In der Praxis kann ich nämlich auch während der NS-Zeit nicht viel "Sicherung des christlichen Einflusses in Schule und Erziehung" erkennen.
Nicht? Ich schon: Der Religionsunterricht in den Schulen blieb weitgehend erhalten. Die Nazis hätten ohne Konkordat diesen Unterricht abschaffen können.
Und auch bzgl. Reichstag, Reichsrat und Reichspräsident muss man wohl feststellen, dass dies leere Hülsen waren oder wurden …
Das waren auch nicht die Hauptanliegen der Kirche, die sich nur um ihre eigenen Schäfchen sorgte. So blieb z.B. die Kirchensteuer erhalten – erst im Dezember 1941 zog der Staat seine Mithilfe bei der Erhebung dieser Steuer zurück. Auch blieb die katholische Presse erhalten, d.h. sie wurde – im Gegensatz zu anderen Presseorganen -, nicht gleichgeschaltet.
Und noch ein Zitat aus dem von Dir verlinkten Wiki-Artikel: "Erst als die Nationalsozialisten immer mehr Teile der Konkordatsvereinbarungen brachen oder schlicht ignorierten, kam es im deutschen Episkopat zu offener Kritik."
Ja, aber das war reichlich spät.
Kardinal Faulhaber – Zitat:
"Der Staat hat das Recht, gegen Auswüchse des Judentums in seinem Bereich vorzugehen, im besonderen, wenn die Juden als Bolschewisten und Kommunisten die staatliche Ordnung gefährden."
Quelle: Schreiben Faulhabers vom 23.10.1936 an Kardinal Bertram (Breslau).
Kardinal Faulhaber lobte auch das Konkordat in einer Predigt im Jahre 1937 - Zitat:
"Zu einer Zeit, da die Oberhäupter der Weltreiche in kühler Reserve und mehr oder minder voll Mißtrauen dem neuen Deutschen Reich gegenüberstehen, hat die Katholische Kirche, die höchste sittliche Macht auf Erden, mit dem Konkordat der neuen deutschen Regierung ihr Vertrauen ausgesprochen. Für das Ansehen der neuen Regierung im Ausland war das eine Tat von unschätzbarer Tragweite."
Beides verfasst 1 bzw. 2 Jahre nach den Nürnberger Rassengesetzen!
Und schon zuvor, gleich zu Beginn der NS-Diktatur sagte er, dass sich Juden selbst helfen sollen - Zitat:
„Dieses Vorgehen gegen die Juden ist derart unchristlich, daß jeder Christ, nicht bloß jeder Priester, dagegen auftreten müßte. Für die kirchlichen Oberbehörden bestehen weit wichtigere Gegenwartsfragen; denn Schule, der Weiterbestand der katholischen Vereine, Sterilisierung sind für das Christentum in unserer Heimat noch wichtiger, zumal man annehmen darf, und zum Teil schon erlebte, daß die Juden sich selber helfen können, daß wir also keinen Grund haben, der Regierung einen Grund zu geben, um die Judenhetze in eine Jesuitenhetze umzubiegen. Ich bekomme von verschiedenen Seiten die Anfrage, warum die Kirche nichts gegen die Judenverfolgung tue. Ich bin darüber befremdet; denn bei einer Hetze gegen die Katholiken oder gegen den Bischof hat kein Mensch gefragt, was man gegen diese Hetze tun könne. Das ist und bleibt das Geheimnis der Passion.“
Erst später im Krieg dämmerte es dem Kardinal, dass er auf falsches Pferd gesetzt hatte und kritisierte das Regime. Aber da war es schon zu spät, denn die deutschen Katholiken haben im Glauben, Vatikan mache keine Verträge mit Verbrechern, und wenn doch, dann würde er das revidieren, zu lange schweigend beiseite gestanden oder sogar mitgemacht bei diesen Verbrechen.
Quellen: "Ossietzky" Nr. 16/201 und das Begleitbuch einer Ausstellung zum 50. Todestag des Kardinal Faulhabers ISBN 3-921635-67-5
Sofern man etwas in die Rechtsgeschichte des Dritten Reiches einsteigt, würde man den oben verwendeten Begriff "erfüllen" nicht mehr verwenden.
Das stimmt, der Begriff „erfüllen“ ist zu stark. Wie wäre es mit „teilerfüllt bis gar nicht erfüllt“?