Eine Geschichte des Essens – und was damit zusammenhängt

Dion

Aktives Mitglied
Die direkte Nutzung des Feuers für die Zubereitung von Nahrung dürfte eine der entscheidenden Innovationen gewesen sein für die Menschwerdung des Menschen. Denn durch Feuer wurde ein Teil der Arbeit, die Verdauung heißt, außerhalb des eigenen Köpers verrichtet, was die Ressourcen dieses Körpers schonte. Diese freigewordenen Ressourcen konnten anderweitig genutzt werden – z.B. zum Nachdenken.

Die nächste Stufe war dann die indirekte Nutzung des Feuers durchs Kochen. Damit konnten z.B. auch Pflanzen verspeist werden, die im rohen Zustand wenig bekömmlich oder sogar giftig sind. Die Palette der Nahrungsmittel erweiterte sich dadurch weiter, was indirekt zu weniger Hunger führte: War die eine Pflanze nicht greifbar, standen u.U. andere zur Verfügung.

Man lernte auch, sie gezielt anzubauen, zu trocknen und für später aufzubewahren. Dazu musste der Mensch sesshaft werden. Dadurch gab es eine gewisse Sicherheit vor Hungerperioden, was die früheren Jäger- und Sammlergesellschaften fast regelmäßig zu erleiden hatten. Diese (neolithische) (R)evolution bewirkte eine Bevölkerungszunahme, daher ist es kein Zufall, dass die ersten Hochkulturen auf der Landwirtschaft basierten: Man kann erst Pyramiden bauen (Ägypten), sich mit der Philosophie beschäftigen (Griechen) oder eine große Streitmacht unterhalten (Römer), wenn die Versorgung auch dieser Teil der Gesellschaft gesichert ist.

Das ist natürlich verkürzt dargestellt. Auch über Begriffe wie „Aufstieg“ und „Hochkultur“ oder „Revolution“ könnte man diskutieren, aber ich hoffe, alle hier verstehen, was damit gesagt werden sollte.

Die Frage, war der aufrechte Gang – und damit die freiwerdenden Hände – für das größere Gehirn und damit für den Aufstieg des HSS verantwortlich oder die Landwirtschaft oder beide. Wahrscheinlich beide. Ich meine, auch Neandertaler ging aufrecht, hatte sogar ein größeres Gehirn als HSS, und kannte das Feuer, aber zur Landwirtschaft schaffte er es nicht, weil er vorher ausstarb, allerdings nicht ohne uns zuvor ein paar Gene zu hinterlassen. :D

Hier eine Darstellung der „Tischsitten“ – natürlich auch vereinfacht:

20210823_103913-4.jpg



Und dann haben wir hier noch ein Rezept aus der Römerzeit:


20210823_102710-2.jpg
20210823_103913-4.jpg20210823_102710-2.jpg
 
Aha, jetzt verstehe ich auch, dass es manchen Anhängern der Rohkost mit dem Denken etwas schwerer fällt... ^^
Netter Seitenhieb. :D

Aber es gibt auch Anhänger der sog. (Alt)Steinzeitdiät, die nur Nahrungsmittel enthält, die dem Menschen vor der Sesshaftwerdung bekannt waren. Ich finde sie nicht verkehrt, aber im Grunde unnötig.

Wollte noch zufügen: Das obige Rezept für die Weltherrschaft führt ein wenig in die Irre, denn das Essen der Legionäre war nicht das Essen der gutsituierten Schicht Roms. Sie ließen abends 3 Gänge auffahren, klar, sie haben noch nichts von dem protestantischen Spruch* hören können, der da heißt: „Frühstücken wie ein Kaiser, Mittagessen wie ein Fürst, Abendessen wie ein Bettelmann.“:D

Wobei Abendessen schon zu viel gesagt ist, denn das war und ist bei den Protestanten: Abendbrot, wohl in Anlehnung an das letzte Abendmahl Jesu, der allerdings das Brot nicht schnitt, sondern brach.

Ganz anders die Katholiken, denn sie haben die römischen Sitten geerbt, in Italien z.B. sagen sie zum Abendessen immer noch wie die alten Römer: cena. Und eine cena besteht aus mindestens 3 Gängen. Zum Frühstück reicht den Italienern dagegen eine Brioche (Hörnchen) und ein Cappuccino, für Mittagsessen Pasta oder ein warmgemachtes belegtes Brot und Wasser.

Beim Essen gilt also eine umgekehrte Reihenfolge und trotzdem kann man nicht sagen, die einen oder anderen leben/essen gesünder, wobei es da schon einen Unterschied zu geben scheint: Wegen der verengten linken Schlagader empfahl mir der Kardiologe „mediterrane Kost“.

* Ein gutes Beispiel wie groß die Unterschiede zwischen Katholiken und Protestanten (Pietisten) beim Essen waren und zuweilen noch sind, zeigt der Film „Babettes Fest“, den sogar der Papst in einem seiner Lehrschreiben erwähnte.
 
Ein paar Fragen noch zum Rezept:
(Ich wollte es tatsächlich mal ausprobieren)

Obwohl Hefe dabei ist, soll der Teig nicht gehen oder ruhen, stattdessen rühre ich mir eine Viertelstunde die Finger wund?

Das Brot wird dann rund geformt, oder länglich? Keine feste Backform, richtig?

Und zum backen: die berühmten 225 Grad auf mittlerer Schiene, oder nicht ganz so heiß?

Backbereiter Gruß, muheijo
 
Man lernte auch, sie gezielt anzubauen, zu trocknen und für später aufzubewahren. Dazu musste der Mensch sesshaft werden. Dadurch gab es eine gewisse Sicherheit vor Hungerperioden, was die früheren Jäger- und Sammlergesellschaften fast regelmäßig zu erleiden hatten.

Der Übergang zum Ackerbau war an sich wohl eher kein "Aufstieg", sondern möglicherweise von der Not geboren. Wo Wildbestände durch Überjagung eingebrochen waren, musste man sich auf mühsamere Formen der Nahrungsbeschaffung einstellen.

"Skelettfunde zeigen zum Beispiel, dass die frühen Bauern kürzer lebten und längst nicht so gesund waren, wie benachbarte Jäger und Sammler. Letztere hatten unterm Strich ein leichteres Leben, denn Ackerbau ist vor allem eines: arbeitsaufwändig."

„Unter diesen zehn Gruppen gab es solche, die nur jagen und sammeln, und anderen, die fast nur Ackerbau betreiben. Wenn die Leute mit dem Ackerbau beginnen, dann müssen sie mehr arbeiten und haben weniger Freizeit. Wir schätzen, dass der Ackerbau in der Woche zehn Arbeitsstunden mehr erfordert. Besonders die Frauen haben weniger Freizeit. Sie arbeiten mehr auf dem Acker, als die Männer.“
Jagen und Sammeln ist offenbar der effektivere Weg, an die nötigen Nahrungskalorien zu kommen. Zumal es noch weitere negative Konsequenzen des Reisanbaus gibt.
„Wir haben herausgefunden, dass die Gruppen, die Reis anbauen, weniger gesund sind. Sie klagen häufiger über Krankheiten und leiden unter Parasiten, auch ihre Lebenserwartung ist kürzer. Dafür sind sie fruchtbarer, bekommen mehr Kinder und das in kürzeren Abständen.“

Von Jägern zu Ackerbauern - Als die Freiheit der Menschheit endete
 
Obwohl Hefe dabei ist, soll der Teig nicht gehen oder ruhen, stattdessen rühre ich mir eine Viertelstunde die Finger wund?

Nach Marcus Junkelmann, Die Legionen des Augustus (Mainz 2003, S. 125) lässt man ihn ruhen, sein Rezept lautet so:

Der Teig für ein gut 1 1/2 Pfund schweres Brot besteht aus 500 g geschrotetem Weizen, 300 g angewämrem Wasser, 20 g Salz und 20 g Hefe. Gelegentlich fügten wir Zwiebeln oder Honig zu. Nachdem er intensiv geknetet worden ist, läßt man den Teig zugedeckt neben dem Feuer 20 Minuten lang aufgehen, schlägt ihn zusammen und gibt ihn auf den Stein oder in den Topf. Die Backzeit beträgt je nach Volumen 30-50 Minuten.


In Ermangelung eines Ofens geht Junkelmann vom Backen in der heißen Asche der Feuerstelle aus; als Unterlage kann ein heißer flacher Stein dienen oder ein Topf, den man "etwa zur Hälfte mit Teig füllt, in die Glut stellt und mit heißer Asche bedeckt.

Statt Hefe hätten die Römern meistens Sauerteig benutzt. Das Brotbacken soll nicht sehr beliebt gewesen sein; "immer wieder mußte eingeschritten werden, weil die Soldaten ihr Getreide bei den Marketendern gegen fertige Backwaren eintauschten."

Durch erneutes Backen wurde Zwieback (bucellatum) hergestellt, dieser diente wohl als eiserne Ration im Marschgepäck.
 
...
In Ermangelung eines Ofens geht Junkelmann vom Backen in der heißen Asche der Feuerstelle aus; als Unterlage kann ein heißer flacher Stein dienen oder ein Topf, den man "etwa zur Hälfte mit Teig füllt, in die Glut stellt und mit heißer Asche bedeckt.
...
Wenn wir in der Sahara unterwegs sind, backen wir gerne unser Brot wie die einheimischen Nomaden. Dazu legen wir den Hefeteig direkt in das Glut/Asche/Sand-Gemenge. Den Teig auch mit demselben Material bedecken. Nach etwa zwanzig Minuten das Brot wenden und noch einmal gleich lang backen.
Anders als man denken würde, bleiben der Sand und die Asche nämlich nicht am Brot kleben.

Ich könnte mir vorstellen, dass die Römer das genau so gemacht haben.

(Übrigends: Wenn man das Brot in einem Topf backt, wird es untenrum schwarz und bleibt am Topf kleben!)

Gruss Pelzer
 
Ich meine, auch Neandertaler ging aufrecht, hatte sogar ein größeres Gehirn als HSS, und kannte das Feuer,
Vermutlich würden wir einen Neandertaler nicht als solchen erkennen, wenn er uns über den Weg liefe, vielleicht würden wir uns über ausgeprägte Gesichtszügen wundern. Vielleicht auch nicht.
Das größere Gehirn allerdings ist irrelevant. Wichtig ist die Synapsenvernetzung.
 
Es gibt durchaus die Ansicht, dass nicht der Mensch das erfolgreichste Lebewesen auf dem Planeten sei, sondern das kopflose Getreide, das nicht der Mensch, sondern das den Menschen domestiziert hat. Das Getreide erfordert viel mehr Arbeit als die Jagd. Man muss den Boden bereiten, es säen und ernten und nach der Enrte behandeln. Aber das reicht ja nicht, man muss es dauerhaft lagern, sich vom Munde aufsparen, um es wieder zu säen, man muss die Felder von Wildfraß schützen und die Ernte vor tierischen und menschlichen Feinden, man muss Unkraut jäten und aufpassen, dass man sich kein Mutterkorn einfängt....
 
Das größere Gehirn allerdings ist irrelevant. Wichtig ist die Synapsenvernetzung.
Das halte ich für eine Spitzfindigkeit, um die Vormachtstellung des HSS gegenüber HSN beizubehalten, denn es kann heute niemand mehr feststellen, wie die Synapsenvernetzung der Neandertaler war.

Solange der Mensch nur jagte und sammelte, war er nur ein Raubtier, ähnlich einem Bären. Mit der Landwirtschaft und der damit verbundenen Sesshaftigkeit war seine Ernährung in der Regel über das ganze Jahr gesichert. Er musste seine überzähligen Kinder nicht mehr töten – die Nomaden konnten ja nur eine begrenzte Zahl an kleinen Kindern mitführen –, sondern brachte mehrere bis ins Erwachsenenalter durch, die sich meistens in der Nähe niederließen.

So entstanden Dörfer und Städte mit der Konsequenz der Spezialisierung und Arbeitsteilung. Nicht zu vergessen ist hier die Konzentration von Menschen (und damit auch der Ressourcen) an einem Ort, was größere gemeinsame Unternehmungen ermöglicht.

Es sind Städte, die höchste technische und kulturelle Leistungen erbringen – negatives Beispiel: Durch den Niedergang der römischen Städte in der Spätantike und Frühmittelalter fiel zumindest der westliche Teil Europas auf Subsistenzwirtschaft zurück, die nicht mehr in der Lage sein konnte, die vorhandenen kulturellen Leistungen und Bauten zu unterhalten, geschweige denn selbst welche hervorzubringen.

Obwohl der Gesundheitszustand der Bauern schlechter als der der Jäger und Sammler war, wuchs die Bevölkerung enorm schnell: Vor 12.000 Jahren lebten 5-8 Millionen Nomaden auf diesem Planeten, nach der neolithischen (R)evolution lebten nach ca. 5000 Jahren – neben der verbliebenen 1 Million Nomaden – 250 Millionen Bauern, die in festen Behausungen lebten.
 
Das halte ich für eine Spitzfindigkeit, um die Vormachtstellung des HSS gegenüber HSN beizubehalten, denn es kann heute niemand mehr feststellen, wie die Synapsenvernetzung der Neandertaler war.
Das hat einen leicht verschwörerischen Drive. Einen wichtigen Satz hast du wohlweislich gar nicht zitiert, denn ohne den würde der verschwörerische Drive nicht funktionieren:

Vermutlich würden wir einen Neandertaler nicht als solchen erkennen, wenn er uns über den Weg liefe,...
Und so bleibt, was ich schrieb: Nicht auf die Größe kommt es an. Die neuronale Vernetzung ist das Entscheidende.
 
Nicht auf die Größe kommt es an. Die neuronale Vernetzung ist das Entscheidende.
Das ist weiterhin nur eine Behauptung.

Wenn du damit auf einen Experiment mit dem NOVA1-Gen des Neandertalers in den Organoiden anspielst, der diese Synapsen-These beweisen sollte, so konnte dieser von anderen – u.a. von Svante Pääbo – nicht wiederholt werden.
 
Das ist weiterhin nur eine Behauptung.
Nein. Reizverarbeitung, Denken, Handeln, das alles läuft biochemisch in unserem Gehirnen und unseren Nervensystem ab, die neuronale Vernetzung spielt dabei die Hauptrolle. Und das ist messbar.

Wenn du damit auf einen Experiment mit dem NOVA1-Gen des Neandertalers in den Organoiden anspielst, der diese Synapsen-These beweisen sollte, so konnte dieser von anderen – u.a. von Svante Pääbo – nicht wiederholt werden.
Du scheinst dem Missverständnis anzuhängen, dass ich den Neandertaler für dümmer hielte als den HSS und dies mit dem Hinweis auf die Vernetzung geschrieben hätte. Aber dazu habe ich mit keinem Wort geäußert. Ich hatte dich jedoch bereits darauf hingewiesen, dass ich u.a. geschrieben hatte, dass man einen Neandertaler vermutlich auf der Straße gar nicht als solchen erkennen würde.

Ich meine, auch Neandertaler ging aufrecht, hatte sogar ein größeres Gehirn als HSS,
Vermutlich würden wir einen Neandertaler nicht als solchen erkennen, wenn er uns über den Weg liefe, vielleicht würden wir uns über ausgeprägte Gesichtszüge wundern. Vielleicht auch nicht.
Das größere Gehirn allerdings ist irrelevant. Wichtig ist die Synapsenvernetzung.

Was man allerdings sagen kann, ist, dass die Steinwerkzeugbearbeitung des Neandertalers wesentlich weniger filigran ist, als die des „Jetztmenschen“ im Paläo- und Mesolithikum.
 
Was man allerdings sagen kann, ist, dass die Steinwerkzeugbearbeitung des Neandertalers wesentlich weniger filigran ist, als die des „Jetztmenschen“ im Paläo- und Mesolithikum.

Daraus lassen sich allerdings keinerlei Rückschlüsse auf das Gehirn der Neandertaler ziehen. Man kann ja auch davon ausgehen, das unsere heutigen Gehirne von der Biologie her praktisch identisch mit denen der Menschen im Paläolithikum oder der Antike oder dem Mittelalter waren und wir spalten und fusionieren heute Atome und stellen Microchips mit Strukturgrößen im Nanometerbereich her.
 
Nein. Reizverarbeitung, Denken, Handeln, das alles läuft biochemisch in unserem Gehirnen und unseren Nervensystem ab, die neuronale Vernetzung spielt dabei die Hauptrolle. Und das ist messbar.
Ja, messbar bei uns, nicht bei den Neandertalern.

Du scheinst dem Missverständnis anzuhängen, dass ich den Neandertaler für dümmer hielte als den HSS und dies mit dem Hinweis auf die Vernetzung geschrieben hätte.
Die Größe des Gehirns im Verhältnis zum Körper wird als entscheidendes Kriterium für die Intelligenz eines Lebewesens angesehen. Es kann ja sein, dass es auch auf die Vernetzung ankommt, aber in Bezug auf Neandertaler können wir diesbezüglich keine Aussage machen.

Ich hatte dich jedoch bereits darauf hingewiesen, dass ich u.a. geschrieben hatte, dass man einen Neandertaler vermutlich auf der Straße gar nicht als solchen erkennen würde.
Das bezweifle ich – man müsste schon blind sein, um die Unterschiede nicht zu erkennen:

660px-Sapiens_neanderthal_comparison_de.png


Vergleich zwischen dem Schädel eines anatomisch modernen Menschen (links) und dem eines Neandertalers (rechts).

Quelle Wikipedia.
 
Das bezweifle ich – man müsste schon blind sein, um die Unterschiede nicht zu erkennen.

Der linke ist ein ziemlicher Durchschnittsschädel. Es gibt neben grazileren auch deutlich massivere.

Stell dir einen kräftigen Kerl vor, mit Haut und Haaren und du würdest nicht unbedingt einen Unterschied merken.
massiv.jpg
 
Ihr beide, @Stilicho und @dekumatland, irrt, denn sowohl der Schädel des abgebildeten Gewichthebers als auch der des Ron Perlmans in dem Film „Name der Rose“ sehen nicht annährend so aus wie auf dem Vergleichsbild azs Wikipedia dargestellt.

Jetzt könnt ihr weitersuchen und werdet vielleicht sogar fündig – als eine seltene Ausnahme, die man auf der Straße aber als solche erkennen würde.
 
Zurück
Oben