Dreißigjähriger Krieg = Glaubenskrieg?

Diese Struktur hatte beiden Seiten halbwegs Sicherheit gegeben - für die Katholiken war das gefährdet, wenn ein Kurfürstentum und mittelfristig das Kaisertum zur Gegenseite kippt.
Das ist eine wichtige konfessionelle Frage. Ich glaube schon mehrfach von Historikern gelesen zu haben, dass das Kaisertum prinzipiell ein katholisches war. Auch wenn der Kaiser nicht (mehr) vom Papst gekrönt wurde, bleibt fraglich wie ein protestantischer Kaiser hätte ohne den Segen des Papstes und folglich in einem natürlichen Konflikt zu den drei geistlichen Kurfürsten regieren sollen. Vertrug sich das überhaupt mit den Formalien der Krönungszeremonie in Frankfurt?:confused:
Ich glaube Horst Möller sagte auch etwas in die Richtung oder war es Heinz Schilling?:grübel:
Jedenfalls wissen wir nicht, was geschehen wäre wenn es jemals einen protestantischen Kaiser gegeben hätte. Für mich ist es auch unvorstellbar, auch wenn um 1700 mal der brandenburgische Kurfürst ins Gespräch kam.
 
Ich glaube Du unterschätzt ziemlich die wirklichen Gewichtungen im Reich und Also ich sehe schon konfessionelle Motivationen, aber eben kein protestantisches Lager oder protestantisches Denken, wie man es gerne vereinfachend unterstellen möchte. (Aber ich denke ohnehin ich werde gern missverstanden.

Niemand versteht dich miss, Monsieur Brissotin, es gibt nur gelegentlich andere Meinungen, als die deine. Vielleicht solltest du das besser diskussiondweise als mit rotem Bannstrahl lösen!

Natürlich hat es "ein protestantisches Denken" gegeben!

Die Religion blieb, wie im Mittelalter, auch in diesen Zeiten eine öffentliche Angelegenheit. Die konstantinische Tradition der Verbindung und gegenseitigen Hilfeleistung von Kirche und Obrigkeit war durch die Reformation weder aus der Welt geschafft nocht überhaupt ernstlich in Frage gestellt worden. Sie blühte im Gegenteil ungebrochen weiter und steigerte sich zum Staatskirchentum auf konfessioneller Basis. Man sah es in protestantischen Landen als selbstverständlich an,dass sich die Staatsgewalt mit religiösen Dingen beschäftigte und über kirchliche Fragen entschied. Im Luthertum hatte sich sogar eine Institution entwickelt, durch die die Obrigkeit an die Spitze der Landesregierung rückte: der Summepiskopat.bzw. die Nachfolge im Bischofsamt.

So scheint also zur Zeit des 30-jährigen Krieges in bestimmten Fällen das religiöse, in anderen das politische Motiv überwogen zu haben. In der Regel lässt sich das eine nicht klar vom anderen unterscheiden. Fürsten wie Philipp II: oder Gustav Adolf, Maximilian von Bayern oder Ferdinand II. waren überzeugt, mit ihrer Kriegführung und Politik der Konfession, der sie angehörten, einen echten Dienst zu erweisen. Alles in allem war es unmöglich, konfessionelle Auseinandersetzungen rein für sich und losgelöst von der politischen Gewalt zu führen, weil dieses Zeitalter gar nicht in der Lage war, seine religiösen Probleme anders denn als Angelegenheiten von zugleich eminent politischem Charakter zu verstehen.

Es gibt keinerlei Veranlassung, ein "protestantisches Lager" anzuzweifeln. Bereits seit Mitte des 16. Jh. war der Gedanke einer konfessionellen Bündnisbildung verschiedentlich aufgetaucht, hatte sich aber nicht verwirklichen lassen. Das wurde nach der Jahrhundertwende anders. Der Kurpfalz, die schon seit langem einen politischen Zusammenschluss der Protestanten anstrebte, gelang es 1608, nach der Sprengung des Reichstags mit anderen süddeutschen Ständen wie Württemberg, Baden-Durlach und Ansbach-Bayreuth einen auf 10 Jahre befristeten Bund herzustellen, nämlich die am 14.5.1608 gegeründete Union, die sich später um weitere Bundesgenossen wie Hessen-Kassel, Brandenburg, Pfalz-Zweibrücken, Nürnberg usw. erweiterte. Ziel war die Abwehr von Rechtswidrigkeiten und Gewalttaten, und wie soll man das anders bezeichnen, als "protestantisches Lager".

Dass dieses Bündnis später zerfiel, auch von Streitigkeiten zwischen den Lutheranern und von Geldmangel geprägt war, ändert nichts daran, dass unter den protestantischen Fürsten bzw. Reichsständen ein Gefühl konfessioneller Zusammengehörigkeit bestand.

Das später - sowohl bei katholischen als auch protestantischen Reichsständen - oftmals Machtinteressen über die konfessionelle Motivation siegten, wurde bereirs ausführlich diskutiert.
 
Niemand versteht dich miss, Monsieur Brissotin, es gibt nur gelegentlich andere Meinungen, als die deine. Vielleicht solltest du das besser diskussiondweise als mit rotem Bannstrahl lösen!
Deswegen ja auch mein ;) in dem entsprechenden Beitrag von 8:42 heute, ich bin doch selber der größte Relativierer meiner eigenen Ansichten.=)
Mir geht es ja auch bloß darum dass es nicht EIN protestantisches Denken gab, sondern mehrere.
Und dass ich Brandenburg bei der Betrachtung der Union von Auhausen ausließ, kommt daher, weil die brandenburgischen Truppen bspw. nicht gegen Sachsen marschierten, als dieses sich gegen die Lausitzen wendeten.
Dennoch traf Georg Wilhelm die Reichsacht, obwohl er doch so wenig tat. Dass er konfessionell als Calvinist und dynastisch als Schwager Friedrich V. mit den Pfälzern verbunden war, ließ ihn auch nicht "entscheidungsfreudiger" werden.

Ohne dieses Gefühl der Zusammenhörigkeit wäre es ja auch nicht zum genannten Leipziger Manifest gekommen, welches sich gegen "Spanier" und "Schweden" richtete. Sachsen stand allerdings singulär da, was zu seiner außenpolitischen Isolation innerhalb des Reiches führte.

Ich würde den Seiten auch durchaus unterstellen, dass sie meinten im Sinne ihres Glaubens zu handeln, denn die Fürsten bekamen während ihrer "Ausbildung" ja auch die "nötige" konfessionelle Schulung mit, nicht nur der bayerische Herzog und Ferdinand II..

@ Dieter
Das sind doch schonmal ein paar klare Fakten, womit spätere Leser etwas anfangen können sollten.:yes:
 
Ob Glaubenskrieg oder nicht, der Krieg hat hier im Süden schwere Schäden angerichtet, an Land und Bevölkerung - das Elend war riesig.

Aber hieß es damals nicht:
Wessen Diener ich bin, dessen Religion habe ich,
oder so ähnlich und auf Latein hört es sich noch viel besser an, aber das trau ich mich nicht.
Sagen wir so, das war ein Ideal, das schon bei dem Konfessionswechsel der brandenburhischen Kurfürsten nicht mehr umsetzbar war. In der Pfalz zeigte sich das dann im Laufe des Jahrhunderts noch deutlicher. Selbst im gegenreformatorisch so geprägten Niederösterreich, bestand ein Geheimprotestantismus bis ins 18.Jh., als dann den Protestanten (geringe) Zugeständnisse gemacht wurden unter Joseph II..
 
@Brissotin:
> Eine Mehrheit innerhalb des Kurkollegs war
> für Reichsentscheidungen durchaus von
> Relevanz, ...
Selbstverständlich.
Aber die grundsätzlichen Entscheidungen, mit denen die Konfessionsinteressen im Reichsrecht gesichert waren, die konnte das Kollegium alleine nicht ändern.

D.h. für die Katholiken wäre eine protestantische Mehrheit im Kollegium vielleicht ärgerlich gewesen, aber keine Bedrohung.

Richtig kritisch wäre es erst geworden, falls tatsächlich ein Protestant zum Kaiser gewählt worden wäre.

Völlig zu Recht schreibst Du, daß nicht klar ist, welche Auswirkungen eine solche Wahl gehabt hätte.
Aber die Katholiken hatten verständlicherweise keine Lust, das auszuprobieren ;-)
 
Für mich sind eigentlich die entscheidenden Kriterien für den Glaubenskrieg, dessen Züge ich am 30-jährigen garnicht bestreiten will, aber mindestens genauso wie die Denkungsweisen der Potentaten, die ihre Motivationen auch gerne propagandistisch darstellten (bzw. die der Gegner schmälerten), die Aktionen der einfachen Menschen, der Zivilisten. Ich denke da an das "Fahnengefecht" in Donauwörth ( http://de.wikipedia.org/wiki/Kreuz-_und_Fahnengefecht ) oder die Unruhe um die bekannte Kirche in Braunau. Auch wenn eine denkbare Provokation durch den Bischof von Augsburg in ersterem Fall nicht ausgeschlossen wird, bestimmt doch der Tumult der Leute auf der Straße das Geschehen, auch wenn im Falle Braunaus dieser Streit von den Mächtigen Böhmens sicherlich instrumentalisiert wurde, so bleibt doch die konfessionelle Konfrontation hier als ein Konflikt auch des einfachen Mannes.
Ebenso sind die Erhebungen gegen die kaiserlichen Kräfte in Niederösterreich und andernorts zu werten. Für die einfachen Menschen, welche in ihrer Religionsausübung ihr Heil im Jenseits sahen, war ein konfessioneller Druck eben auch etwas schlimmes. Man muss sich einmal die konsequente Haltung dieser Protestanten mancherorts vorstellen, die lieber eine gefährliche, beschwerliche und für manchen auch tötliche Reise auf sich nahmen und ihre aufgebaute Existenz und traditionelle Verbundenheit zurückließen, lieber als den Glauben zu wechseln.
 
@Brissotin:
Sehr schöne Beispiele, meine volle Zustimmung.

Wobei bei den "einfachen" Leuten ebenfalls andere Motive ins Religiöse reingemischt sind - nur eben im kleineren Maßstab als bei den Fürsten.

Ohne Kenntnis der Details dort würde ich blind darauf wetten, daß es zwischen den Bürgern der Stadt Donauwörth und dem Kloster auch eine Reihe monetärer Streitpunkte gab, wegen diverser alter Klosterprivilegien, Steuern oder Nutzungsrechte.
Wie schon oben gesagt: Es ist ja kein Zufall, daß die Reichsstädte fast durchweg protestantisch wurden, da gab es neben dem Seelenheil auch handfeste Interessen.

Und die Protestanten aus Donauwörth haben wohl nicht nur aus Religionsgründen ihre Heimat verlassen, sondern wohl auch, weil ihnen im katholischen Bayern nur noch sehr begrenzte Verdienst- und Karrieremöglichkeiten offen standen.
 
Und die Protestanten aus Donauwörth haben wohl nicht nur aus Religionsgründen ihre Heimat verlassen, sondern wohl auch, weil ihnen im katholischen Bayern nur noch sehr begrenzte Verdienst- und Karrieremöglichkeiten offen standen.


Es gibt freilich vielfach Beisspiele dafür, dass Menschen aus religiöser Überzeugung ihre Heimat verließen und nicht wegen materieller Vorteile. Ich erinnere hier - auch wenn das einem anderen historischen Raum entstammt - an die französischen Hugenotten, die nach dem Edikt von Fontainebleau 1685 mit über 170 000 Menschen ihre französische Heimat verließen, oder an die protestantischen Bauern, die noch1731 aus dem Salzburgischen auswanderten.

Wie Brissotin schon schrieb, nahmen sie oft lieber "eine gefährliche und manchmal tödliche Reise" inkauf, was sie durch einen Übertritt zum anderen Bekenntnis leicht hätten vermeiden können. Es wäre unhistorisch, die religiösen Beweggründe der damaligen Menschen nach heutigen Maßstäben zu messen und ihnen - wie uns das sehr geläufig ist - nur praktische Erwägungen zu unterstellen.
 
...war denn für Dich der Dreißigjährige Krieg ein Konfessionskrieg?
Anfangs war das sicher im Vordergrund gestanden, aber schnell wurde dieser Glaubenskrieg instrumentalisiert, weil ja nicht nur deutsche Interessen hier ausgefochten wurden, sondern Europa insgesamt das "Schlachtfeld" nutzte um seine jeweiligen Ansprüche und Vorstellungen durchzusetzen.
Was mich aber speziell noch interessieren würde, das sind die vermeintlich akuten Probleme in Europa in den Jahren kurz vor dem Ausbruch des Krieges. Welches Land hatte welche grossen Probleme, die dann ggf. auch ein Grund waren, weshalb dieser Krieg nicht nur in einem konfesionellen Interesse war?
 
Was mich aber speziell noch interessieren würde, das sind die vermeintlich akuten Probleme in Europa in den Jahren kurz vor dem Ausbruch des Krieges. Welches Land hatte welche grossen Probleme, die dann ggf. auch ein Grund waren, weshalb dieser Krieg nicht nur in einem konfesionellen Interesse war?


Die Ausgangs- und Interessenlage der europäischen Großmächte war ziemlich klar und eindeutig:

1) Frankreich fühlte sich umklammert vom Reich der Habsburger, die seit Karl V. auch Spanien und Kolonien in der Neuen Welt besaßen, dazu die Niederlande, Luxemburg, die Königreiche Ungarn und Böhmen, die habsburgischen Erblande u.a. Es hatte also ein vitales Interesse an einer Schwächung der habsburgischen Machtstellung, was nach dem Ausbruch des 30-jährigen Krieges möglich schien.

2) Im Deutschen Reich hatte der Religionsfriede von 1555 keinen wirklichen Frieden zwischen Katholiken und Protestanten bewirkt. Der Streit um Einflussbereiche schwelte weiter. Einige Territorien wie z.B. die Pfalz hatten den Calvinismus übernommen, der im Augsburgischen Religionsfrieden überhaupt nicht anerkannt war. So genügte eigentlich ein Funke, um diesen Streit erneut ausbrechen zu lassen.
Hinzu kam, dass der katholische habsburgische Kaiser den Status quo zwischen protestantischen und katholischen Reichsständen nur akzeptierte, weil er außenpolitisch stark engagiert war, und daher eine Rekatholisierung nicht durchsetzen konnte. Es ist auch zweifelhaft, ob die Habsburger den Religionsfrieden von 1555 wirklich im Innersten akzeptiert hatten.

3) Im Zentrum Europas gelegen, war das Heilige Römische Reich von einigen aufstrebenden Nationalstaaten umgeben, für die ein zerfallendes Reich eine willkommene Beute bedeutet hätte. Neben dem katholischen Frankreich ist da besonders das protestantische Schweden zu nennen, das im 16. Jh. stark expandierte und den Ostseeraum nach Erwerbung des Baltikums gern zu einem "schwedischen Meer" gemacht hätte.

Das war in großen Zügen die Ausgangslage, bevor sich der Krieg nach dem Prager Fenstersturz 1618 entzündete.
 
Es wäre unhistorisch, die religiösen Beweggründe der damaligen Menschen nach heutigen Maßstäben zu messen ...
Ich gebe Dir komplett recht - wie ich ja auch generell die These vom "Glaubenskrieg" vertrete.
Ich wollte nur anhand des Beispiels zeigen, daß es bei den einfachen Leuten wie bei den Fürsten oft eine Vermischung der Motive gibt und man ein lupenreines "nur religiöse Gründe" in der Praxis selten findet.
 
Wie bereits erwähnt, sehe ich die Einordnung dieses Krieges komplexer, wobei ich überhaupt nicht bestreite, daß es konfessionelle Motivationen gab - und wenn ich Brissotin bisher richtig gelesen habe, tut er das auch nicht.

Mir geht es aber darum, daß das Ordnungsmuster "Glaubenskrieg"/"Religionskrieg"/"Konfessionskrieg" allein nicht zur Beschreibung genügt. Außerdem genügt andererseits auch das zweifellose Vorhandensein von konfessionellen Motivationen nicht, nur auf dieses Ordnungsmuster abzuzielen.

Ich erlaube mir, dazu einige Aussagen anzuführen aus Georg Schmidt "Der Dreißigjährige Krieg" - C.H. Beck Wissen; 5., aktualisierte Auflage, München 2002, worin der aktuelle Forschungsstand reflektiert wird...

Als sinnstiftende Ordnungsmuster für den Dreißigjährigen Krieg gelten: "Konflikt zweier Machtblöcke", "Staatsbildungskrieg", "Kampf um ständische oder absolutistische Herrschaft", "Konfessionskrieg". Sie verweisen auf Probleme, die in Deutschland wie beinahe überall in Europa zur offenen Austragung drängten. Sie schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich und helfen, das Geschehen in langfristigen Entwicklungsprozessen zu verorten.
...
Nach 1555 hatte sich eine überkonfessionelle Gruppe mächtiger Reichsfürsten (Kursachsen, Kurmainz, Württemberg, Bayern etc.) gebildet, die mit den beiden Habsburger Kaisern Ferdinand I. (geb. 1503, 1556-1564) und Maximilian II. (geb. 1527, 1564-1576) um nahezu jeden Preis den Frieden erhalten wollte. Diese Konstellation brach in den siebziger Jahren zusammen, als eine neue Fürstengeneration sich mit der konfessionellen Abgrenzung nicht zufriedengab und neuerlich die Konfrontation suchte... Um die Jehrhundertwende schien der Vorrat an Kompromißbereitschaft aufgebraucht. Der Reichsverband schlitterte in eine gefährliche Krise.
...
1608 waren sich aber alle evangelischen Reichsstände einig und forderten zuerst eine Bestätigung des Religionsfriedens (Augsburger Religionsfrieden 1552 - Anm. von mir). Die daruf sichtlich vorbereiteten kaiserlichen Gesandten drehten den Spieß jedoch um: Alle Verstöße gegen den Religionsfrieden sollten restituiert werden. Damit war das nach 1552 säkularisierte Kirchengut gemeint. Die protestantische Bewegungspartei - an der Spitze die kurpfälzische und kurbrandenburgische Delegation - verließ den Reichstag. Sachsen blieb. Die katholischen Stände wagten nicht, ihre Mehrheit einzusetzen: Der Reichstag war gesprengt, das wichtigste Ausgleichsorgan der Reichverfassung lahmgelegt.
Mit der Grüdnung der protestantischen Union unter kurpfälzischer Leitung (1608) und der katholischen Liga durch den Bayernherzog Maximilian (1609) gab es im Reich zwei gegeneinander gerichtete Konfessionsbündnisse. Beide agierten zunächst eher defensiv. Die Verträge der Union mit England (1612) und den Niederlanden (1613) sowie Absprachen mit Frankreich, Savoyen und Schweden galten der Subsidiensicherung - eine kraftvolle und einheitliche Bewegung des evangelischen Europa entstand daraus nicht: Die "calvinistische Internationale" ist vor allem ein Kampfbegriff ihrer Gegner. Weder die Liga noch die Union einigten auch nur annähernd alle konfessionsverwandten Stände. Auf evangelische Seite setzten vor allem Kursachsen und Hessen-Darmstadt weiterhin auf einen Ausgleich mit dem Kaiser. Kurfürst Joachim Sigismund von Brandenburg (1572-1619) wandte sich enttäuscht von der Union ab, weil er seine Interessen im Jülich-Klevischen Erbfolgestreit nur unzureichend vertreten glaubte...
Zur Liga, dem katholischen Gegenbund, gehörten neben Bayern die drei geistlichen Kurfürsten (Mainz, Köln, Trier) und alle Fürstbischöfe Oberdeutschlands. Sie war auf maximilian von Bayern zugeschnitten, blieb frei von theologischen Kontroversen und wirkte insgesamt kompakter als die Union. Dazu trug vor allem die solidere Finanzausstattung bei - selbst der Papst unterstützte das Projekt mit regelmäßigen Zuwendungen. Allein die Habsburger erwiesen sich als Störenfriede und versuchten, den rührigen Bayernherzog auszubooten...
 
Wie Mir geht es aber darum, daß das Ordnungsmuster "Glaubenskrieg"/"Religionskrieg"/"Konfessionskrieg" allein nicht zur Beschreibung genügt. Außerdem genügt andererseits auch das zweifellose Vorhandensein von konfessionellen Motivationen nicht, nur auf dieses Ordnungsmuster abzuzielen. Ich erlaube mir, dazu einige Aussagen anzuführen aus Georg Schmidt "Der Dreißigjährige Krieg" - C.H. Beck Wissen; 5., aktualisierte Auflage, München 2002, worin der aktuelle Forschungsstand reflektiert wird...


Die Reihe der Beck-Bändchen ist komplett in meinem Besitz, doch darf ich dir versichern, Timo, dass die von dir zitierte Publikation über den 30-jährigen Krieg zwar eine solide Darstellung ist, aber in der gebotenen knappen Darstellung keinerlei bahnbrechende Neuerungen im Vergleich zu früheren Publikationen aufweist. Es handelt sich bei dieser kleinen Heftreihe, deren Initiatoren ich kenne, lediglich um Geschichte für interessierte Laien, von deren Standardthemen man keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse erwarten darf.

Dass das Thema komplex ist, wurde hier schon mehrfach betont, und dass sich religiöse, machtpolitische und territoriale Ambitionen überschneiden, wurde ebenfalls mehrfach gesagt. Allerdings haben wir hier nicht den Raum, all diese wirtschafts-, sozial-, religions- und ereignisgeschichtlichen Aspekte in ihrer ganzen Multiperspektivität auszubreiten.
 
Allerdings haben wir hier nicht den Raum, all diese wirtschafts-, sozial-, religions- und ereignisgeschichtlichen Aspekte in ihrer ganzen Multiperspektivität auszubreiten.
Schade.:heul:
Aber Du hast schon Recht, wir können Teilaspekte darstellen, vor allem, dass sich künftige Fragen auf Anhieb beantworten lassen.
Ah ja meine Quellen nachgereicht:
- "Die Herrscher Sachsens" Beck'sche Reihe 2007 (verschiedene Autoren, hierbei vor allem Thomas Nicklas zu den zwei Christians I. + II. und Axel Gotthard zu Johann Georg I.) - meines Wissens entspricht es dem aktuellsten Forschungsstand, vor allem im Vergleich zu den Publikationen zum HRRDN aus dem vergangenen Jahr
- "Geschichte Klasse 7" Volk und Wissen 1989 - da habe ich allerdings nur die Zitate daraus, entsprachen aber auch Bios zu Gustav Adolf
- "Gegen Land und Leute - Der Dreißigjährige Krieg" von Peter Milger Bertelsmann-Verlag 2001 (da entnehme ich manchmal Zitate, das ist ja auch der Hauptinhalt des Buches und der damaligen Doku)
 
Mir geht es aber darum, daß das Ordnungsmuster "Glaubenskrieg"/"Religionskrieg"/"Konfessionskrieg" allein nicht zur Beschreibung genügt.
Es hat m. W. auch niemand behauptet, der 30-jährige Krieg wäre allein ein Glaubenskrieg gewesen, und es hätte keinerlei andere Motivationen gegeben.

Ich frage mal umgekehrt: Wie soll denn der Begriff "Glaubenskrieg" definiert sein und welchen Sinn soll er haben, wenn nicht einmal dieser Krieg drunterfällt?
 
Ich frage mal umgekehrt: Wie soll denn der Begriff "Glaubenskrieg" definiert sein und welchen Sinn soll er haben, wenn nicht einmal dieser Krieg drunterfällt?


Vielleicht so eine Formel: daß der Krieg in seinem Verlauf zunehmend das Symbol des Kreuzes durch die Fahne der Nationalitäten und Libertäten ersetzt hat.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es hat m. W. auch niemand behauptet, der 30-jährige Krieg wäre allein ein Glaubenskrieg gewesen, und es hätte keinerlei andere Motivationen gegeben.
Ich frage mal umgekehrt: Wie soll denn der Begriff "Glaubenskrieg" definiert sein und welchen Sinn soll er haben, wenn nicht einmal dieser Krieg drunterfällt?


Nein, das hat in der Tat niemand behauptet, denn jeder Beitrag hat die Komplexität des Geschehens betont.

Wenn man allerdings gezwungen ist, den Ereignissen eine kurze, prägnante Überschrift zu geben, so kommt man um den Begriff "Glaubenskriege " kaum herum. So wird z.B. Band 9 des Standardwerks Gebhardt Handbuch der deutschen Geschichte übertitelt mit Das Zeitalter der Glaubenskämpfe.
 
Nein, das hat in der Tat niemand behauptet,
Richtig, und zwar nicht nur hier, sondern wohl auch sonst nirgends.

Diese Diskussion ist ja nicht untypisch (siehe die vielen Links zu Vorgängerdiskussionen ganz oben). Und sie kommt m. E. meist deswegen auf, weil man - ohne es zu merken - die falsche These diskutiert.

Die übliche Frage ist: "War der 30-jährige Krieg ein Glaubenskrieg?"
Und die häufige Antwort ist "Nein, denn es gibt die Ereignisse/Personen, die dem widersprechen".

Aber diese Antwort wäre nur valide, wenn das Motiv Glaubenskrieg ALLE Ereignisse/Personen abdecken müßte.

Aber eben dies hat eigentlich nie jemand behauptet, man hat damit eine These widerlegt, die gar nicht im Raum stand.

Wenn man aber erst fragt: "Was ist eigentlich ein Glaubenskrieg" - dann wird vernünftigerweise nie eine 100%-Anforderung rauskommen.
Und schon paßt es - trotz der Gegenbeispiele.

Wenn man allerdings gezwungen ist, den Ereignissen eine kurze, prägnante Überschrift zu geben, so kommt man um den Begriff "Glaubenskriege " kaum herum.
Richtig, der Begriff ist sinnvoll, weil sich eben diese Kriege im Charakter deutlich von anderen Kriegen unterscheiden. Auch wenn wohl in jedem Krieg diverse Nebenmotive (insbesondere Geld-/Beutegier) als Standardbeigabe vorkommen.
 
Die Reihe der Beck-Bändchen ist komplett in meinem Besitz, doch darf ich dir versichern, Timo, dass die von dir zitierte Publikation über den 30-jährigen Krieg zwar eine solide Darstellung ist, aber in der gebotenen knappen Darstellung keinerlei bahnbrechende Neuerungen im Vergleich zu früheren Publikationen aufweist.

Da aber keine veralteten, sondern doch aktuelle Aussagen von Fachseite gebracht werden, wird jedoch wohl zumindest akzeptabel sein, daß ich Zitate daraus hier vorbringen darf.

Es handelt sich bei dieser kleinen Heftreihe, deren Initiatoren ich kenne, lediglich um Geschichte für interessierte Laien, von deren Standardthemen man keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse erwarten darf.

Deswegen nutze ich dieses Buch auch, denn ich bin ein solcher Laie und war nie etwas anderes ;)

Zu
Es hat m. W. auch niemand behauptet, der 30-jährige Krieg wäre allein ein Glaubenskrieg gewesen, und es hätte keinerlei andere Motivationen gegeben.
und
Nein, das hat in der Tat niemand behauptet, denn jeder Beitrag hat die Komplexität des Geschehens betont.

Das las sich für mich in den letzten Beiträgen aber schon anders.
Aber gut; dann nehme ich dieses Mißverständnis auf meine Seite...

Wenn man allerdings gezwungen ist, den Ereignissen eine kurze, prägnante Überschrift zu geben, so kommt man um den Begriff "Glaubenskriege " kaum herum. So wird z.B. Band 9 des Standardwerks Gebhardt Handbuch der deutschen Geschichte übertitelt mit Das Zeitalter der Glaubenskämpfe.

Das ist es eben: man kann es genausogut und nicht weniger berechtigt auch mit der Überschrift "Staatsbildungskrieg" oder "Krieg zwischen Habsburgischer und Antihabsburgischer Koalition" erfassen.
Genaugenommen wird es (und das war bzw. ist meine eigentliche Intention) einer historischen Betrachtung selbst auf meinem niedrig angesetzten Niveau nicht gerecht, dem Dreißigjährigen Krieg eine so kurze Überschrift zu geben - egal, welches Ordnungsmuster man nun wählt...

Abschließend noch zu
Ich frage mal umgekehrt: Wie soll denn der Begriff "Glaubenskrieg" definiert sein und welchen Sinn soll er haben, wenn nicht einmal dieser Krieg drunterfällt?
und
Die übliche Frage ist: "War der 30-jährige Krieg ein Glaubenskrieg?"
Und die häufige Antwort ist "Nein, denn es gibt die Ereignisse/Personen, die dem widersprechen".

Aber diese Antwort wäre nur valide, wenn das Motiv Glaubenskrieg ALLE Ereignisse/Personen abdecken müßte.

Dann gehen wir einmal an eine Definition heran: mW definiert man einen Glaubenskrieg dadurch, daß er durch religiös-kulturelle Konflikte entsteht und seine Ursachen in Politik, Wirtschaft und Egozentrik liegen.

Richtig, der Begriff ist sinnvoll, weil sich eben diese Kriege im Charakter deutlich von anderen Kriegen unterscheiden. Auch wenn wohl in jedem Krieg diverse Nebenmotive (insbesondere Geld-/Beutegier) als Standardbeigabe vorkommen.

Wie ich schon mehrfach darauf verwiesen habe, muß zumindest der habsburgisch-französische Gegensatz bzw. die antihabsburgische Allianzbildung als gleichberechtigt betrachtet werden.
Diese im Kontext von Nebenmotiven abzutun, hieße wichtige Aspekte im Vorfeld dieses Krieges wie auch während des Krieges - incl. des Einflusses dieses Gegensatzes auf die Reichspolitik vor, während und nach dem Krieg - zu ignorieren.
 
Wenn ich aus meinem Beitrag 44 zitieren darf, wirst du feststellen, dass die Multiperspektivität des Geschehens sogar ein besonderes Anliegen von mir ist:

So scheint also zur Zeit des 30-jährigen Krieges in bestimmten Fällen das religiöse, in anderen das politische Motiv überwogen zu haben. In der Regel lässt sich das eine nicht klar vom anderen unterscheiden. Fürsten wie Philipp II: oder Gustav Adolf, Maximilian von Bayern oder Ferdinand II. waren überzeugt, mit ihrer Kriegführung und Politik der Konfession, der sie angehörten, einen echten Dienst zu erweisen. Alles in allem war es unmöglich, konfessionelle Auseinandersetzungen rein für sich und losgelöst von der politischen Gewalt zu führen, weil dieses Zeitalter gar nicht in der Lage war, seine religiösen Probleme anders denn als Angelegenheiten von zugleich eminent politischem Charakter zu verstehen.


Kurze, prägnante Überschriften, Timo, sind das Brot aller Autoren, die Titel für ihre Publikationen finden müssen. Wenn also Im "Gebhardt" der Titel "Das Zeitalter der Glaubenskriege" gewählt wurde, so hat das schon seine Berechtigung. Alles andere erschien des Fachhistorikern wohl weniger treffend! Ähnliche Benennungen findest du übrigens auch in weiteren veröffentlichungen, die diese Epoche beschreiben.


Deswegen nutze ich dieses Buch auch, denn ich bin ein solcher Laie und war nie etwas anderes


Ich wollte mit meinem Hinweis auf die Beck-Reihe, die ja auch mir im Regal steht, keineswegs arrogant erscheinen. Man muss lediglich ihren wissenschaftlichen Wert im Vergleich zu den umfangreichen historischen Fachpublikationen sehen. Als Überblickswissen, das man rasch zur Verfügung hat, sind die Bände der Beck-Reihe durchaus eine große Hilfe.
 
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