Die Erben von Byzanz heute

Dieses Szenario kann in seiner Groteskheit kaum überboten werden: Da steht ein Nachfahre von Turkvölkern aus den Steppen Asiens auf den Ruinen Trojas und bezeichnet sich als "letzten Trojaner"! =)
In der Tat - das ist witzig.

Aber es kann noch überboten werden: Da steht ein Nachfahre der nordeuropäischen Barbaren, die das römische Reich zerstört haben, in Rom und läßt sich zum römischen Kaiser krönen ;-)
 
Dieses Szenario kann in seiner Groteskheit kaum überboten werden: Da steht ein Nachfahre von Turkvölkern aus den Steppen Asiens auf den Ruinen Trojas und bezeichnet sich als "letzten Trojaner"! =)



Ob die Christen des Abendlands den moslimischen türkischen Sultan als Nachfolger der römischen Kaiser sahen, wage ich doch arg zu bezweifeln. Wenn sich der Sultan als solcher darstellte, ist das eine Sache, ob das Abendland ihm in dieser Darstellung folgte, eine andere.
So "grotesk", wie die Franken und Briten, die ihre Abstammung mal von Troia herleiteten. (aus: Troia. Traum und Wirklichkeit. Ausstellungskatalog 2001. S. 281. Zur Vorbeugung, falls jemand denkt, ich sauge mir hier etwas aus den Fingern... ;))

Zu deinen Zweifeln, das hatten wir hier im Thread schon, ich zitierte z.b. Andrea Gritti, machte auf die Studie: "Von Karl dem Großen zum Frieden von Zsitva Torok. Zum Weltherrschaftsanspruch Sultan Mehmeds II. und dem Wiederaufleben des Zweikaiserproblems nach der Eroberung Konstantinopels", usw. aufmerksam. Das es natürlich auch andere Stimmen gab, die es anders sahen, sagte ich auch.
 
Georgios war doch in Italien? Also völlig egal, was der Sultan für eine Meinung von ihm gehabt haben könnte. Ist auch nur als ein Beispiel gedacht, es gibt andere (abendländische) Zeitgenossen, die den Sultan als legitimen Erben des Kaisers/Basileos ansahen. Andersum wohl auch.

Obwohl ich David Nicolle nicht immer auf der Höhe der Zeit halte, diese Angabe scheint wohl korrekt zu sein:
"...were often called Rumiyun by Muslims further east."

S. 8 hieraus:
Constantinople 1453: The End of ... - Google Book Search

Hi,
Ahh, ein Osprey-Buch. Mag ich gerne lesen aufgrund der Bilder und Karten :), danke für die Info.

Auf der Seite 8 steht seine Vorgänger wurden Sultan-i-Rum genannt. Also Sultan der Römer (sprich wir meinen die -griechischen- Byzantiner/Romäer). Das stimmt ja auch, da genügend Byzantiner/Griechen unter der Herrschaft der Osmanen waren, also war Mehmed auch Sultan der Romäer.
War er deswegen selber einer ?

Na ja, was solls. Meine Meinung kennst du ja ;)

P.S.
Kann denn niemand mal eine Zeitmaschine erfinden ? =)
 
In der Tat - das ist witzig.

Aber es kann noch überboten werden: Da steht ein Nachfahre der nordeuropäischen Barbaren, die das römische Reich zerstört haben, in Rom und läßt sich zum römischen Kaiser krönen

Zur Legitimation der römisch-deutschen Kaiser zählte die Krönung in Rom durch den Papst, sowie die sakrale Funktion als Schutzherr der Christenheit, wie sie vordem auch die römischen Kaiser ausübten.

Als Schützer und Mehrer des islamischen Glaubens konnte der muslimische Sultan kaum sakrale christliche Funktionen übernehmen und "Kaiser der Rhomäer" - falls er sich wirklich so nannte - war er höchstens von eigenen Gnaden - vom "letzten Trojaner" ganz zu schweigen.
 
Zur Legitimation der römisch-deutschen Kaiser zählte die Krönung in Rom durch den Papst, sowie die sakrale Funktion als Schutzherr der Christenheit, wie sie vordem auch die römischen Kaiser ausübten.

Als Schützer und Mehrer des islamischen Glaubens konnte der muslimische Sultan kaum sakrale christliche Funktionen übernehmen und "Kaiser der Rhomäer" - falls er sich wirklich so nannte - war er höchstens von eigenen Gnaden - vom "letzten Trojaner" ganz zu schweigen.

Ach Dieter, eigentlich hatten wir das alles ja schon einmal, aber mal ein Experiment für dich, auch wenn es dir sehr schwer fallen dürfte ;): Nehme doch ein einziges mal zur Abwechslung eine osmanozentrische Position ein, um einen neuen Blickwinkel zu erfahren. Also nicht Paris, sondern Istanbul als Mittelpunkt der Welt. (Nähereres unten im Zitat)

Erstens waren die römischen Kaiser nicht immer Christen, zweitens waren auch die osmanischen Sultane die Schutzherren auch der "Christenheit", und zwar diesmal nicht nur der katholischen Variante, sondern aller, egal ob Monophysiten, Kopten, Protestanten, etc. Sie nahmen dann ja auch etliche Flüchtlinge (z.B. Protestanten) aus dem Machtbereich des anderen Kaisers und "Schutzherren der Christenheit" auf. Aber nicht nur das: Sie nahmen auch Flüchtlinge anderer Religionen auf, die bekannteste Episode waren die Juden Spaniens. Natürlich blieb seine Priorität als Schützer des Islams bestehen, aber eben nicht nur.

Wusstest du, dass noch 1798 der Patriarch von Jerusalem Anthimos die Christen vor einer Herausforderung der bestehenden Ordnung gewarnt hatte? Gott habe das Osmanische Reich geschaffen, um die Orthodoxie vor der Beschmutzung durch die Katholiken zu bewahren. (K. Kreiser: Der Osmanische Staat. S. 36.)

Die osmanische Herrschaft unter Süleyman I. (16. Jh.) über Griechenland führte sogar zwar nicht zu einem "Goldenen Zeitalter", aber immerhin zu einem "Silbernen". ( Der osmanische Staat 1300-1922: 1300 ... - Google Buchsuche )


Warum du nun zum zweiten Mal die (Selbst-)Bezeichnung Sultan Mehmet II. als Kaiser in Zweifel ziehst, verstehe ich nicht. Du hast doch auch diesen Thread hier ständig gelesen? Ich erzähle hier schon keinen Schmarrn. :S Aber wenn du willst, kannste es hier nochmals mit deinen eigenen Augen bestätigt finden, sogar ohne Fernleihe:

Medieval Islamic Civilization: An ... - Google Buchsuche
The Turks in World History - Google Buchsuche

Im folgendem Buch schreibt der Autor gar, dass 1922 der letzte osmanische römische Kaiser (meine Bemerkung: durch Heirat mit byzantinischen Prinzessinnen sogar per durchgehender Blutlinie) Istanbul mit einem britischen Kriegschiff ins Exil verließ:

The Ottoman State and Its Place in ... - Google Buchsuche
Falls du nun denkst, Kemal Karpat ist einer der türkischen Nationalisten, die es auch unter den türk. Historikern immer noch gibt, so lass dir versichern, dass dieser international hoch angesehen wird. Solche Nationalisten zitiere ich nämlich nicht.

Ich möchte dieses nun auch nicht überbewerten, die Sultane hatten was anderes zu tun, als ständig mit diesem Titel auf der Stirn rumzulaufen, war aber zumindest bis 1609 eine Klippe im diplomatischen Verkehr zwischen Ost und West.

Ich möchte auch gar nicht das Erbe der römischen Kaiserkrone durch die "Germanen" negieren.
Ich möchte nur den hier im Thread schon gemachten Konsens, dass es je nach Ebene mehrere Erben in unterschiedlicher Intensität gibt nicht auf einmal in Frage gestellt wird - mit den gleichen Argumenten wie zuvor.

Hier noch die Betrachtung des Gedankens des Erben Roms durch zwei Standardwerke der Osmanistik, nähere Angaben der beiden Bücher siehe Lit.-Tipps hier im Subforum Osm. Reich.:

Quataert, S. 4
"Indeed, Sultan Mehmet II, the conqueror of Constantinople,
explicitly laid down the claim that he was a caesar, a latter-day
emperor, and his sixteenth-century successor, S¨uleyman the Magnificent,
sought Rome as the capstone of his career. Moreover, the Ottoman rulers,
having conquered the second Rome, for the next four hundred-plus years
honored its Roman founder in the name of the capital city. Until the
end of the empire, the city’s name – the city of Constantine – Konstantiniyye/
Constantinople – remained in the Ottomans’ official correspondence,
their coins, and on their postage stamps, after these came into use
in the nineteenth century. In some respects, the Ottomans followed certain
Byzantine administrative models. Like the Byzantines, the Ottomans
practiced a kind of caesaro-papism, the system in which the state controlled
the clergy."

Danach kommen im Text einige byzantinische Kontinuitäten, aber die hatten wir hier schon im Thread.

Goffman, S. 107 ff.:
"He [Sultan Süleyman] sought consciously and deliberately to vie with
the Holy Roman Emperor and the Pope as imperial successor to the
Roman Empire as well as to link himself with the civilizations of Greece,
Persia, and Arabia.
S¨uleyman inherited these ambitions from his predecessors, most notably
from his great-grandfather Mehmed II, who with the conquest of
Constantinople in 1453 had proclaimed himself heir to the Romans, [...]
One manner in which
he [Sultan Süleyman] competed with European rulers, for example, was by adapting the
crown and sceptre – regalia associated with Roman and Catholic imperial
traditions but symbols of authority that resonated not at all in the
Middle East or Central Asia. Indeed, during the same military campaign
into the Balkans in the early 1530s, S¨uleyman showed off a magnificent
crown
– designed and assembled by Venetian artisans – that markedly
united motifs from the coronation crowns of the Holy Roman Emperor Charles V and the Pope Clement VII. Woodcut images of Charles V’s
coronation ceremony in 1529 were circulated throughout Europe, and
no Western observer could have missed the Ottoman sultan’s challenge
to the emperor’s universalist claims in this choice of headgear. Whereas, in the fourteenth and fifteenth centuries, the Ottomans had
borrowed some of the structures of the European state, under S¨uleyman
they seem to have challenged the Catholic version of European history
itself – to reimagine it as a vision that harkened back to the pre-Christian
past and to fashion the Ottoman Empire rather than the papacy or the
Holy Roman Empire as the rightful successor to Greek and Roman
civilizations.
Even though this attempt to refashion European history
failed, the construct itself was not all that farfetched. Geographically it
certainly made sense, and even historically what gave Germanic barbarians
(whom Charles V represented) any more right to carry the banner
of Rome than Turkic ones?
Even ideologically, the Ottomans’ case was
strong: whereas Christianity claimed to have supplanted Judaism, followers
of Islam insisted that it was the only pure monotheism, that it
represented the Abrahamic faith, and that both Judaism and Christianity
were merely badly corrupted versions of Islam. Under S¨uleyman, then,
Ottoman authorities proposed to reinvent a Europe in the empire’s own
image, even as Protestantism was forcing western Europe to reinvent
itself."


Nun zum Gedankenexperiment, weg von der eurozentrischen Perspektive, weg von der herkömmlichen historiographischen Betrachtungsweise des Osm. Reiches:

Goffman, S. 4 ff.

Vorgeplänkel:
"The existence of such Eurocentric mythologizing in scholarship is
almost axiomatic.5 Particularly in the last four centuries – the conventionally
labeled ages of European exploration, European expansion,
European imperialism, and European retreat – especially western Europe
has imagined itself politically, philosophically, and geographically at thecenter of the world. Europeans and neo-Europeans in America and elsewhere
have routinely judged art, literature, religion, statecraft, and technology
according to their own authorities and criteria.6 It remains to
this day a common conviction that few have measured up to these standards
– certainly not the Ottomans with their menacing and seemingly
“demonic religion” and “savage nomadic ways.” The academy no less
than governments and the press has reflected this condescension, a coalition
of points of view that has led to an almost irresistible temptation
to view the globe “downward” from Paris and London or more recently
Washington and New York. In this schema the Ottoman Empire joins the
ranks of the “others” – exotic, inexplicable, unchanging, and acted upon
by the powers of ruling authorities in Europe.
Such an attitude has been aptly designated as “orientalist” and has predisposed
some historians to consider not only the Ottoman Empire but
also other societies and ideas deemed “non-western” as peripheral to the
concert of European states and their cultural satellites. In the Ottoman
case as in others, scholars have tended to emphasize those aspects of society
that are distinct from Europe. They have stressed that the Ottomans’
ethnicity, language, religion, and even organizational aptitude differed
from the European standard. All too often, implicit in this fixation on
divergence is an assumption of inferiority, of uncivilized savagery (such
as the conventional if hackneyed argument that plunder was the exclusive
stimulus for Ottoman empire-building). As [Edward] Said has pointed out:
“Not for nothing did Islam come to symbolize terror, devastation, the
demonic, hordes of hated barbarians. For Europe, Islam was a lasting
trauma.” He perhaps too categorically specifies that “until the end of the
seventeenth century the ‘Ottoman peril’ lurked alongside Europe to represent
for the whole of Christian civilization a constant danger, and in
time European civilization incorporated that period and its lore, its great
events, figures, virtues, and vices, as something woven into the fabric of
life.” This author further argues that “like Walter Scott’s Saracens, the
European representation of the Muslim, Ottoman, or Arab was always
a way of controlling the redoubtable Orient, and to a certain extent the
same is true of the methods of contemporary learned Orientalists.”7
Certainly, as Said contends, many within European society grew to
dread the Ottoman giant to its east. Nevertheless, this attitude was not
fixed; nor did it ever become nearly as hegemonic as he suggests.8
Not only must one generally differentiate the attitudes of northern from
Mediterranean Europe, but those western Europeans who experienced
the Ottoman Empire first-hand often regarded it with respect, albeit
with some apprehension. Furthermore, political philosophers who read
these travelers’ thoughtful texts, such as Guillaume Postel and Jean
Bodin, helped nourish an esteem for many Ottoman institutions through
their own writings. Nevertheless, the proclivity of historians to envisage
the Empire as ignoble and antithetical to “refined” Western standards
undoubtedly has obscured the nuances of Ottoman civilization as well
as the many common elements between it and the rest of Europe.

Europe viewed from afar [Europa mal von Istanbul aus gesehen]
We are not compelled to view the world from such a western-European
perspective. The physical world has neither apex nor nadir, and it makes
just as much geographic sense, to take an equally arbitrary case, to study
the Far West (western Europe) from the viewpoint of the Near West
(the Ottoman Empire) as it does to foreground the successor states of
Christendom. If we imagine Istanbul rather than Paris at the middle of
the world, Ottoman relations with the rest of Europe assume a startling
character.

Historians customarily describe theTurkoman incursions into Anatolia
and the Balkans as barbarian plunderings; however, one can just as easily
imagine them as the foundation for a new and liberating empire. The
fall of Constantinople to the Ottomans is typically portrayed as a catastrophe
for western civilization; however, one might as readily see in the
change of regime the rebirth of a splendid city long severed from its
life-giving hinterlands.9 The Ottoman conquest of the Balkans is often
imagined as a suspension of that region’s history, the immobilization of
a society imprisoned for several centuries in the “yoke” [Türken"joch"] of an exogenous
and ungodly conqueror. With a change of perspective, however,
one might regard the societal commingling and cultural blending that
accompanied the infusion of Ottoman civilization into Europe as an explosion
of vigor and creativity. The Ottoman Empire conventionally has
been seen as a persecutor of Christians, but one might judge it instead
a haven for runaways from a fiercely intolerant Christian Europe.
After all,
whereas in the Ottoman world there were thousands of renegades from
Christendom, one almost never discovers in Christian Europe converts
from Islam.10
Such an Ottomancentric perspective would reveal a relationship in
which the ideological walls that seemed to divide Christian Europe from
the Ottoman Empire instead become the framework to a rich and intricate
representation. This is not to deny that a chasm existed at the
ideological level; at least at the societal level, there never has been an
enduring rapprochement between the Christian and Islamic worldviews.
Nevertheless, a host of common interests always counterbalanced this
doctrinal abyss.

5 On which see Thierry Hentsch, Imagining the Middle East, trans. Fred A. Reed (Montreal,
1992), pp. 1–48 and passim. The very idea of Eurocentrism also may be anachronistic
for the early modern era, since Europe is a cultural and secular rather than a geographic
notion and neither Christian nor Muslim imagined a “European” culture before the
eighteenth century (see M. E. Yapp, “Europe in the Turkish mirror,” Past and Present
137[1992]: 134–55). There is, of course, a strong tendency to associate Europe with
Christianity.
"

Nochmals zur Verdeutlichung: Ich bin keineswegs der Meinung, die Osmanen wären nun die einzig "legitimen" Erben des Römischen / Byzantinischen Reiches, egal ob sie die Blutlinie durch die byzant. Prinzessinnen nun fortführten oder nicht, egal, ob sie sich nun selber als Kayser-i Rum nannten, oder in der Diplomatie auch so bezeichnet wurden, usw. Sie waren in einigen Bereichen Nachfolger, in anderen nicht, so wie andere Reiche auch, die einen Anspruch stellten. Es gab mehrere Erben. Mal mehr, mal minder. Aber das haten wir ja schon alles... :still:
 
Zuletzt bearbeitet:
noch ein Nachtrag von Goffman, S. 171:

mehr Macht der schutzbefohlenen "Christenheit" in intra-kommunalen Dingen, als unter den Byzantinischen Kaisern :eek::

"On 5 January 1454 the sultan instated Gennadius as Patriarch
and presented to him a “charter” (ahdname) – to be renewed or abrogated
by each succeeding monarch – that delineated the organization, entitlements,
and responsibilities of the Greek Orthodox community. With the
full weight of Ottoman authority behind him, it also granted Gennadius
far more intra-communal power than his predecessors had ever carried
in imperial Byzantium.

Not only did the Patriarch, his subordinates, and his successors assume
responsibility for the religion, laws, conduct, and tax payments
of the Ottoman Greek Orthodox community, but Mehmed and his advisors
also devised parallel organizations for the growing communities
of Ottoman Armenians and Jews."

Dabei fällt mir noch ein "Witz" der Geschichte ein:

Vor der Eroberung Konstantinopels hat der Großwesir Çandarli Halil Pascha von der Eroberung der Stadt abgeraten, er galt als Freund der Byzantiner. Hingegen Zağanos Pascha, der Tutor und Lehrer von Mehmed, als er als Kronprinz in Manisa residierte, riet ihm zur Eroberung der Stadt. Zağanos Pascha war konvertierter Grieche. :D
 
Zuletzt bearbeitet:
Da ich weder die Absicht noch die Zeit habe, hier eine Seminararbeit zu veröffentlichen, nur ganz kurze Stellungnahmen:

Nehme doch ein einziges mal zur Abwechslung eine osmanozentrische Position ein, um einen neuen Blickwinkel zu erfahren. Also nicht Paris, sondern Istanbul als Mittelpunkt der Welt.

Meine Position ist weder osmano- noch germanophil, sondern orientiert sich an der historischen Sachlage.

Erstens waren die römischen Kaiser nicht immer Christen,

Sowohl die Frankenkaiser als auch die römisch-deutschen Kaiser orientierten sich natürlich nicht am heidnischen, sondern am christlichen Römerreich und seinen christlichen Kaisern. Diese Tatsache dürfte eigentlich selbstverständlich sein.

zweitens waren auch die osmanischen Sultane die Schutzherren auch der "Christenheit",

Hier geht es doch um etwas ganz anderes. Die Kaiser des Heiligen Römischen Reichs leiteten aus den sakralen, zuweilen als Sakrament verstandenen Riten ihrer Krönung eine priestergleiche Stellung ab, sowie den Anspruch, als höchste weltliche Würdenträger dem Papst gleichgestellt zu sein. Dacon kann bei den muslimischen Sultanen, die zudem später noch den Titel eines Kalifen übernahmen, nicht die Rede sein.

Nochmals zur Verdeutlichung: Ich bin keineswegs der Meinung, die Osmanen wären nun die einzig "legitimen" Erben des Römischen / Byzantinischen Reiches,

Das sind sie nach meiner Auffassung in der Tat nicht, auch nicht ansatzweise. Warum, das haben wir in diesem Thread breit und ausführlich erörtert.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf meine Beiträge 27, 145 und besonders 151!
 
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Die orthodoxe hohe Geistlichkeit hatte sich mit dem Millyet-System im Osmanischen Reich fabelhaft arangiert und sie waren immer die ersten, die gegen irgendwelche Erhebungen/Aufstände der Griechen agitierten. Sie hatten ja schließlich auch eine Menge an Privilegien zu verlieren.

Dies galt nicht immer für die niederen Popen, die noch Kontakt zum normalen Volk hatten. Als 1821 der griechische Aufstand gegen die Osmanen losging wurden die Aufständischen vom griechischen Patriarchen exkommuniziert. Viel geholfen hat dies dem Patriarchen aber auch nicht, er wurde trotzdem von den Osmanen ermordet... wahrscheinlich war der Sultan sauer, weil er seine "Schäfchen" nicht im Griff hatte :scheinheilig:

Zaganos Pascha war nicht der einzige, Evrenos Pascha (m.W. zu dem Zeitpunkt schon verstorben) war als Anführer der Akinci berühmt und berüchtigt. Er zeichnete auch dafür verantwortlich Griechenland für den Sultan erobert zu haben. Griechische oder byzantinische Renegaten in hohen osmanischen Positionen waren keine Seltenheit. Natürlich übernahmen sie alle vorher den Islam und kämpften begeistert gegen ihre ehemaligen Landsleute.

Aber nun gut, dass Konvertiten und Renegaten i.d.R. fanatischer als das aufnehmende Volk sind, ist ja nicht neues. Siehe heutzutage einige deutschen Konvertiten, die islamischer sind als jeder Wahabit.


noch ein Nachtrag von Goffman, S. 171:

mehr Macht der schutzbefohlenen "Christenheit" in intra-kommunalen Dingen, als unter den Byzantinischen Kaisern :eek::

"On 5 January 1454 the sultan instated Gennadius as Patriarch
and presented to him a “charter” (ahdname) – to be renewed or abrogated
by each succeeding monarch – that delineated the organization, entitlements,
and responsibilities of the Greek Orthodox community. With the
full weight of Ottoman authority behind him, it also granted Gennadius
far more intra-communal power than his predecessors had ever carried
in imperial Byzantium.
Not only did the Patriarch, his subordinates, and his successors assume
responsibility for the religion, laws, conduct, and tax payments
of the Ottoman Greek Orthodox community, but Mehmed and his advisors
also devised parallel organizations for the growing communities
of Ottoman Armenians and Jews."

Dabei fällt mir noch ein "Witz" der Geschichte ein:

Vor der Eroberung Konstantinopels hat der Großwesir Çandarli Halil Pascha von der Eroberung der Stadt abgeraten, er galt als Freund der Byzantiner. Hingegen Zağanos Pascha, der Tutor und Lehrer von Mehmed, als er als Kronprinz in Manisa residierte, riet ihm zur Eroberung der Stadt. Zağanos Pascha war konvertierter Grieche. :D
 
Interessant ist vielleicht noch, dass das Wort Sultan im 19. Jahrhundert durchaus noch mit Kaiser übersetzt wurde.
Brockhaus Konversationslexikon 1809-1811
Der Sultan, ein Arabisches Wort, bedeutet einen mächtigen Landesherrn, und ist der Titel mehrerer Orientalischen Monarchen, besonders aber der Regenten des Türkischen Reichs, die man auch Großsultane, [456] Großherren, und wegen der Besitznehmung von dem ehemahligen Griechisch-Römischen Kaiserthum Kaiser zu benennen pflegt.
Zu der Zeit wurde die Nachfolge des byzantinischen Kaisertums tatsächlich den Osmanen zugesprochen, und zwar von Europäern.

Der osmanische Sultanat war eine Universalmonarchie. Der heutige Nationalstaat Türkei erhebt aber in Tradition Attatürk keine solchen Ansprüchen. Daher erfolgte die Umbennung die offizielle Umbenennung Konstaninopels in Istanbul erst im 20. Jahrhundert, als die osmanische Universalmonarchie von einem türkischen Nationalstaat abgelöst wurde.
 
Die römischen oder byzantinischen Kaiserkronen wurden auch mal gewaltsam an sich gerissen, von "externen", z.B. Armeniern, die auch mithilfe von Söldnerarmeen (mit röm./byz. Truppen und/oder anderen) gegen den bisherigen Kaiser putschten/kämpften, dabei Konstantin sich gar der "neuen" Religion bediente. Die Osmanen "putschen" sich, nachdem sie durchaus auch als Unterstützer fungierten, an die Macht in Konstantinopel durch Eroberung, mithilfe eines Updates der bisherigen Religion. Dieses Verhalten gab es zuvor in Rom und in Konstantinopel.
So wie zuvor durch Konstantin eine neue Komponente auf die römische Idee aufgesetzt wurde (u.a. das morgenländische Christentum), wurde unter den Osmanen weitere Komponenten hinzugefügt (u.a. der morgenländische Islam, arab, türk. und pers. Traditionslinien). Die Orthodoxie konnte sich gar unter den Osmanen bewahren und ihre Macht ausdehnen, während die Westkirche sich abspaltete, zu "Ketzern" wurden. Ihre religiöse Schicht blieb unter den andern neuen Schichten in anderer Form erhalten, so wie römische ("heidnische") Schichten in anderer Form unter den Byzantinern erhalten blieben.

Die griechischen Bauern oder Handwerker der Morea empfanden damals keinen großen Bruch durch die neuen Osmanen auf dem Kaiserthron... einfach mal wieder ein neues Herrschergeschlecht, hauptsache, die Steuern wurden nicht erhöht, und sie konnten ihrer Religion frönen.

Wie es zuvor schon Rovere, Alkibiades, Hyokkose, Irene, usw. schrieben, im politischem, staatsmännischem gibt es ein anderes "Ergebnis", als z.b. im kunsthistorischem, auch wenn byzantinische Kunst nicht plötzlich ausstarb, so verloren sie doch den Charakter der Hofkunst durch ihre zahlreiche Mäzene.

Byzantinische Kunst hat wenig mit der der röm. Republik gemeinsam, osmanische Kunst hat wenig mit der byz. gemeinsam, usw. Kulturen sind immer im Fluss.

Der Universalanspruch eines Imperiums, welches zudem eine wichtige Komponente des Christentums in den Katholizismus "verfälschte" wirft die Frage auf: "what gave Germanic barbarians (whom Charles V represented) any more right to carry the banner of Rome than Turkic ones?"

;)
 
Ich habe schon öfter gehört, der Halbmond in der türkischen Flagge würde auf Byzanz zurückgehen....

Dazu habe ich folgenden interessanten Artikel gefunden:

1. Teil
Sabine Penth: Halbmind und Stern? - imprimatur 1/2007
2. Teil
Penth: Halbmond und Stern - imprimatur 2/2007
aus dieser Onlinezeitschrift mit weiteren interessanten Artikeln:
imprimatur Home-Page


EDIT:

PS:

Hat denn einer mal zufälligerweise in der Uni-Bibliothek diese Arbeit einsehen, und sogar ggf. fotokopieren können? Sie wurde hier schon bestimmt dreimal erwähnt:

Peter Thorau
Von Karl dem Großen zum Frieden von Zsitva Torok. Zum Weltherrschaftsanspruch Sultan Mehmeds II. und dem Wiederaufleben des Zweikaiserproblems nach der Eroberung Konstantinopels
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/zeitschriften/id=25&ausgabe=1647
Würde mich interessieren, was darin nun genau steht... :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Orthodoxie konnte sich gar unter den Osmanen bewahren und ihre Macht ausdehnen, während die Westkirche sich abspaltete, zu "Ketzern" wurden. Ihre religiöse Schicht blieb unter den andern neuen Schichten in anderer Form erhalten, so wie römische ("heidnische") Schichten in anderer Form unter den Byzantinern erhalten blieben.

... daher waren alle Christen glücklich, dass der gewaltige osmanische Sultan weite Teile Europas eroberte und sie endlich in Glück und Zufriedenheit ihren christlichen Glauben ausüben konnten. Deshalb bewahren alle Balkanvölker den Türken und insbesondere dem muslimisch-christlichen Sultan bis heute ein liebevolles und treues Angedenken. :D
 
Ich habe schon öfter gehört, der Halbmond in der türkischen Flagge würde auf Byzanz zurückgehen.
Außerdem hält Wikipedia die kuriose Information bereit, Sultan Mehmed II., der Eroberer von Konstantinopel und "Rächer Trojas", hätte den Titel "Kaiser von Rumelien" angenommen.
:confused:
Das klingt alles irgendwie nach Translatio imperii. Was ist da eigentlich dran?


es war damals ganz und allein der erfolg der türken, der in gelehrtenkreisen immer wieder die frage hervorrief - welcher herkunft die türken sein. es war ein normannischer geschichtsschreiber, der die türken zu trojanern machte, wegen ihrer kämpferischen qualitäten. er nannte die eroberung der türken, die späte rache der trojaner an den griechen und den verhassten byzantinern. er war auch der jenige der behauptete, dass die franken und türken die nachfahren der kämpferischen trojaner sein.

also man sieht deutlich, dass die abstammungstheorien in europa nur mit einem punkt in verbindung gebracht wurden, und zwar der militärischen macht der türken. das byzantinische reich, war in weiten strecken europas wohl kein symphatieträger, so dass man auch die eroberung konstantinopels durch die türken in weiten teilen europas feierte und als späte rache der trojaner an den griechen sah.

und diese wissenschaftlichen abstammungstheorien setzten sich stets fort, so dass die türken im laufe der zeit immer mehr dämonisiert wurden in europa. schliesslich nahm man den türken im laufe der zeit die adelnde herkunft von troja ab und setzte dafür die niedere skythische auf (asiaten=barbaren). und diese wissenschaftlichen dämonisierungen in europas gelehrtenkreisen wurden über jahrunderte hinweg (bis dato) manifestiert. die türken wurden von den europäern buchstäblich barbarisiert.

nachtrag: der halbmond auf der türkischen flagge, geht nicht auf byzanz zurück. diese symbole haben ihre herkunft bei den gök-türken, da die alten türken schon diese symbole für ihre mythologie gebrauchten - so symbolisiert zb. der mondsichel und der stern den himmelsgott/kök-tengri.
 
lies am besten nochmal meine Links zum Halbmond, oder zeige ähnliche wiss. Arbeiten. Danke schön.
 
... so dass man auch die eroberung konstantinopels durch die türken in weiten teilen europas feierte und als späte rache der trojaner an den griechen sah.

Das soll wohl ein Witz sein? Das Vordringen der "ungläubigen" muslimischen Türken wurde in Europa mit Schrecken und Argwohn betrachtet.

Wikipedia schreibt dazu:

Wikipedia schrieb:
In Westeuropa wurde der Fall Konstantinopels mit großem Entsetzen aufgenommen. Auch wenn das Byzantinische Reich bereits seit einiger Zeit keine nennenswerte Rolle unter den europäischen Mächten spielte, hatte Konstantinopel doch einen nach wie vor hohen symbolischen Stellenwert im christlichen Selbstverständnis. Der Sieg des Osmanischen Reichs schien nicht nur die Überlegenheit dieser noch jungen islamischen Macht zu illustrieren. Vor allem das Modell der christianitas, der Idee, dass alle christlichen Mächte zur Eroberung des Heiligen Lands und zur Verbreitung des christlichen Glaubens zusammenstehen sollten, schien endgültig den realpolitischen Machtinteressen geopfert worden zu sein.
 
lies am besten nochmal meine Links zum Halbmond, oder zeige ähnliche wiss. Arbeiten. Danke schön.


hallo lynxx, ich muss dich enttäuschen - es gilt heute schon als eindeutig nachgewiesen sowohl in der archäologie als auch in überlieferten geschichtszeugnissen, dass der halbmond und der stern auf der türkischen flagge nicht auf byzanz zurückgeht.
Below are several explanations, myths and rumors about the origin of the crescent and star. According to the magisterial Encyclopaedia of Islam, the first recorded appearance of the crescent and star in an Islamic context is on coins of A.D. 695. The Turks were using these devices as tribal totems before they ever left Central Asia. They were used to decorate mosques and other buildings and appeared on military flags no later than the 15th century A.D.
Joe McMillan, 7 July 2003
It is of interest that the moon and star appear on many coats of arms in countries like Hungary, indicating service in crusades (probably against Turks). In fact, my guess is that the symbols came about with the Turks; the Arabs don't seem to have adopted them much (Tunisia and Algeria
Alex Justice 9 August 1995
excepted).
The Islamic Crescent is a symbol consisting of a crescent with a star at the concave side. In its modern form, the star is usually shown with five points (though in earlier centuries a higher number of points was often used). The two signs together or the crescent only is often regarded as a symbol of Islam. The crescent and star, while generally regarded as Islamic symbols today, have long been used in Asia Minor and by the ancient Turks, earlier than the advent of Islam. According to archaeological excavations, Göktürks used the crescent and star figure on their coins. The 1500-year-old coin includes three crescent moon figures and a star near a person. Thus, one legend holds that the founder of the Ottoman Empire, Osman I, had a dream in which the crescent moon stretched from one end of the earth to the other. Taking this as a good omen, he chose to keep the crescent and make it the symbol of his dynasty. There is speculation that the five points on the star represent the five pillars of Islam, but this is pure conjecture. The five points were not standard on the Ottoman flags, and it is still not standard on flags used in the Muslim world today.
In Unicode, the "star and crescent" symbol is U+262A (☪).

From Wikipedia, the free encyclopedi
 
Das soll wohl ein Witz sein? Das Vordringen der "ungläubigen" muslimischen Türken wurde in Europa mit Schrecken und Argwohn betrachtet.

Wikipedia schreibt dazu:

ich habe mich nicht darauf gestützt was byzantinische humanisten schrieben um nach hilfe zu betteln, sondern dass in weiten strecken europas byzanz schon immer verhasst war, die byzantiner waren keineswegs symphatieträger. später als die türken 1453 in konstantinopel einfielen, wollten die byzantiner sich urplötzlich als die bewahrer und lehrmeister der christlichen werte dem westen gegenüber aufdrücken.

das vordringen der muslimischen türken wurde bei den byzantinern mit schrecken und argwohn betrachtet - aber gewiss nicht in europa/ mittel europa. in vielen gegenden europas war die schadenfreude hoch und die eroberungen wurde als verdiente rache an den griechen empfunden.
 
ich habe mich nicht darauf gestützt was byzantinische humanisten schrieben um nach hilfe zu betteln, sondern dass in weiten strecken europas byzanz schon immer verhasst war, die byzantiner waren keineswegs symphatieträger. später als die türken 1453 in konstantinopel einfielen, wollten die byzantiner sich urplötzlich als die bewahrer und lehrmeister der christlichen werte dem westen gegenüber aufdrücken.

das vordringen der muslimischen türken wurde bei den byzantinern mit schrecken und argwohn betrachtet - aber gewiss nicht in europa/ mittel europa. in vielen gegenden europas war die schadenfreude hoch und die eroberungen wurde als verdiente rache an den griechen empfunden.

Rache für was?
Das ist schon eine unverständliche Behauptung.
Rache für das Verbrennen von Konstantinopel durch Kreuzfahrerheere?
Ich bitte dich, wo hast du denn das aufgeschnappt?
 
das vordringen der muslimischen türken wurde bei den byzantinern mit schrecken und argwohn betrachtet - aber gewiss nicht in europa/ mittel europa. in vielen gegenden europas war die schadenfreude hoch und die eroberungen wurde als verdiente rache an den griechen empfunden.

Das sind völlig falsche und unhistorische Behauptungen!

Die Türkengefahr war für das Abendland sprichwörtlich und zwar sowohl in christlich-religiöser als auch machtpolitischer Hinsicht. Das Vordringen der Heere unter dem Banner des Propheten flößte Angst und Schrecken ein und wurde als Geißel und Strafe Gottes empfunden. Das Papsttum rief immer wieder zu Kreuzzügen gegen die vordringenden Türken auf, doch ist es zu gemeinsamen Aktionen europäischer Mächte angesichts ihrer Uneinigkeit nur selten gekommen.
 
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