@hatl:
Zur generellen Einschätzung ein paar Thesen. Im Prinzip erklärt sich der KK als Kampf um das Vermächtnis des 2. WW. Es sind dabei die zwei grundlegenden Konfliktlinien, die sich in Berlin und in der 3. Welt, also konkret Korea und Cuba, lokal manifestiert haben.
Die USA /FDR sind in den 2. WW eingestiegen, vereinfacht, um ihre Vorstellung einer globalisierten Welt bzw. eines einheitlich organisierten Weltmarkt s zu realisieren. Das entsprechende Modell sollte sich dabei an der spezifischen Verknüpfung von Demokratie und Kapitalismus orientieren. Diesem angloamerikanischen Sendungsbewußtsein stand das Sendungsbewußtsein der UdSSR entgegen.
Nach dem 2. Weltkrieg entwickelte sich das historische „Momentum“ positiv für die UdSSR, vor allem durch die Zunahme an Konflikten im Rahmen der Dekolonisation in der 3. Welt. Vor diesem Hintergrund fühlten sich die Vertreter einer historisch materialistischen Geschichtsauffassung empirisch bestätigt, dass der Kapitalismus weltweit auf dem Rückzug sei. Und leiteten – unsinnigerweise – aus dem Historischen Materialismus ab, dass der Kapitalismus „absterben würde“.
Exkurs: Die hochgradige rivalisierende Sicht und das Überlegenheitsbewußsein der UdSSR bzw. das von Chruschtschow übersieht Zizek in seinem "Welt"-Beitrag. Zumal während des Treffens in Wien zwischen Kennedy und Chruschtschow genauso diese Haltung von ihm gegenüber Kennedy gezeigt wurde. Es gibt insgesamt keinen Grund, Chruschtschow`s Narrativ in die andere Sichtweise - als angeblich "ängstlichen" Politiker - pendeln zu lassen. Es würde schon reichen, ihn neutral zu analysieren und nicht zu dämonisieren, wie bereits bei Stephen F Cohen und anderen eigentlich schon die Regel.
In den siebziger Jahren akzentuierte sich die Diskussion erneut und führte über die Diskussion der „Legitimationsprobleme des Kapitalismus“ in die Diskussion zur „Technokratiethese“ und die damit zusammenhängende Diskussion über die Angleichung bzw. Konversion der Gesellschaftssysteme.
Diese Sicht der Überlegenheit des Historischen Materialismus vermittelten die diplomatischen Vertreter des Ostblocks auch immer ihren westlichen Kollegen und gingen Leuten wie Kennan mit dieser - fast überheblichen - Attitüde „ schwer auf den Keks“.
Vor diesem Hintergrund, auch den Korea-Krieg und die McCarthy-Ära im Hinterkopf behaltend, muss man sehen, dass Castro 1959 an die Macht kam und die nächste Jahre im Zeitraffer
https://de.wikipedia.org/wiki/McCarthy-%C3%84ra
Die Entwicklung der Spannungen beschreibt Paterson in „Contesting Castro“ umfassend.
https://books.google.de/books?id=x-lcCAAAQBAJ&printsec=frontcover&dq=contesting+castro&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=contesting%20castro&f=false
Gerade die Nähe von Cuba zu den USA definiert die besondere Beziehung und gab Cuba einen besonderen Stellenwert im KK. Die besondere Lage führte zu einer symbolischen Übersteigerung der Bedeutung des Konflikts und drückte sich in zentralen unterschiedlichen Paradigmen aus:
USA-Paradigma: Die USA muss in der Lage sein, sozialistische Freiheitsbewegungen erfolgreich zu bekämpfen. Wenn sie es in direkter Umgebung nicht kann, dann kann sie es nirgendwo. Es war somit einer der zwei „Schlußsteine“ – neben Berlin – in der US-Außenpolitik
UdSSR-Paradigma: Die UdSSR müssen in der Lage sein, sozialistische Unabhängigkeitsbewegungen zu unterstützen, um die Richtigkeit ihrer historischen Mission zu belegen. Ein Scheitern hätte zum einen die Glaubwürdigkeit im sozialistischen Lager unterminiert und wäre ein empirischer Beleg gewesen gegen die Prognose vom Absterben des Kapitalismus.
Jede Entscheidung und jede Entwicklung – pro oder contra – berührte nicht nur den lokalen Konflikt, sondern sandte Wellen aus nach Europa, nach Asien, nach Afrika und Lateinamerika und konnte dort das Bedrohungsszenario – aus der Sicht der USA – deutlich verstärken.
Die Ausstrahlungseffekte von lokalen politischen Ereignissen kondensierte sich in dem „realistischen“ Konstrukt der Theorie der Domino-Steine.
https://de.wikipedia.org/wiki/Domino-Theorie
Die Geschwindigkeit der Übernahme der Macht durch Castro in Cuba und die Nähe erklärt die Intensität der „hysterischen Reaktion“ von Seiten der USA, die sich vor allem in den Ländern der Dritten Welt / Blockfreien etc. in die Defensive gedrängt sahen.
Und es erklärt auch teilweise, dass die USA nicht sehr wählerisch war, mit welchen Ländern sie kooperieren wollten gegen die Bedrohung durch die UdSSR (vgl. z.B. die Arbeiten von Naomi Klein)
Dass Cuba dann zu einem außenpolitischen Stolperstein wurde, erklären dann wohl auch die entsprechenden internen CIA-Reports, die mittlerweile deklassifiziert worden sind (im Web leicht zu finden), die Geheimniskrämerei, Hybris, Inkompetenz und politisches Wunschdenken als Gründe für das Scheitern anführen.