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Ne andere Frage wäre, ob vielleicht bei dem ganzen "Neugeordne" der Bosnier nicht die ein oder andere Volksgruppe unter den Tisch gefallen ist:
So ist es in weiten Teilen Bosniens üblich gewesen von orthodoxen "Vlasi" (Vlachen?) zu sprechen! Nennen diese sich heute Serben, oder sind die schon früher abgewandert?
Hallo Moerth,
Das kleine Problem für mich bei deiner Frage ist - und hier wäre deine sprachl. Hilfe gefragt - ob die Ableitung Wlachen deinen Vlasi auch exakt entspricht.
Über die "Wlachen"(*) (Vlaçi) gibt es gute Informationen(**).
Diese Wlachen haben ursprünglich nichts mit den "ethnischen Serben" (Raizen/s. Raja) zu tun, wurden aber interessanterweise durch ihre Islamisierung zu Serben. Dieses Paradoxon erklärt sich unten.
Sie sind eine sehr interessante Gruppe und zuverlässig "orthodox" wurden sie - allerdings als Moslems!
Also, wir befinden uns in der Glanzzeit türkischer Vormachtstellung ab Anfang des 16. Jhs (Niedergang ab Mitte des 17. Jhs):
(**) Als "Wlachen" wurden die Nachfahren illyrischer, thrakischer, dakischer Völkerschaften bezeichnet, die zur Römerzeit oberflächlich romanisiert und später von den einwandernden Slawen in die Berge abgedrängt worden waren. (Anm.: unklar bleibt, ob schon ursprüngl. oder aus diesem Schicksal heraus eine Kultur nomadisierender Viehhirten)
Solange die serbischen Zaren herrschten, waren sie als unliebsame, rechtlose Störenfriede stets wieder vertrieben worden, sobald sie einen Vorstoß in dichter besiedelte, fruchtbarere Gegenden wagten; die Sultane boten ihnen nun die Gleichberechtigung im Stande der "Raja". Die meisten von ihnen slawisierten sich mit der Zeit, wurden vornehmlich Serben (also eine "Ethnogenese sprachlicher Art", sie wurden Srbi, serbisch Sprechende); nur in den beiden Donauländern WALACHEI und Modau (Moldava) überlagerten sie allmählich das zahlenmäßig schwächere slaw. Element und bildeten den Kern des heutigen rumänischen (Sprach-)Volkes.
Sehr lange zählten die Wlachen zu den getreuesten und zuverlässigesten Anhängern der Osmanen, denen sie Bewegungsfreiheit für ihre Wanderungen, neue, ihnen früher verwehrte Weidegründe und Privilegien verdankten. Sie stellten den Türken, welche an den W(a)lachen wohl die Erinnerung an die eigenen nomadische Vergangenheit schätzten, vor allem bewaffnete Reiter ("Voynuken") sowie im Kleinkrieg bewährte Truppen ("Matrolosen").
Wo immer die Türken auf ihren Eroberungszügen verödete, also verlassene Landstriche antrafen, in den Gegenden Südungarns od. Slawoniens zB, wurden als ersten Ansiedler Wlachen als ergebene und kriegerische Grenzbevölkerung zur Besiedelung geholt. (Anm.: die Osmanen hatten also hier das Vorbild zu den österr. Grenzern -Confini- geschaffen;
zu den Matrolosen (übrigens auch die ersten Matro(lo)sen auf den türk. Kriegstschaiken auf der Donau): diese hatten die gleiche Kampfweise, die Guerillatechnik der "(christl.-serbischen) Hayduken" - aus dem Status rechtloser, also zur Räuberei verurteilter Nomaden/Hirtenvölker in den bergigen Gebieten entstanden; eine Wlachen-Verbindung mit den ebenfalls "orthodox-moslemischen" Albanern -Skipetaren- liegt natürlich auch nahe.)
Diese sozialrevolutionäre Note der türkischen Eroberung zieht sich erfolgreich durch die damalige türkische Vormacht- und Vormarschbewegung und ergab also diese Umschichtung bzw. Besserstellung einserseits vormals ethnisch Ausgegrenzter (also damals noch "romanischer Völker" wie die Wlachen) ebenso wie religiös unterdrückter/isolierter Christen wie die Bogumilen Bosniens. Denn zugleich entkam man einem Leibeigenschaftssystem christlicher Prägung, das in seiner Unerbittlichkeit im europ. Abendland mit der Niederschlagung (ohne Pardon) der Bauernaufstände (Ende 15. jh. bis 1525/26) eine Realität war, die keine Wahl darstellte - angesichts des Angebots eines starken zentralistischen Osmanenreichs, das Besserstellung bei Übertritt zum Islam aber auch - zdst. in dieser Hochzeit des 16. Jh.s - religiöse Toleranz ggb. Christen gewährte.
(*) Analogie zu deutsch "Welsche" oder Wallis, Wallonie, Wales, etc. - in Österreich und dem gesamten Alpengebiet blieb nach der Südbewegung der Germanenvölker (Völkerwanderungszeit) auch der Begriff "Walchen" (!), alle Orte mit Walch, Familiennamen wie Walcher, etc. gehen auf diesen ethn. Ursprung zurück; die Walchen, Welschen, Wallonen und Walliser waren also die verbliebene romaniserte (oder auch "lateinisierte"=Ladiner) Vorbevölkerung) - dt./slaw. Walchen/Wlachen=Umkehr von a und l wie zB. Waldemar zu Wladimir
(**) Alle kursiven Zitate (ohne Anmerkungen) sind aus einem Buch, dass mich einmal mehr kleine, komprimierte und schlüssige Übersichten dicken Wälzern vorziehen lässt. Ich lege es euch sehr ans Herz (muss man leider im Antiquariats- od. Ebaynetz finden), weil es einem mit urteilsloser Objektivität durch das Dickicht der Vorgänge am Balkan von 1463 bis 1819 (Stefan Tomasevic bis Karadjordjevic) blicken lässt! Und der Titel entpuppt sich auf 134 Seiten als eine kritische und verständnisvolle Sicht auf alle Proponenten:
Leignitz, Rainer: Des Kaisers Partisanen, Österreichs Türkenkriege und der Freiheitskampf auf dem Balkan (Wiener Domverlag als Erstherausgeber)
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