Die "Illusion des kurzen Krieges" und der deutsche Generalstab vor 1914

Das Problem des WKI dürfte auch sein, dass es keiner Macht gelang, den Gegner schnell in die Knie zu zwingen, und mit jedem gescheiterten Angriff musste sich die politische und militärische Führung fragen, wie sie den Angehörigen der Gefallenen oder dauerhaft Versehrten verklickern sollte, warum sie das ganze abbrachen. Sollten die Söhne, Brüder, Ehemänner etwa umsonst gefallen sein? Um quasi dem Leiden früher Gefallener/Versehrter einen Sinn zu geben, wurde neues Leid provoziert, indem man immer neues Leiden reproduzierte.
 
Ein weiteres Problem des Weltkrieges dürfte es gewesen sein, das die Alliierten schlicht sämtliche Friedensbemühungen zurückwiesen. Man wollte die bedingungslose Kapitulation. Das hatte auch noch einmal Millionen das Leben gekostet und ungezähltes, unsägliches Leid über die Menschen gebracht.
 
Das Problem des WKI dürfte auch sein, dass es keiner Macht gelang, den Gegner schnell in die Knie zu zwingen, und mit jedem gescheiterten Angriff musste sich die politische und militärische Führung fragen, wie sie den Angehörigen der Gefallenen oder dauerhaft Versehrten verklickern sollte, warum sie das ganze abbrachen. Sollten die Söhne, Brüder, Ehemänner etwa umsonst gefallen sein? Um quasi dem Leiden früher Gefallener/Versehrter einen Sinn zu geben, wurde neues Leid provoziert, indem man immer neues Leiden reproduzierte.

Das war wohl auch einer der Hauptgründe, weshalb Offensiven vor allem an der Westfront eine Eigendynamik entwickelten. Nachdem die strategischen Ziele mit schöner Regelmäßigkeit scheiterten, musste wenigstens ein taktischer "Erfolg" her etwas, das man der Bevölkerung oder auch der Presse vermitteln konnte, etwas, womit man die Truppen motivieren konnte, etwas, das die Verluste an Menschen, Material oder an Territorium wenigstens nicht völlig sinnlos machte.

Bei Verdun war schon nach relativ kurzer Zeit absehbar, dass sich die Deutschen verzettelten, dass die eigenen Verluste enorm waren und die Einnahme der Höhe 304, des "Toten Manns" diese Verluste kaum rechtfertigen konnten. Es war aber Fort Douaumont im Handstreich erobert worden, Im Reich wurden Dankgottesdienste gefeiert und die Glocken geläutet. Die Erwartungen waren hoch, man hatte schon den Sieg verkündet, also musste die Offensive weitergehen. Falkenhayn hatte damit gerechnet, dass die Franzosen aus ideologischen Gründen Verdun halten würden. Aber auch die Deutschen konnten aus ideologischen Gründen die Offensive nicht mehr abbrechen. Die Opfer und Verluste durften einfach nicht vollkommen sinnlos sein.

Große Erwartungen hatten auch die Briten an der Somme. Der französische Bundesgenosse brauchte dringend Unterstützung. Die Offensive sollte den Durchbruch bringen, den Sieg, sollte ein Beitrag sein innerhalb des "War to end all wars". Die Erwartungen waren unerhört hoch. Die Offensive wurde eingeleitet durch ein Artilleriefeuer von 1 Woche. Es wurden Granatenmengen verschossen, von denen die Kriegsgeschichte noch nie gehört hatte. Trotzdem wurde die Offensive ein Flop. Am ersten Tag erlitten die Briten fast 60.000 Mann Verluste, davon fast 20.000 Tote. Die Toten waren innerhalb nur weniger Minuten gefallen. Sie wurden regelrecht niedergemäht vom deutschen MG-Feuer. Das waren bis heute die schlimmsten Verluste, die die Briten je hatten, die höchste Zahl an Toten. Als die Somme-Schlacht im November 1916 endlich endete, waren mehr als eine Millionen Soldaten tot oder verwundet. Briten und Franzosen hatten auf ca. 50-60 km Frontbreite ein total verwüstetes Gelände von 15 km Tiefe erobert, ohne dass es zu einem Durchbruch oder entscheidendem operativen Erfolg gekommen wäre.

Die Offensive der Franzosen April 1917 am Chemin des Dames sollte den entscheidenden Durchbruch und den Sieg bringen. Es war die größte Offensive Frankreichs bis zu diesem Zeitpunkt. Die Ziele waren hoch gesteckt, Robert Nivelle wollte am 1. Tag der Offensive Laon erobern. Nivelle erklärte vor der Offensive, dass wenn die Ziele am ersten oder zweiten Tag nicht erreicht werden, die Sache ein Flop sei und daher beendet werden müsste. Die Offensive wurde ein Flop, die Ziele wurden nicht am ersten, nicht am zweiten, nicht am letzten Tag erreicht, Nivelle brach die Offensive nicht ab, er konnte sie nicht mehr abbrechen-die Erwartungen waren zu hoch. Es kam zu Meutereien und Militärstreiks. Wie die Deutschen bei Verdun, die Briten an der Somme, die Russen nach den Brussilow und Kerenski-Offensiven gewannen die Franzosen den Eindruck sinnlos verheizt zu werden.

Groß waren auch die Erwartungen vor der 3. Flandernschlacht. Der Ypernbogen war unangenehmes Gelände für die Briten. Sie konnten von den Deutschen aus 3 Richtungen beschossen werden, die Deutschen hielten die Höhenzüge bei Messines und Paschendaele. Die Stadt Ypern war nur noch ein Trümmerhaufen, das Gelände verschlammt. Ypern war aber sozusagen das britische Verdun, der letzte Zipfel Belgiens, den die Deutschen nicht besetzt hatten. Es sollten die flämischen Häfen erobert werden. Die Schlacht verlief in zwei Etappen. Der Wytschaete-Bogen wurde durch eine überraschende Minensprengung erobert. Die zweite Phase der Schlacht ersoff im Schlamm. Ende November 1917 erstarrte die Front bei Paschendaele. Die Geländegewinne konnten die enormen Verluste eigentlich nicht rechtfertigen.

Keine Materialschlacht hat im 1. Weltkrieg die Wende oder den erwünschten Durchbruch herbeiführen können, die enormen Verluste setzten aber den Angreifer unter Druck, die Offensive fortzuführen, bis wenigstens ein Teilerfolg erreicht war. Die gigantischen Verluste an Menschen und Material durften einfach nicht völlig sinnlos sein, die Erwartungshaltung an der "Heimatfront", innerhalb der Presse, der öffentlichen Meinung war hoch. Sie war hoch nicht zuletzt deshalb hoch, weil die Militärs immer wieder zu euphorische Prognosen machten, immer wieder einen "Siegfrieden" forderten, ohne ihn aber militärisch herbeiführen zu können.
 
Das Friedensangebot vom 25.12.1917. Oder der Apell des Papstes, der in Zusammenarbeit mit den Mittelmächten entstanden ist. Oder die Friedensresolution des Reichstage aus dem Sommer 1917.
Oder einfach Oberst House Bemühungen im Jahre 1915 im Auftrage von US Präsident Wilson.

Sehr informativ zu dieser Thematik ist Wolfgang Steglich, Die Friedenspolitik der Mittelmächte 1917/18
 
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Das war wohl auch einer der Hauptgründe, weshalb Offensiven vor allem an der Westfront eine Eigendynamik entwickelten. Nachdem die strategischen Ziele mit schöner Regelmäßigkeit scheiterten, musste wenigstens ein taktischer "Erfolg" her etwas, das man der Bevölkerung oder auch der Presse vermitteln konnte, etwas, womit man die Truppen motivieren konnte, etwas, das die Verluste an Menschen, Material oder an Territorium wenigstens nicht völlig sinnlos machte.

Bei Verdun war schon nach relativ kurzer Zeit absehbar, dass sich die Deutschen verzettelten, dass die eigenen Verluste enorm waren und die Einnahme der Höhe 304, des "Toten Manns" diese Verluste kaum rechtfertigen konnten. Es war aber Fort Douaumont im Handstreich erobert worden, Im Reich wurden Dankgottesdienste gefeiert und die Glocken geläutet. Die Erwartungen waren hoch, man hatte schon den Sieg verkündet, also musste die Offensive weitergehen. Falkenhayn hatte damit gerechnet, dass die Franzosen aus ideologischen Gründen Verdun halten würden. Aber auch die Deutschen konnten aus ideologischen Gründen die Offensive nicht mehr abbrechen. Die Opfer und Verluste durften einfach nicht vollkommen sinnlos sein.

Große Erwartungen hatten auch die Briten an der Somme. Der französische Bundesgenosse brauchte dringend Unterstützung. Die Offensive sollte den Durchbruch bringen, den Sieg, sollte ein Beitrag sein innerhalb des "War to end all wars". Die Erwartungen waren unerhört hoch. Die Offensive wurde eingeleitet durch ein Artilleriefeuer von 1 Woche. Es wurden Granatenmengen verschossen, von denen die Kriegsgeschichte noch nie gehört hatte. Trotzdem wurde die Offensive ein Flop. Am ersten Tag erlitten die Briten fast 60.000 Mann Verluste, davon fast 20.000 Tote. Die Toten waren innerhalb nur weniger Minuten gefallen. Sie wurden regelrecht niedergemäht vom deutschen MG-Feuer. Das waren bis heute die schlimmsten Verluste, die die Briten je hatten, die höchste Zahl an Toten. Als die Somme-Schlacht im November 1916 endlich endete, waren mehr als eine Millionen Soldaten tot oder verwundet. Briten und Franzosen hatten auf ca. 50-60 km Frontbreite ein total verwüstetes Gelände von 15 km Tiefe erobert, ohne dass es zu einem Durchbruch oder entscheidendem operativen Erfolg gekommen wäre.

Die Offensive der Franzosen April 1917 am Chemin des Dames sollte den entscheidenden Durchbruch und den Sieg bringen. Es war die größte Offensive Frankreichs bis zu diesem Zeitpunkt. Die Ziele waren hoch gesteckt, Robert Nivelle wollte am 1. Tag der Offensive Laon erobern. Nivelle erklärte vor der Offensive, dass wenn die Ziele am ersten oder zweiten Tag nicht erreicht werden, die Sache ein Flop sei und daher beendet werden müsste. Die Offensive wurde ein Flop, die Ziele wurden nicht am ersten, nicht am zweiten, nicht am letzten Tag erreicht, Nivelle brach die Offensive nicht ab, er konnte sie nicht mehr abbrechen-die Erwartungen waren zu hoch. Es kam zu Meutereien und Militärstreiks. Wie die Deutschen bei Verdun, die Briten an der Somme, die Russen nach den Brussilow und Kerenski-Offensiven gewannen die Franzosen den Eindruck sinnlos verheizt zu werden.

Groß waren auch die Erwartungen vor der 3. Flandernschlacht. Der Ypernbogen war unangenehmes Gelände für die Briten. Sie konnten von den Deutschen aus 3 Richtungen beschossen werden, die Deutschen hielten die Höhenzüge bei Messines und Paschendaele. Die Stadt Ypern war nur noch ein Trümmerhaufen, das Gelände verschlammt. Ypern war aber sozusagen das britische Verdun, der letzte Zipfel Belgiens, den die Deutschen nicht besetzt hatten. Es sollten die flämischen Häfen erobert werden. Die Schlacht verlief in zwei Etappen. Der Wytschaete-Bogen wurde durch eine überraschende Minensprengung erobert. Die zweite Phase der Schlacht ersoff im Schlamm. Ende November 1917 erstarrte die Front bei Paschendaele. Die Geländegewinne konnten die enormen Verluste eigentlich nicht rechtfertigen.

Keine Materialschlacht hat im 1. Weltkrieg die Wende oder den erwünschten Durchbruch herbeiführen können, die enormen Verluste setzten aber den Angreifer unter Druck, die Offensive fortzuführen, bis wenigstens ein Teilerfolg erreicht war. Die gigantischen Verluste an Menschen und Material durften einfach nicht völlig sinnlos sein, die Erwartungshaltung an der "Heimatfront", innerhalb der Presse, der öffentlichen Meinung war hoch. Sie war hoch nicht zuletzt deshalb hoch, weil die Militärs immer wieder zu euphorische Prognosen machten, immer wieder einen "Siegfrieden" forderten, ohne ihn aber militärisch herbeiführen zu können.

Das Furchtbare hierbei ist doch, das die Generäle aller Nationen einfach nicht lernfähig waren. Es musste einfach ein Sieg her, um die Opfer zu rechtfertigen. Man übersah bloß, das es immer mehr Opfer wurden, ohne nennenswert Fortschritte zu machen. Über Jahre hinweg wurden immer neue Menschenleben verheizt. Den Generälen fiel einfach nichts ein, bis im Jahre 1918 der deutsche Oberstleutnant Müller, genannt Durchbruchmüller, ein Verfahren entwickelt hatte, welches die starre Front aufbrechen konnte. Aber vorher sind Millionen einen elenden Tod gestorben.
 
Das Furchtbare hierbei ist doch, das die Generäle aller Nationen einfach nicht lernfähig waren. Es musste einfach ein Sieg her, um die Opfer zu rechtfertigen. Man übersah bloß, das es immer mehr Opfer wurden, ohne nennenswert Fortschritte zu machen. Über Jahre hinweg wurden immer neue Menschenleben verheizt. Den Generälen fiel einfach nichts ein, bis im Jahre 1918 der deutsche Oberstleutnant Müller, genannt Durchbruchmüller, ein Verfahren entwickelt hatte, welches die starre Front aufbrechen konnte. Aber vorher sind Millionen einen elenden Tod gestorben.

Im englischsprachigen Raum gibt es ja die Theorie, dass die britischen Soldaten "lions led by donkeys" gewesen seien. Es fällt schwer, Leute wie Falkenhayn, Ludendorff, Nivelle und Haig zu verteidigen. Es wurden aber auf alliierter Seite auch mehr als 50 Generale im Kampfeinsatz getötet. Versuche, die Zusammenarbeit zwischen Infanterie und Artillerie zu verbessern, aus Fehlern zu lernen gab es durchaus, allerdings wurden oft falsche Schlüsse gezogen, und es forderten die Experimente aus trial and error unzählige Menschenleben.

Nach den Erfahrungen aus der Somme-Offensive begannen die Deutschen, die Truppen in der Tiefe zu staffeln, die Reserven nicht in vorderster Front zu konzentrieren. Die Neigung, verlorenes Gelände sofort durch Gegenangriffe zurückzuerobern wurde auf deutscher Seite aufgegeben. Es wurden Stellungen, deren Gräben zu tief waren, gesprengt, nachdem Grabenbesatzungen gefangen oder getötet wurden, bevor sie die Unterstände verlassen konnten.

Die Alliierten experimentierten mit "creeping barrage". Die Infanterie folgte in kurzem Abstand der "Feuerwalze" der Artillerie. Das Marschgepäck der Sturmtruppen wurde nach den Erfahrungen am 1. Juli 1916 erleichtert, statt dem Durchbruch entwickelte man eine "bite and hold"- Taktik. Die Briten lernten durchaus aus den Fehlern, die sie am Beginn der Somme-Offensive begangen hatten. Bei der Osterschlacht bei Arras 1917 konnten sie durchaus einige operative Erfolge erzielen. Die Entwicklung von Kriegsgerät, das die Verluste der Infanterie verringern konnte, wurde vorangetrieben. Seit 1916 wurden die Tanks verbessert. Am Beginn der Offensive bei Cambrai 1917 konnte ein Durchbruch und eine Überraschung des Gegners erreicht werden. Im Gegensatz zu früheren Offensiven verzichteten die Briten auf tagelanges Artilleriefeuer, das wie sich gezeigt hatte, den Gegner warnte. An der Somme war die Zahl der Granaten, die bei der einwöchigen Vorbereitung verschossen wurde schon beeindruckend.

Bei näherer Betrachtung relativierte sich das. Das Gros der Granaten war leichteren Kalibers und für "harte Ziele" wie Gräben und Bunker aus Beton ungeeignet. Ein Großteil der erfahrenen Rüstungsarbeiter war in Kitchners Armee eingezogen. Nicht wenige Granaten waren Blingänger, und es zeigte sich, dass das Trommelfeuer nie die Infanterie völlig ausschalten konnte, dass ein paar Soldaten mit MGs, die das Trommelfeuer überlebt haben, ganze Bataillone aufhalten konnte. Es galt lange auf beiden Seiten der Grundsatz Artillerie erobert, Infanterie besetzt. Aus Rückschlägen wurde vielfach der Schluss gezogen, noch mehr Artillerie einzusetzen.

Vielversprechende Taktiken wie Oskar von Hutier und Georg Bruchmüller sie entwickelten, ergaben sich z. T. aus Improvisationen. Alexej Brussilow musste im Juni 1916 aus Mangel an schwerer Artillerie und Granaten auf ein mehrtägiges Vorbereitungsfeuer der Artillerie verzichten. Er infiltrierte das Niemandsland und konnte im Sommer 1916 den größten Erfolg der russischen Armee verbuchen. Bei Luczk in Wolhynien wurde ein riesiger Durchbruch erzielt, der beinahe zum Zusammenbruch der Ostfront führte. Einen solchen Erfolg hatte Brussilow selbst kaum erwartet.

Nach 11 Isonzo-Offensiven brachte die Gegenoffensive in der 12. Isonzoschlacht einen großen Erfolg. Statt die Artillerie über die ganze Front zu verteilen, wurde sie an entscheidenden Punkten konzentriert. Der Erfolg war aber auch dem Giftgas zu verdanken. Es wurde Grünkreuz mit Phosgengas in Kombination mit dem "Maskenbrecher" Clark oder Blaukreuz verschossen. Es war der größte Gasangriff der Geschichte, und die Italiener waren völlig unvorbereitet. Erst am Piave kam die Offensive zum Stehen.

Aber auch die Taktiken von Georg Bruchmüller und Oskar von Hutier konnten am Ende keinen "Siegfrieden" herbeiführen. Die erste Offensive am 21. März 1918, die "Kaiserschlacht" führte zu großen Geländegewinnen, die zweite, am 9. April 1918 an der Lys war schon bescheidener. Ludendorff wollte nicht von Operation sprechen. "Wir hauen ein Loch, dann sehen wir weiter.."
 
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