Das historische Poem (1): Skagerrak

Es besteht kein Mangel an Identifikationsangeboten, sondern es besteht offenbar der Bedarf einer damals überflüssigen und politisch hochriskanten Marine an romantisch verklärten Traditionslinien nach der Machart von Heimatfilmen.
Damit wirfst Du mich vorsätzlich auf meinen eigenen Thread zurück: http://www.geschichtsforum.de/f6/deutscher-heimatfilm-und-deutsche-geschichte-26556/.
[Zitat Wolfgang Kaschuba:] Heimatfilme bieten "Sinnstiftung danach"; in der darin gezeigten "Welt der Tradition" findet politische Geschichte nicht (bzw. nur im Geheimen) statt. "Da gibt es keine [politischen] Ursachen und Wirkungen, keine Täter und Opfer, nur 'Schicksale'" (S. 840)
Wobei "Schicksale" nicht nur Personen betrifft: Auch die Flotte ist "sterbend ... in die Fluten geglitten"... [1], und sogar das für einen Heimatfilm obligatorische Happy End deutet sich im Gedicht an: Sie "steigt mit dem Licht aus dem Dunkel empor: Die alte, die Deutsche Marine"...

...strategische Niederlage wurde mit militärisch völlig sinnlosen taktischen Gegenrechnungen kaschiert...
Das Konstruieren solcher Traditionslinien und und Sinnsuche in einer verklärten Vergangenheit mag dem einen oder anderen über den eigenen Verlust an Sinn hinweghelfen.
Die Sinnkategorie aufnehmend, kann man eine Verbindung herstellen zur logificatio post festum Theodor Lessings [2]. Ihm zufolge erfüllt "Geschichte von vornherein keine andere Aufgabe ... als diese, lebensnotwendige Illusionen zu schaffen", z.B. die Illusion, das Opfer für etwas Wichtiges - oder "im Namen von" ... - gestorben sind. Und genau so wichtig: Wenn man glaubt, geklärt zu haben, worin die Ursache eines Notstandes liegt bzw. wer die "Schuld" daran trägt [3], so tritt "eben damit eine Beruhigung oder Entlastung ein." [4]

In dem Sinne wäre es statt solcher Gedichtgedenken eher angebracht, den Gedenksaal in Laboe ... zu ergänzen.
"Die Art und Weise, in der wehrkundliche Exponate gezeigt werden, muß die Einordnung in einen geschichtlichen Zusammenhang erkennen lassen." (Ziffer 25 Satz 3 des Traditionserlasses vom 20.9.1982)

Aber immer diese "Zusammenhänge" - wie soll da Freude beim Betrachter aufkommen? Deshalb formulierte ja schon Richard Wagner: "Deutsch sein heißt eine Sache um ihrer selbst willen tun" [besingen, feiern, ausstellen, reimen...]. :scheinheilig:


[1] Dass sie stirbt und gleichwohl am Grunde des Meeres "die Wacht hält", kann übrigens auch die Assoziation mit "Gespensterschiffen" bzw. "Untoten" auslösen.
[2] Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen. 3. Aufl. München 1921, S. 46-48.
[3] In unserem Fall nimmt das, wie bereits herausgearbeitet, die Form der Dolchstoßlegende an.
[4] aaO, S. 47
 
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"Deutscher entblöße Dein Haupt und Schweige..."

steht am Eingang des Tunnels in Laboe,
gehalten wie den Eingang in eine Gruft.... (ist verdammt lange her, dass ich dort war, 1968, aber hat sich vermutlich nicht geändert)


Die Generation die so grob zwischen 1935 und 1945 herangewachsen ist, stand ständig und immer unter solchen Einflüssen.

Als sie der Adenauer dann "zu den Waffen rufen" wollte, war aber was los.
"Ohne mich" und "nie wieder" hieß die Parole! Die erste größere innenpolitischen Auseinandersetzung der jungen BRD.

Persönliches Erleben widersteht aller Propaganda!
 
In dem Sinne wäre es statt solcher Gedichtgedenken eher angebracht, den Gedenksaal in Laboe mit den netten kleinen Schiffsmodellen

- um den historischen Hintergrund der "Risikoflotte",
- die schnelle Flucht vom Skagerrak, bei der Scheer auch die zusammengeschossen und kampfunfähigen Schlachtkreuzer als Fehlerausgleich anbieten mußte und mit Glück heimbrachte,
- und die Selbstmordplanungen der Marine vom Oktober 1918

zu ergänzen.

Eine Kritik an einem richtigen Ort lokalisiert und das ganze Richtig beschrieben. Volle Zustimmung!!!

Daneben gibt es das Identifikationsangebot m.E. bereits gut durchdacht inklusive Traditionsinien.

Der Staatbürger in Uniform als Garant demokratischer Freiheiten und Pflichten gegen stehenden Heere von Potentaten jeglicher Coleur.

Eine Demokratie wird mittlerweile als unhinterfragt einfach angenommen, was für ein trügerischer Leichtsinn, teisl sogar als läastig, wie man an den Wahlbeteiligen indizieren kann. Hauptsache ich kann zwischen 40 verschiedenen Automarken oder Handy wählen.

Gesellschaftliche Entwicklungn können sehr bruchhaft und krisenorientiert verlaufen, eine undemokratisch organisierte Armee in den verkehrten Händen wäre die zukünfte Speerspitze einer Militädiktatur.

Und eine Verantwortung für die Erhaltung von Demokratie wird ohnehin nicht wirklich gefühlt, und eine demokratisch organisierte Armee als Garant nicht wahrgenommen, was ja auch verständlich ist, da sie akut nicht gefährdet erscheint.

Wie gesagt, sehr düstere Zukunftsvisionen, aber sie machen deutlich, wie wichtig es wäre gerade die militärischen Traditionen in den angemessenen, erwünschten Kontext zu stellen.

Wenn Heimatfilme, dann bitte mit dem entsprechenden Bezug auf die Willkür Einzelner und die Notwendigkeit, Willkür zu kontrollieren und zu beschränken!
 
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Das wollte ich nicht, die Andeutung "Heimatfilm" war von mir ungeschickt mit dem Skagerrak-Mythos der 1920er und 30er verknüpft.

Wobei "Schicksale" nicht nur Personen betrifft: Auch die Flotte ist "sterbend ... in die Fluten geglitten"... [1], und sogar das für einen Heimatfilm obligatorische Happy End deutet sich im Gedicht an: Sie "steigt mit dem Licht aus dem Dunkel empor: Die alte, die Deutsche Marine"...
Was eher ein neues Licht auf die Konzeption von Heimatfilmen wirft.

Nochmals zum Skagerrak, zufällig gefunden:
http://www.zvab.com/displayBookDetails.do?itemId=3932042&b=1
Ich kenne das Bild leider nicht: "der dahingestreckte (See-)Löwe, ... auf den Flossen 'Trafalgar' vermerkt"

... erfüllt "Geschichte von vornherein keine andere Aufgabe ... als diese, lebensnotwendige Illusionen zu schaffen", ...
Gute Verknüpfung.

Allerdings waren die seit der Groenerschen Reichswehrführung stets angestrebten Gebietsrevisionen nicht illusionär, so dass solche Linien eher den Unterbau für konkrete Politik darstellten.


Aber immer diese "Zusammenhänge" ...
Warum nur "Zusammenhänge"?

Der Selbstmordplan 1918 und seine Folgen ist für diese Epoche - von den Auswirkungen her gesehen - vielleicht ein wichtigeres Ereignis als die Skagerrakschlacht, also stellt die (erfolglose) Skagerrakschlacht und das "Lange Warten" nur den Zusammenhang/Vorgeschichte aus Sicht der Novemberrevolution dar? :D
 
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Gestern war wieder die alljährliche Stauffenberg-Gedenkfeier in Albstadt-Lautlingen.

Auch die hat man/musste man?, öfter schon dem Zeitgeschmack anpassen.

(Der Stadtarchivar hat dann den Vogel abgeschossen, indem er vor 2 Jahren behauptete, sie wäre mal für ein gutes Jahrzehnt "eingeschlafen" gewesen.
Der Archivar der nicht in seine eigenen Archive schaut.....)

Man tut sich schwer in diesem unserem Lande mit der Zeitgeschichte.
 
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