Cassius Dio als Überlieferer älterer Quellen - seine Glaubwürdigkeit

Zumindest sollte stutzig machen, dass laut Dio ein derartiger Sturm herrschte, dass Baumwipfel hinunterstürzten. Dieser Sturm hinderte aber nicht die Germanen, aus der Ferne von allen Seiten auf die Römer zu schießen und dabei anscheinend hohe Trefferquoten zu erzielen.

Salve,
und überlegt Euch mal, welchen Aufwand das Germanenheer vorher hätte treffen müssen, um auch immer an geeigneten Stellen anzugreifen. Woher konnten sie wissen, wo die Römer langgehen, woher, dass sie nicht umdrehen. Und in der Situation dann immer punktuelle Überlegenheiten herzustellen. Waren die Römer im Nahkampf besser ausgestattet und ausgebildet oder die Germanen? Wie konnte man solche Vorbereitungen geheim halten? Die Römer hatten doch sicher überall Posten, Informanten und Spione?
Wieso konnte sich keine römische Kampfeinheit bilden, die ausbricht oder Hilfe alarmiert? Obwohl man doch hätte sehen müssen, dass der Zug zusammenschmilzt. Sind germanische Waffen bei Dauerregen besser geeignet oder römische?:fs:
Wusste Arminius nicht, dass es im Prinzip eine der letzten Gelegenheiten war, einen Aufstand anzuzetteln, da der pannonische Aufstand kurz vor dem Ende stand und musste man nicht damit rechnen, dass irgendwann die Legionen zurückkehren, die im Jahre 6 Marbod in die Knie zwingen sollten. Wäre dann nicht die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Aufstandes nahezu Null?
Warum dann dieses Risiko einer langen Marschschlacht? Wenn man sich seiner Überlegenheit bewusst war, die Cassius Dio beschreibt, wieso war man dann nicht schon vorher mit Varus im Krieg?
Ist in der Beschreibung doch der Wurm drin?
Um zum Thema zurück zu kommen: Was hätte Cassius Dio davon, wenn er in dem Bericht ein bisschen rumfälscht oder übertreibt? Warum sollte er das an einigen Stellen tun? Gibt es denn Belege, dass er an anderen Stellen seines Werkes auch durch Landschaft und Wetter manipuliert?
 
Was hätte Cassius Dio davon, wenn er in dem Bericht ein bisschen rumfälscht oder übertreibt? Warum sollte er das an einigen Stellen tun?
Cassius Dio, der nicht wie frühere Autoren ein Negativbild Vari transportiert, versuchte zu rationalisieren, warum die überlegene römische Armee von germanischen Wilden besiegt werden konnte. Eben weil die Götter, das Wetter und die Landschaft auf Seiten der Germanen waren.

Gibt es denn Belege, dass er an anderen Stellen seines Werkes auch durch Landschaft und Wetter manipuliert?
Lies diesen Thread. Es werden mehrere Beispiele genannt, wo Cassius Dio von seinen Vorlagen abweicht, z.T. bis hin zum glatten Gegenteil. Etwa bei der angeblichen Seeschlacht gegen die Veneter.
 
Cassius Dio wollte nicht fälschen. Seine Art der Geschichtsschreibung bedingte Fehler, Missverständnisse und Fehlinterpretation durch den Historiker heute:
  1. Er wollte eine politische Botschaft transportieren. Dazu stellte er die Geschehnisse in einem ihm genehmen Licht dar. Selten geht das ohne unabsichtigte Verfälschung, wenn wir nach 1800 Jahren jedes Wort auf die Goldwaage legen. Dies wissen wir, weil Cassius Dio ein Vertreter der senatorischen Geschichtsschreibung ist, in der es üblich war, und er sich selbst dazu äußert. Im Gegensatz zu einigen anderen Autoren, macht Dio keinen Hehl aus seinen Zielen, so dass es die Quellenkritik mit ihm leichter hat.
  2. Er schrieb die Geschichte aus. Er berichtete, was ihm logisch erschien. Dadurch kommen ohne Fälschungsabsicht gewaltige Abweichungen vom Geschehen zustande. Das geschieht teilweise heute noch und ist Kennzeichen der meisten vormodernen Geschichtsschreibung. Ein Beispiel ist die Zerstörung der Irminsul. Sogar in mehrfacher Hinsicht, eines sei herausgehoben:
    1. Damals sollen die Franken einen beim Heiligtum niedergelegten Schatz gefunden haben. Nehmen wir einmal an, dass die ursprüngliche Nachricht dazu korrekt war, ist hier interessant, was folgte: Der Schatz wurde immer genauer beschrieben. Und er wurde immer größer. Man ging davon aus, dass es ein großes Schatz sein müsse. Also beschrieb man ihn so. Und man beschrieb ihn so, wie man ihn sich vorstellte. Jeder ergänzte nur ein Bisschen, und am Ende wurde ein riesiger Schatz daraus. Sicher gab es hier einige, die wussten, dass dies Vorgehen nicht haltbar war, aber andere haben nur ergänzt, was ihnen selbstverständlich erschien, ohne es zu sein.
  3. Karl zog von der Eresburg aus zur Irminsul. Daraus wurde gelesen, dass die Irminsul auf der Eresburg stand. Auch Forenmitglieder haben das noch behauptet. Dabei bezeugt diese Information, dass so ziemlich der einzige Ort, der in weiterem Umkreis nicht in Frage kommt, die Eresburg ist. Hier wurde ein Missverständnis zu einer Fehlinformation, die sich unkommentiert in Geschichtswerken stand. Hier ist ein weiterer Grund, wieso Geschichtsschreiber ohne Absicht Fehlüberlieferungen produzieren. Die Quellen, die ihnen vorliegen werden einfach falsch interpretiert. Das kann ein Einzelner nicht vermeiden. Und wie man am Beispiel sieht, kann es lange dauern, bis das Auge der wissenschaftlichen Öffentlichkeit darauf fällt, und noch länger bis sich die Korrektur durchsetzt.
  4. Geschichtsschreibung war in der Antike auch eine Kunstform. Cassius Dio gehörte einer Richtung an, die auch unterhalten wollte, dies sogar oft in den Vordergrund stellte. Beides bedingt auf seine Art Verfälschungen: Es ist kein nüchterner Bericht, der 1 zu 1 übernommen werden kann.
  5. Dann gibt es Besonderheiten der Geschichtsschreibung zu bestimmten Ereignissen. Die bekanntesten diese Ereignisse sind Reden und Schlachten. Reden werden in aller Regel nicht wiedergegeben, es gibt nur ganz wenige, meist ausdrückliche Ausnahmen. Sie sind vom Geschichtsschreiber verfasst und dienen ihm auch schon mal als Kommentar. Das Vorgehen beschreibt schon Thukydides klar in seiner Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Es ist mitunter nachzuhalten, da Reden auch von den Rednern veröffentlicht wurden oder inschriftlich erhalten sind. Hier sieht man die Unterschiede. Schlachten gelten als Ereignisse, die nicht korrekt zu schildern sind. Erst in ganz moderner Zeit, seit Delbrück, nähert man sich dem an. (Wobei Delbrück dabei Fehler macht, die er sonst selbst kritisiert.) Und auch hier kennt man das Vorgehen. Schilderung des allgemeinen Verlaufs, oder das Verlieren in Einzeilheiten, die für jede Schlacht typisch sind. Letztere sind nicht zu verwerten.
Das sind Dinge, die jeder Student der Alten Geschichte lernen muss. Einiges davon bezieht sich auf die ganze Gattung, z.B. das es keine richtige Quellenkritik gab, anderes auf bestimmte Schulen, wieder anderes kann dann auch Besonderheit des einzelnen Autors sein. Cassius Dio z.B. bejaht das Kaisertum, hat aber eigene Vorstellungen zur Rolle verschiedener Gruppen. Aus biographischen Gründen stand er gegen die Armee.

Wer antike Geschichtsschreibung verstehen will, der muss sich mit diesen Dingen beschäftigen. Dieter Flach, Römische Geschichtsschreibung, habe ich schon mehrfach genannt. Früher erschien es als Einführung in die Römische Geschichtsschreibung. Darin wird auch die Einordnung von Cassius Dio gegeben. Vielleicht sollten wir mal einen Thread zur antiken Quellenkunde aufmachen.

Wetter und Landschaft fallen in der Schilderung unter die verdächtigen Elemente. Wir können daher daraus keine Schlüsse nehmen, nur sagen, dass Dio sie berichtet, aber nicht klar ist, ob er korrekt berichtet, ja, dass es Widersprüche, bzw. Unmöglichkeiten gibt, die die Vermutung einer Fehlüberlieferung unterstützen.

Es gehört zwar nicht in diesen Thread, aber zu Deiner Sachkritik:

1. Es gibt nicht so viel Wege, auf denen ein Heer marschieren kann. Und da Arminius ihm germanische Aufgebote zuführen sollte, wusste er genau, wo Varus entlang zog. Bessere Aufklärung kann es nicht geben.
2. Der Pannonische Aufstand war keine Polizeiaktion. Er galt als größter Krieg seit den Punischen. Es gab große Verluste, was dann sicher auch ein Grund war, dass die 3 Varuslegionen nicht so leicht zu ersetzen waren. Die Kreise aus denen sich die Legionen sonst ergänzten waren durch die Verluste überfordert. Wer der Interpretation folgte, dass Arminius im Pannonischen Aufstand ein germanisches Aufgebot führte, muss feststellen, dass dort viele Germanen Erfahrungen zur römischen Kampfesweise sammelten. Und, dass es nach ihrer Rückkehr der ideale Zeitpunkt zum Losschlagen war. In Pannonien jedenfalls konnten sie Varus nicht angreifen.
3. Es gab Ausbruchsversuche. Einige haben Aliso erreicht, während die Reiterei abgefangen wurde. Am Ende brach das römische Heer auseinander: Es wird angedeutet, dass ein Teil kämpfen wollte, während ein anderer Teil über die Kapitulation verhandelte.

Überfall und Marschgefecht gehören zu den von Dio berichteten Aspekten, die glaubwürdig sind. Der Überfall wird im Grunde auch von Velleius und Florus berichtet. Das Marschgefecht ist eine Information des Cassius Dio, die es erst ermöglicht die Quellen zur Schlacht miteinander in Einklang zu bringen. Überfälle, verschiedene Phasen, Feldschlacht, Konflikte der Römer untereinander, Erstürmung des Lagers. (Verkürzt, plakativ und leicht verfälscht, um das Gemeinte zu illustrieren.)

Ein weiteres Problem ist, dass der Bericht Dios nicht vollständig überliefert ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Salve,
also für mich klingt der Bericht des Cassius Dio immer mehr nach Verschleierung. Freilich nicht absichtlich durch Cassius Dio, denn er schreibt ja selbst über den Zweifel an seiner Quelle. Möglicherweise hatte er ja die gleichen Zweifel, es war ja hier auch schon mehrfach auf die nicht ganz stimmigen Darstellungen hingewiesen worden.
Nicht negatives Bild des Varus? Kann ich jetzt so nicht erkennen. Wer hat denn nun im Bericht des Cassius Dio die Schuld an der Katastrophe? Also wir hätten da den Verrat der Hilfstruppen, die ja eigentlich auf römischer Seite kämpfen sollte. Dann hatten wir natürlich jede Menge Umstände: das Wetter, das Gelände, umgestürzte Bäume, etc. Und zum Schluss halt den unfähigen Varus, der auf Warnungen nicht hörte, aber auch verdächtig inaktiv ist, trotz der Verluste sich weder eingräbt noch umkehrt, noch Asprenas alarmieren lässt. Wenigstens tut er uns den Gefallen und ermordet sich selbst.
Diese Anhäufungen an Schuldigen erinnert mich an Stalingrad. Wer war da Schuld?
Also die rumänischen Hilfstruppen als Flankenschutz (höre ich noch in der Erinnerung von den Opas: Bei uns hätte sich der Iwan nicht getraut, durchzubrechen, aber bei den Rumänern...). Dann jede Menge Umstände: Das Wetter, die zerbombte Stadt, in der man sich nicht bewegen konnte (komisch, die Russen schon?), schlechtere Waffen, Hunger, etc.. Was noch, ach ja, einen unfähigen untätigen General. Der tat uns nicht den Gefallen sich umzubringen, obwohl das erwartet worden wäre. Wechselte dann als Propagandist ins Russenlager...die Horrorvorstellung eines Diktators.
So waren das jetzt alle schuldigen, oder war da noch wer?
Ach ja, vergaß ich fast, der Hauptverantwortliche, der die "ziele" vorgab und die Eroberung der Stadt zum Symbol verklärte.
War evtl. Augustus auch mitverantwortlich, er taucht ja komischerweise im Cassius Dio Bericht gar nicht als Verantwortlicher auf?....lag das vielleicht daran, dass Cassius Dio die Senatsberichte als Quelle hatte? Wenn diese Berichte mit den heutigen Berichten eines Verantwortlichen (Regierung) zum Bsp. an ein Parlament vergleichbar sind, so ist sicher dann, wenn etwas Misslungenes dargestellt werden muss grundsätzlich die Verschiebung der Verantwortung an andere das Ziel.
Oder hat man schon einmal erlebt, dass ein Regierender sagt, sorry, Shit happens, war mein Fehler.....
Ich jedenfalls nicht, würde dem Berichtenden auch schlecht bekommen, da dann seine Gegner über ihn herfallen würden oder ihn verspotten.
 
Wie Riothamus bereits sagte: Es gehört nicht in diesen Thread.

Von Dios 80 Büchern befasst sich nur ein einziges mit Varus, und auch da handelt es sich nur um wenige Seiten.

Varus-Threads gibt es genug im Forum wir genug, können wir denn nicht in diesem Thread mal über was anders diskutieren als über Varus, Varus und Varus?
 
Wie Riothamus bereits sagte: Es gehört nicht in diesen Thread.

Von Dios 80 Büchern befasst sich nur ein einziges mit Varus, und auch da handelt es sich nur um wenige Seiten.

Varus-Threads gibt es genug im Forum wir genug, können wir denn nicht in diesem Thread mal über was anders diskutieren als über Varus, Varus und Varus?
Salve,
schon gut, schon gut, kommt nicht wieder vor....:red:
 
Also ich habe mir heute noch einmal das Buch von Wolters vorgenommen. Er schreibt sehr ausführlich über die ganze Thematik, die uns hier beschäftigt. Dieser Beitrag stützt sich also auch darauf.

Zunächst zur grundsätzlichen Glaubwürdigkeit hinsichtlich Cassius Dio:

Diverse Details seines Berichts finden sich auch bei anderen antiken Autoren:
So berichtet Dio beispielsweise, daß Varus (Nacht-) Lager hat anlegen lassen. Diese Lager finden sich beim Tacitus wieder. Dio schreibt auch von schwierigen Geländeverhätnissen, insbesondere von dichten Wäldern und Bergen. Dies wird durch Tacitus und auch Paterculus bestätigt und ist typisch für ein deutsches Mittelgebirge. Dio schreibt aber auch über wechselndes Gelände bis hin zu offenem Gelände. Hingewiesen bezügl. der Gründung von Städten in Germanien möchte ich nur auf den archäologischen Befund von Waldgirmes hinweisen.

In Bezug auf die recht große zeitliche Distanz zum Ereignis weist Wolters zurecht darauf hin, daß Dio offensichtlich gute und recht zeitnahe Quellen genutzt haben muß, namentlich Plinius d.Ä. und Bassus. Man sollte in diesem Kontext auch nicht vergessen, daß es Überlebende dieser Schlacht gab, die über die Ereignisse berichten konnten.

Ich zitiere Wolters:
Wichtig ist jedoch, dass die zeitnah einsetzende Verschriftlichung in gleich mehreren Werken eine Kanonisierung einleitete, die, zumindest was den schieren Gang der Ereignisse betraf, diese nicht dem gestalterischen Belieben späterer Autoren zur freien Disposition überließ.

Sehr interessant ist der Abschitt in Wolter's Buch über Parallelberichte zur Varusschlacht. Hier natürlich namentlich Tacitus Bericht über die Schlacht an den pontes longi.

Hier kommt Wolters auf die Grundfrage zurück:

Dio malt ein Bild von schutzlos ausgelieferten römischen Soldaten, die mehreren Tagen germanischen Angriffen aus dem Hinterhalt ausgesetzt waren und wehrlos durch die Wälder zogen. Da sind wir doch wohl am springenden Punkt. Wenn es wirklich einsetzenden Regen, Sturm etc. gegeben haben sollte, dann meine ich, dass beide Parteien dem ausgesetzt waren. Und wenn herabstürzende Baumkronen den Römern zugesetzt haben, dann sicherlich auch den Germanen. Das sollte klar sein. Aber es sollte auch klar sein, daß in solchen Verhätnissen (Wetter, Gelände etc) die schwer gepanzerten römischen Truppen größere Schwierigkeiten hatten - wenn es denn so war.

Wolters macht aber zurecht einen großen Unterschied zwischen Varus und Caecina aus:
Varus hat Lager anlegen lassen und zwar nur damit seine Legionen in der Nacht Schutz hatten. Seine Strategie bestand offensichtlich darin, schnell der Situation zu entkommen! Er wollte schnell Richtung Rhein, bzw. in besseres Gelände. Eine Art Flucht. Man bekommt den Eindruck, daß die Römer sich den germanischen Angriffen nicht genug zur Wehr gesetzt haben.

Caecina hat ebenfalls Lager anlegen lassen. Aber gleichzeitig haben sich seine Truppen den angreifenden Germanen erwehrt. Er hat die Truppen trotz mangelnder Verpflegung im Lager verweilen lassen. Und nicht nur das:
Caecina hat die Lager genutzt um den weiteren Vorstoss der Truppen vorzubereiten. Er hat den Tross nicht aufgegeben, sondern diesen im Schutz der flankierenden Truppen losgeschickt. Das ist derUnterschied! Also war die Niederlage des Varus doch ein Fehler des Feldherrn? So klingt es beim Tacitus.

Vergl.:
Reinhard Wolters:
Die Schlacht im Teutoburger Wald
C.H. Beck Verlag
1. durchgesehene, aktualisierte und erweiterte Auflage 2017
 
Schreib das doch bitte im Thread, wo es hingehört. Mit der Glaubwürdigkeit von Dio Cassius hat das nichts zu tun. Der zweite Teil beschäftigt sich einzig und allein mit einem Vergleich von Varusschlacht und Schlacht an den Pontes Longi. Das jetzt so auf andere Threads zu verteilen, dass man raten muss, wo, hat keinen Sinn. Entweder Pontes Longi, Varusschlacht oder ein neuer Vergleichsthread (Was angesichts der Irrungen und Wirrungen der anderen Threads wohl am Übersichtlichsten wäre.).

Zum ersten Teil wurde hier schon geschrieben. Es ändert die Einschätzung der Geschichtsschreibung des Dio auch nicht. Seine Macken bleiben die gleichen.

Ich nehme an, Du meinst die 2. Auflage.
 
Diverse Details seines Berichts finden sich auch bei anderen antiken Autoren:
So berichtet Dio beispielsweise, daß Varus (Nacht-) Lager hat anlegen lassen.
Das ist ja auch nichts, was überrascht. Überraschend wäre eher der umgekehrte Fall, wenn Varus keine Lager habe anlegen lassen.

In Bezug auf die recht große zeitliche Distanz zum Ereignis weist Wolters zurecht darauf hin, daß Dio offensichtlich gute und recht zeitnahe Quellen genutzt haben muß, namentlich Plinius d.Ä. und Bassus.
Und genau hier spekuliert Wolters. Tacitus nennt diese Quellen als seine Quellen. Trotzdem hat Cassius Dio Sondergut. Und da Plinius und Aufidius Bassus nun mal nicht erhalten sind, ist die Behauptung, Cassius Dio habe sein Sondergut von ihnen, eine unbeweisbare Hypothese.

Man sollte in diesem Kontext auch nicht vergessen, daß es Überlebende dieser Schlacht gab, die über die Ereignisse berichten konnten.
Von der Schlachtfeldbegehung mit Überlebenden berichtet Tacitus.

Ich zitiere Wolters:
Wichtig ist jedoch, dass die zeitnah einsetzende Verschriftlichung in gleich mehreren Werken eine Kanonisierung einleitete, die, zumindest was den schieren Gang der Ereignisse betraf, diese nicht dem gestalterischen Belieben späterer Autoren zur freien Disposition überließ.
Auch diese Aussage Wolters halte ich für schwierig. Eine Kanonisierung kann man natürlich bzgl. der Geschichte von der Hinterbringung der Aufstandpläne Arminius' an Varus durch Segestes konstatieren. Aber gerade hier hält sich Cassius Dio nicht an den Kanon. In allen anderen Punkten weichen die Autoren voneinander ab, berichten alle mit anderen Schwerpunkten. Da gibt es keinen Kanon.


Wolters macht aber zurecht einen großen Unterschied zwischen Varus und Caecina aus:
Varus hat Lager anlegen lassen und zwar nur damit seine Legionen in der Nacht Schutz hatten. Seine Strategie bestand offensichtlich darin, schnell der Situation zu entkommen! Er wollte schnell Richtung Rhein, bzw. in besseres Gelände. Eine Art Flucht. Man bekommt den Eindruck, daß die Römer sich den germanischen Angriffen nicht genug zur Wehr gesetzt haben.

Caecina hat ebenfalls Lager anlegen lassen. Aber gleichzeitig haben sich seine Truppen den angreifenden Germanen erwehrt. Er hat die Truppen trotz mangelnder Verpflegung im Lager verweilen lassen. Und nicht nur das:
Caecina hat die Lager genutzt um den weiteren Vorstoss der Truppen vorzubereiten. Er hat den Tross nicht aufgegeben, sondern diesen im Schutz der flankierenden Truppen losgeschickt. Das ist derUnterschied! Also war die Niederlage des Varus doch ein Fehler des Feldherrn? So klingt es beim Tacitus.
Ich sehe hier ein argumentatives Problem: Die Geschichte von der Trossaufgabe ist wiederum Sondergut von Cassius Dio. Ich will sie gar nicht in Abrede stellen. Wenn Tacitus die Varusschlacht und die Schlachten von Germanicus und Caecina in Beziehung stellt, dann macht er das mittels Traumgesichten (Varus reckt aus seinem sumpfigen Grab Caecina seine Hand entgegen, um ihn hinabzureißen, Arminius weist auf Caecina und ruft "seht dort, Varus mit den Seinen" bzw. bei Idistaviso "diese dort, die Germanicus anführt, das sind die größten Hosenscheißer des Varus (fugacissimos)". Diese Argumentation Wolters wäre dann stichhaltiger, wenn wir die Schlachtbeschreibungen aus derselben und nicht aus zwei verschiedenen Quellen hätten. Mit Sondergut aus Cassius Dio können wir nicht Tacitus' Narrativ deuten.
 
Aus einem anderen Faden:
Cassius Dios Schildung der fraglichen Ereignisse ist dermaßen überzogen: die Römer werden behindert durch tiefe Schluchten und Urwälder mit kreuz und quer herumliegenden Bäumen, im Sturm fallen Baumkronen auf sie herab, sie rutschen auf feuchtem Untergrund aus und haben nasse Hosen und obendrein noch Frauen und Kinder - die Germanen hingegen sind wie Legolas der Elf, haben keine Schwerkraft zu fürchten und tänzeln durch den sturmumtosten Wald, dieselben Baumkronen, die der Sturm auf die Römer hinabwirft, können ihnen nichts anhaben und offensichtlich tragen sie wasserabweisende Stoppersocken, denn sie rutschen auch nicht aus. Während die Römer ihnen nichts entgegenzusetzen haben (etwa Torsionsgeschütze) beschießen die Germanen sie zunächst aus der Ferne und kommen dann immer näher.
Ich sehe erhebliche Unterschiede zwischen leichtbewaffneten Germanen des Arminius und den Legionären des Varus.

Ein römischer Legionär hatte ein größeres Schild (als ein germanischer Krieger) und die metallene Rüstung zu tragen.
An Bewaffnung trug er das Kurzschwert, einen kurzen Wurfspeer und ein Messer oder Dolch.
Außerdem trug er Marschgepäck was zusammen mit der Rüstung und Bewaffnung mindesten 40 kg wog.

Hier kann man sehen, aus was ein Marschgepäck bestand und wie das Ganze aussah.

Die schwereren Sachen wie Getreidemühle, Spaten für Erdarbeiten etc. befanden sich auf Maultieren (eines pro Zeltgemeinschaft) oder auf einem Wagen. Beides benötigte einen Trossknecht, was eine Legion um ca. 1000 Mann zusätzlich anwachsen lässt, bei 3 Legionen war der Tross also ca. 3000 Mann groß, die Knechte für die 3 Reiterabteilungen und 6 Kohorten nicht eigerechnet (Velleius Paterculus 2,117-119)

Ein germanischer Krieger hatte vielleicht ein kleines Schild, aber sonst keine Rüstung.
An Bewaffnung trug er einen Speer, ein Schwert und ein Messer.
Falls es auch Bogenschützen gab, waren die Bogen wegen Regens genauso wenig zu gebrauchen wie die der Römer.
Ob sie auch Marschgepäck bei sich hatten, ist wenig wahrscheinlich.

Legionäre marschierten sicher so ausgerüstet wie oben beschrieben, schließlich rechneten sie nicht mit einem Angriff. Das Marschgepäck war nicht wasserdicht, also wog das Ganze noch mehr als 40 kg. Es ist offensichtlich, dass Legionäre aufgrund des Gewichts mehr stolperten und ausrutschten als die leichtbewaffneten Germanen.

Zugegeben, nur Cassius Dio berichtet von Frauen und Kindern im Tross, aber weil beide (Cassius Dio und Velleius Paterculus) von Sorglosigkeit des Varus berichten, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das stimmt; dieser Marsch der 3 Legionen war ja ein Umzug wieder ins Winterquartier am Rhein und keine Strafexpedition ins Germanenland. Deshalb haben sie alles mitgenommen, d.h. auch Frauen und Kinder (der Offiziere und vielleicht auch der Legionäre). Und wenn man eine Streitmacht von 12.000 Soldaten hat, da fürchtet man sich von nichts, am allerwenigstens von Germanenstämmen, von denen es immer hieß, sie wären untereinander zerstritten. Varus hat offenbar nichts von Einigkeit unter ihnen gehört, die Arminius wahrscheinlich in langen Sommermonaten auf seinen als Erkundungen getarnten Ausflügen geschmiedet hatte.

Aus diesem Grund glaube ich, dass Cassius Dios Darstellung der Geschehnisse glaubhaft ist.
 
Aus einem anderen Faden: Ich sehe erhebliche Unterschiede zwischen leichtbewaffneten Germanen des Arminius und den Legionären des Varus.

Tacitus sieht auch erhebliche Unterschiede, insbesondere wenn man in bewaldetem Gelände kämpft:

non campos modo militi Romano ad proelium bonos, sed si ratio adsit, silvas et saltus; nec enim inmensa barbarorum scuta, enormis hastas inter truncos arborum et enata humo virgulta perinde haberi quam pila et gladios et haerentia corpori tegmina.
=
Nicht bloß das offene Feld sei für den römischen Soldaten geeigneter Kampfplatz, sondern, richtig benützt, auch Wälder und Höhen; denn die ungeheuren Schilde der Barbaren und ihre unmäßig langen Speere lassen sich zwischen Baumstämmen und Bodengesträuch nicht gleich gut handhaben wie Wurfspieß, Schwert und die am Körper anliegende Deckung.​

Tacitus: Annales, Niederlage der Germanen in der Ebene Idistaviso (16 n.Chr.) (Tac.ann.2,11-18)(lateinisch, deutsch)
 
Ein römischer Legionär hatte ein größeres Schild
Ein germanischer Krieger hatte vielleicht ein kleines Schild
(sorry) aber das hatten beide nicht.
https://deutsch.heute-lernen.de/wortschatz/nomen-mit-zwei-bedeutungen/schild
https://www.duden.de/rechtschreibung/Schild_Schutzwaffe_Schirm
;)
beide hatten jeweils einen größeren oder kleineren oder vielleicht sogar gleichgroßen Schild - dass beide das Schild, egal ob ein größeres oder kleineres, im Sinne der Hinweistafel herumgetragen hätten, das wiederum glaube ich nicht ;)
 
Aus einem anderen Faden: Ich sehe erhebliche Unterschiede zwischen leichtbewaffneten Germanen des Arminius und den Legionären des Varus.

Ein römischer Legionär hatte ein größeres Schild (als ein germanischer Krieger) und die metallene Rüstung zu tragen.
An Bewaffnung trug er das Kurzschwert, einen kurzen Wurfspeer und ein Messer oder Dolch.
Außerdem trug er Marschgepäck was zusammen mit der Rüstung und Bewaffnung mindesten 40 kg wog.

Hier kann man sehen, aus was ein Marschgepäck bestand und wie das Ganze aussah.

Die schwereren Sachen wie Getreidemühle, Spaten für Erdarbeiten etc. befanden sich auf Maultieren (eines pro Zeltgemeinschaft) oder auf einem Wagen. Beides benötigte einen Trossknecht, was eine Legion um ca. 1000 Mann zusätzlich anwachsen lässt, bei 3 Legionen war der Tross also ca. 3000 Mann groß, die Knechte für die 3 Reiterabteilungen und 6 Kohorten nicht eigerechnet (Velleius Paterculus 2,117-119)

Ein germanischer Krieger hatte vielleicht ein kleines Schild, aber sonst keine Rüstung.
An Bewaffnung trug er einen Speer, ein Schwert und ein Messer.
Falls es auch Bogenschützen gab, waren die Bogen wegen Regens genauso wenig zu gebrauchen wie die der Römer.
Ob sie auch Marschgepäck bei sich hatten, ist wenig wahrscheinlich.
Welche Rolle spielen die 3000 Trossknechte in deiner Argumentation?

Wie ist es den Römern eigentlich gelungen bis zur Varusschlacht zu kommen, wenn sie die 200 Jahre zuvor immer das Marschgepäck so behindert hatte? Wenn es Ihnen so sehr zum Nachteil gereichte?

Ob es wirklich regnete, wissen wir nicht. Das ist einer der vielen Gründe, die Cassius Dio für die Niederlage der Römer angibt - kein Vellius, kein Florus, kein Tacitus hält den Regen für erwähnenswert. Dass es regnete, ist natürlich plausibel. Aber ist es auch plausibel, dass der Regen den Römern zum Nachteil gereichte?
Hatten die Römer eine Schön-Wetter-Armee, die sich bei Regen auflöste? (Interessant nebenbei, dass Cassius Dio 160 Jahre später vom Regenwunder im Quadenland zu berichten weiß).

Legionäre marschierten sicher so ausgerüstet wie oben beschrieben, schließlich rechneten sie nicht mit einem Angriff. Das Marschgepäck war nicht wasserdicht, also wog das Ganze noch mehr als 40 kg. Es ist offensichtlich, dass Legionäre aufgrund des Gewichts mehr stolperten und ausrutschten als die leichtbewaffneten Germanen.
Okay, wir haben also die Römer in Germanien, die es über Jahre geschafft haben, jeglichen Marsch und jegliche Schlacht bei Sonnenschein oder zumindest halbwegs trockenem Wetter zu schlagen und jetzt endlich erwischt Arminus sie bei Regen - slippery when wet - Cassius Dio zu Folge, dem du ja offensichtlich alles glaubst, was er schreibt - was, wie gesagt, wegen seiner bestechenden Ausführlichkeit durchaus verlockend ist.

Nun hatten wir ja die Stelle besprochen, dass nach Cassius Dio die Römer ihren Tross, bzw. genauer gesagt, einen Teil davon, verbrannten. Als sie das taten... entledigten sich da die Römer nicht der Teile ihres Marschgepäcks, die für die unmittelbare Verteidigung ihrer Haut unnotwendig war. Hältst du es für plausibel, dass sie brav mit sämtlichen 40 kg weitermarschierten? Ich frag nur, um deine Vorstellungen zu verstehen.

Zugegeben, nur Cassius Dio berichtet von Frauen und Kindern im Tross, aber weil beide (Cassius Dio und Velleius Paterculus) von Sorglosigkeit des Varus berichten, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das stimmt;
So einfach kann man es sich nicht machen. Varus war ein erfahrener Feldherr, der über 20 Jahre militärische Führungserfahrung hatte. Wir wissen auch, dass er unter Augustus ein ehrenvolles Begräbnis erhielt. Die frühen Quellen (Ovid, 10 n. Chr. geschrieben, datiert nach der Angabe, dass er nun den zweiten Winter im Exil verbringe, schreibt nur von fraude locorum, Manilius beklagt dass foedere rupto cum fera ductorem rapuit Germania Varum interfecitque trium legionium sanguine campos - also dass die wilde, vertragsbrüchige Germania den Anführer Varus geraubt habe und drei Legionen auf blutigem Feld tötete; in das gleiche Horn stößt Strabon: οἱ δὲ πιστευθέντες τὰ μέγιστα κατέβλαψαν, καθάπερ οἱ Χηροῦσκοι καὶ οἱ τούτοις ὑπήκοοι, παρ᾽ οἷς τρία τάγματα Ῥωμαίων μετὰ τοῦ στρατηγοῦ Ὀυάρου Κουιντιλλίου παρασπονδηθέντα ἀπώλετο ἐξ ἐνέδρας. (Denen man am meisten Vertraute, die Cherusker und ihre Klienten, brachen den Vertrag und töten die Römer und Varus aus dem Hinterhalt.)
Varus hatte genau das getan, was Augustus von ihm erwartete. Es war die Politik des Kaiserhauses. Vermutlich fand erst nach dem als Erfolg verbrämten Scheitern Germanicus‘ der Paradigmenwechsel in der Varusperzeption statt. Während Strabon ihn noch als Opfer der Germanen sieht, steht gewissermaßen zeitgleich Velleius Paterculus für die Zäsur und nimmt Tiberius aus der Schusslinie, indem er alle Verantwortung für die verfehlte Germanienpolitik eines in den dunkelsten Farben (dumm und habgierig) auf Varus abschiebt. Dass das Erfolg hatte, erfahren wir bei Seneca, der davon missbilligend berichtet, wie ein Rhetorik-Lehrer Varus‘ Sohn abkanzelte: filium obiurgabat, patri male dixit - um den Sohn zu tadeln, sprach er Schlechtes über dessen Vater.

Velleius Paterculus und Cassius Dio bestätigen einander also nicht, sondern Cassius Dio hängt einer Tradition an, die Velleius etwa 15 Jahre nach der Varusschlacht begründet hatte.

Aus diesem Grund glaube ich, dass Cassius Dios Darstellung der Geschehnisse glaubhaft ist.
Es ist ja nicht so, als sei die Römische Geschichte des Cassius Dio nur die Passage um die Varusschlacht, die 200 Jahre nach den Ereignissen mit vielerlei Informationen aufwartet, die bezeichnenderweise keine andere, frühere Quelle kennt. Du hast dich sehr auf den Regen und das römische Marschgepäck fokussiert (und natürlich auf die Parallelen der Varusbewertung mit Velleius Paterculus - dabei handelt es sich eben nicht um voneinander unabhängige Quellentraditionen, die sich gegenseitig bestätigen könnten, sondern um dieselbe Erzähltradition.

Ausgelassen hast du die ganze Physik. Warum rutschen die Germanen nicht aus? Warum werden nur Römer von Baumkronen erschlagen?
Cassius Dio - um den obigen Satz wieder aufzugreifen, dass Cassius‘ Text weit mehr umfasst, als nur die Erzählung zu Varusschlacht, erzählt Ereignisse nach, die er z.B. aus Caesars de Bello gallico entnimmt. trotzdem kommt Caesar bei ihm besser weg, als Caesar in der Eigendarstellung. Ist doch komisch, oder?
An anderer Stelle - da sind wir wieder bei Physik - lässt er Caesar von einem Schiff ins Wasser stürzen. Caesar entledigt sich im Wasser seines Mantels und schwimmt an Land. So weit, so gut. Nun hat Caesar aber beim Sturz ins Wasser ein Schriftstück dabei und dieses bringt er trocken an Land. Caesar ist demnach beim Sturz ins Wasser nicht nur nicht eingetaucht, nein, er hat sich auch noch offensichtlich einhändig seines Mantels entledigt und ist einhändig an Land geschwommen, ohne dass das Dokument nass wurde.

Ich kann den Drang, Cassius Dio glauben zu wollen, gut nachvollziehen, denn er ist ja letztlich der einzige Autor, der detailliert über das Schlachtgeschehen schreibt, Velleius kündigt einen ausführlichen Bericht für ein späteres Werk an, dass er nie geschrieben/veröffentlicht hat, Tacitus beschreibt, teils elliptisch, einen klimakterischen Bericht über die Schlachtfeldbegehung, aber nicht über Schlacht selbst. Aufidius und Plinius’ Germanenkriege sind nicht auf uns gekommen. Nur ist Cassius Dio eben ein Schwätzer, der das dürre Gerippe der Überlieferung regelmäßig und gerne wortreich ausgestaltet, und das zieht sich durch sein Gesamtwerk.
 
Ich frage mich auch, was die so extrem leichtbewaffneten Germanen denn taten, wenn irgendwann einmal ein Römer es schaffte auf den Beinen zu bleiben - im Kampf können sie ja nicht die geringste Chance gegen ihn gehabt haben.
 
Nicht bloß das offene Feld sei für den römischen Soldaten geeigneter Kampfplatz, sondern, richtig benützt, auch Wälder und Höhen; denn die ungeheuren Schilde der Barbaren und ihre unmäßig langen Speere lassen sich zwischen Baumstämmen und Bodengesträuch nicht gleich gut handhaben wie Wurfspieß, Schwert und die am Körper anliegende Deckung.
In Bezug auf die germanischen Schilde gibt es auch andere Stimmen: Römisches Scutum war laut Wikipedia 1 m bis 1,2 m hoch, 50 - 60 cm breit und 8 - 10 kg schwer.

Germanische Schilde dagegen – Zitat (Fettschreibung durch mich):

"Die Schilde bestanden aus Holzbrettern. Da diese sich jedoch nicht erhalten haben, können Aussagen über Größe und Form nur über die Reste von eisernen oder bronzenen Randbeschlägen getroffen werden. Zudem bieten römische Darstellungen von germanischen Kriegern einige Hinweise.

Die Schilde waren auffallend klein. Die größten etwa 100x50 cm, oft aber nur 60x40cm oder noch kleiner. Die Formenvielfalt war groß; von oval, fassförmig, sechseckig, bis manchmal auch rund oder rechteckig. Wie dick die Bretter waren, läßt sich an den Nieten der Schildbuckel und den Randbeschlägen ableiten. In der Mitte etwas mehr als 1 cm, zum Rand hin vereinzelt weniger als 5 mm."


Vielen Dank für den Link. Wenn man Tacitus, der im Übrigen ein viel größerer Schwätzer zu sein scheint als Cassius Dio, glauben darf, haben die Germanen den Fehler gemacht, sich in offener Schlacht den Römern (4 Legionen) zu stellen – Zitat:

"Als man die Scharen der Cherusker sah, die aus wildem Ungestüm dem Feind entgegenstürzten, ließ der Cäsar den kräftigsten Teil der Reiterei sie in der Flanke angreifen;
(…)
Zwei feindliche Heere sah man jetzt in entgegengesetzter Flucht, die einen stürzten aus dem Wald, den sie besetzt gehalten hatten, in das offene Feld, die anderen aus der Ebene in den Wald."


Welche Rolle spielen die 3000 Trossknechte in deiner Argumentation?
Sie verlängerten die Kolonne: Sie schwächten sie damit, denn es ist ein Unterschied, ob 12.000 oder 15.000 Mann unterwegs sind – wovon 1/5 ohne Bewaffnung ist.

Wie ist es den Römern eigentlich gelungen bis zur Varusschlacht zu kommen, wenn sie die 200 Jahre zuvor immer das Marschgepäck so behindert hatte?
Weil sie besser Aufklärung hatten und so Schlachten in Wäldern vermeiden konnten. Gewöhnlich ist die Aufklärung die Aufgabe der Reiterei, die aber im Wald an ihre Grenze kommt. Es könnte sein, dass sie aus diesem Grund einfach auf dem Weg blieben. Außerdem bestand sie bei Varus größtenteils aus Germanen (unter dem Kommando von Arminius?), die zum Teil wohl auf der Seite des Arminius standen.

Ob es wirklich regnete, wissen wir nicht. Das ist einer der vielen Gründe, die Cassius Dio für die Niederlage der Römer angibt - kein Vellius, kein Florus, kein Tacitus hält den Regen für erwähnenswert. Dass es regnete, ist natürlich plausibel. Aber ist es auch plausibel, dass der Regen den Römern zum Nachteil gereichte?
Selbst wenn es nicht regnete, hatten die Legionäre schwer zu tragen und waren auch aufgrund des Trosses langsam unterwegs. Außerdem rechneten sie nicht mit Angriffen aus dem Hinterhalt.

Varus war ein erfahrener Feldherr, der über 20 Jahre militärische Führungserfahrung hatte. Wir wissen auch, dass er unter Augustus ein ehrenvolles Begräbnis erhielt.
Vellius sagt, er wäre nur ein guter Verwalter und kein guter Feldherr. Angesichts der desaströsen Niederlage neige ich dazu, Vellius zu glauben.

Außerdem: Auch Paulus wurde zum Generalfeldmarschall befördert, obwohl er die Schlacht um Stalingrad heldenhaft verlor.

Ich frage mich auch, was die so extrem leichtbewaffneten Germanen denn taten, wenn irgendwann einmal ein Römer es schaffte auf den Beinen zu bleiben - im Kampf können sie ja nicht die geringste Chance gegen ihn gehabt haben.
Dann muss man sich fragen, wieso sie 3 Legionen vernichten konnten.

Man darf den Moment der Überraschung nicht unterschätzen. Aus dem Hinterhalt von beiden Seiten des Weges von mehreren angegriffen, dann hat ein Legionär 2 oder 3 Germanen gegen sich - und ist wahrscheinlich tot, bevor er sich seines Marschgepäcks entledigt hat. Und bevor die anderen Legionäre, also die weiter vorn und weiter hinten, eingreifen konnten, waren die Angreifer schon wieder im Wald verschwunden.

Man darf nicht vergessen: Der Weg führte durch den Wald und war deswegen nicht gerade, weil nicht von Römern gebaut – wenn es überhaupt gebaut war und nicht einfach nur ein Weg, der sich durch wiederholtes Begehen gebildet hatte. Um freie Sicht nach vorne und hinten zu haben, bauten die Römer ihre Straßen immer gerade und lieber auf den Höhen als in engen Tälern. Und wenn ein Bach im Weg stand, dann bauten sie lieber eine Brücke an Ort und Stelle, statt an einer besser geeigneten Stelle, wenn man dazu die Gerade verlassen müsste.

Es war diese Guerillataktik der punktuellen Angriffe, die zum Erfolg führte. Legionäre waren nur dann stark, wenn sie zu mehreren einen Kampfverband bilden und sich alle zusammen hinter den Schildern verbergen konnten. Dafür braucht man aber ausreichend Platz, der da nicht vorhanden war: ich schätze, dass höchsten 2 Mann nebeneinander gehen konnten. Sobald sie sich jedoch auf freiem Gelände befanden, konnten sie sich formieren und Angriffe abwehren – sofern diese überhaupt kamen, was ich bezweifle, schließlich wusste Arminius um diese Stärke der Römer. Aber sie mussten immer wieder durch den Wald, wo sie wieder angreifbar waren.

Warum eine Kolonne so angreifbar ist, haben wir vor fast einem Jahr gesehen: Die 40 km lange Kolonne russischer Fahrzeuge auf dem Weg nach Kiew wurde durch solche Überraschungsangriffe dezimiert. Wieso war das möglich? Weil die Russen auf ihre große Zahl an Kampf- und Schützenpanzern vertraut haben. Doch an einem Abschnitt von 100 Metern gab es vielleicht nur 3 davon, die anderen zu weit entfernt, um einzugreifen.

Die 12.000 Legionäre waren also auf einem kurvigen Weg in einer Länge von mehr als 10 Kilometern verteilt. Dabei haben schätzungsweise max. 50 Mann untereinander Blickkontakt gehabt, wenn überhaupt, schließlich gab es da noch die 3000 Mann im Tross mit Maultieren und Wägen und entsprechend vielen Knechten.

Die Römer konnten sich immer wieder sammeln und am nächsten Tag weiter gehen, doch die Angriffe gingen auch weiter, weil der weitere Weg auch durch den Wald führte, wo sich Germanen verbergen konnten. Wieso Varus da offenbar keine Vorauskommandos schickte, um die Lage beiderseits des Weges zu erkunden, ist eine offene Frage. Jedenfalls gab es wieder Tote, bis am Ende des dritten oder vierten Tages keiner mehr übrig war. Das ist verwunderlich, denn ab dem zweiten Tag und den folgenden Tagen marschierten Legionäre wahrscheinlich ohne Marschgepäck, das nun auf Wägen mitgeführt wurde – falls welche samt Zugtieren übriggeblieben sind.

Cassius Dio hatte spät und doch am meisten über die Schlacht geschrieben. Man vermutet, ihm lagen ältere Aufzeichnungen vor. Außerdem konnte er wegen größeren Zeitabstands zu den Ereignissen befreiter schreiben als die damaligen (noch lebenden) Zeitgenossen, die so eine Schmach lieber schnell vergessen wollten – dem ist heute auch nicht anders.

Wer hier eine bessere Erklärung für die Vernichtung von 3 Legionen hat, dann nur her damit!
 
Man vermutet, ihm lagen ältere Aufzeichnungen vor. Außerdem konnte er wegen größeren Zeitabstands zu den Ereignissen befreiter schreiben als die damaligen (noch lebenden) Zeitgenossen, die so eine Schmach lieber schnell vergessen wollten – dem ist heute auch nicht anders.

Über die Qualität der älteren Aufzeichnungen wissen wir aber nichts.
Befreiter schreiben? Befreit von der Notwendigkeit, sich an die Fakten zu halten?

Wer hier eine bessere Erklärung für die Vernichtung von 3 Legionen hat, dann nur her damit!

Gar so leicht bewaffnet sind die Gegner vielleicht doch nicht gewesen.
 
Du umgehst das Problem. Als Arminius Varus besiegte, hätten die Römer bereits ein Weltreich erobert. Die Gründe für die römische Niederlage, wie sie Cassius Dio anführt (Regen, Sturm, Schluchten, Tross) waren nix Singuläres. Aber das ist genau das, was Cassius Dio uns letztlich erzählt. Die Frage, um die du dich drückst, ist, wie die Römer das Weltreich erobern könnten, wenn solche Dinge, die einem überall auf der Welt begegneten, so schlachtentscheidend waren. Weder waren Regen noch Gelände noch Sturm Weltneuheiten, denen Varus da erstmals begegnete, noch das Mitführen eines Trosses eine varianische Innovation.
 
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