Zwei Schnellschüsse in einem Satz:
- Cassius Dio erwähnt nirgendwo den Ort Aliso. Er erwähnt den Fluß Elison.
Die Tücken einer Gleichsetzung antiker Fluß- und Ortsnamen haben wir anderswo bereits ausführlich diskutiert. Da wurde zu Recht festgestellt, dass Tacitus Lokalisierung der Bructerer zwischen den Flüssen Ems und Lippe nichts mit Ptolemäus Ortsnamen Amisia und Luppia zu tun hat. Ptolemäus Amisia lag nicht an der Ems - d.h. schon, aber an der Ems (Eder). Und sein Luppia lag nicht an der Lippe, sondern in der Nähe der Elbe (westslav. Labe), die wohl bei den Germanen teilweise auch Luppe hiess (vgl. Lupfurdum ~ Dresden); Teile des Flußsystems der Elbe heissen heute noch Luppe.
- Das bringt uns zum zweiten Schnellschuss: Der Annahme, dass kelto-germanische Flussnamen, und ihre Übernahme durch die Römer, eindeutig seien. Sind sie nicht, wie obige Beispiele zeigen, und ein Blick auf Lahn-Leine, Eder-Eider-Oder, Seine-Saone-Sinn etc. weiter verdeutlicht (mehr dazu unter Alteuropäische Hydronymie).
Ich will jetzt nicht Aliso an der Elbe suchen, auch die Laaber (Begriffsklärung) liegt geographisch zu weit ab. Aber Olpe (Begriffsklärung) oder Alpe (Aller) kommen Drusus Aktionsradius im Jahr 11 v. Chr. schon näher. Und was ist mit Laubach (Begriffsklärung)? Vielfach dürfte eine spätere Etymologie zugrundeliegen (z.B. Loh-bach, zum Gerben genutzter Bach), aber im Falle der friesischen Lauwers (dt. Laubach) scheint mir eine alteurop. Wurzel wahrscheinlicher.
Kurz gesagt - potentielle Loupias gibt es viele, antiken Autoren waren mindestens zwei entsprechende Toponyme bekannt (Tacitus/ Ptolemäus) - warum soll sich nicht be Cassius Dio ein Drittes finden?
Cassius Dio berichtet von zwei von Drusus gebauten "Festungen". Eine davon, bei den Chatten nahe des Rheins, lässt sich relativ problemlos als das
Römerlager Rödgen bzw. eines seiner Nebenlager identifizieren. Vgl. dazu auch Tacitus Ann. 56 "Er selbst [Germanicus] (..) legt auf dem Taunus über den Trümmern der von seinem Vater errichteten Festung ein Kastell an" - dieses wurde in Friedberg/Taunus lokalisiert.
Beim zweiten Kastell, dem am Elison, stehen Oberraden und Hedemünden zur Auswahl. Wenn man den Flußnamen
Loupias ausser Acht lässt, kann Dio eigentlich nur Hedemünden gemeint haben. Drusus marschierte nämlich von der Batavischen Insel zunächst über den Rhein zu den Usipetern. Von dort ging es weiter rheinaufwärts zu den Sugambrern. Diese waren jedoch auf Kriegszug gegen die Chatten; so gelang es Drusus, ihr Land "unbemerkt" (von Kriegern, die Zivilbevölkerung dürfte sehr wohl etwas gemerkt haben) zu den Cheruskern an der Weser zu durchqueren. Dort gingen ihm die Vorräte aus (Bienenhonig war offenbar nicht sein Fall), daher wendete er sich zu "Verbündeten". Dies waren sicherlich nicht die Sugambrer und andere an der Lippe wohnenende Völker, vielleicht die im Vorjahr unterworfenen Friesen, wahrscheinlich aber die gerade von den Sugambrern überfallenen Chatten ("Der Feind meines Feindes.."). Eine Festung noch im Cheruskerland (Hedemünden), die zweite, zur "Vertiefung" der "Freundschaft", bei den Chatten im Taunus, das passt, auch im Hinblick auf Logistik / Aufmarschroute 9 v. Chr.
Was waren dann
Loupias und
Elison? Eine Option sind alte Namen für Werra und Fulda, zum anderen könnte
Loupias den
Laubach (Hann. Münden) bezeichnet haben, der bei Hedemünden in die Werra mündet. Vgl. hierzu auch die früh-kaiserzeitlichen Funde auf dem
Kring, gegenüber von Hedemünden.
Auszug Wiki:
"Für die Erklärung des 781 als Alera, 803 als Elera, 1096 als Alara überlieferten Flussnamens gibt es zwei Möglichkeiten:
Deutung als Verkürzung von *Eleraha, wobei *Eler auf urgermanisch *olisa oder alt-slawisch olsa (poln.: olsza) für Erle zurückzuführen wäre und aha (sprich: „Acha“) einem in Flussnamen häufigen alten Wort für Wasser entspricht (vgl. lateinisch aqua). Der Baumname ist vom Niederdeutschen als Eller übernommen worden, was dem Wort Aller sehr nahekommt. Aller würde also soviel wie Erlenwasser bedeuten, was sich daraus herleiten könnte, dass der Flusslauf großteils mit Erlen bewachsen war, einer Baumart, die bevorzugt auf nassen Standorten wächst.
In Hans Krahes System der alteuropäischen Hydronymie stellt der alte Name der Aller als Alara ein Beispiel für eine Reihe von Flussnamen mit der Wurzel al- dar, die über einen großen Teil Europas verbreitet sind und Krahe zufolge alle auf eine indoeuropäische Wurzel *el-/*ol- mit der Bedeutung fließen zurückgehen. Urverwandt wären beispielsweise Alle, Alster, Iller, Elz oder Ilmenau. Krahes Hypothese wird allerdings in der Sprachwissenschaft kontrovers diskutiert. Modifiziert übernahm Theo Vennemann Krahes Modell in der Theorie der vaskonischen Sprache."
Noch um 1000 n. Chr. hieß die Weiße Elster - Elistra. Und den Fluss Luppe, auch wenn dieser heute um einiges beträchtlich zusammen geschrumpft ist, gibt es gleich neben an. An beiden wurde um 1000 n. Chr. Leipzig durch Thietmar benannt. Nicht weit ab von Hedemünden fließt die Eller in die Ruhme, diese in die Leine, welche wiederum in die Aller mündet. In den alten Wüstungskarten des Eichsfeldes ist die Eller auch noch mit Aller bezeichnet. Auch der Ortsname Elze an der Saale, einem Nebenfluss der Leine gelegen, scheint darauf hinzuweisen.
Wie Augusto schon richtig angemerkt hat, waren die Chatten mit denen Drusus sehr wahrscheinlich Freundschaft geschlossen hatte. Denn als Gegner werden für das Jahr 11 v. Chr. nur Sugambrer, Cherusker und Sueben genannt (Florus).
Einen Germanicus-Horizont (10-14 n. Chr.) bei den Münzfunden (28 Fundorte!) lässt sich sehr gut über Mainz nach Mitteldeutschland rekonstruieren. Diese sind wie an einer Perlenschnur aneinander gereiht. Man bedenke das der Ort Luppia nach Ptolemäus seinen Koordinaten auf der nördlichen Abdachung des Melibokon (Harz) lag. In Westfalen gibt es gerade mal deren 3 Münzfundorte - alle östlich des Eggengebirges. Einen der 3 Orte wird in der letzten Publikation von Ilisch 2012 (Münzfunde der Jahre 1999 bis 2010 in Westfalen-Lippe) aufgeführt. Die Fundarmut der Münzfunde sagt alles.
Noch etwas - wenn Tacitus schreibt:
"Schon ist die Elbe uns näher als der Rhein und kein Krieg mehr vom anderen Ufer des Stromes (Visurgis) zu befürchten, wenn ihr nur mich, der ich den Spuren meines Vaters (Drusus 9 v. Chr.) und Oheims (Tiberius 5 n. Chr.)) folge, in denselben Ländern zum Sieger macht."
Warum wird immer von West nach Ost gedacht. Gerade die Mainzer Legionen, welche nicht gemeutert haben, sollte man nicht vergessen. In Sachen Zuverlässigkeit mit Sicherheit um einiges besser als die die am Niederrhein stationiert waren. Zudem war sein Vater Drusus ein "Held" bei den Mainzer Legionen.
Die Vormarschrouten über das Chattengebiet nach Mitteldeutschland zur Elbe und Saale waren bestens bekannt.
Man solle mal darüber nachdenken und nicht immer alles so hinnehmen was seit 150 Jahre vorgekaut wird.