Bilderpfusch zur Zeit Maria Theresias

@Sepha,

schreib einfach an info@schoenbrunn.at und im Betreff diese Namen, die leiten das schon weiter.
 
So, hier mal eine ausführliche Zusammenfassung aller meiner gesammelten Recherche-Ergebnisse und auch einige Neuigkeiten:

Hallo ihr Lieben,

es gibt Neuigkeiten in besagter Sache!

Und zwar hatte ich recht, wie ich nun herausgefunden habe, und die Museumleitung in Schönbrunn hat sich bei der Beschriftung besagten Bildes einen ganz bösen Patzer erlaubt.
Ein Freund hat an Frau Dr. Ibly geschrieben, und ihr den Sachverhalt mal genau auseinander gesetzt, aber die gute Frau hat natürlich ihren Fehler nicht zugegeben, dass würden Kunsthistoriker vor Laien niemals tun, schon garnicht in Wien!
Dabei hat die gute Frau in ihrem großen Band über Schönbrunn aus dem Jahre 2001 beide Gemälde (das im Kinderzimmer, und das Doppelbildnis im Westterassenkabinett) richtig bezeichnet.
Naja irren ist menschlich, traurig ist nur, dass damit der Volksverdummung gehörig Vorschub geleistet wird...
icon_mad.gif


Ich habe durch Zufall in einem italinischen Forum das Originalbild von van Meytens gefunden:
I ritratti della famiglia imperiale - page 2 (vorletzter Post)
Es wurde 1766-1767 gemalt und stellt Maria Josepha als regierende Königin beider Sizilien dar.
Es befindet sich meines Wissens nach in der Residenz von Caserta in Neapel, Italien.

Nun gibt es zwei Teorien: entweder wurde besagtes Bild zwei Mal angefertigt, einmal für Carserta und einmal für Schönbrunn.
Als Josepha jedoch verstarb, wurde das Bild teilweise übermalt und zu Marie Antoinette umgewandelt:
http://0.tqn.com/d/womenshistory/1/0/8h/2/Marie_Antoinette_1767a.jpg

(Das Gemäde in Carserta blieb warscheinlich aus Gründen des Gedächtnisses der Verstorbenen unverändert.)

Oder aber es wurden sechs anstatt fünf Bildnisse der Töchter Maria Theresias angefertig, denn so steht es in einem Buch des berühmten Wiener Kunsthistorikers Georg Johannes Kugler, dass er über Schönbrunn geschrieben hat.
Schloss Schonbrunn: Die Prunkraume (3854476035) by Georg Johannes Kugler, Schloss Schonbrunn Kultur- und Betriebsgesm.b.H. @ BookFinder.com
Es kann also sein, dass das Gemälde von Josepha als Geschenk für König Ferdinan IV.nach Neapel ging, denn schließlich war sie ja ihm anverlobt.

Damit erklärt sich auch das seltsam anmutende Bild von Maria Josepha im Riesensaal in Innsbruck.
Das Bild wurde ca. 1767-1770 von den Schülern des Martin van Meytens angefertigt, und ich denke mal, dass es da zu irgendeiner Verwechslung gekommen ist, da dieses Bild das selbe Gesicht wie in Schönbrunn hat
(das Marie Antoinette´s), und nicht das von Maria Josepha.

Das war wohl mit einer der Gründe, weswegen Maria Theresia die Bilder im Riesensaal teilweise sehr scheußlich fand (s. auch Isabella von Parma und Josepha Maria von Bayern, die fast identisch aussehen), sie aber auf Grund der zu hohen Kosten nicht mehr hat ändern lassen. Wir wisen ja um den bekanntlichen Geiz und Prakmatismus der Kaiserin in solchen Dingen.

Auch unter Kunsthistorikern gelten die Gemälde nicht gerade als Aushängeschilder der Werkstatt van Meyten´s, da sie teilweise (im krassen gegensatz zu seinen anderen Werken) Ungeschicklichkeit bei der Wahl der Farben und grobe Pinselstriche aufweisen, was für Martin van Meytens ehr untypisch ist.

Davon mal abgesehen gibt es in einem Nebenraum des Riesensaales, dem sog.Kapitelzimmer, sehr gute Bruststücke von Martin van Maytens selber die die drei ErzherzoginnenMaria Elisabeth, Maria Josepha und Maria Carolina darstellen:

Maria Josepha: mariajoswea | Flickr - Photo Sharing!

Maria Carolina:
mareiacaro | Flickr - Photo Sharing!

Maria Elisabeth:
parmeytens3um4elsia | Flickr - Photo Sharing!

Korrespondent dazu ist diese Miniatur aus dem Miniaturenkabinet der Maria-Theresia-Wohnräume (heute Präsidentschaftskanzlei) im Leopoldinischen Trakt der Wiener Hofburg:

http://www.bildarchivaustria.at/downl/10053780/layout/PortMin2_184.jpg
(Maria Carolina, Maria Josepha, Maria Antonia)

Vergleicht man diese Bruststücke und die Miniatur mit den Ganzkörperbildern im Riesensaal so merken selbst Laien den Unterschied sofort:
die Bruststücke sind feiner, detailreicher und personifizierter.
Die Riesensaalgemälde dagegen sehr grob gemalt, nicht gut ausgearbeitet und mit eben jenen benannten Fehlern.

Wer sich weitere Bilder von der erwachsenen Maria Josepha ansehen will zum Vergleich, dem emphehle ich dieses sehr gute Familiengemälde:

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c0/Martin_van_Meytens_010.jpg
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/8c/Maria_Theresia_Family.jpg)

Und hier ein weiteres Gemälde van meytens, dass zur Hochzeit Erzherzogin Maria Christinas auf Schloss Hof angefertigt wurde:
http://www.ladyreading.net/marieantoinette/index-en.html
(unter: Gallery, 2. Reihe, letztes Bild; Josepha sitzt rechts zwischen Maria Elisabeth und Maria Carolina)

Und hier das sehr gut gemachte Bild von Raphael Mengs, dass für Josephas zukünftigen Schwiegervater Karl III. von Spanien angefertigt wurde:
http://www.gogmsite.net/_Media/mariajosephab495d2b8.jpg

Und als letztes einen sehr guten Kupferstich von Johannes Thomas Edlen von Trattner, der im Auftrag Maria Theresias gefertigt wurde, und von dem Maria Theresia gesagt hat, es sähe Maria Josepha "ganz nach der Natur" absolut ähnlich:
http://4.bp.blogspot.com/_LrbuvMXq_hg/S8oPotNJOWI/AAAAAAAACNM/2-e4EEqT_kE/s1600/mariajosepha1.jpg

Auf dem Originalkupferstich am Bildrand steht:
"Ex Officina Joan Toma Nobilis de Trattner 1767"

In der ÖNB gibt es drei Kupferstiche von Maria Josepha, eines als zehnjähriges Mädchen, und die anderen beiden die Trattner herausgegeben hat, gefertigt wurde die Stiche vom Künstler Franz Xaver Wagenschön.
Trattners erste Version hat Maria Theresia nicht gefallen, die zweite ist die die ich beschrieben habe.

Für alle Interessierten hier die besagte Seite der ÖNB:
Österreichische Nationalbibliothek - Präsentation

Um es kurz zu machen: dieser Kupferstich, die Miniatur, die Figur auf dem Familienportrait von 1765 und das Bruststück sehen sich zum Verwechseln ähnlich und korrespondieren mit dem Gemälde in Carserta von van Meytens.
Auch bilden diese Bilder mit der Rötelzeichnung von Jean-Ettiene Liotard, dem Kindergemälde von van Meyten, und dem Bildvon der Aufführung des "Parnaso Confuso" eine einheitliche Linie, auf der man sehr genau sehen kann, wie Maria Josepha ausgesehen haben muss:

Rötelzeichnung:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/ca/Maria_Josepha_of_Habsburg_Lorraine.gif

Kinderbild:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/cd/Martin_van_Meytens_002.jpg

Il Parnaso Confuso:
Die Welt der Habsburger - vermutlich Johann Franz Greipel: Uraufführung der Oper "Il parnasso confuso" von Christoph Willibald Gluck im Januar 1765 vor der kaiserlichen Familie in Schönbrunn, Ölgemälde
(Maria Josepha, Maria Elisabeth, Maria Amalia und Maria Carolina)

Absolut gewiss ist jedoch, dass sie und Marie Antoinette sich so gut wie nicht ähnlich sahen, sprich Antoinette hatte ein Grübchen im Kinn (was man auch auf anderen Gemälden von ihr sieht!) und Josepha ganz sicher nicht, und auch die Form und Abstand der Augen ist bei Beiden sehr unterschiedlich,sowie die ganze Form desKopfes und Fysiognomie des Gesichtes. Das Bildin Schönbrunn kann also niemals Maria Josepha sein,sondern ist ganz eindeutig Marie Anntoinette im Alter von 12 Jahren.

Leider wird man darüber erst 1000%ige Gewissheit haben, wenn eines Tages Maria Josepha´s Sarkophag in der Kapuzinergruft geöffnet wird und an ihrem Kopf eine Gesichtsanalyse durchgeführt werden wird.
Aber das dieses Unterfangen je stattfinden wird, ist mehr alsfraglich, da die Familie Habsburg so etwas noch nie zugelassen hat (warum verstehe ich nicht ganz,da es von anderen adeligen Leichnahmen, auch aus ehemals regierenden Familien, Bilder von Gesichtsanalysen gibt), und es nicht einmal eine Veröffentlichung der Fotos von den Leichnahmen und deren Grabbeigaben in den bereits geröffneten, restaurierten und analysierten Sarkophagen gibt, sondern besagte Bilder unter Verschluss gehalten werden.
Das es solche Bilder und Filmaufnahmen geben muss, ist belegt, und war in einer Dokumentation über die Kapuzinergruft vor 1 1/2 Wochen auf 3Sat zu sehen.


Liebe Grüße,

eure Sepha

P.S: War jemand von Euch schon eimal im Plalast von Caserta und hat das Bild dort gesehen? Wenn ja, eine deutlichere Abbildung wäre toll :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Da ich meinen Beitrag von heute morgen leider nicht mehr verändern kann, hier noch einmal der besagte veränderte Absatz:

Liebe Grüße,
Sepha


"Um es kurz zu machen: dieser Kupferstich, die Miniatur, die Figur auf dem Familienportrait von 1765 und das Bruststück sehen sich zum Verwechseln ähnlich und korrespondieren mit dem Gemälde in Carserta von van Meytens.
Auch bilden diese Bilder mit der Rötelzeichnung und einer Miniatur von Jean-Ettiene Liotard, dem Kindergemälde von van Meyten, der bekannten Miniatur Maria Josepha am Tage ihrer Verlobung und dem Bildvon der Aufführung des "Parnaso Confuso" eine einheitliche Linie, auf der man sehr genau sehen kann, wie Maria Josepha ausgesehen haben muss:

Rötelzeichnung:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/ca/Maria_Josepha_of_Habsburg_Lorraine.gif

Liotard-Miniatur 1763-1764:
http://www.1st-art-gallery.com/Etienne-Liotard/Archduchess-Maria-Josepha-1751-67.html

Kinderbildnis von Martin van Meytens:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/cd/Martin_van_Meytens_002.jpg

Verlobungsminiatur:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/0/02/1751_M.Josefa-3.jpg

Il Parnaso Confuso (diese Version des Bildes befindet sich im "Großen Vorzimmer" des Kaiserappatements der Hofburg Wien, das Original im Maria-Theresia-Appartement der heutigen Präsindentschaftskanzlei):
http://text.habsburger.net/module/la-boum-ii-2013-die-fete-geht-weiter-private-auffuehrungen-der-kaiserkinder/la-boum-ii-2013-die-fete-geht-weiter-private-auffuehrungen-der-kaiserkinder/MB-ST_K3-MOD7-04.jpg/
(Maria Josepha, Maria Elisabeth, Maria Amalia und Maria Carolina) "
 
Zuletzt bearbeitet:
Es kommt auf die Künstler an. Manche waren auch recht "unbestechlich" und wurden eben wegen ihres Realismus gut bezahlt (man denke an Goya oder auch Liotard).

Andererseits wollte man auch sehr gute Abbilder von sich, da man eben noch keine Fotographie hatte. In den Diskussionen über die Qualität der Bilder, die es zu der Zeit gab, wurde auch immer wieder der Ähnlichkeit mit der/dem Gemalten ein großer Wert beigemessen.





Sie haben völlig recht, es kommt in der Kunstgeschichte auf die Künstler und ihre jeweiligen Ansätze an. Einige Künstler, wie Francisco de Goya und Jean-Étienne Liotard, wurden für ihren Realismus und ihre Fähigkeit geschätzt, lebensechte Porträts zu schaffen, die die Ähnlichkeit mit dem Modell betonten. Diese Fähigkeit, die Realität auf Leinwand oder Papier zu übertragen, war zu ihrer Zeit äußerst wertvoll und trug dazu bei, dass sie gut bezahlt wurden.
Die Diskussion über die Qualität der Bilder zu dieser Zeit und die Betonung der Ähnlichkeit mit dem Modell sind interessante Aspekte. Sie zeigen, wie die Menschen in der Vergangenheit die visuelle Darstellung schätzten und wie wichtig es war, eine genaue Wiedergabe der Realität zu erreichen. Die Einführung der Fotografie in der Mitte des 19. Jahrhunderts revolutionierte dann die Art und Weise, wie wir die Welt festhielten und uns selbst darstellten, und veränderte die Rolle der Künstler und Fotografen für immer. Die Fotoboxen und Fotostudios der Zeit waren Vorläufer dieser bahnbrechenden Entwicklung und trugen zur Dokumentation und Inszenierung des Lebens bei.
 
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