschland liege zwischen Frankreich und Russland. Was habe England uns als Rückversicherung und Rückendeckung zu geben?
 
Bekanntermaßen wurde am 31.August 1907, nachdem wenige Wochen zuvor am 30.Juli 1907 der Ausgleich zwischen Russland und Japan geregelt war, ein großer Interessenausgleich zwischen Russland und Großbritannien abgeschlossen.

Nur wenige Monate später, am 09.Juni 1908, kam es in Reval zum Treffen zwischen den britischen König Edward VII. und den russischen Zaren Nikolaus II. Der britische König wurde u.a. von Lord Fisher, Chef der Marine, und General French, später Chef des britischen Expeditionskorps im Ersten Weltkrieg, begleitet.

Aus einen Schreiben Iswolskis an Benckendorff, russischer Botschafter in London, geht hervor, das der britische Staatssekretär Sir Charles Hardinge mit der Möglichkeit einer äußersten Spannung zwischen Großbritannien und Deutschland "in sieben bis acht Jahren" rechnete und Russland für diesen Fall die Rolle des Schiedsrichters zudachte." (1) Hardinge spielte auf das deutsche Flottenrüsten an; übersah, das England aber flott mitrüstete, da es nach eigenem Bekunden die Suprematie zur See besitzen müsse. Jedenfalls hatte Hardinge diese Gedanken mehrfach geäußert und Iswolski mutmaßte, das Hardinge dabei zu verstehen gab, dass das nicht seine Überlegung sei, sondern die anderer Kabinettsmitglieder.

Lord Fisher erteilt uns in seinen Erinnerungen darüber Auskunft, den Russen empfohlen zu haben, ihre Westgrenze gegen Deutschland möglichst stark zu machen. (2)

(1) Siebert, Diplomatische Aktenstücke, S.777 f.
(2) Fisher, Memories, S.187
 
Am 22.Juni 1908 wurde vom Vortragenden Rat Hamman eine Aufzeichnung angefertigt, aus der u.a. das Folgende hervorgeht.
Sir Ernest Cassel hatte Albert Ballin über sein Gespräch mit dem britischen König Edward VII. informiert. Cassel war mit König Edward befreundet. Der König hat ausgeführt,
"die Sorge vor der deutschen Gefahr sei die treibende Kraft für die ganze Ententepolitik des Königs und diese ein Beruhigungsmittel für jene. [...] Daher sei auch in Reval den Russen der Rat gegeben worden, auf den Neubau der Flotte zu verzichten und alles Kraft auf das Landheer zu verwenden.(1)

Der Rat ist doch etwas merkwürdig. Russland soll auf eine Flotte verzichten? Aber dafür alle Kraft in das Landheer investieren. Nun, es gab auf dem Kontinent vier Mächte, die ein ernstzunehmende Landstreitkräfte unterhielten. Russland selber, Frankreich, war verbündet mit Russland und dann Deutschland und Österreich-Ungarn. Russland sollte also volle Kraft gegen Deutschland und Österreich-Ungarn rüsten.

Als Cassel andeutete, dass eines Tages England im Einverständnis mit Frankreich und Russland an Deutschland die Frage richten könnte, wann es in der Rüstung zur See Halt zu machen gedenke [...]

Darüber gab doch eigentlich das Flottengesetz Auskunft und die Deutschen haben deutlich gemacht, das sie darüber nicht hinausgehen würden.

(1) Große Politik, Band 24, S.53
 
Seit dem Jahre 1901 setzte in wachsendem Maße eine Verschlechterung der Stimmung in der englischen Öffentlichkeit in Hinblick auf das Deutsche Reich ein Führende Zeitungen sprachen immer lauter von einer "deutschen Gefahr". Die albernsten Gerüchte über einen bevorstehenden Angriff durch Kaiser Wilhelm II. auf die Insel wurden ventiliert und noch schlimmer, geglaubt.

Im Jahre 1900 hatte der Staatssekretär des Reichsmarineamtes Tirpitz sein Fottenbauprogramm zum Teil vom Reichstag bewilligt bekommen. Trotz des damals noch geringen Umfangs der vorgesehenen Rüstungen erklärten die Briten diese für eine Gefahr, die ihre unbestrittene Seeherrschaft über die Weltmeere bedrohe.

Ein Bericht des deutschen Militärattachés vom 13.Dezember 1904 von der Schulenburg gibt beredte Auskunft über die Stimmung in England über Deutschland. (1)

1905, später schlug der der Zivillord der britischen Admiralität Lee in einer öffentliche Rede vor, in einem plötzlichen, ohne Kriegserklärung, Vernichtungsschlag der britischen gegen die deutsche Flotte vor.

Die britische Admiralität verlegte im Jahre 1905 große Teile ihrer Flotte im Mittelmeer in die Nordsee. Gab es im Mittelmeer keine zu schützenden britischen Interessen mehr? Wer in der Nordsee wurde als so eine Gefahr betrachtet? Deutschland! Den Schutz des Mittelmeer überließ man den Franzosen; nur ein Jahr nach Abschluss der Entente Cordiale.

Wenn man auf solche Weise das Zusammengehen der der französischen Republik und dem absolutistischen Zarenreich populär machen wollte war das sicher ein nicht ganz ungefährliches Verfahren, denn das Volk redete sich in die Feindschaft gegen den angeblichen Revilen hinein. Daneben gingen Handlungen der englischen Regierung, die die Erzeugung einer derartigen Gemütsverfassung bis zu einem gewissen Grade als erwünscht erscheinen ließen.

(1) Große Politik, Band 19, S.360
 
Crowe hatte im Jahre 1910 im internen Schriftverkehr des Foreign Office geschrieben, das nicht „nur“ die Flottenproblematik zwischen Großbritannien und Deutschland stünde, sondern eben die Ambitionen der deutschen Politik und Gesellschaft.
Man unterstellte den Deutschen eine Hegemonie über Europa errichten zu wollen.


Hieraus wird eben deutlich, dass den Liberalen Deutschland im Klub der großen Mächte sehr unwillkommen war.
 
Die Haldane-Mission war wohl tatsächlich eher ein innenpolitisches Manöver, als der ernste Wille einen Ausgleich in der leidigen Flottenfrage zu finden.
Es ging Grey und seinen Freunden darum, der immer stärker werdenden heimischen Kritik wirksam zu begegnen. Nach dem Motto, wir haben es ja versucht, aber die Deutschen……
Bethmann wollte die Neutralität Englands erreichen, wenn Deutschland ein Krieg aufgezwungen wird.
Dafür konnte sich London aber nicht begeistern, denn so wäre ja eine Teilnahme an einem Krieg auf der Seite von Paris und Petersburg nicht möglich; das kam für Grey nicht in Frage und das obwohl mit dem Begriff „aufgezwungen“ für die Partner eine gewisse Sicherheit erreicht wäre
Aber ich will mich jetzt nicht in die ganzen Details der Gespräche verlieren.

Ergänzung:

Die Briten schlugen die Formel vor, "keine aggressive Politik gegen Deutschland zu machen und das England keinen unprovozierten Angriff auf Deutschland zu unterstützen oder selbst durchzuführen."

Unprovoziert ist natürlich dehnbar wie Gummi.

Das Foreign Office hat die ganze Zeit Paris genauesten über den Verlauf der Gespräch auf den Laufenden gehalten. Und als Paris von diesem Angebot der Briten hörte, wurde man zappelig und ziemlich nervös. Paris war der Meinung, das London sich binden würde. Aber was würde denn sein, wenn Paris genötigt sei, gegen Deutschland vorzugehen? Nicolson wurde unruhig und befand, es sei einfacher, ein unfreundliches Deutschland gegenüber zu stehen als einen unfreundlichen Frankreich und Russland.

So konnte das dann natürlich nichts werden.

Der britische Botschafter in Berlin Goschen war froh, dass aus der „Deklaration“ bezüglich der Neutralität nichts geworden war und machte Nicolson das „Kompliment bei der Abwehr in vorderster Reihe gestanden zu haben,
 
Zuletzt bearbeitet:
Unprovoziert ist natürlich dehnbar wie Gummi.
"Unprovoziert" ist allerdings damals eine durchaus gebräuchliche Formel, siehe Dreibundvertrag.

Und dann darf man sicherlich noch verschiedene weitere Aspekte mit einbeziehen:

- Das von deutscher Seite in der jüngeren Geschichte durchaus schonmal Provokationen abgelassen wurden, die dann in den Krieg führten und unnötig waren (Emser Depesche), so dass der Gedanke möglicherweise dahin ging, Berlin klar zu machen, dass man es nicht dulden würde, wenn etwa auf diese Weise nochmal ein solche Krieg zwischen Deutschland und Frankreich zu stande käme, um Berlin davon abzuhalten, dass zu Betreiben um sich nochmal Territorium von Frankreich holen zu können, ohne als Agressor zu gelten.

- Möglicherweise werden da die Implikationen des Schlieffenplans und des deutschen Eisenbahnbaus an der belgischen Grenze mit eingeflossen sein und damit das Bedürfnis der deutschen Seite klar zu machen, dass man eine unprovozierte Mobilmachung Deutschlands, möglicherweise als Grund betrachten würde, sich der gegnerischen Partei anzuschließen, wenn das zum Krieg führte.
Wir beide wissen, dass der französisch-russische Zweibund zunächst eine Mobilisation Deutschlands zum "casus foederis" erklärte und im Grunde genommen Krieg auch dann implizieren konnte, selbst wenn Berlin den finalen Schritt nicht tat.
Je nachdem, wie genau die Briten die russisch-französischen Absprachen kannten, musste ihnen natürlich klar sein, dass dementsprechend eine deutsche Mobilisation ohne näheren Grund eine äußerst delikate angelegenheit sein musste, weil sie möglicherweise bereits der Kriegsbeginn gewesen wäre.
Auch in diesem Sinne wäre es durchaus logisch gewesen Berlin, bereits im Vorraus mitzuteilen, dass wenn solche Schritte, zwecks eigener Erpressungspolitik oder Eskalation von Krisen vorgenommen würde, mit britischer Neutralität jedenfalls nicht sicher zu planen war.

- Es ließ sich natürlich beobachten, dass die Krisenmechanik, die sich zwischen den Großmächten immer wieder abspielte, anders funktionierte, als linerare Kriegserklärungen der Großmächte untereinander und hier durch Provokationen Eskalationspotential gegeben war. Dem vorzubauen war sicherlich auch ein Bedürfnis, dass sich aus der Erfahrung mit dem Krisenphänomen für die Handelnden ergab, weil mittlerweile ernsthaft in Erwägung gezogen werden musste, dass ein europäischer Krieg nicht aus einer direkten Kriegserklärung der Großmächte gegeneinander, bei denen sich ein Agressor noch relativ leicht feststellen ließ, erwachsen könnte, sondern eben aus einer solchen sich zuspitzenden Krise, was für die europäischen Kabinette die notwendigkeit mit sich brachte eine Linie zu finden, wie mit solchen Situationen umzugehen sei, für die die von ihnen geschlossenen Bündnisse und informellen Absprachen bisher möglicherweise keine festgelegte Handlungsweise vorsahen.
Von dem her war es wahrscheinlich sinnvoll sowas anzusprechen.
 
--------kleiner Exkurs interessehalber:
um Berlin davon abzuhalten, dass zu Betreiben um sich nochmal Territorium von Frankreich holen zu können, ohne als Agressor zu gelten.
ist es in der Historik common sense, dass der dt.-franz. Krieg von Berlin genial trickreich herbeigeführt wurde, um sich französisches Territorium anzueignen ohne als Aggressor zu gelten? Genial trickreich: Frankreich erklärte den Krieg und fing ihn an (schnöbe Fakten) - - wenn das so sein sollte, müsste man die Berliner Diplomatie wirklich als genial bezeichnen und Frankreich müsste damals von sehr tumben Eseln bewohnt gewesen sein...
der kleine Exkurs könnte in einem faden zum dt.-franz. Krieg abgehandelt werden, hier genügt meiner Frage einfach ein ja oder nein
kleiner Exkurs beendet---------
 
ist es in der Historik common sense, dass der dt.-franz. Krieg von Berlin genial trickreich herbeigeführt wurde, um sich französisches Territorium anzueignen ohne als Aggressor zu gelten?
Nein, ist es natürlich nicht.

Aber das Resultat war einmal, dass Preußen und die anderen deutschen Staaten diesen, durchaus nicht unprovozierten Krieg führen konnten, ohne das "Odium des Agressors" zu tragen zu haben, dementsprechend ohne besonders gefährdet durch Interventionsdrohungen zu sein und am Ende stand eben die Möglichkeit Territorium zu annektieren.

Nun konnte man aber auf britischer Seite, egal ob man davon ausging, dass das tatsächlich Bismarcks Intention war und planmäßig herbeigeführt wurde oder eben nicht auf den Gedanken kommen, dass früher oder später in Berlin mal jemand auf die Idee käme sich zu denken "was früher einmal geklappt hat, und sei es nur ausversehen gewesen, lässt sich eventuell mit ein wenig Nachhilfe nochmal aufführen".
 
dazu jetzt eine ernsthaftere Frage: war denn in London bekannt, wann und wie der Bau der Strategische Bahn – Wikipedia und Strategische Bahnen zur Umgehung der Schweiz – Wikipedia ablief, wie die Bahnlinien Richtung Belgien usw?
Wegen der Umgehung der Schweiz bin ich überfragt, aber dass die Briten den Ausbau der strategischen Bahnen in Richtung Belgien auf dem Schirm hatten, ging ja bereits aus den Konsultationen der militärischen Stellen mit den Französischen, für den Fall eines gemeinsamen Krieges gegen Deutschland hervor.
Und der Umstand des Ausbaus der deutschen strategischen Bahnlinien richtung Belgien musste natürlich, da es die deutsche Fähigkeit zum Aufmarsch im Westen beschleunigte auch geeignet sein das Drohpotential bei Mobilmachung (= potentielle Provokation) zu erhöhen.
 
Das von deutscher Seite in der jüngeren Geschichte durchaus schonmal Provokationen abgelassen wurden, die dann in den Krieg führten und unnötig waren (Emser Depesche), so dass der Gedanke möglicherweise dahin ging, Berlin klar zu machen, dass man es nicht dulden würde, wenn etwa auf diese Weise nochmal ein solche Krieg zwischen Deutschland und Frankreich zu stande käme, um Berlin davon abzuhalten, dass zu Betreiben um sich nochmal Territorium von Frankreich holen zu können, ohne als Agressor zu gelten.

Der Kürzung, nicht den Sinn entstellend, der Emser Depesche waren schon vorher französischen Provokationen vorausgegangen. Stichwort die Kriegsandrohung des französischen Außenministers in der Nationalversammlung oder die unerhörte Forderung, durch Botschafter Benedetti auf der Kurpromenade in Bad Ems König Wilhelm I. vorgetragen, nach dauerhaften Verzicht der Kandidatur und nach einer Entschuldigung.

Erinnern wir uns auch an die Guildhall-Rede von Lloyd George, die Deutschland im Zuge der Marokkokrise den Krieg androhte, obwohl das Recht auf der Seite Berlins stand. Die lahme Ausrede, das sei im Vertrag der Entente festgeklopft zieht nicht, denn die Entente gründet auf dem Bruch des Völkerrechts: Bruch des Madrider Vertrages von 1880.

Übrigens wurde die Niederwerfung Frankreichs durch Preußen und seine Verbündeten durch Großbritannien nicht geduldet, sondern begrüßt.Napoleon III. wurde nicht als Bereicherung, sondern eher als Last gesehen und ihm wurde auch die Schuld des Krieges zugewiesen. Ich weiß, das man Jahrzehnte später diese Haltung als "Fehler von 1870" bezeichnete, ändert aber nichts an der Tatsache.

Deutschland hatte grundsätzlich überhaupt gar kein Interesse an weiteres französisches Territorium, sondern daran, das Frankreich endlich sein Revanchedenken einstellt. Dort lag das Problem.

Je nachdem, wie genau die Briten die russisch-französischen Absprachen kannten,

Die Briten kannten den Inhalt nicht exakt.

Grundsätzlich waren die Briten schon sehr fest an Paris und Petersburg gebunden; auch ohne formelles Bündnis. Das zeigen die Verhandlungen des Jahres 1912. Es war nicht möglich, die Briten zu einer "harmlosen" Neutralität zu bewegen. Deutschland wollte "nur" eine Neutralität, wenn es zu einer militärischen Auseinandersetzung provoziert bzw. angegriffen würde. Und genau das wollten die Franzosen nicht; ihnen war schon das Angebot der Briten zu viel. Nun, die Briten waren zu diesen Schritt, der möglicherweise des Ersten Weltkrieg verhindert hätte, aber ganz bestimmt ein großer Schritt zur Entspannung gewesen wäre, nicht gehen. Dafür haben schon Nicolson und Crowe gesorgt.
 
Der Kürzung, nicht den Sinn entstellend, der Emser Depesche waren schon vorher französischen Provokationen vorausgegangen. [...]
Was nichts daran ändert, dass Bismarck ordentlich Öl ins Feuer goss und damit zur Eskalation beitrug.

Ich kann nun nichts grundsätzlich unmäßiges daran erkennen, wenn einem Akteur (in diesem Fall Berlin), klar gemacht wird, dass im Falle der Wiederholung solchen Verhaltens kein Wohlwollen erwartet werden kann, sollte es in einen Krieg führen.

Wenn du schreibst:

Unprovoziert ist natürlich dehnbar wie Gummi.

Unterstellst du ja im Prinzip, dass die Forumilerung von vorn herein darauf ausgelegt sei, die Kompromissformel bei Bedarf für nichtig zu erklären, weil eine fehlende, nähere Definition des Begriffs Provokation (ich überspitze jetzt bewusst), am Ende im Extremfall so interpretiert werden könnte, dass bereits die schire Existenz eines Akteurs als "Provokation" empfunden wird.
Ungefähr so würde der derzeitige Kreml-Herr wahrscheinlich den Begriff "Provokation" im Hinblick auf die Ukraine auslegen.

Und wenn es da keine Vorgeschichte in Form der Emser Depesche und des Kriegs von 1870/1871 gegeben hätte, würde ich dir sogar recht geben, dass diese Forumulierung eine Absprache möglicherweise wertlos gemacht haben würde und möglicherweise dazu gedacht gewesen wäre eine "Scheinübereinkunft" zu schließen, sich in Wirklichkeit aber alle Optionen in jedem Fall offen zu halten.


Da es die Emser Depesche von 1870 und ihre Folgen aber einmal gegeben hatte und dass auch beide seiten sehr gut wussten, hat das für mich durchaus eine andere Implikation, die mehr auf eine Ermahnung Berlins hinausläuft, eine Übereinkunft nicht als Freifahrtsschein zu betrachten zu versuchen Kriege herbei zu provozieren und sich darauf verlassen zu können, dass London das duldet, wenn es nur die andere Seite ist, die am Ende den ersten Schuss abgiebt.

Die Briten kannten den Inhalt nicht exakt.

Grundsätzlich waren die Briten schon sehr fest an Paris und Petersburg gebunden; auch ohne formelles Bündnis. Das zeigen die Verhandlungen des Jahres 1912. Es war nicht möglich, die Briten zu einer "harmlosen" Neutralität zu bewegen. Deutschland wollte "nur" eine Neutralität, wenn es zu einer militärischen Auseinandersetzung provoziert bzw. angegriffen würde. Und genau das wollten die Franzosen nicht; ihnen war schon das Angebot der Briten zu viel. Nun, die Briten waren zu diesen Schritt, der möglicherweise des Ersten Weltkrieg verhindert hätte, aber ganz bestimmt ein großer Schritt zur Entspannung gewesen wäre, nicht gehen. Dafür haben schon Nicolson und Crowe gesorgt.
Ich kann es nicht belegen, würde aber mal davon ausgehen, dass die Briten, wenn sie mit Frankreich schon Absprachen für den Eventualfall eines gemeinsamen Krieges gegen Deutschland, in Form einer gemeinsamen Verteidigung Belgiens trafen, wahrscheinlich sehr interessiert daran waren auszuloten, wo für Frankreich und Russland die Schwelle zum Krieg lag, nicht zuletzt deswegen, weil durch die Bündnisverpflechtungen und die Militärgeographie mit Belgien als Einfallstor nach Frankreich natürlich theoretisch auch ein im Osten zwischen Russland und den Zentralmächten ausgelöster Krieg zu einer potentiellen Fortsetzung in Westeuropa führen konnte, wenn Frankreich sich Russland anschloss.

Insofern machte es aus Sicht Londons durchaus Sinn von Paris wissen zu wollen, unter welchen Bedingungen man wie nah am Krieg sein würde.
 
Zuletzt bearbeitet:
wenn einem Akteur (in diesem Fall Berlin), klar gemacht wird, dass im Falle der Wiederholung solchen Verhaltens kein Wohlwollen erwartet werden kann, sollte es in einen Krieg führen

Das war 42 Jahre zuvor. Bezug wurde nicht darauf genommen. Seit 1871 haben sich die Prämissen der britischen Außenpolitik grundlegend verändert. Frankreich sollte/musste als Großmacht erhalten werden und das mit allen Mitteln. Das verschaffte der französischen Außenpolitik natürlich größere Handlungsspielräume und es wurde in Paris sorgsam darauf geachtet, das dies so blieb.

Unterstellst du ja im Prinzip, dass die Forumilerung von vorn herein darauf ausgelegt sei, die Kompromissformel bei Bedarf für nichtig zu erklären, weil eine fehlende, nähere Definition des Begriffs Provokation (ich überspitze jetzt bewusst), am Ende im Extremfall so interpretiert werden könnte, dass bereits die schire Existenz eines Akteurs als "Provokation" empfunden wird.

Dann hätten die Briten ja eine, wie oben skizziert, Neutralität akzeptieren können. Das Foreign Office wollte sich aber auf keinen Fall von Paris und Petersburg trennen. Das wurde doch schon bei den beiden Marokkokrisen mehr als deutlich. Die Briten wußten ganz genau, wo das Recht lag; nicht in Paris, aber das war nicht wichtig. Wichtig war, Paris die Stange zu halten.

Und wenn es da keine Vorgeschichte in Form der Emser Depesche und des Kriegs von 1870/1871 gegeben hätte, würde ich dir sogar recht geben, dass diese Forumulierung eine Absprache möglicherweise wertlos gemacht haben würde und möglicherweise dazu gedacht gewesen wäre eine "Scheinübereinkunft" zu schließen, sich in Wirklichkeit aber alle Optionen in jedem Fall offen zu halten.


Da es die Emser Depesche von 1870 und ihre Folgen aber einmal gegeben hatte und dass auch beide seiten sehr gut wussten, hat das für mich durchaus eine andere Implikation, die mehr auf eine Ermahnung Berlins hinausläuft, eine Übereinkunft nicht als Freifahrtsschein zu betrachten zu versuchen Kriege herbei zu provozieren und sich darauf verlassen zu können, dass London das duldet, wenn es nur die andere Seite ist, die am Ende den ersten Schuss abgiebt.

Also die Emser Depesche hatte bei den Gesprächen von 1912 nun überhaupt gar keine Rolle gespielt. Und du blendest die ganze Zeit die vorangegangene französische Aggression aus.
Es bestand wohl eher die Gefahr, wenn Russland fertig ist, das Frankreich und Russland über Deutschland herfallen werden. Das hatte auch sinngemäß Colonel House geäußert.
Deutschland und Österreich-Ungarn haben schon mehrere "günstige Gelegenheiten" vorbeiziehen lassen, ohne zuzuschlagen.
Insofern machte es aus Sicht Londons durchaus Sinn von Paris wissen zu wollen, unter welchen Bedingungen man wie nah am Krieg sein würde.

Natürlich. 1914 in der Julikrise war man sich im Foreign Office auch vollkommen darüber bewußt, wenn Russland Österreich-Ungarn angreift, das dies den Weltkrieg bedeuteten würde und man hat nicht in Petersburg interveniert. Der andere verbündete Botschafter, der Frankreichs, der hat tüchtig Öl ins Feuer gegossen.
 
Das war 42 Jahre zuvor. Bezug wurde nicht darauf genommen.
Ich weiß, du möchtest wieder auf die Deutschland-skeptische Haltung von Grey, Crowe etc hinaus.
Es würde vielleicht aber nicht schaden, mal etwas näher zu hinterfragen, woher diese möglicherweise eigentlich kam und welche Rolle da möglicherweise auch die politische Sozialisation in Jugend und Ausbildung dabei spielte.

Natürlich ist annekdotische Evidenz immer problematisch, aber vielleicht ist es hilfreich, wenn ich hier mal reinschreibe, was ich in dieser Hinsicht an mir selbst so in den letzten Jahren so beobachtet habe:

Bis zur Vollinvasion der Ukraine durch Russland in 2022, waren für mich die Vereinigten Staaten von Amerika Feindbild Nr. 1 aus deutscher und europäischer Perspektive und mein außenpolitisches Wunschmodell eine antihegemoniale Koalition gegen die USA.

Warum war das so? Die Erklärung ist eigentlich relativ simpel. Ich bin Anfang der 1990er geboren, dass heißt, die Sowjetunion und das Bedrohungspotential des ehemaligen Ostblocks kommen in meiner persönlichen Erinnerung nicht vor und spielten auch für meine politische Sozialisation in der Jugend keine Rolle, weil es da keine Großmacht mit ernsthaften Bedrohungspotential für Europa mehr gab (das war in denn 1990er und 2000er Jahren ja realiter tatsächlich so, während aber zeitgleich die USA ihren Krieg im Irak führten, die Regierung Bush Jr. irgendwas von "war on Terror" und "Demokratieexport" (was immer man in den USA für Demokratie hält, man denke an das Ergebnis der popular vote bei der Wahl Bush vs. Gore) schwadronierte, das ganze in Verbindung mit Guantánamo und was da medienwirksam drannhing und die dann Anfang der 2010er Jahre meinten in Libyen noch ein paar Bomben werfen zu müssen.

Das und die ständige, auch mediale Diskussion darüber hat meine politische Sozialisation geprägt und damals zu dem Schluss geführt, dass vordringlichstes Ziel sein müsste, diesem Akteur die Grenzen aufzuzeigen und wenn möglich irgendeine Koalition aufzustellen um das einzuhegen.
nach 2022 mit dem Russischen Angriffskrieg und gleichzeitig einem Isolationisten als US-Präsident sieht das natürlich anders aus, trotzdem, ist eine aus der eigenen Sozialisierung herrührende Grundskepsis gegenüber den USA nach wie vor vorhanden.


Wenn man sich jetzt z.B. bei Sir Edward Grey und Eyre Crowe ansieht, dass die beide in den frühen 1860er Jahren geboren wurden, drängt sich für mich durchaus die Frage auf, ob es da ähnlich sein könnte.
Einfach deswegen, weil während der Phase ihrer Jugend und politischen Sozialisation Deutschland die expansive Macht war, die sich auf dem Vormarsch befand, was in Großbtitannien sicherlich in gewissem Maß auch zu Besorgnis gegenüber diesem Akteur geführt haben wird.
Natürlich hatte es früher im 19. jahrhundert auch immer wieder Reibereien mit Frankreich und reichlich aggressive französische Politik gegeben, aber die lag größtenteils außerhalb des Erinnerungs- und Erfahrungshorizonts von Grey und Crowe.
Und danach gab es keine großen europäischen Kriege mehr, die möglicherweise für ein Umdenken bei den eigenen außenpolitischen Vorstellungen führen konnten.

An dieser Stelle wäre gegebenenfalls die Frage zu stellen, ob der eher gegen Deutschland laufende turn in der britischen Außenpolitik nach der Jahrhundertwende möglicherweise mehr damit zu tun hat, dass die älteren Semester (15-25 Jahre älter als Grey), die noch erlebt hatten, wie sich Frankreich zum Teil aufgeführt hatte, als es noch so etwas wie eine europäische Hegemonialmacht war, aus dem aktiven Politik und dem aktiven Staatsdienst allmählich auszuscheiden begannen und dass dadurch diese austarierende Erfahrung in der britischen Außenpolitik abhanden kam, während allmählich eine Generation ans Ruder kam, die in ihrer Kindheit und Jugend Zeitzeuge der preußisch-deutschen Machtausdehnung und der unmittelbaren Folgezeit ("Krieg-in-Sicht-Krise") in ihrer eigenen Lebenserfahrung mit faktischen Machtzuwächsen Preußen-Deutschlands und einer Wahrnehmung von Frankreich, als einer absteigenden Macht in der Dauerdefensive (zumindest in Europa gegenüber Deutschland) sozialisiert waren.

Wenn man das annimmt, dass das Teil der Sozialisation von Greys und Crowes Generation war und es danach keine europäischen Kriegsereignisse mehr gab, die das in andere Richtungen korrigieren konnten, ist es durchaus möglich dass das jüngere deutsche Verhalten (der ganze "Weltpolitik"-Unsinn etc.) für Grey und Crowe einfach nur die scheinbare Bestätigung ihrer vorhandenen Grundskepsis lieferte, die möglicherweise schon in ihrer eigenen Jungendzeit durch die Politik Bismarcks entstanden sein könnte.
In diesem Fall, könnte nämlich die deutsche Kraftmeierei unter Wilhelm dem Letzten einfach nur als Rückkehr zu als für Deutschland typisch empfundenen agressiven Verhaltensweisen verstanden worden sein.

In diesem Zusammenhang, ließen sich z.B. die "Emser Depesche", Bismarcks Verhalten in der "Krieg-in-Sicht-Krise" und das deutsche Verhalten in den beiden Marokkokrisen in Beziehung zu einander setzen.
Daraus konnte jemand mit einer grundlegenden Deutschland-Skepsis sicherlich den Schluss ziehen (ob dieser dann richtig gewesen wäre oder nicht, ist eine andere Frage), dass es typischer Stil der deutschen Außenpolitik sein, hin und wieder, wenn der Augenblick günstig schien außenpolitisch Öl ins Feuer zu schütten und dann mal abzuwaren ob sich eine günstige Gelegenheit für einen gewinnbringenden Krieg ergeben könnte.

Wenn das aus solchen Gründen unterstellt wurde, ist völlig folgerichtig, dass für eine Einigung zur Bedingung gemacht wurde, dass sowas unterbleiben müsste.
 
Ich weiß, du möchtest wieder auf die Deutschland-skeptische Haltung von Grey, Crowe etc hinaus.

Das ist sehr freundlich formuliert.

Die Beziehungen zwischen Großbritannien waren bis Mitte der 1890ziger in Ordnung. Natürlich gab es hier und da kleinere Reibungen, aber grundsätzlich waren die Beziehungen nicht schlecht. Deutschland hat Großbritannien oft genug in Ägypten unterstützt. England war ja über die Mittelmeerentente mit dem Dreibund verbunden.
Die Beziehungen waren so gut, das Bismarck es "riskierte" Lodnon ein Bündnisangebot zu machen. Das wäre sicher nicht bei angespannten oder schlechten Beziehungen geschehen.

Großbritannien war eben um die Jahrhundertwende nicht mehr in der Lage sein riesiges Empire allein so zu schützen, wie man es in London für erforderlich hielt. Die Mächte, mit denen man die größtem Streitereien hatte, waren nicht Deutschland und Österreich-Ungarn, sondern Frankreich und Russland. Und ausgerechnet nach der großen Krise von 1898, als es fast zum Krieg zwischen Großbritannien und Frankreich gekommen war, wurde der Weg zu einer Einigung, der in der Entente von 1904 mündete, eingeschlagen. Die britischen Staatsmänner wußten natürlich um den französischen Revanchismus und dem Bündnis zwischen Paris und Petersburg. Nur konsequent wurde dann zügig de Vereinbarung zwischen Großbritannien und Russland geschlossen, der mal so eben die Selbstbestimmung diverser Völker mit Füßen getreten wurde.

Das Katastrophale daran war, aber ausdrücklich von Großbritannien gewollte und auch gewünscht, war die Rückkehr der Russen auf dem europäischen Schauplatz, konkret der Balkan. Die Briten hatten dafür vorgeblich Ruhe in Asien, was sich hinsichtlich Persien als schwerer Irrtum herausstellen sollte. Aber die Russen konnten sich erlauben und herausnehmen was sie wollten, Nicolson und Crowe haben Grey klargemacht, London braucht die Russen und desalb Klappe halten. Daran kann man sehr schön sehen, wie unterschiedlich im Foreign Office betrachtet und bewertet worden war. Bei den Deutschen gab es sofort Geschrei.
 
Zurück
Oben