Die Abschaffung der Sklaverei durch industrielle Revolution und europäische Aufklärung

Genau, die unteren Schichten, das ist meine Vorstellung, haben sich vor der Industriellen Revolution in der Regel nicht reproduzieren können, sie bekamen immer Nachschub von oben.
Wie soll das abgelaufen sein? Es müsste massenhaften sozialen Abstieg in die unteren Schichten gegeben haben und das wäre doch den Chronisten und Literaten aufgefallen, aber kein Rabelais, kein Cervantes, kein Grimmelshausen spielt auf so etwas an. Und zudem hätte dieser weitgehend fiktive massenhafte soziale Abstieg seine zuvor auskömmliche Schicht empfindlich ausgedünnt - - das alles passt nicht zum kontinuierlichen Bevölkerungswachstum der Tabelle in #98.
 
Wie soll das abgelaufen sein? Es müsste massenhaften sozialen Abstieg in die unteren Schichten gegeben haben und das wäre doch den Chronisten und Literaten aufgefallen, aber kein Rabelais, kein Cervantes, kein Grimmelshausen spielt auf so etwas an. Und zudem hätte dieser weitgehend fiktive massenhafte soziale Abstieg seine zuvor auskömmliche Schicht empfindlich ausgedünnt - - das alles passt nicht zum kontinuierlichen Bevölkerungswachstum der Tabelle in #98.
Die oberen Schichten hatten einen Bevölkerungsüberschuss. Die nachgeborenen Söhne der Bessergestellten konnten vielerorts auf kein großes Erbe hoffen und rutschten, was ihre relative Einkommensposition betrifft, ein bisschen tiefer; und so durch alle Schichten.
 
Die oberen Schichten hatten einen Bevölkerungsüberschuss. Die nachgeborenen Söhne der Bessergestellten konnten vielerorts auf kein großes Erbe hoffen und rutschten, was ihre relative Einkommensposition betrifft, ein bisschen tiefer; und so durch alle Schichten.

Ich dachte immer, die oberen Schichten hätten ihren überschüssigen Nachwuchs in Stiften und Klöstern untergebracht, wodurch dessen weitere Vermehrung zumindest deutlich eingeschränkt war.
Mit Überschüssen aus der bäuerlichen Bevölkerung wurde nach meinem bescheidenen Verständnis der hochmittelalterliche Landesausbau vorangetrieben (der in der Folge der Pest zum Erliegen kam):
"In der Schweiz begann der Prozess des Landesausbaus wohl schon im 7.-8. Jahrhundert. Er erreichte seine höchste Intensität im 12. und 13. Jahrhundert und verebbte im 14.-15. Jahrhundert. Demografisch wurde der Landesausbau von einer anhaltenden, aber wechselhaft beschleunigten Zunahme der Bevölkerung getragen."

Ich lasse mich aber gern eines Besseren belehren, wenn möglich unter Verweis auf geeignete Literatur.
 
Die oberen Schichten hatten einen Bevölkerungsüberschuss. Die nachgeborenen Söhne der Bessergestellten konnten vielerorts auf kein großes Erbe hoffen und rutschten, was ihre relative Einkommensposition betrifft, ein bisschen tiefer; und so durch alle Schichten.
Der erste Sohn bekommt den Hof, den zweiten bekommt die Kirche, den dritten bekommt der Krieg. ;-)

Der Klerus war in Alteuropa ja durchaus so etwas wie eine Versorgungseinrichtung für nachgeborene Söhne, die dann aber zummindest im katholischen Alteuropa als Priester keine eigenen Familien gründen konnten.

Und mit dem zunehmenden Ende der feudalen Lehensaufgebote und dem Ersatz dessen durch stehende Heere auf Soldbasis veränderte sich auch der soziale Charakter der militärischen Aufgebote, insofern die einfachen Angehörigen der Söldnerheere selbst sich zunehmend aus den perspektivlosen Unterschichten rekrutierten, während die Offiziere in der Regel nachgeborene Adelssöhne waren.
Das heißt Kriege wurden vor allem von Leuten ausgekämpft, die vom oberen und unteren Ende der Gesellschaftspyramide unterhalb des Hochadels kamen, während diejenigen, die sich irgendwo dazwischen bewegten in der Regel nicht mehr als Teil der Armeen kämpften und starben, bis dann in der Napoléonik das Bürgertum in zunehmendem Maße für das Militär aquiriert wird.

Insofern hatten die Oberschichten natürlich etwas mehr Chancen Kinder zu produzieren (wobei die von den hohen Sterblichkeitsraten genau so betroffen waren), aber die Nachgeborenen Söhne endeten dann halt auch oft in der familientechnischen Sackgasse "Klerus" oder zogen in Kriege, aus denen sie nicht mehr zurück kamen und die es ihnen ebenfalls schwerer machten eigene Familien zu gründen.

Insofern gab es schon "Regulierungsmechanismen", die das ein wenig eindämmten.

Edit: Da war Sepiola schneller.
 
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Knechten und Mägden, einer großen Gruppe am unteren Ende der sozialen Hierarchie, war es ja vielfach nicht einmal erlaubt, Familien zu gründen. Woher kam dann die nächste Generation?

Mich würde übrigens wirklich interessieren, ob man hier denkt, dass es auch den Armen in der vorindustrialisierten Gesellschaft noch gut genug ging, dass sie sich im Schnitt nicht nur selbst erhalten, sondern auch genug Kinder großziehen konnten. Daran zu zweifeln ist doch nicht total abwegig.
 
Demografisch wurde der Landesausbau von einer anhaltenden, aber wechselhaft beschleunigten Zunahme der Bevölkerung getragen."

Ich lasse mich aber gern eines Besseren belehren, wenn möglich unter Verweis auf geeignete Literatur.
Was die Literatur betrifft: Gregor Clark, A Farewell to Alms, Charter 6. Bezieht sich allerdings nicht speziell auf den Schweizer Landesausbau im 12. und 13. Jahrhundert.
 
Knechten und Mägden, einer großen Gruppe am unteren Ende der sozialen Hierarchie, war es ja vielfach nicht einmal erlaubt, Familien zu gründen. Woher kam dann die nächste Generation?

Mich würde übrigens wirklich interessieren, ob man hier denkt, dass es auch den Armen in der vorindustrialisierten Gesellschaft noch gut genug ging, dass sie sich im Schnitt nicht nur selbst erhalten, sondern auch genug Kinder großziehen konnten. Daran zu zweifeln ist doch nicht total abwegig.

Man könnte das Ganze aber auch umdrehen, und konstatieren, dass sich die Armen in der vorindustriellen Gesellschaft trotz all der obrigkeitlichen Mandate fortpflanzten, die versuchten, sie daran zu hindern, indem sie es ihnen unmöglich machte, zu heiraten, weil dazu ein Mindestvermögen von in der Regel 200 fl eingefordert wurde, was viele Paare niemals schafften oder eine Genehmigung erforderlich war, die viele Paare niemals erhielten.

Man könnte konstatieren, dass es den Unterschichten in der vorindustriellen Epoche trotz obrigkeitlicher Mandate gelang, zu überleben und Nachwuchs zu zeugen, von denen genug überlebten. Man könnte aber auch konstatieren, dass auch die Kindersterblichkeit hoch war, in Hütten wie Palästen und auf ein Kind häufig drei kamen, die nicht überlebten.

Man könnte auch konstatieren, dass nicht zuletzt wegen obrigkeitlicher Mandate, wegen der rigorosen Sittengesetzgebung im 18. Jahrhundert zu einer Häufung an Kindstötungen, Kindsmord und Abtreibungen kam, wie man sie weder davor, noch danach in solcher Häufung antraf.
 
Man könnte konstatieren, dass es den Unterschichten in der vorindustriellen Epoche trotz obrigkeitlicher Mandate gelang, zu überleben und Nachwuchs zu zeugen, von denen genug überlebten.
Ob das so war, ist halt eine Faktenfrage. Gregory Clark führt einige empirische Studien an, die zeigen, dass es in England nicht so war, und anderswo wohl auch nicht. Die Bessergestellten hatten eine höhere Reproduktionsrate (trotz Klöstern und Kriegsdienst), was aber nicht dazu führte, dass mit der Zeit die Bevölkerung zu immer größeren Teilen aus Bessergestellten bestand.. Aber ich sollte mich nicht zu oft wiederholen.
 
Provokante Frage: War die Leibeigenschaft wirklich so schlimm?
Die konkreten Bedingungen hingen natürlich von der Region und der Zeit ab und dem was eben regionalspezifisch als üblich galt, im Hinblick auf Scharrwerkspflichten usw.

Interessant bei der Leibeigenschaft, im Besonderen östlich der Elbe ist, dass sie nach dem Ende des Mittelalters in zunehmendem Maße immer schlimmer wird, weil die Junker und die übrigen adligen Herren es in dieser Zeit de facto schaffen, ein immer höheres Pensum an Zwangsdiensten einzufordern und das gegenüber den jeweiligen Landesherren als legitim anerkennen zu lassen oder durchzusetzen.

Insofern Leibeigenschaft konnte verdammt hässlich sein.

In Russland war es z.B. auch bis in die Napoléonik auch noch üblich, dass Grundbesitzer bei Bedarf Leibeigene als Rekruten für den Militärdienst abzustellen hatten.
Hier konnten Leibeigene also z.B. auch mal eben für 25 Jahre zwangsweise zum Militärdienst abgestellt werden und sich als Kanonenfutter auf irgendeinem Feldzug wiederfinden, Prügelstrafen etc. inklusive.
 
Die konkreten Bedingungen hingen natürlich von der Region und der Zeit ab und dem was eben regionalspezifisch als üblich galt, im Hinblick auf Scharrwerkspflichten usw.
Eben! Im allgemeinen dürfte es den Leibeigenen eher sehr schlecht gegangen sein, zumal sie kaum/keine Möglichkeiten hatten, sich gegen Leistungssteigerungen zu wehren!?
 
Eben! Im allgemeinen dürfte es den Leibeigenen eher sehr schlecht gegangen sein, zumal sie kaum/keine Möglichkeiten hatten, sich gegen Leistungssteigerungen zu wehren!?
Naja, das hing halt von den Landesherren ab.
Es gab ja durchaus, zummindest in der Theorie die Möglichkeit vor die landesherrlichen Gerichte oder das Reichskammergericht zu ziehen oder eben direkt an den Landesherren zu appellieren, wenn das, was die Grundbesitzer einforderten, die bisher gewohnten Leistungen deutlich überstieg.

Dann kam es halt darauf an, wie sehr die Landesherren auf die lokalen Grundherren angewiesen waren und ob sie mit denen paktierten oder nicht.

In Kursachsen z.B. verlor die Leibeigenschaft relativ früh (für Ostelbien) an Bedeutung und wurde faktisch bis auf Restelemente abgeschafft, weil im Land Bergbau und Gewerbe die wichtigeren Wirtschaftszweige waren und die wirtschaftliche Macht der Grundbesitzer nicht so groß war wie anderswo, womit dann auch der Einfluss kleiner war.
Im benachbarten Brandenburg-Preußen, in dem die Großlandwirtschaft mehr oder weniger das gesamte Wirtschaftsleben kontrollierte und die Monarchen der Meinung waren, die Junker nicht verprellen zu dürfen, weil sie die als Offiziere für die eigene Armee benötigten, sah dass dann natürlich völlig anders aus, und die Grundbesitzer hatten, bei dem, was sie verlangten zum Teil mehr oder weniger freie Hand.
 
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Die Wahrheit ist doch eher, dass Leibeigenschaft in vielen Territorien mit z.T. lächerlich geringen Rekognitionszinsen verbunden war. Leibeigenschaft war in vielen Fällen eine Reminiszenz und für Landesherrn ein Ärgernis, weil der bürokratische Aufwand nicht im Verhältnis zum Erlös stand. Leibuntertänigkeit auf Gutsherrenhöfen war qualitativ etwas anders. Man muss also auch hier differenzieren. Die aufklärerische Tat der Befreiung von der Leibeigenschaft war vielfach keine humane Heldentat, sondern die Auflösung sinnloser Steuern.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Wahrheit ist doch eher, dass Leibeigenschaft in vielen Territorien mit z.T. lächerlich geringen Rekognitionszinsen verbunden war. Leibeigenschaft war in vielen Fällen eine Reminiszenz und für Landesherrn ein Ärgernis, weil der bürokratische Aufwand nicht im Verhältnis zum Erlös stand. Leibuntertänigkeit auf Gutsherrenhöfen war qualitativ etwas anders. Man muss also auch hier differenzieren. Die aufklärerische Tat der Befreiung von der Leibeigenschaft war vielfach keine humane Heldentat, sondern die Auflösung sinnloser Steuern.
War das tatsächlich so???!!!
 
@Mittelalterlager In einigen Territorien ja. Die Leibeigenschaft wurde nicht so gerne gesehen, weil sie dem Territorialprinzip entgegenstand. Die Leibeigenschaft war vielfach nämlich nicht an ein Territorium gebunden, sondern an den Leib und somit konnte der Leibeigene außerhalb des Territoriums seinen Sitz aufschlagen. Nicht gerade ideal für ein Territorium.
 
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