Hahnebüchener Text
Ich würde auf den ursprünglichen Text
http://www.denkmodelle.de/welt/SNR/z...nno_807/16.gif
überhaupt nichts geben.
Da sind etwa 800 Jahre Kriegsgeschichte auf engem Raum versammelt. Ich lese da von Fehderecht sowie mit Franziskas und Angones bewaffneten Kriegern und das alles zur Zeit Karls des Großen.
Das ist, mit Verlaub, völliger Blödsinn...
Davon abgesehen stimme ich den bisherigen Ausführungen weitgehend zu. Allerdings kann man zur Karolingerzeit selbst nicht von einem "Wandel zum Reiterheer" sprechen. Richtig ist, dass der Anteil der Reiter zunahm und sie gezielt geschlossen eingesetzt wurden. Aber eben nur als eine weitere Truppengattung neben der traditionell starken Infanterie.
Die Gründe für diesen Wandel wurden schon genannt: Das ursprüngliche fränkische Heer zu merowingischen Zeiten zeichnete sich durch eine starke Infanterie aus, was auch im damaligen europäischen militärischen Umfeld Sinn machte, welches römisch bis postvölkerwanderungszeitlich strukturiert war und somit ebenfalls stark infanterielastig (und größtenteils irregulär mit Ausnahme der Römer) war.
Gegen Ende der Merowingerzeit kam es jedoch zum Kontakt mit Heeren, die von Reitern dominiert wurden, wie etwa den Arabern in Spanien oder den Awaren. Hier erkannten die Verantwortlichen (z.B. Karl Martell), dass die starke fränkische Infanterie diesen Gegnern hinsichtlich der taktischen und strategischen Beweglichkeit unterlegen war. Flapsig ausgedrückt: Wo die fränkische Infanterie ihren Gegner zum Kampf stellen konnte, bekam dieser auch Prügel, nur ließ er sich eben für gewöhnlich nicht zum Kampf stellen, zumindest nicht unter für ihn ungünstigen Voraussetzungen.
Das führte zu der Erkenntnis, dass man eigene Reiterkontingente brauchte, um diesen Gegner erfolgreich zu bekämpfen.
Da aber das grundsätzliche Rekrutierungssystem sich nicht änderte (Heerbann, sprich: "allgemeine Wehrpflicht", bei der jeder für seine Ausrüstung selbst verantwortlich war), konnte die teure Reiterei nie den Hauptanteil des Heeres stellen. Woher hätten sie denn plötzlich alle das Geld haben sollen?
Durch die beginnende Vergabe von so etwas wie Lehen konnte eine soziale Schicht gebildet werden, die reich genung war, kleinere Reiterkontingente (möglicherweise aus Berufskriegern) aufzustellen und dem königlichen/kaiserlichen Heer zur Verfügung zu stellen. Dieser Reiteranteil nahm damit - wie erwähnt - zu, löste aber die Infanterie nicht ab.
Davon unberührt bleibt natürlich die Möglichkeit, dass ein Heerführer für eine schnelle Operation ausschließlich ein kleines Heer aus Reiterei zusammenstellen konnte, quasi eine "Kampfgruppe", aber generell blieb die Zusammensetzung des fränksichen Heeres noch lange Zeit prinzipiell auf die Infanterie gestützt.
Die weiteren sozialen Folgen dieser Wehrpflicht hat Horst sehr schön dargestellt, darauf gehe ich nicht weiter ein.
Noch ein Nachtrag zum "gerne kämpfenden Volk":
"Gerne" hat das Volk sicherlich nicht gekämpft, denn beim Kämpfen besteht ernsthafte Gefahr für Leib, Leben und Besitz. Das einfache Volk hatte sicherlich genug Sorgen, um nicht auch noch gerne zu kämpfen.
Wahr ist aber, dass das einfache Volk durch die allgemeine Wehrpflicht natürlich im Waffenhandwerk einigermaßen geübt war und bei Bedarf eine effektive Miliz aufstellen konnte.
Somit waren fränkische Dörfer von Natur aus eine recht wehrhafte Angelegenheit. Das mussten besonders die Wikinger mehr als einmal feststellen, weshalb sie sich denn auch eher nach leichterer Beute umsahen und vergleichsweise selten im Frankenreich plünderten. (Die Aufwands-/Nutzenrechnung war für sie einfach nicht otpimal...)
Erst als sich aus den schon genannten Gründen das grundsätzliche Rekrutierungssystem gegen Ende der Karolingerzeit zu einer nicht kriegsdienstpflichtigen Bevölkerung aus größtenteils Halb- und Unfreien wandelte, änderte sich dies.
Da der (jetzt, gegen Ende der Karolingerzeit, kann man von einem solchen reden) Adel nicht in der Lage war, die Küstendörfer gegen die überraschenden Wikingerüberfälle zu schützen, wollten die Leute sich (Horst hat's schon erwähnt: "In der Not") sicherlich selbst verteidigen, aber die Zeiten hatten sich eben mittlerweile geändert und mit ihnen die Einstellung des Adels gegen bewaffnete und militärisch geübte Untertanen.
Aus diesem Kontext heraus ist das "gerne" zu verstehen und es gibt mit Sicherheit auch treffendere Umschreibungen dafür.
Ich persönlich kann mir im Übrigen auch vorstellen, dass ein Herrscher schon aus rein propagandistischen Gründen aufschreiben ließ, sein Volk habe "gerne" für ihn gekämpft...
Gruß,
Panzerreiter