Dreißigjähriger Krieg = Glaubenskrieg?

Moment; hier muß ich gleich zweifach intervenieren...

... ich denke, für Gustav Adolf von Schweden war es schon ein Krieg, um seinen Glauben zu verteidigen und vorallem ihn im Deutschen Reich durchzusetzen...

Gerade Gustav II. Adolf ging es nun wirklich nicht um die Verteidigung seines protestantischen Glaubens.
Zwar bekundete er dies vor dem schwedischen Reichstag, doch waren seine Verbündeten bei der Invasion im Reich zunächst nicht etwa die protestantischen Reichsfürsten, sondern das katholische Frankreich.
Dem Schwedenkönig ging es zudem vordergründig um das Ausschalten seiner Konkurrenten im Ostseeraum und dann (nach dem siegreichen Vormarsch) v.a. um die Hegemonie über Norddeutschland, im Laufe derer er daraufhin ein Bündnis mit den evangelischen Reichsständen dort anstrebte.
Anm.: Sehr aussagekräftig ist in diesem Zusammenhang auch das Verhalten des protestantischen Kursachsen, welches zunächst mit dem habsburgischen Kaiser verbündet war, dann infolge des Restitutionsediktes mit Kurbrandenburg zusammen bewaffnete Neutralität übte und mit diesem erst ins schwedische Lager wechselte, nachdem es vom Ligaheer unter Tilly törichterweise angegriffen worden war und andererseits erkennen mußte, daß man den Schweden nichts entgegenzusetzen hatte.

Nicht zu vergessen der prominenteste Katholik, der auf Seiten der Protestanten kämpfte (da es gegen die Habsburger ging) :

Der Papst !

Woher hast Du denn diese Information, die mir einigermaßen neu wäre?
Meines Wissens unterstützte die Kurie nämlich die Liga, das Bündnis der katholischen Reichsfürsten - wenngleich durchaus mit Blick darauf, daß der habsburgische Kaiser nicht zu mächtig wurde...

Als der prominenteste Katholik im Bündnis mit den protestantischen Reichsfürsten gilt mW Kardinal Richelieu, der auf diese Weise den europäischen Machtgegensatz mit Habsburg für die französische Krone entscheiden wollte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Als der prominenteste Katholik im Bündnis mit den protestantischen Reichsfürsten gilt mW Kardinal Richelieu, der auf diese Weise den europäischen Machtgegensatz mit Habsburg für die französische Krone entscheiden wollte.

Doch gilt auch:


Aus dem vorgeblichen Streit zweier Religionen wurde der Kampf der Nationen um das europäische politische Gleichgewicht.
Das Kreuz wurde unmerklich von der Nationalflagge abgelöst.
Unter diesen neuen Bedingungen wurde es in den folgenden Auseinandersetzungen dem französischen, katholischen Kardinal Richelieu leicht gemacht, mit Duldung des Papstes, protestantische Bundesgenossen zur Herstellung des politisch-militärischen Gleichgewichtes in Europa zur Hilfe zu holen.


Das war Urban VIII.

http://private.addcom.de/koniarek/neue-biographien/urban/urban-frames.htm
 
Hallo timotheus,

das eine schließt doch nicht das andere aus.
Dass es dem Schwedenkönig natürlich auch um die Ausschaltung der Konkurrenten im Ostseeraum ging, ist klar, aber er konnte ja das eine mit dem anderen verbinden.
Und dass das katholische Frankreich mit dem protestantischen Schweden gemeinsame Sache machte, ich so verwunderlich auch nicht. Die Franzosen waren doch immer dabei, wenn es gegen das Reich ging.

Das mit dem Papst hat mich aber auch etwas verwundert, ich dachte auch immer, dass dieser mit der Liga war, aber bei den Päpsten weiß man das nie so genau, die waren immer etwas wankelmütig .....

ciao.....
 
Dass es dem Schwedenkönig natürlich auch um die Ausschaltung der Konkurrenten im Ostseeraum ging, ist klar, aber er konnte ja das eine mit dem anderen verbinden.

Nicht "auch", sondern "zuallererst und primär"...
Daß Gustav Adolf diesbezüglich andere Überlegungen hatte als er vor dem schwedischen Reichstag äußerte, zeigt bspw. der Fakt, daß er sein Bündnis mit Richelieu dort verschwieg.

Daß eins das andere ausschließen würde, hatte ich übrigens gar nicht behauptet: nur überlagerte nicht der konfessionelle Faktor die anderen - und schon gar nicht den französisch-habsburgischen Machtgegensatz, der seinerseits sehr vordergründig war.

Das mit dem Papst hat mich aber auch etwas verwundert, ich dachte auch immer, dass dieser mit der Liga war, aber bei den Päpsten weiß man das nie so genau, die waren immer etwas wankelmütig .....

Wie Mercy dankenswerterweise zurechtgerückt hat, ging es um einen Kurswechsel unter Papst Urban VIII. - aufgrund dessen, daß ihm die Habsburger in Oberitalien zu stark zu werden drohten -, was jedoch Duldung von Richelieus Bündnispolitik bzw. Parteinahme für Frankreich bedeutete und nicht direkte Unterstützung der protestantischen Reichsfürsten.
 
..daß ihm die Habsburger in Oberitalien zu stark zu werden drohten...

Ja, diesen "inneritalienischen" Konflikt meinte ich; es ging wohl um Erbfolge (leider hatte ich das Buch von V. Wedgwood aus der Bücherei und damit nicht in Reichweite).

Soweit ich weiss gab es ansonsten keine direkte militärische Beteiligung des Papstes.
 
Weil ich es gerade zur Hand habe, später kann man, weil diese Diskussion ja ständig wiederholt wird, hierher verlinken:
Der schwedische Reichstag über die Kriegsziele:
"Es gibt keinen besseren Schutz für die Ostsee - und folglich keine andere Sicherheit für Schweden - als die Offensive. Denn ernstlich kann man von Stralsund aus ... die See auf beiden Seiten längs der ganzen deutschen Küste rein halten. Kann man auch Wismar überwältigen ..., so ist die ganze Ostsee eingenommen, denn es ist alsdann kein bedeutender Hafen mehr übrig. Kommt man - drittens - in den Besitz von Rügen und vermag man zu Lande etwas zu erobern, so würde das eine Versicherung mehr sein für die Herrschaft Schwedens in der Ostsee."
Man muss dabei bedenken, dass Stralsund lange von den Kaiserlichen belagert worden und Wallenstein als Herzog in Mecklenburg installiert worden war. Der Bau einer Flotte war schon mehr als ein Hirngespinst des Kaisers, sondern ein ernst zu nehmendes Projekt in einer Situation, als die Kaiserlichen so weit im Norden standen wie lange nicht mehr.
Gustav Adolf im Reichstag:
"...Vor allem aber müssen unsere unterdrückten Religionsverwandten von dem päpstlichen Joch befreit werden, und das wird, mit Gottes Hilfe möglich sein."
Naja gebetet wurde viel während des Krieges auf beiden Seiten und die himmlischen Mächte als auf der eigenen Seite befindlich dargestellt... Jedenfalls sind die beiden zeitgen. Aussagen, relativ gute Belege was Schwedens Antriebe zum Feldzug waren, mal den gefährlichen Reichsabsolutismus als Schreckgespenst noch außen vor gelassen.:fs:
 
Daß eins das andere ausschließen würde, hatte ich übrigens gar nicht behauptet: nur überlagerte nicht der konfessionelle Faktor die anderen - und schon gar nicht den französisch-habsburgischen Machtgegensatz, der seinerseits sehr vordergründig war..


Man sollte Fürsten wie Gustav Adolf von Schweden oder Herzog Maximilian von Bayern eine religiöse Motivation nicht absprechen. Allein praktische Machtinteressen zu vermuten, wäre zu kurz gesprungen, und würde das Selbstverständnis von Herrschern jener Zeit nicht treffen. Wenn man zeitgenössische Quellen und Herrscherbiografien betrachtet, kommt man zu dem Schluss, dass sich religiöse Motive und territoriale Ziele unentwirrbar miteinander verbinden.

Natürlich ist festzuhalten, dass der Krieg schließlich aus dem Ruder lief und die konfessionelle Motivation immer mehr zurücktrat. Nach dem Motto, dass der Krieg den Krieg ernähren müsse, artete der Kampf vielfach zu bloßer Drangsalierung der geplagten und dezimierten Zivilbevölkerung durch skrupellose Söldnerbanden aus.

Wie sehr sich der Krieg schließlich von seinen ursprünglichen Zielen entfernt hatte, zeigt die absurde Mächtekonstellation gegen Ende der Auseinandersetzung: Für die geschwächten Schweden focht nun das katholische Frankreich gegen den katholische Kaiser !

Wie ambivalent das Handeln Gustav Adolfs war, zeigt der Vertrag von Bärwalde, den er am 13. Januar 1631 mit Richelieu bzw. dem katholischen Frankreich schloss, nachdem er am 6. Juli 1630 an der deutsche Ostseeküste gelandet war:

Es soll hiermit ein Bündnis geschlossen werden zwischen den durchlauchtigsten Königen von Schweden und Frankreich zum Zweck der Verteidigung ihrer gemeinsamen Bundesgenossen, der Sicherheit der Ost- und Nordsee, der Freiheit des Handels und der Wiederherstellung der unterdrückten Stände des Römischen Reiche ...

Da die Gegenseite sich bis zum heutigen Tage zu keiner Wiedergutmachung des zugefügten Unrechts bereit erklärt und die deshalb unternommenen Schritte bisher zurückgewiesen hat, soll die Rettung der gemeinsamen Bundesgenossen mit bewaffneter Hand bewirkt werden.

Zu dem Zweck wird der König von Schweden entsprechend der großen Kriegslast dreißigtausend Mann zu Fuß und sechstausend Kürassiere auf seine Kosten nach Deutschland führen und dort unterhalten. Der König von Frankreich wird jährlich 400 000 Reichstaler = eine Million Livres beisteuern ... und den Beauftragten des Königs von Schweden auszahlen und übergeben. Die Anwerbung von Soldaten und Schiffen sowie die Ausfuhr von Schiffen und Kriegsmaterial soll in den beiderseitigen Staaten frei sein, den Gegnern aber verwehrt werden.

Wenn Gott dem König von Schweden Erfolg verleiht, wird er sich hinsichtlich der Religionsausübung in den eroberten Ländern nach den Reichsgesetzen verhalten. An Orten, wo er die Ausübung der Römisch-katholischen Religion vorfindet, soll diese unberührt erhalten bleiben.

Mit dem Herzog von Bayern und der Katholischen Liga im Römischen Reich soll Freundschaft oder wenigstens Neutralität gehalten werden, sofern sie ihrerseits das gleiche tun ...

(Sverges Traktater, Bd. V 2, S. 438-440)


Ein erstaunliches Dokument, das wie selbstverständlich einen Pakt zwischen dem katholische Frankreich und dem protestantischen Schweden besiegelt, und sogar der katholischen Liga freundschaftliches Einvernehmen anbietet.
 
Ein erstaunliches Dokument, das wie selbstverständlich einen Pakt zwischen dem katholische Frankreich und dem protestantischen Schweden besiegelt, und sogar der katholischen Liga freundschaftliches Einvernehmen anbietet.
So erstaunlich nun auch wieder nicht. Allianzen zwischen katholischen und protestantischen Staaten waren nicht die Ausnahme. In der damaligen Machtpolitik spielte dies keine Rolle, wenn es politisch sinnvoll war.
Ich würde die Allianz Frankreichs mit den protestantischen Mächten nicht überbewerten. Auch an der Seite einer katholischen Macht konnte man die eigenen konfessionellen Pläne weiter verfolgen, da sehe ich keinen Widerspruch. Natürlich ist eine Trennung zwischen der persönlichen Religiösität der Herrscher und Potentaten von der Politik ihrer Staaten schwerlich trennbar.

Aber ein Johann Georg I., durchaus ein frommer Mann, meinte auch die Wohlfahrt seiner Religion zu unterstützen, indem er sich nicht der Union von Auhausen bspw. anschloss, was auch der Brandenburgische Kurfürst nicht tat. Die Union als Wahrer protestantischer Interessen, oftmals so hingestellt, ist eben eine sehr vereinfachende Sichtweise, bis zur Verfälschung. Vielmehr stellt die Union von Auhausen ein Ausscheren einiger Reichsstände dar, welche erkannten, dass mit Brandenburg und Sachsen keine Unterstützung im Kurkolleg für eine Lösung des sich anbahnenden Konfliktes möglich war. Diese Union agierte also an den Instrumentarien des Reiches vorbei. Darin würde ich einen der Hauptauslöser des Krieges sehen oder zumindest für die Dimensionen, die er nach kurzer Zeit annahm.
Ein klar protestantisches Lager auf der einen und ein katholisches auf der anderen Seite, ist oftmals die viel zu einfach gemachte Darstellung des Konfliktes. ( :motz: )
Wie sagten die Kurfürsten in Dresden in diesen Jahren, oder besser gesagt die kursächsischen Räte Esaias von Brandenstein und Max Gerstenberg 1610:
"Politice seint wir bäpstisch."
Über die Union sagte Johann Georg I.:
"Constitutionibus zuwider, dem haubt nachtheilig, und den stenden als gliedern ganz schedlich"
Er meinte, dass ein Erhalt des Augsburger Religionsfriedens und somit der konfessionellen Situation in Sachsen nur an der Seite des Kaisers möglich sei und die Insubordinationen, welche der Aufstand in Böhmen mit sich brächte nur dem Reichsfrieden und dem Frieden unter den Konfessionen abträglich sei. Dass Glaubensgenossen ihre Glaubensausübung verteidigten bzw. auf alte Rechte pochten (Majestätsbrief), sah er nicht. Vor allem aber missbilligte er den Weg an den Institutionen des Reiches vorbei.
 
Bei einem so komplexen und langwierigem Geschehen wie dem 30-jährigen Krieg kann man natürlich immer einzelne Beispiele finden, die eine These belegen oder widerlegen.

Vom Gesamtcharakter her war er aber schon ein Glaubenskrieg.

Die Konfessionsgegensätze waren die Grundlage, auf der sich fast alle Allianzen bildeten und die den Großteil der Kriegsanstrengungen motivierten.

Das zeigt sich schon beim Auslöser: Daß Böhmen nun pfälzisch statt habsburgisch sein könnte, hätte bei der nächsten Kaiserwahl eine protestantische Mehrheit im Kurkollegium bedeuten können.

Das hat eben die meisten katholischen Reichsstände bewogen, das dynastische Privatproblem der Habsburger in Böhmen zu ihrer Sache zu machen - sie befürchteten von den Protestanten untergebuttert zu werden.

Und umgekehrt hatte Schweden natürlich machtpolitische Gründe für sein Eingreifen - aber entscheidend war eben die Angst, daß nach Wallensteins Erfolgen der Katholizismus sich wieder allgemein durchsetzen würde.

Wenn man mal die kleineren Seitenwechsel oder Intrigen diverser Fürsten außer acht läßt, bleibt nur eine wesentliche Ausnahme von der Gesamtregel "Glaubenskrieg": Die Politik des nominell katholischen Frankreich.
Dort war Staatsraison deutlich wichtiger als die Religion, das sieht noch deutlicher einige Zeit später beim Bündnis mit den Osmanen gegen christliche Staaten.
 
Das zeigt sich schon beim Auslöser: Daß Böhmen nun pfälzisch statt habsburgisch sein könnte, hätte bei der nächsten Kaiserwahl eine protestantische Mehrheit im Kurkollegium bedeuten können.
Nur wenn man es nicht aufdröselt.:devil:
Ich rechne zusammen zwei calvinistische Stimmen. (Böhmen und Pfalz, aber ohnehin schwierig, wenn man bedenkt, dass eine Gleichzeitigkeit herrschte, diese zwei Stimmen vor einem Kaiser, der eine von beiden beanspruchte, kaum gezählt hätten.)
Eine calvinistische, welche allerdings einem lutheranischen Kurstaat vorstand. (Brandenburg, immer sehr komplex.)
Eine lutherische. (Sachsen)
Drei Katholische. (Trier, Mainz, Köln.)
Du gehst fälschlich von einem gemeinsamen Vorgehen der Kurfürsten des protestantischen Lagers aus. Eben das gab es eben nicht. Sowohl der brandenburgische als auch der sächsische Kurfürst mussten zu ihrem "Glück" gezwungen werden, für Gustav Adolf Partei zu ergreifen.
Aus dem Selbstverständnis von Johann Georg und seinem brandenburgischen Kollegen, der von Schwarzenberg beeinflusste, Georg Wilhelm war ein Vorgehen an der Seite der Pfalz undenkbar. Es gab nicht DIE protestantische Partei, sondern eine reformierte und eine lutherische-kaisertreue, die sich selbst am liebsten garnicht erst als eigene Partei sah, bis ja bis dann das Restitutionsedikt aus dem Sack war und es nun knallhart um Besitz des Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg ging.

Schweden hatte sicherlich die Befürchtung, dass das Reich auf einen Einkonfessionsstaat zusteuerte, wie es sich in Frankreich bei La Rochelle abzeichnete, wo die Protestanten deutlich an politischem Boden verloren.

Sicherlich darf man nicht vergessen, dass die Kurwürde auch abseits der Wahl von imenser Bedeutung war, denn die Kurfürsten waren doch zumeist führende Mächte innerhalb der Reichskreise.

Den Glaubenskrieg sehe ich darin, dass die Böhmen in der Herrschaft der Habsburger eine Gefahr sahen, welche sie im restriktiven Vorgehen Ferdinands in seiner Zeit als Erzherzog gegen dessen Untertanen bestätigt fanden. Durch diese Bemühungen der Habsburger schien den Böhmen zweierlei gefährdet, die libertären Rechte der Stände und die, daran geknüpfte Freiheit der Konfession und all die Errungenschaften auch der hussitischen Bewegung.
 
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Bei einem so komplexen und langwierigem Geschehen wie dem 30-jährigen Krieg kann man natürlich immer einzelne Beispiele finden, die eine These belegen oder widerlegen.Vom Gesamtcharakter her war er aber schon ein Glaubenskrieg..


Wenn ich R.A. richtig verstanden habe, ging es ihm weniger um eine gelehrte Aufzählung von Virilstimmen, als um die Feststellung, dass der Anteil konfessioneller Motivation eben doch sehr hoch war, möglicherweise sogar die Machtinteressen überstieg.

Wie dem auch sei: Es ist äußerst schwierig, bei den einzelnen Fürsten zu bestimmen, ob religiöse oder territoriale Ziele überwogen. Hinzu kommt, dass sich der Charakter des Kriegs im Verlauf von 30 Jahren wandelte. War es zu Beginn vielleicht wirklich in erster Linie ein Glaubenskrieg, so überwogen später machtpolitische Ziele. Vermutlich muss man, um gezieltere Aussagen zu treffen, auch die einzelnen Herrscherbiografien untersuchen, die höchst unterschiedlich sind.
 
Bei einem so komplexen und langwierigem Geschehen wie dem 30-jährigen Krieg kann man natürlich immer einzelne Beispiele finden, die eine These belegen oder widerlegen.

So ist es.

Vom Gesamtcharakter her war er aber schon ein Glaubenskrieg.

Dem wage ich zu widersprechen - und erlaube mir, diesbezüglich nochmals auf den bereits von Mercy verlinkten Thread zu verweisen: http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=9809

Die Konfessionsgegensätze waren die Grundlage, auf der sich fast alle Allianzen bildeten und die den Großteil der Kriegsanstrengungen motivierten.

Zumindest gleichrangig stand aber der ältere Machtgegensatz Habsburg-Frankreich, auf welchem die sich gegenüberstehenden Machtblöcke der Habsburgischen und Antihabsburgischen Koalition ihrerseits aufbauten.

Das zeigt sich schon beim Auslöser: Daß Böhmen nun pfälzisch statt habsburgisch sein könnte, hätte bei der nächsten Kaiserwahl eine protestantische Mehrheit im Kurkollegium bedeuten können.

Die protestantische Mehrheit im Kurkollegium allein sollte eben mE nicht überschätzt werden: Kursachsen stand - obgleich protestantisch - zum habsburgischen Kaiser und in striktem Gegensatz zur Kurpfalz.

Das hat eben die meisten katholischen Reichsstände bewogen, das dynastische Privatproblem der Habsburger in Böhmen zu ihrer Sache zu machen - sie befürchteten von den Protestanten untergebuttert zu werden.

Ich verweise nochmals auf das kursächsische Beispiel: das Eingreifen in den Böhmisch-pfälzischen Krieg 1618/23 stand im Einklang mit der Feindschaft zur Kurpfalz sowie dem schon länger angestrebten Erwerb der Lausitzen.

Und umgekehrt hatte Schweden natürlich machtpolitische Gründe für sein Eingreifen - aber entscheidend war eben die Angst, daß nach Wallensteins Erfolgen der Katholizismus sich wieder allgemein durchsetzen würde.

Schweden ging es - wie ich schon mehrfach geäußert hatte - darum, seine tatsächlichen wie auch potentiellen Rivalen im Ostseeraum auszuschalten. Ob diese nun Katholiken oder Protestanten waren, spielte da nur eine geringe Rolle: die schwedische Beteiligung am Dreißigjährigen Krieg steht im Kontext mehrfacher kreigerischer Auseinandersetzungen mit den Ostseenachbarn - vom katholischen Polen bis zum protestantischen Dänemark.
 
@Brissotin:
> Böhmen und Pfalz, aber ohnehin schwierig,
> wenn man bedenkt, dass eine Gleichzeitigkeit
> herrschte, ...
Zum Zeitpunkt der böhmischen Königswahl schon - aber die Pfälzer hätten die beiden Territorien später von zwei Familienmitgliedern regieren lassen können.
Für die Katholiken war einfach die Befürchtung, daß die Pfälzer sich festsetzen, wenn man die Machtübernahme in Böhmen durchgehen läßt.

> diese zwei Stimmen vor einem Kaiser, der
> eine von beiden beanspruchte, kaum gezählt
> hätten.
Wir reden von der nächsten Kaiserwahl. D.h. da wäre dieser beanspruchende Kaiser gerade tot ;-)

> Du gehst fälschlich von einem gemeinsamen
> Vorgehen der Kurfürsten des protestantischen
> Lagers aus.
Nein.
Ich gehe nur davon aus, daß die Katholiken befürchten mußten, daß sich dieses Lager bis zur nächsten Kaiserwahl zusammenrauft.

Wir dürfen doch nicht nur die Situation 1618 und die dann gerade aktuelle Machtpolitik z. B. des Kurfürsten von Sachsen sehen.

Da gibt es eine Vorgeschichte von einem Jahrhundert Konfessionsauseinandersetzungen und einem sehr fragilen Gleichgewicht in der Reichsstruktur.

Diese Struktur hatte beiden Seiten halbwegs Sicherheit gegeben - für die Katholiken war das gefährdet, wenn ein Kurfürstentum und mittelfristig das Kaisertum zur Gegenseite kippt.
 
@Dieter:
> Es ist äußerst schwierig, bei den einzelnen
> Fürsten zu bestimmen, ob religiöse oder
> territoriale Ziele überwogen.
Korrekt.

Wobei ich allgemein bereit bin, das Etikett "Glaubenskrieg" zu vergeben, wenn religiöse Fragen eine dominierende Rolle spielen - und das sehe ich hier.

Das wird m. E. überhaupt nicht dadurch widerlegt, daß eine Reihe von Akteuren völlig glaubensfern und aus anderen Motiven handelten.
 
@timotheus:
> diesbezüglich nochmals auf den bereits von
> Mercy verlinkten Thread zu verweisen:
Den habe ich gelesen, aber mit Verlaub, das hat mich nicht überzeugt.

> Zumindest gleichrangig stand aber der ältere
> Machtgegensatz Habsburg-Frankreich, ...
Korrekt.
Und der war Grund, warum Frankreich die große Ausnahme spielte und eben konfessionsmäßig komplett auf die Gegenseite ging.

Ansonsten aber bilden sich die Koalitionen eben ziemlich durchgängig entlang der Konfessionsgrenzen. Ob sich einer der vielen Akteure mit Frankreich oder mit Habsburg verbündet wiederfindet, das hat in erster Linie mit Religion zu tun, nur in Ausnahmefällen (Sachsen) mit Machtpolitik.

Siehe zum Beispiel Bayern, das in späterer Zeit (als Konfession eben kaum noch wichtig war) ein fast natürlicher Verbündeter Frankreichs war - machtgeographisch waren die Habsburger eher Gegner.

> Die protestantische Mehrheit im Kurkollegium
> allein sollte eben mE nicht überschätzt werden:
Siehe Antwort oben - an dieser Mehrheit hängt potentiell sehr viel.

> Schweden ging es - wie ich schon mehrfach
> geäußert hatte - darum, seine tatsächlichen
> wie auch potentiellen Rivalen im Ostseeraum
> auszuschalten.
Ich behaupte mal: Wegen eines protestantischen Herzogs Wallenstein in Mecklenburg wäre Gustav Adolf nicht in den Krieg gezogen.
Und er hätte es viel schwerer geschafft, seine Stände dafür zu motivieren.


Wenn man Machtpolitik vs. Konfession spricht, dann sollte man übrigens auch überlegen, wieso eigentlich die meisten Reichsstände ihre Konfession gewählt haben!

Es ist ja kein Zufall, daß fast alle weltlichen Fürsten (außer Bayern) und Reichsstädte der Reformation zuneigten, der Kaiser, die geistlichen Fürsten und die Reichsritter eher den Katholizismus.
Dieses Muster wird zwar durch eine Reihe von Individualentscheidungen durchbrochen - aber es ist deutlich sichtbar.

Mit ihrer Konfession verteidigen die Akteure eben auch für sie günstige Rechtspositionen - man kann Religion und Machtpolitik daher gar nicht komplett trennen.
 
Mit ihrer Konfession verteidigen die Akteure eben auch für sie günstige Rechtspositionen - man kann Religion und Machtpolitik daher gar nicht komplett trennen.

Mein Eindruck ist, daß die zu erkämpfenden Rechtspositionen doch dem konfessionellen Ansatz vorgelagert waren, als Beispiel Frankreich.

Was die Spätphase des 30-jährigen Krieges betrifft ;
Frankreich mußte immer ein Interesse haben an möglichst großem Wiederstand einzelner Reichsfürsten gegen die habsburgisch-kaiserlichen bisher verbrieften Reservatrechte.
Nicht zuletzt aufgrund von Bemühungen Frankreichs und Schwedens und einer reichständischen Reformgruppe , erfuhr der Komplex der kaiserl. Reservatrechte eine wesentliche Einschränkung im westf. Frieden zugunsten der Reichsstände, gut für Frankreich, da Schwächung Habsburgs.
Die Stände wurden im westf. Frieden neben dem Kaiser zu vollberechtigten und völkerrechtl. anerkannten Vertretern des Reiches, ein unbedingtes polit. Ziel Richelieus, dessen Früchte nun geerntet werden konnten.
Die Versuche der habsburg. Kaiser vor 1648 , das Reichsverfassungsproblem im monarchistischen Sinn und zugunsten der kaiserl. Reservatrechte zu lösen, mußte angesichts der flächendeckenden Gefahr einer habsburg.-kath. Annexion in jedem Fall Koalitionen gegen diese Bestrebungen finden, da ist der konfessionelle Ansatz zu diesem Zeitpunkt m.E. schon kein Thema mehr.
 
Wenn ich R.A. richtig verstanden habe, ging es ihm weniger um eine gelehrte Aufzählung von Virilstimmen, als um die Feststellung, dass der Anteil konfessioneller Motivation eben doch sehr hoch war, möglicherweise sogar die Machtinteressen überstieg.
Ich glaube Du unterschätzt ziemlich die wirklichen Gewichtungen im Reich und dass eben diese Kurstimmen durchaus zum Weg der Union in den Krieg führte.

Übrigens ging ich auf die Bedeutung der konfessionellen Unterschiede ein, aber die bestanden eben nicht zwischen einer protestantischen und katholischen Seite, sondern ebenso innerhalb der Protestantischen. Daher könnte man selbst den Sachsen beim Vorgehen gegen die böhmischen Nebenländer zubilligen noch aus konfessionellen Gründen gegen die verhassten Calvinisten (indirekt). Axel Gotthard stellt in seiner Biographie zu Johann Georg I. noch in den Raum, dass der sächsische Kurfürst auch ohne die nette Morgengabe der Lausitzen wahrscheinlich marschiert wäre. Wie gesagt, in Dresden ging es um die Restaurierung des Reichsfriedens.
Selbst innerhalb der Union von Auhausen gab es keine Einstimmigkeit. Der Oberbefehlshaber der Truppen der Union von Anhalt marschierte zwar nördlich Wien und hatte Scharmützel mit den Kaiserlichen, außer der Schlacht bei Zablat kam es vor dem Weißen Berg allerdings zu nichts außer Eroberungen von Städten auf beiden Seiten.
Als die Pfalz verheert wurde unter Spinola, handelten die meisten der Union auch nicht im Sinne des Pfälzers. Der Markgraf von Baden-Durlach und der Tolle Halberstädter waren schon Ausnahmen.
Wenn man konfessionelle Ursachen sehen möchte dann im Widerstand gegen die Gegenreformation in Niederösterreich, Mähren, Böhmen und den böhmischen Nebenländern.

Der einzige, wenn auch beschauliche Versuch eine neue protestantische Partei zu etablieren sehe ich im Leipziger Manifest von 1631 des sächsischen Kurfürsten, der allerdings immernoch keine
wollte, sondern eine Art bewaffnete Neutralität. Zu Gespräche darüber lud er fast alle protestantische Fürsten nach Leipzig im Februar 1631, als Sachsen aber schon mit seiner Haltung beim Kaiser recht ins Abseits gelangt war. Die Idee des Kurfürsten war freilich eine deutsche Friedenspartei, was aber nicht mehr den Realitäten eines entkonfessionalisierten und internationalisierten Krieges passte. 1618 hätte es vielleicht noch Chancen gehabt. Jedenfalls wischte Gustav Adolf das Projekt vom Tisch:
"Unsere Angelegenheiten in Teutschland brauchen keine Neutralen."
Im Coswiger Vertrag vom 11.September 1631 wurde Johann Georg sozusagen "zwangsweise" Verbündeter, weil der Einmarsch Gustav Adolfs jeder Neutralität den Boden entzogen hatte.

Also ich sehe schon konfessionelle Motivationen, aber eben kein protestantisches Lager oder protestantisches Denken, wie man es gerne vereinfachend unterstellen möchte. (Aber ich denke ohnehin ich werde gern missverstanden. :motz: ;) )
 
> Also ich sehe schon konfessionelle
> Motivationen,
Das ist eine gute Formulierung.
Eben diese reichen mir, um die Bezeichnung "Glaubenskrieg" zu rechtfertigen.

Wenn man nämlich die Kriterien dafür zu hoch hängt - dann verliert dieser Begriff seinen Sinn, dann bleiben nämlich fast keine "echten" Glaubenskriege mehr übrig, weil sich immer andere Motive reinmischen.

> aber eben kein protestantisches Lager oder
> protestantisches Denken
Von einem "protestantischen Denken" würde ich schon sprechen. Man sieht ja auch, wie immer wieder die natürlichen Ansprechpartner sich sammeln.
Aber in der Tat führt das nicht dazu, daß immer und automatisch ein "protestantisches Lager" da wäre, die internen Interessengegensätzesind da und oft stärker als die gemeinsame konfessionelle Motivation.
 
> diese zwei Stimmen vor einem Kaiser, der
> eine von beiden beanspruchte, kaum gezählt
> hätten.
Wir reden von der nächsten Kaiserwahl. D.h. da wäre dieser beanspruchende Kaiser gerade tot ;-)
Mir geht es aber primär, um die Zeit in welcher der Kaiser noch lebte und da hatten auch die Kurfürsten wichtige Funktionen inne. So vollzog der Kurfürst von Sachsen mehrfach die Exekution der Reichsentscheidungen, das hieß im Klartext, dass er Reichsfeinde, auch innere, bestrafte und das mit dem Wohlwollen der Institutionen des Reiches. Eine Mehrheit innerhalb des Kurkollegs war für Reichsentscheidungen durchaus von Relevanz, auch abgesehen von der Kaiserkrönung.
Man muss bedenken, dass die Kurfürsten, außer dem pfälzischen zwangsläufig durch die Situation im Kurkolleg, zumeist nicht international agierten. Das Gesandtenwesen war noch nicht soweit ausgebaut, da war Wien eindeutig führend. Das heißt, dass die Reichspolitik durchaus noch den entscheidenden Anteil an der Außenpolitik der Kurstaaten hatte.
Eine Politik an dem Kurkolleg vorbei musste also den meisten Kurfürsten als eine Entziehung der Bedeutung ihrer kurfürstlichen Würde bedeuten! Dies konnten sie, weil innerhalb des Reiches ihr schwerstes Pfund nicht gefährdet sehen. So ist die zögerliche bis gegen die Calvinisten agressive Haltung Sachsens und Brandenburgs verständlich. Beiden ging es dabei vorrangig um den Erhalt der machtvollen Stellung des Kurkollegs. Diese hatte das albertinische Sachsen nach Mühlhausen gegen den Kaiser (Karl V.) verteidigt und tat es nun gegen das Ausscheren der "niederen" Reichsfürsten.
 
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