Hallo Trajan,
Deiner Gesamtbeurteilung des Feldzuges kann ich voll und ganz zustimmen.
Die Lage am Angivarierdamm beurteile ich allerdings nach wie vor anders. Für Germanicus ging es an diesem Tag nicht mehr darum, das ursprüngliche Kriegsziel zu erreichen, sondern den Rückzug zu erkämpfen. Denn zweifellos war Germanicus mit seinem Heer damals in eine aussichtslose Lage geraten. Insofern ist der Vergleich mit Napoleons Russlandfeldzug zutreffend. In einer solchen Lage geht man zurück, um unnötige Verluste zu vermeiden bzw. der Vernichtung zu entgehen und die Freiheit zu neuen Operationen zu gewinnen. Diesbezüglich zeigte Germanicus an der Weser mehr Kompetenz als Hitler 1942 an der Wolga. Und am Angivarierdamm gelang Germanicus, was Napoleon 1812 an der Beresina nicht gelang. Schließlich war es der Untergang seiner Flotte und keine Niederlage auf dem Schlachtfeld, welche aus dem bis dahin gelungenen Rückzug des Germanicus eine Katastrophe machte.
Schon 1883 hat Felix Dahn erhebliche Zweifel an der römischen Sichtweise geäußert. Auch hierin zeigt sich wieder einmal die militärische Kompetenz des Reserveoffiziers Dahn. Er folgt zwar mangels anderer Quellen bei der Schilderung des Feldzuges bis ins Detail römischen Berichten, zieht dann aber seine eigenen Schlußfolgerungen: "Germanicus hat die Elbe nie gesehen ....... er konnte nicht daran denken, die Völker zwischen Rhein und Elbe zu unterwerfen ....... und das durchzogene Land dauerhaft zu behaupten." Aber natürlich ist Deine Kritik an einer teilweise heute noch zu treffenden Anschauung berechtigt, nach der es praktisch unvorstellbar ist, dass ein Barbarenhaufen sich der römischen Armee überlegen gezeigt haben soll.
Zu der Strategie der "Verbrannten Erde" hat Heinrich von Kleist in seinem Drama "Die Hermannschlacht" die richtige Beschreibung gefunden, indem er seinen Helden sagen läßt: "Wollt Ihr zusammenraffen Weib und Kind. Und auf der Weser rechtes Ufer bringen, verheeren Eure Fluren, Eure Herden erschlagen, Eure Plätze niederbrennen, so bin ich Euer Mann." Tatsächlich sehen wir 1812 in Russland dieselbe Strategie. Clausewitz schreibt: "Die Russen hatten ihre Vorräte vernichtet, ihr Vieh weggetrieben, ihre Häuser und Mühlen in Brand gesteckt ........ auch die Brücken wurden zerstört und den Werstpfählen die Nummern ausgehauen, wodurch ein sehr gutes Orientierungsmittel verlorenging."
Was nun die Frage zu Thusnelda und Germanicus betrifft: In diesem Punkt gehe ich davon aus, dass Arminius den römischen Feldherrn Germanicus als Gegner auf dem Schlachtfeld betrachtet hat. Sein Schwiegervater Segestus dagegen war für Arminius ein persönlicher Feind und es hätte ihm sicherlich große Befriedigung verschafft, blutige Rache zu nehmen.
Gneisenau