erstaunlich im 19. Jh. ist auch der philosophische Bereich - man lese im Briefwechsel Marx-Engels [sic]
hierzu folgendes Zitat:
Auch wenn die überwiegende Mehrheit der Linken schon immer zu den entschiedensten Gegnern des Antisemitismus gehörten, läßt sich eine Tradition des linken Antisemitismus bis zum Frühsozialismus zurückverfolgen. Von Blanqui bis Fourrier, von Saint-Simon über Proudhon bis Bakunin lässt sich von der Verharmlosung antisemitischer Ressentiments bis zu offen rassistisch-antisemitischen Argumentationen alles nachweisen.[2] Marx und Engels waren zwar keineswegs wüste Antisemiten, wie in den einflussreichen Arbeiten Edmund Silberners mehrfach behauptet wird,[3] aber sowohl in den Marxschen Frühschriften als auch in zahlreichen Briefen von Marx und Engels finden sich Formulierungen und Argumentationen, die ein verzerrtes Bild vom Judentum zeichnen und auf antisemitische Klischees zurückgreifen. Die Interpretation des von Marx 1844 veröffentlichten Textes „Zur Judenfrage“ als ein Aufruf, Juden und Jüdinnen zu ermorden, beruht zwar auf einem ziemlichen Mißverständnis der Marxschen Argumentation. Der Text läd zu solchen Missverständnissen aber geradezu ein.
Quelle:
Antisemitismus und Antizionismus in der Linken
Freilich distanzierten sich sowohl Marx als auch Engels später von den anfänglich eher unreflektierten Vorurteilen (z.B. Engels berühmter Brief über den Antisemitismus) - aber womöglich sind solche und viele andere Quellen bezeichnend für ein Klima, welches gegen Ende des 19. Jh. vielfach zu einer doch deutlich schärferen und dann rassistischen Haltung führten (welche in weiten Bevölkerungsteilen wohl geteilt oder toleriert wurde)
Ich persönlich halte es für schwierig bis nahezu unmöglich, innerhalb des 19. Jh. eine exakte Trennlinie zu postulieren, welche klar unterscheidet, wo es "noch lediglich" dumpf antisemitisch ist und wo es "schon rassistisch" antisemitisch wird. Einer der Gründe für diese Schwierigkeit scheint mir darin zu liegen, dass bei einem so heiklen Thema doch viel aus heutiger Perspektive und aus heutigem Wissen mit einfließt. Ich halte z.B. Frederic Chopin trotz seines privaten Namens für die a-Moll Mazuka aus op.17 (sie entstand deutlich früher, hatte im Familien- und Bekanntenkreis den Namen "der kleine Jude") und trotz ein paar häßlicher Formulierungen in seinen privaten Briefen nicht für einen Rassisten.
bzgl. Wagner: es gibt ein merkwürdige Buch, welches
in den Partituren [sic] antisemitische musikalische Figuren nachweisen will - so soll Beckmessers Ständchen eine verzerrende Karikatur jüdischer Melismen sein (und dasselbe soll auch auch für Mussorgskis Samuel Goldenberg und Schmuyle gelten) - - aus musikwissenschaftlicher Sicht ist das unhaltbar bzw. nicht beweisbar, denn die verwendeten musikalischen Techniken sind nicht speziell jüdisch, sondern es handelt sich um gebräuchliche Figurationen der spätromantischen Musik. - - das ändert natürlich nichts daran, dass Wagners bescheuerte Schrift von 1850 in jedem Sinne indiskutabel ist.
aber genug von kulturellen Randgebiet der Musikgeschichte:grübel:und perdonne für off-topic