Repo schrieb:
Beim Begriff Nationalstaat liegst Du aber auf jeden Fall falsch.
http://de.wikipedia.org/wiki/Nationalstaat
(...)
Aber der Begriff "Nationalstaat" den Du hier nochmals verwendet hast, ist mit einer fast gegenteiligen Bedeutung besetzt. Ich will keineswegs den "Rechthaber" spielen, aber ich denke darauf muss schon Rücksicht genommen werden.
Warum sollte man auf die Definition, die bei wikipedia zum Begriff des "Nationalstaates" zu finden ist, Rücksicht nehmen müssen? Man kann unter dem Begriff des Nationalstaates durchaus etwas anderes verstehen als den Staat eines Volkes oder einer Ethnie. Im "Lexikon der Politik", herausgegeben von Hanno Drechsler, Wolfgang Hilligen und Franz Neumann, 9. Auflage, 1995, findet man zum Beispiel folgende Definition:
Nationalstaat ist ein "souveränder, nur sich selbst verantwortlicher Staat, in dem sich eine Gesellschaft politisch organisiert, die sich als Nation begreift oder als solche angesehen wird." Von einer einheitlichen
Ethnie oder einem staatstragenden
Volk ist dort nicht die Rede. Würde man dieses Kriterium zum wesentlichen Kennzeichen eines Staates erheben, dann wären die USA wohl kein Nationalstaat, obwohl sich fast jeder US-Amerikaner als Angehöriger der amerikanischen Nation versteht.
Im Prozeß der Dekolonialisierung Afrikas verstanden sich die verschiedenen Stämme, die in einer afrikanischen Kolonie zusammenlebten, häufig als eine "afrikanische Nation", die gegen ihre weißen Kolonialherren die Unabhängigkeit erkämpfte. Doch nach Erreichung dieser Unabhängigkeit wurde dieses Verständnis von einer Nation in vielen afrikanischen Staaten durch interne Konflikte um Macht, Geld, Ressourcen, etc. auf eine harte Probe gestellt.
Ethnische Konflikte spielten dabei durchaus eine Rolle. Doch
Collo hat bereits darauf hingewiesen, dass ausgerechnet Somalia, ein Land mit homogener Bevölkerung, als eines der ersten afrikanischen Länder auseinander gefallen ist. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich Länder wie Tansania, die von sehr vielen unterschiedlichen Stämmen und Völkern (über 130 Gruppen und Untergruppen) bewohnt werden, - für afrikanische Verhältnisse - als relativ stabil erwiesen haben.
Ich möchte mal auf folgendes hinweisen: Die Idee des Staates (Staatsvolk, Staatgebiet, Staatsgewalt) ist eine europäische Idee der Neuzeit. Diese wurde im Absolutismus ausgebildet und erlebte im Zeitalter der Nationalstaaten ihren Höhepunkt. Dem europäischen Altertum (polis, imperium) und dem Mittelalter (Reich, Königtum, Lehnsherrschaften, Stadtrepubliken - Personalverbände) war diese Idee unbekannt. Diese in Europa entwickelte und den europäischen Besonderheiten einer bestimmten Zeit Rechnung tragende Idee wurde im Rahmen der Kolonialisierung und Entkolonialisierung globalisiert.
In vielen "Staaten" Afrikas etablierten sich infolgedessen "Regierungen", die zwar nach außen hin den Anspruch erheben, ihren Staat zu vertreten. Im Innern wird jedoch das Leben der Bevölkerung - wie eh und jeh - durch Personenverbände und deren Chefs bestimmt. Das Geschick eines solchen Landes wird deshalb stark vom Verhältnis zwischen der Zentrale und den Clans betimmt:
- Unstabile Verhältnisse kommen vielen Clanchefs entgegen. Je weniger sich die Zentrale durchsetzen kann, desto größer ist der Einfluß der Clanchefs. Im Extremfall beherrschen Warlords das Land und der "Präsident" des Landes ist in Wirklichkeit so etwas wie der Oberbürgermeister der Hauptstadt.
- Versucht sich hingegen eine Zentrale gegen Clanchefs durchzusetzen, können diese diesen Machtkonflikt leicht "ethnisch" aufladen und so ihren Clan hinter sich sammeln.
- Befindet sich die Zentrale in der Hand von nur einem Clan, kann durchaus die Gefahr bestehen, dass dieser mit den Machtmitteln der Zentrale versucht, den Einfluss des eigenen Clans zu Lasten anderer Clans auszuweiten.
- Je größer die Clans im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung sind, desto stärker kann sich ein solcher Konflikt zwischen Zentrale und Clanchefs entladen. Unruhen, Bürgerkriege und Völkermordexzesse können die Folge sein.
- Je kleiner der Clan ist, desto größer lastet auf diesem der Druck, sich zu arrangieren. Verfügt er allerdings über starke Machtmittel (z.B. die der Zentrale) kann es ebenfalls zu Unruhen, Bürgerkriegen und Völkermordexzessen kommen.
Bei solch undurchsichtigen Verhältnissen kann sich ein Kontinent wie Afrika wirtschaftlich natürlich nur schwer entwicklen. Immerhin legen Investoren größten Wert auf stabile Verhältnisse. Solche Verhältnisse finden sie im asiatischen Kontinent, in dem zentrale Autoritäten aufgrund einer anderen kulturellen Entwicklung eine starke Bedeutung haben, sehr viele eher als in Afrika.