Cassius Dio als Überlieferer älterer Quellen - seine Glaubwürdigkeit

Wenn man Tacitus, der im Übrigen ein viel größerer Schwätzer zu sein scheint als Cassius Dio,
Woran machst du das konkret fest?

Sie verlängerten die Kolonne: Sie schwächten sie damit, denn es ist ein Unterschied, ob 12.000 oder 15.000 Mann unterwegs sind – wovon 1/5 ohne Bewaffnung ist.
Die sind also unbewaffnet und kopflos mit wedelnden Armen durcheinander gerannt? Ich frag nur, um mir das vorzustellen.

Weil sie besser Aufklärung hatten und so Schlachten in Wäldern vermeiden konnten.
Due Römer schlugen andauernd Schlachten in irgendwelchen Wäldern. Es war sicherlich nicht ihr bevorzugtes Terrain aber eine Armee, die nur offene Feldschlacht kann, erobert mein Weltreich, wir wissen, dass Tiberius, Germanicus, Caecina vor und nach der Varusschlacht andauernd Schlachten in Wäldern schlugen.

Gewöhnlich ist die Aufklärung die Aufgabe der Reiterei, die aber im Wald an ihre Grenze kommt. Es könnte sein, dass sie aus diesem Grund einfach auf dem Weg blieben. Außerdem bestand sie bei Varus größtenteils aus Germanen (unter dem Kommando von Arminius?), die zum Teil wohl auf der Seite des Arminius standen.
Die Reiterei stand unter dem Kommando von C. Numonius Vala. Sie versuchte sich bei sich abzeichnender Niederlage abzusetzen, was ihr nicht gelang, sie wurde von den Germanen mit dem Rest der Legionen niedergemetzelt.

Selbst wenn es nicht regnete, hatten die Legionäre schwer zu tragen und waren auch aufgrund des Trosses langsam unterwegs.
Das unterschied sie nicht von den anderen Legionen, die das Weltreich erobert hatten. Durch stete Wiederholung wird das Argument nicht schlagkräftiger.

Vellius sagt, er wäre nur ein guter Verwalter und kein guter Feldherr. Angesichts der desaströsen Niederlage neige ich dazu, Vellius zu glauben.
Velleius sagt auch nicht, dass Varus ein guter Verwalter gewesen sei. Lies noch mal nach.
Um die Varusdarstellung bei Velleius richtig zu deuten, solltest du dich mit dem Kontext vertraut machen.
  1. Varus stand seit über 20 Jahren im Dienst des Augustus, war Teilnehmer des Alpenfeldzugs, bei dem er bereits die 19. Legion befehligte.
  2. Varus hatte sich bereits mehrfach bewährt. Er hatte Augustus auf Reisen begleitet, er hatte mehrere Statthalterschaften innegehabt, in Syrien einen Aufstand niedergeschlagen. Er war jemand, den man in Problemprovinzen schicken konnte.
  3. Tiberius hatte unmittelbar VOR Varus die Statthalterschaft in Germanien innegehabt (und das nicht zum. ersten Mal!!!. Da Tiberius wichtiger war als Varus, war es auch seine Aufgabe, den pannonischen Aufstand niederzuschlagen, Varus führte also in Germanien weiter, was Tiberius angefangen hatte.
  4. Hier kommt nun Velleius ins Spiel! Velleius Paterculus ist der Panegyriker Tiberius‘. Er stellt die Varusniederlage nun nicht als Resultat der augusteisch-tiberianischen Germanienpolitik dar, sondern sucht sich einen Sündenbock, und das ist Varus. Es sind nicht die über 20 Jahre Militärlaufbahn von Varus, über die er ihn bewertet, sondern die eine Schlacht, die er verloren und nicht überlebt hat. Gierig, unfähig und feige sei Varus gewesen. Die 20 Jahre davor, seine wiederholten Einsätze, dass Augustus ihn offensichtlich schätzte und ihm ein ehrenvolles Begräbnis gewährte, das will Velleius seine Leser vergessen machen.
  5. Nach der Varusniederlage, Tiberius ist nicht einmal eine Woche zurück aus Pannonien, kehrt Tiberius an den Rhein zurück. Velleius behauptet zwar, dass er sofort über den Rhein setzte, aber letztlich ist er, der Panegyriker, was Details anbelangt, hier plötzlich auffallend schmallippig: Eadem virtus et fortuna subsequenti tempore ingressi Germaniam imperatoris Tiberii fuit, quae initio iuerat. Qui concussis hostium viribus classicis peditumque expeditionibus.... Das ist alles, im Rest des Satzes befasst sich Tiberius mit gallischen Angelegenheiten.

Man darf nicht vergessen: Der Weg führte durch den Wald und war deswegen nicht gerade, weil nicht von Römern gebaut – wenn es überhaupt gebaut war und nicht einfach nur ein Weg, der sich durch wiederholtes Begehen gebildet hatte. Um freie Sicht nach vorne und hinten zu haben, bauten die Römer ihre Straßen immer gerade und lieber auf den Höhen als in engen Tälern.
Also waren die römischen Legionen nicht nur eine Schönwetter-Armee, sondern abseits fest etablierter Fernstraßen auch völlig unfähig?

Dafür braucht man aber ausreichend Platz, der da nicht vorhanden war: ich schätze, dass höchsten 2 Mann nebeneinander gehen konnten.
Woher nimmst du diese detaillierte Erkenntnis eines über 2000 Jahre vergangenen Schlachtfeldes, dass du abschätzen kannst, wie viele Menschen nebeneinander laufen konnten?

Warum eine Kolonne so angreifbar ist, haben wir vor fast einem Jahr gesehen: Die 40 km lange Kolonne russischer Fahrzeuge auf dem Weg nach Kiew wurde durch solche Überraschungsangriffe dezimiert. Wieso war das möglich? Weil die Russen auf ihre große Zahl an Kampf- und Schützenpanzern vertraut haben. Doch an einem Abschnitt von 100 Metern gab es vielleicht nur 3 davon, die anderen zu weit entfernt, um einzugreifen.
Nein. Die Russen führen mit wenig Sprit aber mit Paradeuniformen an Bord nach Kiew. Die haben geglaubt, sie würden von einer geknechteten ukrainischen Bevölkerung als Befreier empfangen. Da sind die Russen Opfer ihrer eigenen Propaganda geworden.

Die 12.000 Legionäre waren also auf einem kurvigen Weg in einer Länge von mehr als 10 Kilometern verteilt. Dabei haben schätzungsweise max. 50 Mann untereinander Blickkontakt gehabt, wenn überhaupt, schließlich gab es da noch die 3000 Mann im Tross mit Maultieren und Wägen und entsprechend vielen Knechten.
Dasselbe Problem wie die ganze Zeit: du schätzt irgendwas und vergisst, dass die Römer mit exakt denselben Bedingungen ein Weltreich errichtet hatten.

Cassius Dio hatte spät und doch am meisten über die Schlacht geschrieben.
Und das gibt Dir wirklich nicht zu denken?

Man vermutet, ihm lagen ältere Aufzeichnungen vor.
Das ist kein Argument zu seinen Gunsten, denn wir wissen wie er seine Quellen ausgeschrieben hat.

Wer hier eine bessere Erklärung für die Vernichtung von 3 Legionen hat, dann nur her damit!
Schlachten werden gewonnen, Schlachten gehen verloren. Wir wissen nicht, wie viele Beteiligte die Schlacht hatte. Heiko Steuer hat mal anhand siedlungsarchäologischer Daten errechnet, dass die Germanen sicherlich eine Millionen Krieger hätten aufbringen können. Ein 20stel davon wäre den Römern noch zahlenmäßig haushoch überlegen gewesen. Germanien hatte die Manpower. Allerdings braucht man keine bessere Erklärung für die Niederlage der Römer, wenn die Erklärung von Cassius Dio so offensichtlich Kokolores ist.
 
Ich frage mich auch, was die so extrem leichtbewaffneten Germanen denn taten, wenn irgendwann einmal ein Römer es schaffte auf den Beinen zu bleiben - im Kampf können sie ja nicht die geringste Chance gegen ihn gehabt haben.
Das hängt von der Art des Kampfes ab. Auch leichtbewaffnete Peltasten konnten schwere Hopliten besiegen - wenn sie gegen sie nicht frontal in Formation antraten.

Du umgehst das Problem. Als Arminius Varus besiegte, hätten die Römer bereits ein Weltreich erobert. Die Gründe für die römische Niederlage, wie sie Cassius Dio anführt (Regen, Sturm, Schluchten, Tross) waren nix Singuläres. Aber das ist genau das, was Cassius Dio uns letztlich erzählt. Die Frage, um die du dich drückst, ist, wie die Römer das Weltreich erobern könnten, wenn solche Dinge, die einem überall auf der Welt begegneten, so schlachtentscheidend waren. Weder waren Regen noch Gelände noch Sturm Weltneuheiten, denen Varus da erstmals begegnete, noch das Mitführen eines Trosses eine varianische Innovation.
Due Römer schlugen andauernd Schlachten in irgendwelchen Wäldern. Es war sicherlich nicht ihr bevorzugtes Terrain aber eine Armee, die nur offene Feldschlacht kann, erobert mein Weltreich, wir wissen, dass Tiberius, Germanicus, Caecina vor und nach der Varusschlacht andauernd Schlachten in Wäldern schlugen.
Wie viele Schlachten kennst Du, die die Römer in irgendwelchen Wäldern schlugen? Die von Dir genannten Beispiele waren doch eher Ausnahmen, außerdem waren sie großteils geplant, die Römer also entsprechend vorbereitet. Der (ungeplanten) Varusschlacht am ehesten vergleichen lässt sich jene Schlacht, in der eine römische Armee unter dem Praetor und designierten Konsul Lucius Postumius Albinus Ende 216 v. Chr. in Norditalien von den Galliern in einem Wald angegriffen und vernichtet wurde.
Weitere bekannte Niederlagen, die marschierende römische Armeen, die unvorbereitet angegriffen wurden, erlitten, wären jene Niederlage, die sie im Gallischen Krieg gegen Ambiorix erlitten, oder die Niederlage, die Cestius zu Beginn des Jüdischen Krieges bei seinem Rückzug von Jerusalem erlitt.

Im Übrigen eroberten die Römer ihr Weltreich nicht, weil sie jede Schlacht gewannen (schon gar nicht, weil sie so toll mit Schlachten in Wäldern oder aus Märschen heraus zurechtkamen), sondern weil sie auch nach Niederlagen meist so lange weitermachten, bis der Gegner (der über weniger Ressourcen verfügte oder weniger gewillt war, bis zum Äußersten zu gehen) erledigt war.
 
Befreiter schreiben? Befreit von der Notwendigkeit, sich an die Fakten zu halten?
Nein, befreit von der Notwendigkeit, auf noch lebende Personen (der einst handelnden oder mit ihnen verwandten – siehe Julisch-Claudische Dynastie) Rücksicht nehmen zu müssen. Außerdem will niemand an Niederlagen erinnert werden, es sei denn, sie liegen so weit zurück, dass sie einen nicht mehr innerlich berühren.

Die Frage, um die du dich drückst, ist, wie die Römer das Weltreich erobern könnten, wenn solche Dinge, die einem überall auf der Welt begegneten, so schlachtentscheidend waren.
Nein, diese Urwälder wie in Germanien kannten die Römer bis dahin nicht – selbst bei den Galliern gab es Städte und Straßen, und in Germanien buchstäblich nichts. Und das blieb auch noch lange so, weil Germanicus Strafexpedition (mit 4 Legionen!) auch nichts ausrichten konnte und sich anschließend das RR endgültig hinter den Rhein zurückzog. Danach hofften die Römer, dass sich die Germanen gegenseitig die Köpfe einschlagen würden, was auch geschah.

Weil ich gerade eine Dokumentation über Arminius, Varus und die Schlacht gesehen habe, poste ich die Links dazu auch hier: Kampf um Germanien 1. Teil und Kampf um Germanien 2. Teil

In dieser Dokumentation wird übrigens gesagt, dass nicht 15.000 Mann, wie von mir geschätzt, sondern 20.000 Mann (3 Legionen plus Tross) mit Varus marschiert sind. Und weil da namhafte Archäologen und Historiker zur Sprache kamen, dürfte das schon stimmen, oder?

Woran machst du das konkret fest?
Schau mal, wie lang und detailliert der Text über Germanicus ist – er beschreibt das so, als ob er dabei gewesen.

Die sind also unbewaffnet und kopflos mit wedelnden Armen durcheinander gerannt?
Nein, aber sie und ihre Wägen behinderten die Legionäre: Der Tross bestimmte die Geschwindigkeit der ganzen Kolonne – und bei dem ersten Angriff auch jene, die den angegriffenen zur Hilfe eilen wollten.

Due Römer schlugen andauernd Schlachten in irgendwelchen Wäldern. Es war sicherlich nicht ihr bevorzugtes Terrain aber eine Armee, die nur offene Feldschlacht kann, erobert mein Weltreich, wir wissen, dass Tiberius, Germanicus, Caecina vor und nach der Varusschlacht andauernd Schlachten in Wäldern schlugen.
Ja, aber Germanicus musste froh sein, nicht auch geschlagen zu werden und musste unverrichteten Dinge wieder abziehen. Das war auch der Grund, dass das RR nicht wieder versuchte, sich über den Rhein auszubreiten.

Die Reiterei stand unter dem Kommando von C. Numonius Vala. Sie versuchte sich bei sich abzeichnender Niederlage abzusetzen, was ihr nicht gelang, sie wurde von den Germanen mit dem Rest der Legionen niedergemetzelt.
Die Aufklärung stand unter dem Kommando von Arminius. Die übrige Reiterei konnte wohl wegen der Enge und des von dem Tross blockierten Weges nicht helfend eingreifen. Die Reiterei hat sich erst am letzten Tag entfernt, ev. mit der Aufgabe, Hilfe zu holen. Wieso sie vom Germanen, die keine Reiterei hatten, abgefangen werden konnten, ist ein weiteres Rätsel.

Das unterschied sie nicht von den anderen Legionen, die das Weltreich erobert hatten.
Mir ist kein Fall bekannt, dass Legionen bis dahin im unwegsamen Gelände hinterrücks angegriffen worden seien. Sie hatten immer Zeit, sich zu formieren und ev. auch ihre schweren Waffen einzusetzen. Das alles war hier nicht der Fall.

Velleius sagt auch nicht, dass Varus ein guter Verwalter gewesen sei.
Selbst wenn Varus bis dahin ein guter Feldherr gewesen ist, in Germanien hat er versagt: Erstens durch seine Unnachgiebigkeit und Brutalität den tributpflichtigen Germanen gegenüber – Cherusker haben sich nicht umsonst erhoben, nicht wahr? Und zweitens durch die desaströse Niederlage, weil er sich täuschen ließ und vom ihm bekannten Weg abkam.

Also waren die römischen Legionen nicht nur eine Schönwetter-Armee, sondern abseits fest etablierter Fernstraßen auch völlig unfähig?
Wo die Römer auch hinkamen, haben sie zuerst die Straßen gebaut, um ihre Truppen schnell verschieben zu können.

Woher nimmst du diese detaillierte Erkenntnis eines über 2000 Jahre vergangenen Schlachtfeldes, dass du abschätzen kannst, wie viele Menschen nebeneinander laufen konnten?
Wenn sie zu mehreren marschieren würden, hätten sie mit ihren Schildern leichter die „Schildkröte“ bilden können. Aber das war offenbar nicht geschehen, denn es kam zum Kampf, Mann gegen Mann bzw. ein Römer gegen mehrere Germanen. Der Vorteil der Germanen bestand darin, dass sie an einem Abschnitt der Kolonne Überzahl gebildet haben – und die absolute zahlenmäßige Überlegenheit der Römer kam so nicht zum Zuge.

Nein. Die Russen führen mit wenig Sprit aber mit Paradeuniformen an Bord nach Kiew. Die haben geglaubt, sie würden von einer geknechteten ukrainischen Bevölkerung als Befreier empfangen. Da sind die Russen Opfer ihrer eigenen Propaganda geworden.
Das ist mir neu – kannst du da Belege beibringen?

Dasselbe Problem wie die ganze Zeit: du schätzt irgendwas und vergisst, dass die Römer mit exakt denselben Bedingungen ein Weltreich errichtet hatten.
Dann erklär mir bitte du, warum da 3 Legionen vernichtet worden sind.

Schlachten werden gewonnen, Schlachten gehen verloren. Wir wissen nicht, wie viele Beteiligte die Schlacht hatte. Heiko Steuer hat mal anhand siedlungsarchäologischer Daten errechnet, dass die Germanen sicherlich eine Millionen Krieger hätten aufbringen können. Ein 20stel davon wäre den Römern noch zahlenmäßig haushoch überlegen gewesen. Germanien hatte die Manpower.
Es ist eine Sache, theoretisch 50.000 Soldaten zu haben, eine andere, sie gezielt an den Ort des Geschehens zu bringen, ohne dass Varus das gemerkt hätte. Er war aber offensichtlich arglos und noch so von sich überzeugt gewesen, dass er vom „sicheren“ Weg abbog.

Allerdings braucht man keine bessere Erklärung für die Niederlage der Römer, wenn die Erklärung von Cassius Dio so offensichtlich Kokolores ist.
Offensichtlich ist da gar nichts – von einigen Sachen natürlich abgesehen.
 
Wenn sie zu mehreren marschieren würden, hätten sie mit ihren Schildern leichter die „Schildkröte“ bilden können. Aber das war offenbar nicht geschehen, denn es kam zum Kampf, Mann gegen Mann bzw. ein Römer gegen mehrere Germanen.
Die "Schildkröte" hätte den Römern nicht viel gebracht. Sie taugte hauptsächlich gegen vorübergehenden Beschuss, aber nicht um so bis zum Rhein zu marschieren.
 
Nein, diese Urwälder wie in Germanien kannten die Römer bis dahin nicht –
Das Urwälder sind - wie archäobotanisch seit 100 Jahren nachgewiesen - Klischees. Auch Germanien kannte seit zigtausend Jahren Landwirtschaft, hatte Chalkolithikum, Bronzezeit und Eisenzeit erlebt. Auch Germanien war eine Kulturlandschaft.

Und das blieb auch noch lange so, weil Germanicus Strafexpedition (mit 4 Legionen!) auch nichts ausrichten konnte
Es waren sogar 8 Legionen.

In dieser Dokumentation wird übrigens gesagt, dass nicht 15.000 Mann, wie von mir geschätzt, sondern 20.000 Mann (3 Legionen plus Tross) mit Varus marschiert sind. Und weil da namhafte Archäologen und Historiker zur Sprache kamen, dürfte das schon stimmen, oder?
Es ist völlig unerheblich, wie namhaft die zu Wort kommenden Historiker sind: auch die können nicht hellsehen und können nur mehr oder weniger begründet schätzen. Die Quellen überliefern keine Zahlen über die Manpower, nur über Einheiten.

Schau mal, wie lang und detailliert der Text über Germanicus ist – er beschreibt das so, als ob er dabei gewesen.
Tacitus bezieht sich auf mehrere Quellen, auf Aufidius Bassus, auf Plinius (beide leider nicht erhalten, Plinius hat in den 40er und 50er Jahren in Germanien gedient, kannte also die Region und hatte vielleicht mit den Soldaten Gelegenheit zu sprechen, die aus der Sklaverei befreit worden waren), eine weitere Quelle waren die Senatsakten.

Das war auch der Grund, dass das RR nicht wieder versuchte, sich über den Rhein auszubreiten.
Es gab noch zahlreiche Versuche, Germanien zu unterwerfen. Mittlerweile ist man aufgrund archäologischer Funde sogar von der alten skeptischen Haltung weg, dass diese Versuche sich in halbherzigen Rheinüberquerungen erschöpften. Nero ließ eine Germania Capta-Münze prägen, welche freilich als Propagandainstrument rezipiert werden muss. Römische Heere operierten auch weiterhin östlich des Rheins.

Die Aufklärung stand unter dem Kommando von Arminius.
Tat sie das? Steht in keiner antiken Quelle. Genausowenig, wie das oft kolportierte Faktoid, Arminius sei als Geisel in Italien aufgewachsen. Das steht nirgends.

Selbst wenn Varus bis dahin ein guter Feldherr gewesen ist, in Germanien hat er versagt: Erstens durch seine Unnachgiebigkeit und Brutalität den tributpflichtigen Germanen gegenüber – Cherusker haben sich nicht umsonst erhoben, nicht wahr? Und zweitens durch die desaströse Niederlage, weil er sich täuschen ließ und vom ihm bekannten Weg abkam.
T Arminius war römischer Offizier. Es gab keinen Grund, ihm zu misstrauen (sofern man nicht die Räuberpistole glaubt, die Segestes Germanicus auftischte, er habe Varus vor Arminius gewarnt - Tacitus bemerkt süffisant „testis illa nox - nur jene Nacht war Zeuge“ und dass jede Menge Beute aus der Varusschlacht bei Segestes gefunden wurde, Strabon spottet, Segestes habe in der Ehrenloge den Triumphzug des Germanicus beigewohnt, in dem seine geliebten Kinder (Segimundus, Thusnelda und sein Enkel Thumelicus) als Gefangene vorgeführt wurden).
Die Cherusker waren ein gespaltener Stamm. Noch 7 Jahre nach der Varusschlacht befanden sich Cherusker auf römischer Seite im Heer, namentlich Arminius‘ eigener Bruder.

Wo die Römer auch hinkamen, haben sie zuerst die Straßen gebaut, um ihre Truppen schnell verschieben zu können.
vor dem Straßenbau liegt erst mal die Beherrschung des Landes.

Dann erklär mir bitte du, warum da 3 Legionen vernichtet worden sind.
Ich hatte eine mögliche Erklärung bereits gebracht du zitierst sie ja im Folgesatz: nach Heiko Steuer wären die Germanen theoretisch in der Lage gewesen eine Millionen waffenfähige Männer aufzubringen.

Er war aber offensichtlich arglos und noch so von sich überzeugt gewesen, dass er vom „sicheren“ Weg abbog.
Das ist der Narrativ, der mit Velleius einsetzt. Aber eben ein Narrativ. Der in den frühen (zugegebenermaßen insgesamt recht unergiebigen) Quellen eben nicht zu finden ist. Der erst etwa 15 Jahre nach der Varusschlacht einsetzt.

Offensichtlich ist da gar nichts – von einigen Sachen natürlich abgesehen.
  • Offensichtlich ist, dass Cassius Dio 200 Jahre nach Varusschlacht plötzlich mit auffällig vielen neuen Details aufwartet. Stellen wir uns mal vor, jemand würde heute einen Bericht über die Vielvölkerschlacht 1814 schreiben, der mit völlig neuen Details aufwartet.
  • Offensichtlich ist, dass für Germanen offensichtlich andere Naturgesetze gelten, als für Römer.
  • Offensichtlich ist, dass Naturgesetze für Cassius Dio eh keine Bedeutung haben (Caesars Sturz ins Meer und das trocken gebliebene Schrifstück)
  • Offensichtlich ist, dass Cassius Dio seine Quellen frisiert und Caesar selbst dort, wo dieser selbstkritisch ist, besser darstellt, als der sich selbst. Vor solchen Manipulationen kann man natürlich die Augen verschließen, wenn man Cassius Dio für die ereignisgeschichtliche Darstellung der Varusschlacht retten will, weil er halt die einzige Quelle ist, die Details zur Schlacht erzählt. Ob man mit diesem Mängel an gesunder Skepsis gut beraten ist, weiß ich nicht.
 
Vellius sagt, er wäre nur ein guter Verwalter und kein guter Feldherr. Angesichts der desaströsen Niederlage neige ich dazu, Vellius zu glauben.
Falls Du Velleius meinen solltest, der schreibt ziemlich unverblümt über Varus' Verwaltertätigkeit in Syrien folgendes: "Als Armer betrat er die reiche (Provinz Syrien), als Reicher verließ er die arme (Provinz Syrien)." Normalerweise würde man daraus schließen, dass Varus korrupt war und die Provinz heruntergewirtschaftet hat. Wenn Du daraus schließt, Velleius habe Varus für einen "guten Verwalter" gehalten, verneige ich mich aufs Neue vor Deiner ehrfurchtgebietenden Interpretationskunst.

Außerdem konnte er wegen größeren Zeitabstands zu den Ereignissen befreiter schreiben als die damaligen (noch lebenden) Zeitgenossen, die so eine Schmach lieber schnell vergessen wollten – dem ist heute auch nicht anders.

Nein, befreit von der Notwendigkeit, auf noch lebende Personen (der einst handelnden oder mit ihnen verwandten – siehe Julisch-Claudische Dynastie) Rücksicht nehmen zu müssen.
Befreiter schreiben? Befreit von der Notwendigkeit, sich an die Fakten zu halten?
@Stilicho hat nicht unrecht mit seinem Einwand. Wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt, die befragt werden können, wenn die Originalberichte unleserlich geworden, entsorgt oder verschollen sind, wenn legendäre/dichterische Übermalung (heute kommen noch Spielfilme und Fernsehdokus dazu) die Überlieferung überwuchern, sind Historiographen (nicht zu verwechseln mit Historikern) versucht, sich aus Fakten und Dichtung das herauszusuchen, was die eigene Fantasie am besten beflügelt.
(Dennoch kann grundsätzlich ein spätere Quelle zuverlässiger sein als eine frühere.)

Was @Dion schreibt, lässt sich nun direkt auf Tacitus beziehen, denn genau das war sein erklärtes Anliegen, endlich mal sine ira et studio schreiben zu können: Die Berichte seiner Vorgänger, namentlich über die Julisch-Claudische Dynastie, seien mehr oder weniger verfälscht, sei es aus Furcht vor den jeweils amtierenden Herrschern, sei es aus Hass, nachdem man sie endlich losgeworden sei ("Tiberii Gaique et Claudii ac Neronis res florentibus ipsis ob metum falsae, postquam occiderant recentibus odiis compositae sunt.")


Außerdem will niemand an Niederlagen erinnert werden, es sei denn, sie liegen so weit zurück, dass sie einen nicht mehr innerlich berühren.
:D
Deshalb hat ja Velleius, der (noch vor Varus) längere Zeit als Offizier in Germanien aktiv war und womöglich etliche Opfer der Schlacht sogar persönlich gekannt hat, bekanntlich die Varusniederlage verschwiegen.


Nein, diese Urwälder wie in Germanien kannten die Römer bis dahin nicht – selbst bei den Galliern gab es Städte und Straßen, und in Germanien buchstäblich nichts.
Da sitzt Du mal wieder einem Mythos auf. Städtische Zentralorte im Sinne der gallischen Oppida waren in Germanien tatsächlich Mangelware, aber bezüglich Wälder, Siedlungsdichte und Straßen sah es in Germanien nicht wesentlich anders aus als in Gallien. Siehe Heiko Steuer, den @El Quijote bereits genannt hat:

Zwar waren die Mittelgebirge von Wäldern und große Bereiche der norddeutschen Tiefebene von Mooren bedeckt. Aber die übrigen Landschaften waren seit Jahrhunderten offen und erschlossen von dichten Netzen dörflicher Siedlungen, durchzogen von Fernstraßen und Nachbarschaftswegen. Nur auf ein Beispiel sei hingewiesen: Warum hätten die Bewohner Norddeutschlands kilometerlange und sorgfältig konstruierte Bohlenwege über Niederungen und Moore von einem Ufer zum anderen gebaut und auch immer wieder erneuert, wenn sich dann die anschließenden Wege im Urwald verlaufen hätten? Ein gut organisiertes und funktionierendes Straßen- oder besser Wegenetz hat es in Mitteleuropa seit der Bronzezeit gegeben. Spurweiten der Wagen waren darauf eingestellt und galten für ganz Norddeutschland und darüber hinaus. Dazu kamen die Wasserwege für eine weit reichende Binnenschiffahrt. Das dichte Netz der Siedlungen - darauf werde ich ausführlicher eingehen - steht für eine erstaunlich hohe Bevölkerungsdichte, weshalb die Germanen (und später unter demselben Aspekt die Sachsen) daher auch beachtliche Truppenkontingente auf die Beine stellen konnten, die den Römern entsprechenden Widerstand entgegensetzten.
[...]
Der Marschweg der Varus-Legionen durch Norddeutschland und dann am Kalkrieser Berg entlang durch diesen Engpaß führte also im allgemeinen durch dicht besiedeltes Land und nicht durch Wälder und Sümpfe.

https://d-nb.info/1123449090/34
 
Es ist ja nicht so, als sei die Römische Geschichte des Cassius Dio nur die Passage um die Varusschlacht, die 200 Jahre nach den Ereignissen mit vielerlei Informationen aufwartet, die bezeichnenderweise keine andere, frühere Quelle kennt.
Offensichtlich ist, dass Cassius Dio 200 Jahre nach Varusschlacht plötzlich mit auffällig vielen neuen Details aufwartet. Stellen wir uns mal vor, jemand würde heute einen Bericht über die Vielvölkerschlacht 1814 schreiben, der mit völlig neuen Details aufwartet.
Wenn argumentiert wird, dass Cassius Dio seine Informationen zur Varusschlacht aus verlorenen älteren Quellen bezogen haben könnte, widersprichst Du dem. Das ist natürlich legitim, zumal es nicht beweisbar ist. Allerdings kippst Du ins andere Extrem: Bei Dir klingt es immer wieder so, als wäre das ausgeschlossen, als wäre es eine Tatsache, dass Cassius Dio seine Schilderung erfunden hat und sich auf keine frühere Quelle stützen konnte, als wäre es eine Tatsache, dass es keine frühere Quelle mit diesen Details gab. Das ist doch aber ebensowenig beweisbar.

Seinen eigenen Angaben zufolge betrieb Cassius Dio zehn Jahre Quellenstudium und schrieb dann zwölf Jahre an seinem Werk. Das ist natürlich nicht beweisbar, kann also auch gelogen sein. Aber angenommen, es ist wahr: Was machte er zehn Jahre lang? Da wird ihm doch auch die eine oder andere Erwähnung der Varusschlacht untergekommen sein.

Dein Vergleich mit der "Vielvölkerschlacht 1814" (meinst Du nicht eher die von 1813?) hinkt: Zu ihr gab es laufend reichlich Publikationen, die erhalten sind und die man nachlesen kann. Würde heute eine neue Publikation völlig neue Details bringen, wäre das somit in der Tat auffällig. Aber zur Varusschlacht haben wir aus der Zeit vor Cassius nur den knappen, eher andeutungsweisen Bericht von Velleius Paterculus, den wohl unbrauchbaren Bericht von Florus und die Schlachtfeldbeschreibung von Tacitus - aus. (Das wäre, um bei Deinem Vergleich zu bleiben, so, als hätten wir zur Völkerschlacht bei Leipzig nur eine zeitnahe Quelle, in der lediglich steht, dass dort die Franzosen mit ein paar Verbündeten gegen eine Allianz aus Gegnern kämpften und verloren und es hohe Verluste gab; eine spätere Quelle, in der steht, dass in der Völkerschlacht die Gegnerkoalition ein französisches Lager erstürmt habe; und eine spätere Quelle mit ein paar Angaben zum Aussehen des Schlachtfelds ein paar Jahre nach der Schlacht.) Wir wissen aber, dass es noch andere, heute verlorene Werke zur frühen Kaiserzeit und zu den Germanenkriegen gab - und falls Cassius seine Angabe zu seinen Recherchen nicht frei erfunden hat, wird er das eine oder andere gelesen haben. Was wir nicht wissen, ist, was darin stand. Es lässt sich somit nicht belegen, dass sich die von Cassius genannten Details bereits in einem früheren Werk fanden - das Gegenteil aber ebensowenig.

Bedenken sollte man in diesem Zusammenhang auch, dass die meisten antiken Geschichtsschreiber nicht schrieben, um damit Geld zu verdienen (sodass sie motiviert gewesen wären, einen publikumswirksamen "Reißer" zu fabrizieren), sondern des Ansehens und Nachruhms willen, und dass ihr Zielpublikum nicht der Garküchenbetreiber oder Tagelöhner war, sondern das "Bildungsbürgertum", bei dem sie mit Vorwissen rechnen mussten, gerade wenn es um die römische Geschichte ging. Das sollte die Neigung, mutwillig Räuberpistolen zu fabrizieren, in Grenzen gehalten haben.
 
Seinen eigenen Angaben zufolge betrieb Cassius Dio zehn Jahre Quellenstudium und schrieb dann zwölf Jahre an seinem Werk. Das ist natürlich nicht beweisbar, kann also auch gelogen sein. Aber angenommen, es ist wahr: Was machte er zehn Jahre lang?

In erster Linie war er Senator, Statthalter, Suffektkonsul, Prokonsul, Konsul und welche Posten er sonst noch so alles im Laufe der Zeit innehatte, es ist ja nicht so, dass er 10 Jahre nur über seinen Büchern gegrübelt hätte.
 
Wenn argumentiert wird, dass Cassius Dio seine Informationen zur Varusschlacht aus verlorenen älteren Quellen bezogen haben könnte, widersprichst Du dem. Das ist natürlich legitim, zumal es nicht beweisbar ist. Allerdings kippst Du ins andere Extrem: Bei Dir klingt es immer wieder so, als wäre das ausgeschlossen, als wäre es eine Tatsache, dass Cassius Dio seine Schilderung erfunden hat und sich auf keine frühere Quelle stützen konnte, als wäre es eine Tatsache, dass es keine frühere Quelle mit diesen Details gab.
Das möchte ich in Abrede stellen:

Das ist kein Argument zu seinen Gunsten, denn wir wissen wie er seine Quellen ausgeschrieben hat.
  • Offensichtlich ist, dass Cassius Dio seine Quellen frisiert und Caesar selbst dort, wo dieser selbstkritisch ist, besser darstellt, als der sich selbst. Vor solchen Manipulationen kann man natürlich die Augen verschließen, wenn man Cassius Dio für die ereignisgeschichtliche Darstellung der Varusschlacht retten will, weil er halt die einzige Quelle ist, die Details zur Schlacht erzählt. Ob man mit diesem Mangel an gesunder Skepsis gut beraten ist, weiß ich nicht.
 
Weil sie besser Aufklärung hatten und so Schlachten in Wäldern vermeiden konnten. Gewöhnlich ist die Aufklärung die Aufgabe der Reiterei, die aber im Wald an ihre Grenze kommt.

Das ist insofern wenig plausibel, als dass die Auskundschaftung des Feindes und des Geländes noch lange nicht von sich aus ergibt, dass man sich das Schlachtfeld aussuchen oder ein Schlachtfeld wenigstens vermeiden kann.
Das hängt dann schon auch von den eigenen Zielen ab oder ob der Feind beispielsweise von einer vorteilhaften Position aus den eigenen Naschschub bedroht.


Sie verlängerten die Kolonne: Sie schwächten sie damit, denn es ist ein Unterschied, ob 12.000 oder 15.000 Mann unterwegs sind – wovon 1/5 ohne Bewaffnung ist.

Durch die Verlängerung der Kolonne zwangen sie, wenn das so der Fall gewesen sein sollte allerdings die Angreifer auch, sich selbst weiter aufzuteilen, denn ganz ohne Bedeckung wird der Tross nicht unterwegs gewesen sein und dass bedeutet, dass die Wachtruppen des Trosses den Angreifern in die Flanke fallen konnten.

Davon einmal abgesehen, konnte sich ein Tross auch insofern als vorteilhaft auswirken, dass der möglicherweise Teile der Angreifer, die Plündern attraktiver fanden, als sich zu schlagen vom sonstigen Gefechtsgeschehen ablenkte und den römischen Truppen damit Zeit verschaffte sich zumindest dieser Feinde zu entziehen.

Vellius sagt, er wäre nur ein guter Verwalter und kein guter Feldherr. Angesichts der desaströsen Niederlage neige ich dazu, Vellius zu glauben.

Aber dir als Kenner der Antike müsste doch klar sein, dass es in die römischen Staatsämter und die Provinzverwaltungen nur brachte, wer das Militär durchlaufen und sich da zumindest einigermaßen vernünftig bewährt hatte.
Inwiefern Varus Performance bei der bewussten Schlacht gut oder schlecht war, scheint schwer zu beurteilen, dazu müsste man rekonstruieren können, welche Informationen er wann und wo bekam und mit welchen Anordnungen er darauf reagierte.

Man darf den Moment der Überraschung nicht unterschätzen. Aus dem Hinterhalt von beiden Seiten des Weges von mehreren angegriffen, dann hat ein Legionär 2 oder 3 Germanen gegen sich - und ist wahrscheinlich tot, bevor er sich seines Marschgepäcks entledigt hat. Und bevor die anderen Legionäre, also die weiter vorn und weiter hinten, eingreifen konnten, waren die Angreifer schon wieder im Wald verschwunden.

Man sollte eigentlich annehmen, die Legionäre waren soo gut gepanzert, dass man aus einiger Entfernung schon einen außerordentlichen Glückstreffern hätte landen müssen um ihn zu töten.
Bei dichterer Annäherung hätten die anderen Legionäre eingreifen können, kein Cherusker ist so schneller im Wald verschwunden, als der benachbarte Legionär zum Pilum greifen kann.

Der Weg führte durch den Wald und war deswegen nicht gerade, weil nicht von Römern gebaut – wenn es überhaupt gebaut war und nicht einfach nur ein Weg, der sich durch wiederholtes Begehen gebildet hatte.

Was allerdings nicht zwangsläufig automatisch den Römern zum Nachteil gereichte, denn der Mutmaßliche Zustand, im Besonderen, wenn Unterholz vorhanden erleichterte sicherlich auch keine "hit&run-Taktik".

ich schätze, dass höchsten 2 Mann nebeneinander gehen konnten.

Und diese Schätzung begründest du womit?

Warum eine Kolonne so angreifbar ist, haben wir vor fast einem Jahr gesehen:

Du möchtest ein Gefecht mit modernen Feuerwaffen in dieser Beziehung mit einem antiken Gefecht vergleichen, bei dem auch die Guerillieros bis auf Armeslänge an denn Feind herankommen mussten?



Da sehe ich wirklich einige Fragezeichen.
 
Aber dir als Kenner der Antike müsste doch klar sein, dass es in die römischen Staatsämter und die Provinzverwaltungen nur brachte, wer das Militär durchlaufen und sich da zumindest einigermaßen vernünftig bewährt hatte.
Das sollte man allerdings nicht überbewerten. In der späten Republik verkam das Militärtribunat, das üblicherweise am Beginn einer politischen Laufbahn stand, zu einer Art Militär-Praktikum für junge Nachwuchspolitiker. Diese Militärtribunen rekrutierten sich häufig aus der Umgebung des Feldherrn bzw. befreundeten Familien und wurden mitgenommen, ohne dass Besonderes von ihnen erwartet wurde. Erst im Zuge der Kaiserzeit wurde das wieder professioneller gehandhabt. So etwas wie eine Militärakademie absolvierten die Jungpolitiker ohnehin nicht.

Dass man es auch ohne militärische Qualifikationen weit bringen konnte, zeigte Cicero: In seiner Jugend diente er im Bundesgenossenkrieg, aber das war es dann für lange Zeit auch schon mit dem Militär. Als Quaestor war er in Sizilien mit der Getreideversorgung beschäftigt. Weder nach seiner Praetur noch nach seinem Konsulat übernahm er eine Provinz. Seine nächste Tätigkeit mit militärischem Bezug war erst seine Statthalterschaft als Prokonsul in Kilikien 51 v. Chr.
 
Nein, befreit von der Notwendigkeit, auf noch lebende Personen (der einst handelnden oder mit ihnen verwandten – siehe Julisch-Claudische Dynastie) Rücksicht nehmen zu müssen.
Verzeihung? Inwiefern zwang eine Beschreibung der Varus-Schlacht denn überhaupt zur Rücksicht auf das Kaiserhaus? Könntest du da etwas weniger nebulös sein und das präzisieren?

Außerdem will niemand an Niederlagen erinnert werden, es sei denn, sie liegen so weit zurück, dass sie einen nicht mehr innerlich berühren.

Ich muss sage, dafür, dass die Römer davon nicht mehr berührt wurden, taucht das Schlagwort "germania capta" allerdings ein wenig oft auf und die Dauerpräsenz von bis zu 8 Legionen an der Rheinrenze spricht nicht unbedingt dafür, dass man in Rom mit dem Kapitel "Germanien" so vollständig abgeschlossen hatte.


Nein, diese Urwälder wie in Germanien kannten die Römer bis dahin nicht – selbst bei den Galliern gab es Städte und Straßen

Der Umstand, dass es punktuell größere Siedlungen und etwas besser ausgebaute Wege gab, steht dem Umstand, dass es auch in Gallien mehr oder minder unerschlossene Waldgebiete gab, inwiefern entgegen?
Mal davon ab, dass die römer durchaus schon erfolgreich in schlimmerem Gelände (Alpen) offensiv vorgegangen waren.

und sich anschließend das RR endgültig hinter den Rhein zurückzog.

Mit Blick auf die Rhein-Main-Region und den Oberrhein sachlich schlicht falsch.

In dieser Dokumentation wird übrigens gesagt, dass nicht 15.000 Mann, wie von mir geschätzt, sondern 20.000 Mann (3 Legionen plus Tross) mit Varus marschiert sind.

Das hängt davon ab, ob man annehmen möchte, das die Legionen annähernd Sollstärke hatten oder nicht.
So weit ich weiß fehlen da aber die handfesten Nachweise.

Nein, aber sie und ihre Wägen behinderten die Legionäre: Der Tross bestimmte die Geschwindigkeit der ganzen Kolonne – und bei dem ersten Angriff auch jene, die den angegriffenen zur Hilfe eilen wollten.

Inwiefern sind denn Wagen überhaupt belegt?
Widerspricht so ein kleines Bisschen deiner Schätzung, dass dort nur 2 Mann nebeneinander gehen konnten, denn das würde einen ausgetretenen Weg von round about einem Meter oder vielleicht 1,2m entsprechen und auf einen so engen Weg bekommst du keinen Transportkarren.

Cherusker haben sich nicht umsonst erhoben, nicht wahr?
Sie haben uns herzlich wenig Schriftquellen hinterlassen, in denen sie die Gründe für den Aufstand näher motiviert haben.

Wo die Römer auch hinkamen, haben sie zuerst die Straßen gebaut, um ihre Truppen schnell verschieben zu können.

Wenn das das erste war, was sie taten, müsstest du doch annehmen, dass sie, wenn auch noch keine entwickelten Straßen vorhanden waren, sich immerhin schonmal um die Verbesserung der Wegverhältnisse gekümmert hätten, immerhin waren sie nicht erst seit gestern im Rechtsrheinischen und betrieben mindestens Handel, wenn nicht sogar selbst Ressourcenausbeutung mindestens bis in die Gegend um Brilon (Bleifunde in der Rhône-Mündung und der Straße von Bonifacio).
 
Inwiefern sind denn Wagen überhaupt belegt?


Sueton berichtet, dass Tiberius 10 n. Chr. persönlich prüfte, dass die Wagen nicht mit unnötigem und unerlaubten Kram beladen würden:

Traiecturus Rhenum commeatum omnem ad certam formulam adstrictum non ante transmisit, quam consistens apud ripam explorasset vehiculorum onera, ne qua deportarentur nisi concessa aut necessaria.​
 
nach Heiko Steuer wären die Germanen theoretisch in der Lage gewesen eine Millionen waffenfähige Männer aufzubringen.
Ich bin gerade dabei Steuer zu lesen und werde mich bald dazu äußern, aber nicht mehr in diesem Faden, denn hier sollte es um die Glaubwürdigkeit Cassius Dio gehen.

Und was das betrifft, misst du mit zweierlei Maß - Zitat:
Tacitus bezieht sich auf mehrere Quellen, auf Aufidius Bassus, auf Plinius (beide leider nicht erhalten, Plinius hat in den 40er und 50er Jahren in Germanien gedient, kannte also die Region und hatte vielleicht mit den Soldaten Gelegenheit zu sprechen, die aus der Sklaverei befreit worden waren), eine weitere Quelle waren die Senatsakten.
Auch Cassius Dio hat möglicherweise ältere Quellen gehabt, die nicht mehr auffindbar sind, und auch ihm standen Senatsakten zur Verfügung. Der einzige Unterschied zwischen ihm und Tacitus ist Plinius und der größere Zeitabstand, was aber nicht von Nachteil sein muss, weil man dann weniger Rücksicht auf die einstigen politisch handelnden Personen bzw. ihre Verwandtschaft nehmen musste.

Zitat aus Wikipedia: aus Wikipedia: Cassius Dio liefert die detailreichste Beschreibung der Schlacht und stellt für zahlreiche Einzelheiten die einzige Quelle dar. Dios Bericht stammt zwar vom Beginn des 3. Jahrhunderts, jedoch verfügte Dio über sehr zuverlässige und zeitnahe Quellen. Seine Darstellung des Geschehens wird daher mehrheitlich als zuverlässig eingestuft.[8] Tacitus und Cassius Dio benutzten ihrerseits vermutlich unterschiedliche (heute allesamt verlorene) Geschichtswerke als Quellen; in Frage kommen neben Plinius dem Älteren (dessen bella Germaniae in 20 Büchern Tacitus offenbar benutzt hat und der von Tacitus explizit als Germanicorum bellorum scriptor ‚Geschichtsschreiber der Germanenkriege‘ bezeichnet wird)[9] etwa die libri belli Germanici bzw. die Historiae des Aufidius Bassus.[10]
 
Dein Vergleich mit der "Vielvölkerschlacht 1814" (meinst Du nicht eher die von 1813?)
Beide. ;)

Vielleicht. Aber nur ganz wenig. Denn so oder so, es geht darum, dass 200 Jahre nach einen historischen plötzlich in den Quellen zu dem historischen Ereignis neue Details auftauchen.

Wie Legendenentwicklung in Quellen entsteht, kann man an der Schlacht von az-Zallāqa/Sagrajas 1086 nachvollziehen. Die einzige christliche Quelle beschränkt sich auf die Info, dass König Alfonso VI. ein Schwerthieb am Fuß traf (an seinem Knöchel haben Anthropologen tatsächlich eine Verletzung nachweisen können, die von einem Schwert verursacht sein kann).
Von muslimischer Seite haben wir Zeugnisse von zwei Teilnehmern, einen datierten Brief von einem wazīr aus Sevilla, der bei Ibn Bassām, einer andalusischen Literaturgeschichte des 11. Jhdt. aus dem 12. Jhdt. überliefert ist (Ralf Ohlhoff, Von der Eintracht zur Zwietracht, Diss., die sich mit Ibn Bassām befasst) und von 'Abdallāh ibn Buluggīn az-Zīrī, der aber keine Details zur Schlacht überliefert, sondern zu Streitigkeiten im muslimischen Lager, insbesondere denen zwischen seinem älteren Bruder Tamīm b. Buluggīn und ihm selbst.
In späteren Quellen (erstmals meine ich bei Ibn al-Kardabus; ungefähr 100 Jahre nach der Schlacht) erfahren wir dann folgendes: Christen und Muslime hätten sich verabredet, die Schlacht weder Freitag noch Sonntag stattfinden zu lassen, da Freitag der Hl. Tag der Muslime und Sonntag der Hl. Tag der Christen sei.
Etwa 300 Jahre nach der Schlacht finden wir plötzlich eine weitere Ergänzung: die Schlacht solle weder am Freitag, dem Hl. Tag der Muslime, noch am Samstag, dem Hl. Tag der Juden, noch am Sonntag, dem Hl. Tag der Christen stattfinden.
Einig sind sich alle Quellen, die von diesem Abkommen berichten - von dem die Zeitzeugen nichts überliefern - darin, dass die Christen das Abkommen brachen und am Freitag angriffen. Und es sind wieder die späteren Quellen, die wiederum mit mehr Details als die früheren aufwarten. So weiß eine der späteren Quellen, dass es den Christen gelang, die Lager der Kleinkönige zu überrennen und die Almoraviden (al-Murābiṭūn) das Blatt wendeten. Erst spät kommt auch die Story auf, dass der König von Sevilla seinem Sohn auf dessen Warnungen, die Almoraviden ins Land zu holen gesagt hätte, er wolle lieber Kamele im Maġrib hüten, als Schweine in Kastilien. Diese Story fehlt fortan auch in keiner der späteren Quellen.
 
Nein, aber sie und ihre Wägen behinderten die Legionäre: Der Tross bestimmte die Geschwindigkeit der ganzen Kolonne
Nun schreibt Dio aber nicht, dass alle Wagen zurückgelassen oder verbrannt wurden. Auch wenn von zehn Wagen neun zurückgelassen werden, wird dadurch der eine nicht schneller.
 
was das betrifft, misst du mit zweierlei Maß - Zitat: Auch Cassius Dio hat möglicherweise ältere Quellen gehabt, die nicht mehr auffindbar sind, und auch ihm standen Senatsakten zur Verfügung. Der einzige Unterschied zwischen ihm und Tacitus ist Plinius und der größere Zeitabstand, was aber nicht von Nachteil sein muss, weil man dann weniger Rücksicht auf die einstigen politisch handelnden Personen bzw. ihre Verwandtschaft nehmen musste.
Nein, ich messe eben nicht mit zweierlei Maß, sondern hebe darauf ab, dass Cassius Dio
  • oft im Widersprich mit unserem praktischen Weltwissen steht, nicht nur in seiner Darstellung des Varusschlachtgeschehens, sondern auch beim Wassersturz des Caesars. Er hebt in seinen Schilderungen mal für Caesar, mal für die Germanen die Naturgesetze auf.
  • dass Cassius Dio sich dort, wo wir ihn überprüfen können, oft nicht genau an seine Quellen hält, sondern Dinge hinzuerfindet. Ihm mit diesem Wissen all sein Sondergut zur Varusschlacht abzunehmen ist entweder naiv oder dieses Wissen bewusst ignorierend.

Zitat aus Wikipedia: aus Wikipedia: Cassius Dio liefert die detailreichste Beschreibung der Schlacht und stellt für zahlreiche Einzelheiten die einzige Quelle dar. Dios Bericht stammt zwar vom Beginn des 3. Jahrhunderts, jedoch verfügte Dio über sehr zuverlässige und zeitnahe Quellen. Seine Darstellung des Geschehens wird daher mehrheitlich als zuverlässig eingestuft.[8] Tacitus und Cassius Dio benutzten ihrerseits vermutlich unterschiedliche (heute allesamt verlorene) Geschichtswerke als Quellen; in Frage kommen neben Plinius dem Älteren (dessen bella Germaniae in 20 Büchern Tacitus offenbar benutzt hat und der von Tacitus explizit als Germanicorum bellorum scriptor ‚Geschichtsschreiber der Germanenkriege‘ bezeichnet wird)[9] etwa die libri belli Germanici bzw. die Historiae des Aufidius Bassus.[10]

Wenn man sich das Totengericht des Augustus bei Tacitus ansieht, sieht man folgende Komposition: Zunächst kommen die Panegyriker zu Wort. Dann, gewissermaßen die Antithese der Kritiker. Denen Tacitus nicht nur das letzte Wort, sondern auch den doppelten Raum zugesteht.
Cassius Dio benutzt hier offensichtlich Tacitus (oder man unterstellt ggf. eine gemeinsame Quelle, allerdings gilt Tacitus als Urheber des Totengerichts des Augustus). Aber anders als bei Tacitus kommt Augustus bei Cassius Dio gut weg: er habe durch die Verbindung von Monarchie und Demokratie (sic!) die Tyrannis verhindert, das Volk trauert um Augustus. Da es sich hier um die Bewertung eines Dritten und um ein standortexplizites Werturteil handelt, ist das natürlich nicht so aussagekräftig, wie der Umstand, dass Cassius Dio im Fall Caesars dessen Selbstkritik ganz unterschlägt.

Man kann natürlich ignorieren, dass Cassius Dio im Widerspruch zu den Naturgesetzen steht. Man kann ignorieren, dass Cassius Dio im Widerspruch zu seinen Quellen steht. Man kann ignorieren, dass Cassius Dio oft Dinge weiß, die andere Autoren, selbst dann, wenn sie unmittelbar betroffen sind, nicht wussten. Kann man alles tun.
 
Zitat aus Wikipedia: aus Wikipedia: Cassius Dio liefert die detailreichste Beschreibung der Schlacht und stellt für zahlreiche Einzelheiten die einzige Quelle dar. Dios Bericht stammt zwar vom Beginn des 3. Jahrhunderts, jedoch verfügte Dio über sehr zuverlässige und zeitnahe Quellen. Seine Darstellung des Geschehens wird daher mehrheitlich als zuverlässig eingestuft.[8]
So die Sichtweise eines deutschsprachigen Wikipedia-Autoren. In der englischsprachigen Wikipedia steht etwas ganz anderes:

Dio's work has often been deprecated as unreliable and lacking any overall political aim.[7][8] Recently, however, some scholars have re-evaluated his work and have highlighted his complexity and sophisticated political and historical interpretations.[9][10][11]

Dios Werk ist oft als unzuverlässig und wegen fehlender politischer Zielrichtung zurückgewiesen worden. In letzter Zeit haben jedoch einige Gelehrte seine Arbeit neu bewertet und seine Komplexität und ausgefeilten politischen und historischen Interpretationen hervorgehoben.
Der durch das however eingeleitete Widerspruch besteht zwischen dem lacking any overall political aim und der complexity and sophisticated ... interpretations.
Und deswegen bewerte ich Cassius Dio lieber nach seinen Inhalten, als dass ich aus vermeintlichen „Autoritäten“ zitiere.
 
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