Den großen Krieg planen

Er schreibt unter anderem, in Lothringen hätten sich die deutschen Truppen zurückziehen sollen , was sie nicht taten weil Moltke dem dortigen Befehlshaber Prinz Rupprecht (Rupprecht von Bayern – Wikipedia ) keine Befehle erteilen konnte. Deshalb hätten die französischen Truppen, die eigentlich tief in Lothringen sein sollten, schnell in die Gegend von Paris verlegt werden können. (Das diese zahlenmässige Verstärkung schlecht war, schreibt er schon, ob der Schlieffenplan sonst Erfolg gehabt hätte, lässt er offen.)
Auszüge aus Wikipedia:
"vollzog Rupprechts Armee auf Befehl Helmuth von Moltkes, zunächst einen taktischen Rückzug."
"begann ohne Befehl eine Gegenoffensive"
"der lediglich Kräfte verbrauchte, die auf dem entscheidenden rechten Flügel der deutschen Armeen gebraucht worden wären"
Realiter hätten die Dinge im August 1914 durchaus anders laufen können.

Es war z.B. auch gar nicht ausgemacht, dass Belgien bewaffneten Widerstand leisten würde. Im Ebenfalls von Deutschland besetzten luxemburg gab es keinen organisierten bewaffneten Widerstand, sondern lediglich offiziellen Protest der Großherzogin von Luxemburg gegen den deutschen Einmarsch.
Hätten sich die Belgier für eine ähnliche Haltung entschieden, statt zu kämpfen und auf Basis der Garantieverträge von 1839 die Entente-Mächte um Beistand zu ersuchen, hätte möglicherweise auch der deutsche Vormarsch noch ein Stück schneller verlaufen können.

Von belgischer Seite her hätte man durchaus damit kalkulieren können, dass wenn man die Deutschen schnell durchmarchieren hätte lassen, der Zusammenstoß der deutschen und französischen Truppen möglicherweise auf französischem Gebiet stattfinden würde, statt mitten in Belgien, womit Belgien selbst die Zerstörungen durch die Kampfhandlungen möglicherweise erspart bleiben würden.

Wäre das passiert, hätten die Briten kein Aufmarschgebiet und keine Nachschubbasis um Antwerpen und die anderen belgischen Kanalstädte gehabt und die Deutschen wären schneller vorran gekommen.

Wie genau das militärische Ergebnis dann ausgesehen hätte, muss Spekulation bleiben, es wäre eventuell aber von dem der realen Ereignisse deutlich abgewichen.


Genau so hätte er auch noch wesentlich schlimmer schiefgehen können, wenn man auf französischer Seite im Jahr 1911 nicht Victor-Constant Michel, der die deutschen Absichten besser verstand, als sein Nachfolger Joffre und dessen Plan war, sich defensiver zu verhalten und mehr Truppen an die belgische Grenze, statt an die Deutsche zu dislozieren, als faktisches Pendant zu Moltke als militärischem Planer und factischem Befehlshaber der französischen Armee abgesetzt und durch Joffre und dessen Planungen ersetzt hätte.
Oder aber, wenn Frankreichs Regierung Joffres Anregungen Selbst in Belgien vorzugehen nicht aus politischen Überlegungen heraus verworfen und Joffre befohlen hätte, sich etwas andres einfallen zu lassen.

Das alles, hätte, wenn es auf den Schlieffenplan getroffen wäre zu sehr unterschiedlichen Endergebnissen führen können.

Ergebniss hätte (politische Haltung Belgiens) sowohl ein schnelleres Vorstoßen der deutschen Truppen und auf Seiten der Ententemächte Probleme die britische Expeditionsstreitkraft als wirksame Verstärkung hinzuziehen zu können, bewirken können, als auch (Planungen Michels und ursprüngliche offensivere Ideen Joffres, mit stärkeren Kräften an der belgischen Grenze), zu einem Scheitern des Schlieffenplans bereits in Flandern, dann nämlich, wenn an der belgischen Grenze genügend Kräfte vorhanden gewesen wären um selbst in Belgien vorzugehen, während die Deutschen noch vor Lüttich standen und somit den Deutschen die für eine Umfassung notwendigen Eisenbahnen (Vorsorgung der vorstoßenden Truppen) von vorn herein weg zu nehmen und sich mindestens in den Ardennen, wenn nicht um Brüssel festzusetzen.


Nichts desto weniger geht das an der eigentlichen Fragestellung vorbei. Die war diejenige, nach möglichen planerischen Alternativen zum Schlieffenplan und danach ob Moltke mit seinen Mitteln realistische Alternativen hatte um im Zweifel mit allen 3 Ententemächten fertig zu werden, nicht ob der Schlieffenplan unter günstigeren Bedigungen zu anderen Ergebnissen hätte führen können.

Das hätte er zweifellos.

Das ist hier aber nicht das eigentliche Thema.
 
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Waren es denn die belgischen Festungen, die den Schlieffenplan scheitern ließen?
Unwahrscheinlich: die belgischen Festungen waren um 1880 up to date (viele orientierten sich am belgischen Festungsbaumeister Brialmont), aber 30 Jahre später waren sie es nicht mehr (zu schlechter Beton, kein Stahlbeton, zu hoher Aufzug im Gelände)
@Reinecke
hier noch ganz ausführliche rund 50 Seiten Auswertung mit zahlreichen Plänen und Fotografien:
die "Denkschrift über die Ergebnisse der Beschiessung der Festungen Lüttich, Namur, Antwerpen und Maubeuge, sowie des Forts Manonviller im Jahr 1914, Brüssel 1915".

darüber hinaus militärische Ansichten über Zweck, Notwendigkeit und Nutzen von Festungen aus der Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg:
 
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Münkler meint, der Kaiser hätte statt H. Moltke auch Colmar von der Goltz Colmar von der Goltz – Wikipedia einsetzen können. Der hätte eine Defensivverteidigung gewählt und dann die Gegner zersetzt. Etwa durch Unruhen in den Kolonien. Durch Ausrufung vom Heiligen Krieg. Dazu kann ich nichts im WWW finden.
An anderer Stelle meint er, die Mächte Frankreich, Russland und Deutschland hätten jeweils eine Offensivstrategie gewählt, weil sie wussten das ein langer Krieg desaströse Folgen haben wird. Der Krieg hatte, meint er, auch für den Sieger Grossbritanien schlimme Folgen gehabt. Es wäre als Gläubiger der Welt in den Krieg eingetreten und hätte ihn als Schuldner der USA verlassen.
 
Münkler meint, der Kaiser hätte statt H. Moltke auch Colmar von der Goltz Colmar von der Goltz – Wikipedia einsetzen können. Der hätte eine Defensivverteidigung gewählt und dann die Gegner zersetzt. Etwa durch Unruhen in den Kolonien. Durch Ausrufung vom Heiligen Krieg. Dazu kann ich nichts im WWW finden.
Ich kenne Münklers Buch zum 1. Weltkrieg und auch 1-2 Vorträge zur Buchvorstellung.

Allerdings kann man die Wahl für die Nachfolge Schlieffens, auch wenn sie zweifelsohne wichtige Weichen stellte nur bedingt auf die Planungen der letzten jahre vor Kriegsausbruch übertragen.

Die Wahl eines Nachfolgers für Schlieffen stand allerdings bereits 1905/1906 an, das war eine Zeit, in der Russland durch die Niederlage gegen Japan nicht handlungsfühig war und in der es auch die Triple-Entente noch nicht gab.

Insofern zu dieser Zeit auf Grund der Handlungsunfähigkeit Russlands erstmal nicht mit einem Zweifrontenkrieg gerechnet werden musste und bei einem sich neutral verhaltenden Russland auch die Wirkung einer britischen Seeblockade kaum das Potential hatte wirklich dramatisch zu werden, war das eine etwas andere Situation als 5-10 Jahre später.


In der gegebenen Situation, als Schlieffens Nachfolge anstand, konnte v.d. Golz angesichts dessen, dass zu diesem Zeitpunkt Russland aus der Rechnung hinausfiel sein defensives Konzept gut vertreten.
Freilich musste um 1905/1906 aber auch jedem klar sein dass die Schwächung Russlands durch die Niederlage gegen Japan und die Revolution von 1905 nur temporärer Natur sein würde und sich das Zarenreich wahrscheinlich spätestens binnen einer Dekade wieder erhohlt haben würde.

So dass klar sein musste, dass 1905/1906 ein defensiver auf einen Erschöpfungskrieg ausgelegter Kriegsplan für einen Krieg an nur einer Front vielleicht sinnvoll war, dass das Konzept mittelfristig bei Erhohlung Russlands und drohendem Zweifrontenkrieg aber zunehmend unrealistischer werden musste.
Und dann wusste 1905/1906 natürlich auch noch niemand, wie sich das deutsch-britische Verhältnis längerfristig entwickeln würde. Großbritannien hatte sich zwar gerade in der 1. Marokko-Krise auf die Seite Frankreich geschlagen, aber es war noch überhaupt nicht klar, ob das eine dauerhafte Allianz würde, oder ob Großbritannien für den Moment lediglich Frankreich schützte um das Kräftegleichgewicht in Europa aufrecht zu erhalten, so lange Russland aus der Rechnung fiel und bei Erhohlung Russlands wieder eine deutschlandfreundlichere Position in Form einer neutralen Rolle zwischen den Blöcken einnehmen würde.
Auch das deutsch-britische Flottenwettrüsten hatte 1905 seinen Höhepunkt noch nicht erreicht, auch den "Naval Scare" der in Großbritannien die öffentliche Meinung gegen Deutschland aufbrachte (1909) konnte da noch niemand was wissen.

Nun war aber die Idee, auf die "revolutionäre Infektion" zu setzen und zu versuchen die koloniale Peripherie der Gegner in Unruhe zu versetzen eine Vorstellung die sich vor allem gegen die Briten als möglichen Gegner richten musste, für Russland (Sibirien/Turkestan) und Frankreich (Kolonialreich) waren ihre Imperien wesentlich weniger wichtig und diese Akteure waren darüber wensentlich weniger entscheidend zu treffen.
Nun war aber 1905/1906 überhaupt nicht Absehbar, ob Großbritannien langfristig überhaupt auf der Liste der zu erwartenden Gegner stehen würde.
Von Frankreich musste man ausgehen und wegen des weiterbestehenden französisch-russischen Zweibundes auch mit Russland, wo aber Großbritannien, gegen dass sich diese Überlegungen primär richteten, mittelfristig stehen würde, war nicht abzusehen.

Im Übrigen wurde während des 1. Weltkriegs neben Schlieffens Ansatz durchus auch die Strategie der "revolutionären Infektion" parallel verfolgt.
Den Versuch die muslimischen Teile der Imperien der Ententemächte durch Aufruf zum "Heiligen Krieg" gegen die jeweiligen Kolonialmächte aufzurufen, wurde von Seiten des Osmanischen Verbündeten der Zentralmächte tatsächlich unternommen, erreichte aber lediglich bescheidene Resonanz.
Andere Versuche die (koloniale) Peripherie der Imperien der Ententemächte in Aufruhr zu versetzen (Indien, Maghreb, Unterstützung des irischen Osteraufstands etc.) blieben ebenfalls relativ erfolglos.
Die einzige Maßnahme, aus der Kategorie "revolutionäre Infektion", von Seiten der Zentralmächte, die wirklich einigermaßen nachhaltigen Erfolg hatte hieß "Lenin". Bei den Briten gegen die sich diese Vorstellung in der Hauptsache richtete, erreichte man realiter nicht viel.

An anderer Stelle meint er, die Mächte Frankreich, Russland und Deutschland hätten jeweils eine Offensivstrategie gewählt, weil sie wussten das ein langer Krieg desaströse Folgen haben wird.
Jedenfalls war ihnen bewusst, dass es die Opferzahlen nach oben treiben und dass die Kosten ausufern würden, nebst anderen Problemen.

Im Falle der Causa v. d. Golz vs. Moltke als mögliche Nachfolger Schlieffens 1905/1906 muss man aber auf der Rechnung haben, dass die hier zur Disposition stehende Wahl zwischen offensivem und defensivem Konzept erstmal nur eine mittelfristige Wahl darstellen konnte, weil völlig unklar sein musste, ob Golz Konzept eines Defensivkrieges für einen Zweifrontenkrieg (wenn sich Russland erhohlt haben würde) funktionieren würde und weil außerdem unklar sein musste, ob es in Zukunft überhaupt auf den richtigen Gegner zielen würde, da die Entwicklung des Verhältnisses zu Großbritannien vor dem Zustandekommen der Triple-Entente noch relativ offen war.

Von demher würde sich auch die Frage stellen, ob v. d. Golz, wenn er 1905/1906 anstelle des jüngeren Moltkes Schlieffens Nachfolger geworden wäre und die Verantwortung für die Planungen gehabt hätte in den letzten Jahren auf den Krieg hin an seinen defensiveren Ideen überhaupt hätte festhalten können.
Ich weiß um ehrlich zu sein auch nicht, inwiefern Moltke jemals detaillierten Einblick in die dem Generalstabschef zur Verfügung stehenden Mittel hatte.

Golz war von 1883 bis 1896 als Militärberater im Osmanischen Reich abgestellt und in dieser Zeit überhaupt nicht in Deutschland, danach folgten aktive Kommandos in Brandenburg und Ostpreußen, eine Rolle als Generalinspekteur der Festungen (wobei ich nicht weiß, ob sich das auf das Reich insgesamt oder auf die ostpreußischen Festungen beschränkte), anschließend war er noch für die Armeekorps in Königsberg, Danzig und Posen zuständig.
Ich sehe da (daten hierzu sind Wiki entnommen) keine direkte Verbindung zur Planungsarbeit des Preuß. Generalstabs oder zu den Interna des Kriegsministeriums, womit sich die Frage stellt, ob Golz überhaupt genügend Einblick hatte um die Ressourcen Deutschlands korrekt einschätzen zu können.
Er scheint von Militäringenieurwesen was verstanden zu haben, ich sehe aber wenig Hinweis darauf, dass er besonders mit kriegswirtschaftlichen Notwendigkeiten (Erschöpfungskrieg) vertraut gewesen wäre.

Insgesamt müsste man sich mal detaillierter mit der Personalie beschäftigen ich würde aber doch die Frage in den Raum stellen wollen, ob die plakative Gegenüberstellung von Golz und Moltke, so wie Münkler das beim Thema der Nachfolge Schlieffens aufgemacht hat, mittelfristig hätte Bestand haben können und wie fundiert Golz Einschätzung tatsächlich war, bzw. wie genau sein Einblick in die vorhandenen Mittel tatsächlich war.

Der Krieg hatte, meint er, auch für den Sieger Grossbritanien schlimme Folgen gehabt. Es wäre als Gläubiger der Welt in den Krieg eingetreten und hätte ihn als Schuldner der USA verlassen.
Naja, die finanziellen Belastungen wären in den Griff zu bekommen gewesen.
Was für Großbritannien eher nachhaltige Folgen hatte, war, dass man um Unterstützung in den Kolonien zu mobilisieren, den eigenen Untertanen dort diverse Versprechungen in Sachen linderung der Kolonialherrschaft und Selbstverwaltung gemacht hatte, die im Nachhinen von den Bevölkerungen der Kolonialgebiete dann eingefordert wurde und dass die zunehmende Abhängigkeit von den USA sie dazu zwang sich diplomatisch zum Konzept des Selbstbestimmungsrechts der Völker zu bekennen.
Damit war Irland für das britische Empire faktisch verloren, und die antikoloniale Bewegung mächtig auf dem Vormarsch und kaum noch einzudämmen.
 
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Deutschland gegen eine Übermacht. Nach allem was hier diskutiert wurde, gab es militärisch keinen besseren Plan bzw. der Krieg war nicht zu gewinnen . .
Der Engländer Shaw schrieb zu Beginn, wir müssen den Krieg ohne Hilfe der USA gewinnen. Ist sich aber sicher, die USA würden eingreifen und mit Hilfe der USA würde er sicher gewonnen. Das bedeutet wohl, nach seiner Einschätzung hätte Deutschland den Krieg gegen 3 Gegner nicht zwangsläufig verlieren müssen.
 
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Es sind hier nur militärische Alternativen erwünscht. Politisch hätten mehr als 50% der Wehrpflichtigen eingezogen werden können. Frankreich gab das doppelte pro Einwohner für das Militär aus. Es hätte eine einheitliche Armee geschaffen werden können.
 
Deutschland gegen eine Übermacht. Nach allem was hier diskutiert wurde, gab es militärisch keinen besseren Plan bzw. der Krieg war nicht zu gewinnen . .
Gewinnen müssen hätte man ihn auch nicht.
Es hätte ja um die Landesverteidigung zu gewährleisten grundsätzlich ein Plan ausgereicht, der mit hoher wahrscheinlichkeit in ein blutiges militärisches Patt geführt und die Politiker beider Seiten gezwungen hätte Verständigung zu suchen.

Eine solche Situation hätte man wahrscheinlich realiter ab 1917 gehabt, hätte man von deutscher Seite her nicht vorher den Kriegseintritt der USA provoziert.
Ohne dem hätten sich im Westen eben die Deutschen Truppen, denen der Entente weiterhin im Grabenkampf gegenüber gesehen, ohne dass eine Seite besonders gute Aussichten darauf gehabt hätte durchzubrechen oder den Gegner mittelfristig zu zermürben.
Das wäre eine Situation gewesen, die nahegelegt hätte sich auf ein Unentschieden zu einigen und insofern hätte der Generalstabschef seine Aufgabe erfüllt gehabt (was die Organisation der Landesverteidigung betrifft), wenn etwas vergleichbares erreicht worden wäre.

Es sind hier nur militärische Alternativen erwünscht.
Nunja, Alternativen außerhalb des militärischen (planerischen) Bereichs, fielen nicht in die Verantwortung Moltkes und des Generalstabs, tragen also nicht dazu bei abzustecken, welche Möglichkeiten dem Generalstab zur Verfügung standen und wie vor diesem Hintergrund Moltkes Beharren auf dem modifizierten Schlieffenplan zu bewerten ist.

Politisch hätten mehr als 50% der Wehrpflichtigen eingezogen werden können.
Selbst wenn es dafür politische Mehrheiten gegeben hätte, wäre es auf die Schnelle nicht machbar gewesen, weil dafür schlicht Ausbildungskapazitäten, Ausrüstung etc. gefehlt hätten.
Realiter hatte man ja vor dem Krieg das Aufwachsen des Heeres um weitere 100.000 Mann beschlossen was einer Aufstockung der in Friedenszeiten aktiven Truppen um etwa 1/8 bedeutete, aber bereits dass dauerte gegeben durch die damals gängigen Dienstzeiten (je nach Truppengattung 2-3 Jahre) Jahre um dass vollständig durchzuführen.

Tatsächliche Einziehung aller Wehrpflichtigen zur Ausbildung an der Waffe und Einziehung eines erheblich größeren Teils der männlichen Bevölkerung im tatsächlichen Kriegsfall (Ausbildung allein bedeutet ja erstmal nur mehr Reserven zu haben, um die Lage in einem Zweifrontenkrieg zu verbessern hätte es vor allem tatsächlich mehr aktive Truppen benötigt), hätte zwar die nummerische Schlagkraft der Armee erhöht, die Zahl an Arbeitskräften, die der Kriegswiertschaft zur Verfügung stehen würden, aber eben auch entsprechend reduziert, so dass die größere Armee dann mit weniger Verpflegung und Munition hätte auskommen müssen.
Im Prinzip hätte man die Armee damit in Richtung des russischen Modells entwickelt und wahrscheinlich auch die vorhandene Bahn-Infrastruktur überlastet, die dann nochmal mehr Soldaten an den Fronten regelmäßig mit Nachschub hätte beliefern müssen.

Man hätte sicherlich, wenn es die politischen Mehrheiten gegeben hätte weitere Heeresvermehrungen in Betracht ziehen können, aber mal eben die Zahl der Wehrpflichtigen oder gar der aktiven Truppen zu verdoppeln wäre reichlich utopisch gewesen.


Frankreich gab das doppelte pro Einwohner für das Militär aus.
Das ist so nicht richtig.

Frankreich gab pro Einwohner höhere Beträge für das Militär aus als Deutschland nicht in absoluten Zahlen. Und das Doppelte war es bei weitem nicht.

Wenn man den tabellarischen Aufstellungen bei Leonhard ("Die Büchse der Pandora" München 2014 S. 40/41) folgt, stellte sich das was die Militärausgaben Seit 1900 betrifft zwischen Frankreich und Deutschland folgendermaßen dar:

Umgerechnet in Millionen Pfund Sterling:

1900 1906 1911 1912 1913

F 41,5 / 46,2 / 60,8 / 62,8 / 72
D 43,2 / 57,1 / 68,1 / 72 / 93,4

In absoluten Zahlen gab Deutschland bereits deutlich mehr aus, als Frankreich wobei das natürlich insofern zu relativieren ist, als dass natürlich nicht alle Ausgaben dem aktiven Landheer zu gute kamen.
Da ist natürlich der Festungsbau und der Ausbau der strategischen Bahnen mit drinn, in Deutschland spielte das große Fottenrüstungsprogramm eine relativ große Rolle bei der Steigerung der Ausgaben, dass aber wenig Auswirkungen auf die Kräfteverhältnisse zu Lande hatte, auf der französischen Seite muss man den Unterhalt und die militärische Sicherung des deutlich größeren Kolonialreiches berücksichtigen.
Frankreich beherrschte deutlich größere Gebiete in Afrika und Indochina, benötigte also auch größere Kontingente an Kolonialtruppen um das unter Kontrolle behalten zu können.
Die machten natürlich irgendwo einen Teil des Landheeres aus, standen aber nicht für einen Krieg in Europa zur Verfügung oder jedenfalls nicht direkt für die Eröffnungskampagnen, sondern wenn sie überhaupt abkömmlich waren, dann erst nach Transfer nach Europa, was je nach Standort aber Monate dauern konnte.
Bis dahin konnte der Krieg in Europa bereits gelaufen sein.

Wenn man das in Zahlen pro Kopf umrechnet, also die französischen Werte durch irgendwas zwischen 41.000.000 und 42.000.000, so wie den deutschen durch ca. 68.000.000 oder der Einfachheit halber durch 42 und 68 (dann hätte man die Militärausgaben nicht pro Kopf, sonder pro Million Einwohner) käme man, wenn man etwa Leonhards Werte für für 1912 und 1913 zu Grunde legt zu den folgenden Ergebnissen:


1912 1913 (auf die 2. Nachkommastelle gerundet)

F 1,50 / 1,71
D 1,05 / 1,37

Das erhebt jetzt keinen Anspruch auf exakte Genauigkeit, weil sich Aufrüstungschritte, was die Bereitstellung von finanziellen Mitteln angeht, zum Teil eher wellenförmig, als kontinuierlich vollziehen, weil die Anschaffungskosten für neues Gerät natürlich vor allem einmalig anfallen, während der Unterhalt kontinuierlich läuft, so dass beim Beschluss zu Neuanschaffungen von größeren Mengen Kriegsmaterial naturgemäß größere Sprünge drinn sind und die Betrachtung einzelner Jahre, das Verhältnis, wenn Rüstungsprogramme zeitversetzt verabschiedet werden, in der Darstellung verzerren können.

Man sollte aber, denke ich recht deutlich sehen, dass Frankreich auch pro Einwohner (des französischen "Mutterlandes" ohne Kolonialreich) bei weitem nicht das Doppelte für das Militär ausgab, vergleichen mit Deutschland sondern dass man sich hier über Aufwändungsunterschiede von in the long run, wahrscheinlich 30-40% Mehrbelastung unterhält, die für Frankreich mit seiner etwas über 1/3 kleineren Bevölkerung (F ca. 42 Millionen, D. ca, 68 Millionen) als Deutschland allerdings auch notwendig waren um einigermaßen Parität mit dem östlichen Nachbarn zu wahren.

Natürlich hätte man wenn die politischen Mehrheiten dafür da gewesen wären in Deutschland höhere Steuern veranschlagen können um mehr Geld ins Militär pumpen zu können.
Das wäre dann aber natürlich zu Lasten der wirtschaftlichen Entwicklung und damit auch der Kriegswirtschaftlichen Möglichkeiten gegangen.

Der Boom der deutschen Wirtschaft und die Steigerung des Lebensstandarts seit den 1890ern wäre deutlich verhaltener ausgefallen, wenn man zu Gunsten des Militärs dauerhaft eine höhere Besteuerungspolitik verfolgt hätte.
Davon hätten vielleicht einzelne Rüstungslieferanten wie Krupp pofitiert, aber anderen Konzernen hätte dann nur ein geringerer Etat für die Expansion und Modernisierung ihrer Produktionskapazitäten zur Verfügung gestanden, was in the long run wahrscheinlich zu einer schmaleren industriellen Basis geführt hätte.


Überdies sollte man vielleicht auch die möglichen politischen Konsequenzen nicht unterschätzen:

Wäre Deutschland im Alleingang zu einer Politik der beispiellosen Aufrüstung übergegangen (mal abgesehen davon, dass dem weder die Sozialdemokraten, noch ein großer Teil der Liberalen, die keine drastischen Steuererhöhungen wollten zugestimmt hätten, die Finanzierung der realen Programme war problematisch genug), hätte das für die anderen Mächte wenn man es hätte realisieren können, möglicherweise wie direkte Kriegsvorbereitung ausgesehen.
Möglicherweise hätte das zu entsprechenden Gegenrüstungen geführt, möglicherweise aber auch zu der Vorstellung, dass Deutschland einen Überfall auf Europa plante und deswegen ein Präventivschlag gegen Deutschland notwendig wäre.
 
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Es hätte eine einheitliche Armee geschaffen werden können.
Dazu hätte die Verfassung geändert werden müssen, was schlicht nicht machbar gewesen wäre.

Die Sperrminorität im Bundesrat gegen Verfassungsänderungen lag bei 14 Stimmen, die dafür zusammengebracht werden mussten. Bayern verfügte im Bundesrat über 6 Stimmen, Sachsen und Würtemberg jeweils über 4 Stimmen, womit die drei Gliedstaaten, die dadurch de facto in ihren Rechten betroffen gewesen wären (es hätte ja de facto ein einheitliches Heer aus Basis der preußischen Armee bedeutet) allein eine Sperrminorität dagegen besessen hätten.
Die wäre auch mit ziemlicher Sicherheit gezogen worden, nicht nur wegen der Eitelkeit der Fürstenhäuser und dem einzelstaatlichen Sonderbewusstsein, sondern weil offensives Vorgehen in Richtung auf Verfassungsänderungen zu Gunsten Preußens gegenüber den anderen Gliedstaaten und einem höheren Grad an Vereinheitlichung, im Besonderen wie ein Generalangriff auf die 1871 zugesicherten Reservatrechte der süddeutschen Staaten hätte wirken können.
Wahrscheinlich hätten sich dem Widerstand dagegen auch andere Kleinstaaten angeschlossen, die möglicherweise befürchtet hätten, bei fortschreitender Zentralisierung irgendwann doch noch von Preußen geschluckt zu werden.

Ob eine Vereinheitlichung der Armeen in Sachen wehrpolitik wünschenswert gewesen wäre, wird man unterm Strich auch als fraglich betrachten können.
Auf der einen Seite, wären dadurch natürlich klarere Kommandostrukturen möglich gewesen, als wenn im Kriegsfall überall die Thronfolger mit den Armeen mitzogen, die nicht wirklich gut in die Befehlshierarchie passten und da einiges durcheinanderbringen konnten.
Auf der anderen Seite, hätte aber auch die Abschaffung der eigenen Armeen in den Gliedstaaten, die welche hatten und die irgendwo auch Identifikationsmerkmal waren möglicherweise die Bereitschaft steigende Ausgaben für das Militär mitzutragen reduziert.

Letztendlich wäre es aber auf Basis der Bismarck-Verfassung schlicht nicht durchführbar gewesen.
Allenfalls dann, wenn man mit einer allgemeinen Verfassungsreform die Sperrminorität des Bundesrates aufgehoben oder (erhöhung der dafür notwendigen Stimmen) die notwendige Qualifikation dafür signifikant erschwert hätte.
Das wiederrum hätte dann allerdings Preußen sein alleiniges Veto-Recht in Verfassungsfragen gekostet (Preußen verfügte über 17 Stimmen im Bundesrat) und wäre wahrscheinlich gegen Berlins Interessen gegangen.
 
Nach heutiger Gesetzgebung ist die Planung eines Angriffskrieges eine schwere Straftat.
Auch für den Generalstabschef.

Aus guten Gründen.
Stimmt:
Article 8 bis 4 [Rome Statut; Done at Rome, this 17th day of July 1998.)​
Crime of aggression​
1.​
For the purpose of this Statute, “crime of aggression” means the planning, preparation, initiation or execution, by a person [///]violation of the Charter of the United Nations. [1944] .............."Aus guten Gründen".​
Shinigami schrieb:
Die Idee, dass die Planung des Friedens Aufgabe des Generalstabschefs hätte sein können, ist in der Tat abstrus.
Der Begriff 'Frieden' kommt bei Clausewitz, 'Vom Krieg', 102-mal vor.
Bis 1944 stellte 'Planung von Aggressionskriegen' jedoch kein “crime of aggression” dar, gehoerte nicht zum corpus des Voelkerrechts.

Es ist in diesem Forum verschiedentlich, über den Schlieffenplan, seine Implikationen und seine Gefährlichkeit geschrieben worden, unter entsprechender Kritik vor allem am jüngeren Moltke, der als Preußischer Generalstabschef die Kriegsplanungen in den letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg federführend verantwortete und die entsprechenden Schlüsselentscheidungen dafür traf, dass ab dem August 1914 der Versuch unternommen wurde, nach diesem Plan Krieg zu führen.
Diese Vertragbrechenden Einmaersche in Luxemburg und Belgien waren fuer Englands erste raison d'être ueberhaupt gewesen: eine undikutierbare Pflicht und Ehrensache. Seine Glaubwuerdigkeit stand auf dem Spiel.
Es ist in diesem Forum verschiedentlich, über den Schlieffenplan, seine Implikationen und seine Gefährlichkeit geschrieben worden, unter entsprechender Kritik vor allem am jüngeren Moltke, der als Preußischer Generalstabschef die Kriegsplanungen in den letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg federführend verantwortete und die entsprechenden Schlüsselentscheidungen dafür traf, dass ab dem August 1914 der Versuch unternommen wurde, nach diesem Plan Krieg zu führen.

Die Ueberschrift des Stranges lautet: "Den Grossen Krieg planen." Gelueste und finanzielle Vorbereitungen fuer den Grossen Krieg fangen zuerst bei Willie an. Die Planungen seiner militaerischen Untergebenen geschahen in seinem Sinn. Willie wurde vom Drang getrieben, seinem 'ihm von Gott zugebuehrtem Platz an der Sonne ' in Anspruch zu nehmen.

Willie's Konjunktivtraeumereien und die seiner Untertanen stellten nur zu oft realitaetsfremde Spekulationen dar - wie z.B. der starre Schlieffenplan. Deren meist tragische Konsequenzen wurden fuer die Nachwelt akribisch dokumentiert; * wie eben auch der meist absurd schreckliche Verlauf seines Krieges den 'Platz an der Sonne' zu erreichen : der Krieg endete Willie persoenlich nicht an der Sonne, doch fuer Millionen Anderer 'in der Hoelle auf Erden'. Und dann kam die Grippe....

* Gebhardt; Die Urkatastrophe Deutschlands. Der Erste Weltkrieg.
DR. MUEHLON'S DIARY
JAMES W. GERARD; FACE TO FACE WITH KAISERISM [amer. Botschafter in DEU]
James M.Beck; The Evidence in the Case.
VISCOUNT GREY OF FALLODON; TWENTY-FIFE YEARS 1892-1916
usw.
 
Hä, was ist das für ein Geschwätz?

Was hast du denn mit "Willie"?
Und für GB war der Einmarsch in Belgien nur ein willkommener Grund zum Kriegseintritt gegen das DR.

Zudem ist deine Einlassung/Behauptung: "Die Überschrift ................. zu nehmen" sowie " Willie ..............die Grippe.... hier in diesem Thread absolut spekulativ und scheint von persönlichen Gründen und weniger aus der Geschichte her geleitet zu sein.
 
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For the purpose of this Statute, “crime of aggression” means the planning, preparation, initiation or execution, by a person [///]violation of the Charter of the United Nations. [1944] .............."Aus guten Gründen".
Nur meint "planning" hier die Fassung des Entschlusses zu einem Angriffskrieg auf der politischen Ebene, nicht das abstrakte Entwerfen von Kriegsplänen für den Kriegsfall durch die Militärs ohne Einfluss über die Kompetenz der Entscheidung über Krieg und Frieden.

Militärs könnten sich der Planung in diesem Sinne überhaupt nur dann schuldig machen, wenn es sich beim politischen System des Staates um eine Militärdiktatur handelte, in der den Militärs zeitgleich auch die Befügnisse obliegen, die ansonsten Angelegenheit der zivilen Staatsführung oder anderer ziviler Instanzen (Parlamente) wären (Entscheidung über Krieg und Frieden) oder aber dann, wenn sie von der Zivilen Staatsführung darüber in Kenntnis gesetzt wurde, dass diese solche Pläne verfolgte und die Militärs dem in diesem Sinne zuarbeiteten.

Folglich wird man die Spitzen der deutschen Generalität in der NS-Zeit dieses Verbrechens für schuldig befinden, weil sie nachweislich (Hoßbach-Niederschrift, Schmundt-Protokoll) über solche Absichten der Staatsführung lange im Vorraus unterrichtet waren und diesen Vorhaben durch ihr eigenes Tun zuarbeiteten.

Auf Schlieffen und den jüngeren Moltke trifft das so weit wir wissen nicht zu, da bis dato kein Dokument vorliegt, dass belegen würde, dass der Schlieffenplan eine von Seiten des Kaisers in Auftrag gegebene Arbeit gewesen wäre, mit der Absicht einen Angriffskrieg zu beginnen.

Der Schlieffenplan inkludierte zwar die Absicht Luxemburg, Belgien und die Niederlande zu durchqueren, diese Absicht musste aber nicht zwangsläufig mit dem Vorhaben korrespondieren diese Länder zu überfallen.
Ob dieser Plan einen Angriff auf die BeNeLux-Staaten beeinhaltete hing maßgeblich von deren Verhalten und von demjenigen Frankreichs ab.

Namentlich, ob Frankreich Deutschland den Krieg erklären und seinerseits als erstes in Beglien einmarschieren würde (was zeitweise wohl Joffres Präferenzen durchaus entsprach) und Deutschland in diesem Fall in der Situation wäre als Garantiemacht der Belgischen Neutralität und Unabhängigkeit möglicherweise selbst an der Seite Belgiens zu kämpfen, bzw. von diesem zur Hilfe gerufen zu werden.

Oder von der Option, dass die BeNeLux-Staaten von sich aus den deutschen Truppen Durchmarscherlaubnis erteilen, was theoretisch immerhin denkbar war (ein entsprechendes Ansinnen wurde ja am 2. August 1914 an die Regierungen Belgiens und Luxemburgs gerichtet)

Insofern bis 1913 zum Schlieffenplan eben auch Alternativen existierten und man auf das West-Szenario bis dahin überhaupt nicht festgelegt war, wird man auch in diesem Zusammenhang nicht behaupten können, es wäre mit dem Schlieffenplan überhaupt ausschließlich und mit fester Absicht auf ein West-Szenario hingearbeitet worden.


Die von @Stilicho geäußerte Einlassung hier in diesem Faden würde ein Angriffskrieg geplant, rekurierend darauf, dass hier darüber diskutiert wird, ob Moltke in der historischen Situation von 1910-1914 andere realistische Möglichkeiten hatte, im Zusammenhang mit völkerrechtlichen Straftatbeständen ist dermaßen absurd, dass das eigentlich keiner weiteren Ausführungen bedarf.


Der Begriff 'Frieden' kommt bei Clausewitz, 'Vom Krieg', 102-mal vor.
Wie oft kommt der Begriff "Kommunismus" bei Churchill vor? Ich vermute mal öfter. Plante Churchill deswegen den Kommunismus?
Das wäre dann so ungefähr das logische Niveau dieses Einwands.

Natürlich kommt der Begriff "Frieden" bei Clausewitz öfters mal vor, immerhin hat er ein theoretisches Werk über das Wesen des Krieges verfasst und auf dieser Ebene benötigt der Krieg erstmal den Frieden zur Abgrenzung und Selbstdefinition.

Clausewitz hat aber mit seinem bekannten Zitat, nachdem der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sei, sehr klar auf den Primat der Politik verwiesen und auf den Umstand, dass Krieg und militärische Optionen nur subsidiär zum Einsatz kommen können, wenn der Politik keine anderen Mittel mehr zu Gebote stehen, um ihre Ziele zu erreichen.



Clausewitz als Kronzeugen für irgendwas im Zusammenhang mit modernen Kriegsplänen oder moderner Friedenspolitik heranziehen zu wollen, ist aus 2 Gründen Witzlos.

1. Er lebte in einer Zeit, die noch stark von historischen Figuren wie Friedrich II. und Napoléon geprägt waren, die Herrschaft außerhalb von Kriegszeiten und den Oberbefehl im Krieg in einer Person vereinigten, so das eine strikt getrennte Aufgabenverteilung zwischen ziviler Politik und Militär durch diese Personalunion nicht möglich war.
Das entspricht aber nicht mehr den Strukturen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und später.

2. Es gab zu Clausewitz-Zeiten auch noch keine professionelle Stabsarbeit die abstrakte Entwürfe von Kriegsplanungen im vorraus beeinhaltet hätte, weil das zu seiner Zeit schlicht nicht nötig war.
Es gab noch keine Millionenheere, keine große kriegswichtige Industrie und keine Eisenbahn, als Clausewitz sein Werk schrieb, gerade die hiermit verbundene neue Geschwindigkeit machte es ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts allerdings notwendig im Rahmen größerer Planungen das Vorgehen potentieller Gegner zu antizipieren, denn die konnten vor allem dank Eisenbahn und Fernmeldewesen Armeen binnen Tagen, höchstens Wochen mobilisieren und zum Angriff übergehen.
Das war zu Clausewitz Zeit weit jenseits des Denkbaren.

Im Übrigen ist Clausewitz nirgendwo auf die Idee gekommen ("den Frieden planen"), dass es Sache der militärs gewesen wäre die zivile Staatsführung darüber zu belehren, auf welche Weise diese die auswärtigen Beziehungen oder die allgemeine Politik in Friedenszeiten zu gestalten habe.
 
Zuletzt bearbeitet:
Diese Vertragbrechenden Einmaersche in Luxemburg und Belgien waren fuer Englands erste raison d'être ueberhaupt gewesen: eine undikutierbare Pflicht und Ehrensache. Seine Glaubwuerdigkeit stand auf dem Spiel.
Der Grund, warum das sehr wahrscheinlich unzutreffend ist, ist an anderer Stelle bereits dargelegt worden.

Wenn der Einmarsch in Belgien und Luxemburg für London der einzige und entscheidende Grund gewesen wäre, in den Krieg einzutreten, hätte es keinen logischen Grund gegeben, dass vorher unterbreitete Angebot, seitens Berlin, dass die deutsche Seite im Westen keine Agression unternehmen würde, falls Großbritannien bereit gewesen wäre seine Neutralität zu garantieren, abzulehnen.

Da Großbritannien in diesem Sinne seinen Garantiepflichten gegenüber Belgien auch de facto auch nachkommen konnte ohne dafür in den Krieg zu ziehen, in dem es eine solche Zusage hätte machen können, dies aber unterließ, liegt aber zutage, dass die Beweggründe Londons das ablehnte andere gewesen sein müssen.

Davon einmal abgesehen, dass wie gesagt, der Schlieffenplan nicht zwangsläufig einen Angriff auf die westlichen Nachbarstaaten inkludierte.

Das hing von der Gesamtsituation ab.

Unterstellt man, dass Schlieffen und auch Moltke in erster Linie defensiv dachten und damit rechneten, von Frankreich oder vom französisch russischen Zweibund angegriffen zu werden, möglicherweise unter Verletzung belgischen oder luxemburgischen Gebietes durch Frankreich, hätte sich die deutsche militärische Aktion gegen Westen gemäß Schlieffenplan nämlich durchaus mit deutschem Handeln als Garantiemacht Belgiens/Luxemburgs vertragen können.
Die Neutralität im Besonderen Belgiens hatte ja 1839 nicht einseitig Großbritannien garantiert, sondern die war mit Garantien aller Großmächte, also auch Frankreichs, Preußens, Österreichs und Russlands, so wie der Niederlande unterlegt.

Die Situation, dass Deutschland zwar nicht als Garantiemacht auftreten, die Regierungen Belgiens und Luxemburgs aber einen deutschen Durchmarsch erlauben würden, war zwar tendenziell unwahrscheinlich, aber letztendlich ebenfalls eine valide Möglichkeit.


Letztendlich wurde im Rahmen des Schlieffenplans de facto ein Angriffskrieg gegen Belgien und Luxemburg geführt. Vor diesem Hintergrund sollte aber durchaus nicht übersehen werden, dass die Durchführung dieses Plans durchaus keine deutsche Agression vorraussetzte, sondern im Falle einer französischen Agression im Westen (dann wäre wegen der Festungsproblematik im direkten Grenzgebiet französisches Operieren in Luxemburg und Teilen Belgiens zwecks Umgehung zu erwarten gewesen) ganz andere Implikationen hätte haben können.


Gelueste und finanzielle Vorbereitungen fuer den Grossen Krieg fangen zuerst bei Willie an. Die Planungen seiner militaerischen Untergebenen geschahen in seinem Sinn. Willie wurde vom Drang getrieben, seinem 'ihm von Gott zugebuehrtem Platz an der Sonne ' in Anspruch zu nehmen.
Nette Erzählung, wie sieht es aber mit dem Nachweis aus?

Wo genau sind die Dokumente, die belegen würden, dass Wilhelm II. seine Militärs von langer hand auf einen Angriffskrieg zwecks Eroberungen eingeschworen hätte? Fakt ist, es sind der Forschung bis heute keine solchen Dokumente bekannt.

Du sprichst von finanziellen Vorbereitungen. Wo waren die großen finanziellen Vorbereitungen zur Aufrüstung des Landheeres oder die großen Programme zur Vergrößerung des Landheeres überhaupt?
Es wurden ab 1912 Heeresvermehrungen in die Wege geleitet, aber die stellten letztendlich eine Reaktion vor allem auf die französischen Militär- und Eisenbahnkredite für Russland und die angesetzten Heeresvermehrungen in Russland dar.

Vorher passierte in Sachen Landrüstung in Deutschland eigentlich nichts nennenswertes.
Es wurde viel in den Aufbau einer eigenen Flotte investiert. Aber Schlachtschiffe waren offensichtlich kein valides Mittel um einen Landkrieg an zwei Fronten gegen Frankreich und Russland zu führen.
Wenn man tatsächlich Eroberungen auf Kosten der anderen Europäischen Mächte hätte machen wollen, hätte man in das Landheer investiert, nicht in die Marine.
 
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Und hier wird die finanzielle Komponente einer "Vorbereitung des großen Krieges .... bei Willie" angesprochen.
Es sollte doch bekannt sein, das der Reichstag im allgemeinen solch einer Finanzierung zustimmen mußte, Beispiel Flottenrüstung.
Wo also sind Belege aus den Haushalt des DR zu finden, die zur "Vorbereitung" herangezogen werden können?
 
Und wie ja bekannt sein dürfte, war die Flottenrüstung eingebettet in ein politisches Konzept, es war ja von Anfang an klar und auch wohl nicht gewollt, die Flotte GBs zu überflügeln bzw. hier Parität herzustellen.
Ohne die Entwicklung der Großkampfschiffe hätte das DR nicht einmal annähernd die Chance gehabt ein Stärkeverhältnis bei großen Einheiten zu schaffen wie es 1914/15 gegenüber der britischen Flotte vorhanden war. Bei Linienschiffen, Panzerkreuzern und Kreuzern war die Überlegenheit der Briten einfach unaufholbar.
 
Und hier wird die finanzielle Komponente einer "Vorbereitung des großen Krieges .... bei Willie" angesprochen.
Es sollte doch bekannt sein, das der Reichstag im allgemeinen solch einer Finanzierung zustimmen mußte, Beispiel Flottenrüstung.
Wo also sind Belege aus den Haushalt des DR zu finden, die zur "Vorbereitung" herangezogen werden können?
Hier wird es wegen der Militärverfassung des Reiches etwas kompliziert.

Da ja in Friedenszeiten keine einheitliche Deutsche Armee bestand, sondern lediglich die Armeen der Einzelstaaten, kann es sein, dass zumindest substanzielle Teile der Finanzierung des Landheeres aus dem Haushalt der Einzelstaaten bestritten wurden (die Flotte war demgegenüber ja Reichsangelegenheit) und der großteil der gesetzgeberischen Kompetenz mindestens was das Finanzielle angeht, bei den entsprechenden Landtagen lag.

Oder aber dass, das zumindest teilweise Reichsangelegenheit war, weil auch die Kontingente, jedenfalls der preußischen und der bayerischen Armee sich aus Rekruten aus mehreren Gliedstaaten zusammensetzen, so das es oberhalb der Ebene der Landtage laufen musste.

Das müsste man sich ggf. näher ansehen, wie es genau geregelt war, aber im Prinzip hast du natürlich recht, dass müsste sich ja über die Haushalte prinzipiell nachvollziehen lassen.
 
Solche Haushalte aus deutschen Einzelstaaten sollten dann ja bekannt sein und auch in den "Kriegsschulddebatten" zur Sprache gekommen sein. Mir ist in dieser Hinsicht nichts bekannt.
Aber werden die anderen Einzelstaaten nicht auch über ihre Länderpalarmente zumindest in der Masse Einfluß auf den Etat gehabt haben?

Militärisch bedeutend sind hier ja auch nur Bayern, Sachsen und Württemberg.

Und gerade Preußen mit dem Hauptanteil der Armee wird hier sicherlich nicht "heimlich" stark Aufrüsten können.
 
Und gerade Preußen mit dem Hauptanteil der Armee wird hier sicherlich nicht "heimlich" stark Aufrüsten können.
Heimlich sicherlich nicht, nur wären gegebenenfalls Ausweise über die Kosten des Landheeres eher in den Länderhaushalten, als im Reichhaushalt zu finden, dass weiß ich nicht genau, wäre wegen der Militärverfassung aber möglich.

Hier weiß ich nicht genau, wie der damalige Föderalismus funktionierte in dieser Hinsicht funktionierte, weil da sehr viele verschiedene Elemente zusammenkommen.
Das müsste ich tatsächlich nachlesen.

Nur da die Monarchen und Einzelstaaten ja auf den Fortbestand der jeweiligen Armeen der Einzelstaaten bestanden, um ihre Eigenständigkeit zu unterstreichen, nehme ich mal an, dass die was dagegen hatten, dass ihnen der Reichstag, der ja zum Großteil (jedenfalls für die Sachsen, Bayern und Würtemberger) aus Abgeordneten bestand, die gar keine Staatsangehörigen des jeweiligen Einzelstaates waren, in ihre Armeen und deren Finanzierung hineinregieren konnte.
 
Das ist richtig, es gibt aber noch einen Punkt den wir nicht vernachläßigen sollten.
Im DR gab es ja durchaus so etwas wie eine "öffentliche" "Überwachung", sprich, einige kritische Blätter/Zeitungen. Es sind ja eine Menge Skandale/Mißstände aufgedeckt worden.
 
In der Literatur zum Ersten Weltkrieg findet sich regelmäßig das Urteil, dass man so einen Plan nie und nimmer hätte fassen dürfen und dass man eben anders hätte planen müssen.
Das Problem war nicht, dass so eine Planung gab,
denn schließlich müssen Planungen verschiedene mögliche künftige Entwicklungen abbilden.

Das Problem war: Es gab nur diesen einen Plan.
Und dieser war minutiös durchgerechnet, offensiv und zeitlich zwingend.
 
Und dieser war minutiös durchgerechnet, offensiv und zeitlich zwingend.
Das minutiös durchgerechnet und durchgeplant gewesen wäre, scheint mir ein langlebiger Mythos zu sein.
Ich würde jetzt nicht so weit gehen wollen, mit Terence Zuber anzuzweifeln, dass man das, was Schlieffen da hinterließ und Moltke weiterentwickelte überhaupt als Plan bezeichnen kann, aber besonders ausgefeilt war das nicht und im Grunde existierten auch nicht die notwendigen materiellen Bedingungen um ihn ausführen zu können.
Im Besonderen, nachdem die Haltung der Italiener zum Dreibund immer unsicherer wurde und man damit rechnen musste die italienischen Verstärkungstruppen, die man im Elsass eigentlich benötigt hätte, nicht zu bekommen und sie durch deutsche Formationen ersetzen und diese vom rechten Angriffsflügel oder aus dem Osten abzweigen zu müssen.

Das Problem war: Es gab nur diesen einen Plan.
Darauf läuft das Thema des Fadens ja hinaus: Was wäre die valide Alternative gewesen?
Also eine realistische mit den Mitteln, die Moltke zur Verfügung hatte.

Wenn man Moltke dafür kritisiert, dass er keine hatte, müsste man ja eine Vorstellung haben, wie das hätte aussehen können. Entsprechende Kritik an Moltke habe ich viel gelesen, aber keine brauchbaren Alternativszenarien, jedenfalls nicht für einen Krieg gegen die gesamte Entente.

An einen "Blitzkrieg" im Osten war auf Grund der Weite Russlands nicht zu denken und ein Ermattungskrieg in der Nähe der eigenen Grenzen musste von der Konzeption her Großbritanniens Neutralität vorraussetzen um Zugang zu den Weltmärkten zu behalten und sich die Materialschlacht leisten zu können.
Britische Neutralität wäre im Falle einer französischen oder russischen Agression gegebenenfalls möglich gewesen, hätte aber wahrscheinlich ihren Preis gehabt.
Denn in dem Moment in dem das im Rahmen eines Ermattungskrieges in einem blutigen Patt zwischen den kontinentalen Mächten erstarrt wäre und man auf die Fortsetzung der britischen Neutralität zwingend angewiesen gewesen wäre, hätte London natürlich die Hand aufhalten und sich weitere Neutralität in ähnlicher Weise bezahlen lassen können, wie Italien das gegenüber den Zentralmächten anno 1914-1915 versuchte, aber ohne dass man die Garantie gehabt hätte, bei Erfüllung etwaiger Forderungen (Ostafrika, Qingdao z.B.) sicher vor Nachforderungen und einer fortgesetzten Erpressungspolitik zu sein.

Ich halte mit dem, was Moltke zur Verfügung stand schon den Schlieffenplan selbst für abenteuerlich und zwar nicht ex-post, sondern vor dem Hintergrund dessen, was man bereits damals wissen konnte.
Der einzige Grund, warum ich persönlich den Schlieffenplan nicht für ein vollständig unrealistisches Szenario halte liegt darin, dass bei Agression von Seiten Frankreichs oder Russlands, anstelle der Zentralmächte, die Haltung Großbritanniens und Italiens (die sich durchaus bedingen konnten) eine andere hätte sein können.
In diesem Fall hätte man vielleicht auf italienische Waffenhilfe und (zunächst) britische Neutralität hoffen können, dann hätten die Dinge möglicherweise etwas anders ausgesehen.

Ansonsten verfügte Deutschland aber einfach nicht über genügend Truppen die Franzosen an der Grenze gleichzeitig zu fesseln und sie gleichzeitig über Belgien zu umgehen und das war eigentlich absehbar.
 
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